Filmfest 1232 Cinema
Zur Sache, Schätzchen ist eine deutsche Filmkomödie von May Spils aus dem Jahr 1968. Die weibliche Hauptrolle spielte Uschi Glas, die männliche Werner Enke. Der am 4. Januar 1968 uraufgeführte Film zählte zu den kommerziellen Erfolgen des „Jungen Deutschen Films“. Er beeinflusste die Umgangssprache, unter anderem mit Begriffen wie „fummeln“, „Dumpfbacke“ sowie „tüllich“ als umgangssprachliche Kurzform von „natürlich“. In den USA lief er unter dem Titel Go for it, Baby.
Dass Uschi Glas einmal in einer frechen, kleinen Komödie angefangen hat, in der die Protagonisten aus dem Rahmen der bürgerlichen Konventionen fielen, ist vielen noch bekannt. Aber es ist auch lange her, und sie hatte, befördert durch den Bekanntheitsgrad, den sie mit diesem Film von May Spils erlangte, gleich auch viel kommerziellere Rollen gespielt. Heute ist sie für ihre konservative Haltung bekannter als irgendeine andere deutsche Schauspielerin (bezogen auf 2015, als der Entwurf geschrieben wurde, auf dieses Jahr sind auch andere Zeitrelationen im Text bezogen). Fast fünfzig Jahre hat „Zur Sache, Schätzchen“ nun als einziges lustiges Exemplar des Neuen Deutschen Films eine Ausnahmestellung inne und ist heute ebensowenig einzuordnen wie zur Zeit seiner Entstehung, als er überwiegend negative Kritiken erhielt – die Rezensenten der klassischen Medien waren noch nicht auf das vorbereitet, was die radikaleren Filmemacher ihnen alsbald darbieten würden, sonst wäre ihr Urteil über diesen liebenswerten, kleinen Film milder ausgefallen.
Handlung
Martin lebt in München-Schwabing ziel- und sorglos in den Tag hinein. Er verdient sein Geld mit dem Texten von Schlagern für seinen Auftraggeber Block. Selbst ein Einbruch, den er zufällig beobachtet, interessiert ihn nicht sonderlich.
Erst sein Freund Henry überredet ihn, die Tat bei der Polizei zu melden. Auf dem Polizeirevier legt er jedoch eine solche Lustlosigkeit bezüglich der Aufklärung an den Tag, dass er selbst verdächtig erscheint. Dank der flotten Barbara, die er kurz zuvor kennengelernt hat, kann er aber zunächst entkommen; sie lenkt die Polizisten durch einen Striptease ab.
Später wird Martin gestellt, aber sein Verhalten hat sich nicht verändert. Vor den Augen des Polizisten, der ihn verhaften will, hantiert er gelangweilt mit einer Pistole, beteuert aber gleichzeitig, diese sei nicht geladen. Der verunsicherte Polizist feuert schließlich einen Schuss auf ihn ab, doch selbst das kann Martin nicht aus der Ruhe bringen. Er gratuliert dem Polizisten zu dessen Glück, dass es nur ein Streifschuss war.
Rezension
Spielerisch greift die Filmautorin May Spils hier die französische Nouvelle Vague auf und hat „Zur Sache, Schätzchen“ erkennbar an deren Hauptwerk „Außer Atem“ angelehnt, ironisiert ihn aber bereits und birgt ganz sicher nicht die Absicht, das Kino neu erfinden zu wollen, wie es Jean-Luc Godard und andere Autoren in Frankreich, später in Deutschland die Unterzeichner des Oberhausener Manifests von 1962 versuchten. Viele Filme der 1960er muten noch heute experimentell an und ihre Ansätze wurden im Mainstream-Kino so eingearbeitet, dass sie Massentauglichkeit erreichten – oder gingen verloren. Einen Film wie „Zur Sache, Schätzchen“ hat es in Deutschland nie wieder gegeben, auch wenn sich Spuren seiner flockigen Erzählweise ab den 1970ern in anderen Werken wiederfinden. Offenbar war das Ende einmal anders geplant und hätte angesichts des leichten Tons sicher eine knallige Pointe dargestellt: Nämlich, dass Martin von den Polizisten erschossen wird. Doch angesichts des Todesfalls Benno Ohnesorg im Juni 1967 hatte man sich umentschlossen, um „nicht die Wirklichkeit abzubilden“. Wie ein tragisches Ende zum Ton des Films gepasst und sich auf seinen großen Publikumserfolg ausgewirkt hätte, darüber darf man spekulieren – und wenn man das tut, liegt der Schluss nahe, dass es besser ist, wie es geworden ist.
