Nato – gut oder schlecht? (Umfrage + Kommentar)

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Das Fest des Friedens und der Freude steht bevor. Dass trotzdem eine Umfrage zur Nato an diesem letzten Adventsonntag herausgegeben wird, sagt einiges über unsere Zeit aus. Es ist nicht einmal taktlos, sondern eher kennzeichnend für das, was unser Denken bestimmt.

Zum Beispiel, dass wir kaum jemanden kennen, der auf allgemeiner Ebene das Jahr 2024 nicht beschissen fand. Persönlich kann es natürlich anders gelaufen sein. Möchten Sie schon abstimmen? Dann hier der Link:

NATO: Gut oder schlecht?

Wir meinen, es könnte eine gute Idee sein, erst den Begleittext von Civey zu lesen und auch unseren Kommentar, sonst hätten wir diesen Artikel nicht verfasst:

Die NATO wurde 1949 von zwölf europäischen und nordamerikanischen Staaten gegründet. Die Bundesregierung bezeichnet sie auf ihrer Webseite als „Verteidigungsbündnis und Wertegemeinschaft”.  Wichtigstes Prinzip sei die kollektive Verteidigung, wonach die mittlerweile 31 Mitgliedstaaten vereinbart haben, „sich [im Konfliktfall] gegenseitig zu schützen.” Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investiert. Letztes Jahr haben elf Staaten das Ziel erreicht, dieses Jahr werden es laut NATO-Angaben 18 sein.  

„Die NATO ist und bleibt die Grundlage für unsere gemeinsame Sicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks.” Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November beim Antrittsbesuch des neuen NATO-Generalsekretärs Mark Rutte in Berlin. Scholz betonte die Notwendigkeit, in die Bereitschaft der Streitkräfte zu investieren. Gerade in Kriegszeiten sei das Bündnis unverzichtbar, um den Bedrohungen Russlands entschlossen entgegenzutreten und die territoriale Integrität der Mitgliedstaaten zu sichern. Für Scholz ist die NATO nicht nur eine militärische Allianz, sondern ein Symbol gemeinsamer Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die es zu schützen gelte. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstrich jüngst laut FAZ die Notwendigkeit der NATO für die Sicherheit des Landes und forderte daher höhere Verteidigungsausgaben. 

AfD-Co-Chef Tino Chrupalla kritisiert die zu starke Ausrichtung der Allianz auf die USA und stellt die deutsche NATO-Mitgliedschaft infrage. „Eine Verteidigungsgemeinschaft muss die Interessen aller europäischen Länder akzeptieren und respektieren, also auch die Interessen von Russland. Wenn die NATO das nicht sicherstellen kann, muss sich Deutschland überlegen, inwieweit dieses Bündnis für uns noch nutzbringend ist“, sagte Chrupalla jüngst der Welt. Die Linke fordert seit Jahren die Auflösung der NATO. Nach Ansicht der ehemaligen Co-Chefin Janine Wissler führe die Allianz „völkerrechtswidrige Kriege“ und sei kein Sicherheitsgarant. Gegenüber der dpa bezeichnete sie die NATO-Osterweiterung als Fehler und Teil der „Vorgeschichte des Ukraine-Krieges“.

Kommentar

Natürlich, weil die AfD es anders sieht und die Linke auch, stimmt a.) die Hufeisentheorie und b.) ist es Quatsch. So werden die Unbedarften vermutlich denken. So denken im Moment 72 Prozent der Abstimmenden, um es zugespitzt auszudrücken. Wir greifen bewusst nicht auf unseren letzten Artikel zur Sache zurück, denn die Umfrage gab es in ähnlicher Form schon einmal, auch damals hatte sie einen Bezug zum Ukrainekrieg. Wir haben neutral gestimmt. Wir sind gerade nicht so affin, das  hat auch mit Donald Trump zu tun. Sie haben vielleicht gehört, dass er gefordert haben soll oder es tun will oder darüber nachdenkt, letztlich ist das bei ihm  ja meist identisch, ein Verteidigungsbudget von fünf Prozent des jährlichen BIP von allen Mitgliedsstaaten zu fordern. Die USA sind mit etwa vier Prozent mit am dichtesten dran, also für ihn kein Problem, wenn er noch eine Schippe auf das ohnehin mit Abstand größter Verteidigungsbudget – bei den USA müsste man eher sagen: Kriegsbudget – draufpacken will.

In Deutschland sieht es aber anders aus, und selbst, was Kommentatoren spekulieren, man am Ende bei 3 bis 4 Prozent herauskäme, wäre das haushaltstechnisch in Deutschland eine Katastrophe. In diesem Lichte finden wir auch das Wirken von Boris Pistorius mittlerweile fragwürdig, denn ihm käme das wohl gerade recht, anstatt, dass er darauf verweisen würde, dass er die Bundeswehr so effizient gemacht habe, dass man es mal bei 2 Prozent belassen kann.