„Man sollte endlich die Langeweile aus den Kinos vertreiben – denn das haben die Herren vom Jungen Deutschen Film bisher kaum geschafft“, sagte May Spils, die Regisseurin, zu ihrem ersten Langspielfilm, und vergaß nicht, darauf hinzuweisen, dass dies ein harmloser Spaß sei. In der Tat waren die frühen Filme der Oberhausener Manifest-Autoren und ihrer jungen Kollegen im Geiste oftmals sehr karge und schwer verdauliche Kost. In den 1960ern, weil die Medienrezeption der Allgemeinheit noch nicht bereit war für eine Form der Auseinandersetzung mit der Realität, welche viel innere Sicherheit und vielleicht auch eine gewisse äußere Sicherheit erfordert. Erst in den 1970ern öffnete sich ein weites Fenster, gleichzeitig veränderte sich aber auch der Neue Deutsche Film und wurde seinerseits massentauglicher.
Offenbar bestand 1968 schon eine gewisse Vorahnung, dass der in kurzer Zeit erwirtschaftete Massenwohlstand in Deutschland schwer zu verteidigen sein würde, denn wie sonst wäre die oft zu scharfe Reaktion unter den Konservativen auf „Zur Sache, Schätzchen“ zu verstehen? Mit dem Abstand von fast 50 Jahren kann man immer noch sagen, die meisten Menschen könnten froh sein, wenn sie etwas mehr von Martin hätten. Nicht, weil Nichtstun unbedingt erstrebenswert ist, denn dass es das nicht ist, lässt der Film durchaus ahnen, und auch, dass man sich nicht das ganze Leben lang mit Pseudophilosophie behelfen kann, wenn das erwachsen werden ausbleibt. Die Selbstironie, die „Zur Sache, Schätzchen“ innewohnt und beim Blick der Regisseurin auf ihre Figuren sehr deutlich wird, die hat man aber 1968 nicht recht zu entschlüsseln gewusst, denn es gab damals kaum etwas wie Selbstironie in Deutschland. Ihre Implementierung wirkt auch eher wie aus dem britischen New Cinema als von der Nouvelle Vague entliehen. Was nicht bedeuten soll, die NV hätte keine Komödien hervorgebracht. Selbst Godard hat u. a. mit „Eine Frau ist eine Frau“ (1961) daran mitgewirkt, dass lockere Pseudophilosophie Kino werden durfte und dass ein Film nicht spektakulär enden muss, um im Gedächtnis zu bleiben, wurde damit auch bewiesen. Aber der Witz von „Zur Sache, Schätzchen“ ist eindeutig mehr britisch. Oder norddeutsch (May Spils stammt aus Bremen).
Erstaunlich in dem Zusammenhang, wie sie die Schwabinger Sommeratmosphäre mit diesem eher norddeutschen Witz verknüpft und dabei ein schönes Zeitbild liefert, das sich gerade aus der Ironisierung ergibt. Alles in diesem Film wirkt lichtdurchflutet. Selbst die anfängliche Nachtszene, in der Einbrecher einen Fernsehhändler ausrauben und Martin dies mit maximaler Teilnahmslosigkeit beobachtet, wirkt nicht kriminalistisch düster. Vielleicht kommt dieser Eindruck auch daher, dass man weiß, wie der Film weitergeht. Das Setting im öffentlichen Schwimmbad oder in der kleinen Bude von Martin ruft außerdem bei Menschen unserer Generation Assoziationen an die eigene Jugend oder Studentenzeit wach, ein individuelles Bewusstsein, das dabei hilft, den Film zu mögen, weil er schöne Erinnerungen weckt. „Zur Sache, Schätzchen“ hat heute unzweifelhaft einen Nostalgiefaktor. Nicht nur, weil es Filme wie dieser nicht zu einem Subgenre innerhalb der Komödie gebracht haben, sondern auch, weil die Zeit der einsetzenden, von materiellen Sorgen kaum tangierten Freiheit, die er skizziert, längst vorbei ist. Ob er selbst schon darauf hinweist, dass dieser Zustand nicht für immer sein wird? Kritiker haben das behauptet, aber im Grunde ist es eine Selbstverständlichkeit, denn vom Moment der maximalen Sorglosigkeit aus muss jede Entwicklung zu mehr Realitätssinn und Verantwortung führen – oder dazu, dass irgendwann der Frust über die verlorenen Perspektiven den Spaß am lustigen Lotterdasein überwiegt. Deswegen wirken auch die Alt-68er am zufriedensten, die sich in die Institutionen vertschüsst haben, bevor die Nachteile ihres Lebensstils zu sehr an ihnen zu zehren begannen. Immerhin hat das in den Institutionen zu einem gewissen Umdenken geführt.
Martin und die anderen in „Zur Sache, Schätzchen“ sind aber auch keine Revoluzzer, sondern junge Leute, die sich ausprobieren und versuchen, mit Worthülsen Geld zu machen. Eine weitere Ironie in diesem Film, diese Heraushebung der Sprache aus den üblichen Sinnzusammenhängen, die Erstellung einer eigenen Semantik, um zum Nachdenken über die konventionelle Sprachverwendung anzuregen. Vielleicht ist dies der ungewöhnlichste Ansatz des Films, mehr als das gezeigte Szenario der „Gammler“, wie man Jugendliche mit einer freiheitlichen Einstellung zu regelmäßiger Arbeit in den 1960ern, als sie aufkamen, nannte. Damals gab es sie in Wirklichkeit noch gar nicht, wie die Vollbeschäftigung jener Jahre, die auch durch die Minikrise 1966/67 noch nicht endete, eindeutig belegt. Kein Wunder, dass Gammler und politisch aktive Studenten dann mehr oder weniger gleichgesetzt wurden, denn die Studenten waren in der Tat (unter den über 18jährigen Männern) die einzigen, die, wenn auch selbstverständlich und per Status, keinem Broterwerb nachgingen.
Finale
Warum wir während des Anschauens von „Zur Sache, Schätzchen“ nicht immer gleichermaßen begeistert waren, sondern Lieblingsmomente en und solche, die wir nicht exzeptionell fanden, liegt vermutlich an der veränderten Medienrezeption, die sich im Lauf der Jahre ergeben hat Mancher Gag wirkt eben heute nicht mehr so originell, in diesem doch recht zeitgebundenen Film, dessen Regisseurin sicher nicht die Ewigkeitswirkung ihres Humors als ihr oberstes Ziel erkannt hatte. Manchmal ist es die Situationskomik, manchmal die Sprache, die ein wenig bemüht wirkt. Niedlich geradezu die sexuelle Komponente, über die sich die professionellen Filmbeobachter mit am Meisten aufgeregt haben, obwohl 1968 schon absehbar war, dass die Sexwelle ganz andere Darstellungen als dieses beinahe schülerhaft wirkende Fummeln hervorbringen würde, das wir schmunzelnd abhaken können als einen Ausdruck von Freiheit und Experimentierfreudigkeit, der längst in der allgemeinen Sexualisierung des Alltags untergegangen ist. Die Unbefangenheit und Neugier, verbunden mit ein wenig Scham und Unsicherheit, die sind leider auch längst Vergangenheit, dank Frühaufklärung und AIDS.
„Zur Sache, Schätzchen“ hat das Verdienst, dass er bis heute deutsche Komödien inspiriert, indem er Typen installiert hat, deren mehr oder weniger alternative Lebensentwürfe heute gängig sind und für Komik sorgen, indem sie immer wieder einer „Normalwelt“ gegenüber gestellt werden können. Denn die gibt es auch 50 Jahre nach diesem Aufbruchfilm, die Normalwelt. Und sie setzt sich viel aggressiver gegen alle abweichenden Entwürfe durch als in jener Aufbruchzeit.
75/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
| Regie | May Spils |
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| Drehbuch | Werner Enke |
| Produktion | Peter Schamoni |
| Musik | Kristian Schultze |
| Kamera | Klaus König |
| Schnitt | Ulrike Froehner |
| Besetzung | |
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