Es ist alles ein verdammt großes Geschäft, für die Rüstungskonzerne, vor allem natürlich für die amerikanischen. Es geht in erster Linie um Wirtschaftsförderung, das darf man bei den aberwitzigen Billionensummen, die hier für die gesamte Nato im Raum stehen, nicht vergessen. Keine Bedrohung auf der Welt kann so groß sein, dass sie es erfordert, dass die Nato, die sowieso ein höheres Wehrbudget hat als der Rest der Welt zusammen, dieses nun verdoppelt oder mehr als das.

Womit man den Menschen doch Angst machen kann. Natürlich stellt Russland in seinem jetzigen Status eine Gefahr dar, wer wollte das noch ernsthaft bestreiten? Aber anstatt, dass man kluge gemeinsame Strukturen schafft, die auch ohne eine aberwitzige Ausweitung der Rüstungsausgaben die Verteidigungsfähigkeit ermöglichen, wird vor allem das Geschäft gefördert, und natürlich auch Spaltungspolitik betrieben. Trump will austesten, wer so viel Mut hat, ihm bei solchem Irrsinn nicht zu folgen. Und diejenigen, die meinen, er sei ein Guter, weil er den Krieg in der Ukraine zugunsten Russlands beenden will, blenden die Tatsache einfach aus, dass er Staaten wie Deutschland in die Überrüstung treiben will, was natürlich negativ auf alle wichtigen Zukunftsprojekte durchschlagen wird. Ohne Kürzungen an vielen Stellen, dort, wo es ans Eingemachte geht, wird dann auch ohne Schuldenbremse und mit neuen Sonderschuldenbergen für die Bundeswehr nicht mehr zu hantieren sein. Da können sich Merz & Co. schon eimal freuen, denn eine solche Entwicklung macht maximnal unbeliebt bei einer Bevölkerung, die nur minderheitlich die Zusammenhänge erkennt.

Historisch, auf die Zeit nach der Wende beschränkt, ist die Nato ein wirklich cleveres Projekt. Die Wertegemeinschaft bröckelt zwar, aber die Waffenbeschaffungsmaschine funktioniert, mit dem Ukrainekrieg als Schmiermittel. Die Chance, dass die Welt friedlich werden könnte, hat man aktiv vereitelt, indem Nato-Länder sich überall eingemischt und für Chaos gesorgt haben, Gelegenheiten zur Verständigung in den Wind geschlagen und die Schwäche anderer nach der Wendezeit ausgenutzt haben, anstatt einmal in der Geschichte faire Politik zu machen. Dies wiederum führte dazu, dass die Nato aktuell nicht überflüssig ist, sondern den Zweck hat, die Schäden der eigenen Politik mit gemeinsamer Überrüstung der Mitgliedsstaaten scheinbar beheben zu wollen. Das wird aber nicht funktionieren oder eben unsinnig sein. Denn konventionell kann die Nato nicht von einem einzelnen Land wie Russland besiegt werden, auch nicht, wenn ein paar andere heimlich oder offen helfen, es sei denn, alle in Europa stellen sich wirklich maximal deppert bei der Verteidigung an. Hatte man übrigens nicht drei Jahre Zeit, seit der Ukrainekrieg begann, um die Strukturen zu verbessern? Was ist geschehen, in Sachen schlagkräftiger Integration der europäischen Streitkräfte? Nicht viel, lieber wird immer mehr auf nationaler Ebene gerüstet.

Wenn hingegen jemand die Nerven verliert und auf den Atomknopf drückt, dann kommt es nicht mehr darauf an, wer vorher wie viel konventionell gerüstet hat.

Das ist nun sehr pointiert, aber die Geschichte hätte anders laufen können, da haben die Kritiker sehr wohl recht, auch wenn sie von rechts kommen. Über die imperialistische Politik, für die auch die Nato ein Vehikel darstellt, muss offener gesprochen werden, nicht nur in kleinen Kreisen. Es kommt nie etwas von nichts, das gilt auch für die aktuelle Sicherheitslage. Das alles war absehbar, und wenn man ein wenig zugespitzt denkt, kann man auch sagen, darauf wurde gezielt hingearbeitet. Darauf, dass der Nato-Generalsekretär nun wieder eine wichtigere Persönlichkeit ist als irgendein Staatschef in Europa und vor sich oder über sich nur den US-Präsidenten hat. Und wenn der US-Präsident ein Fiesling ist, der seine Macht voll ausspielt, dann ist die Nato ein Instrument, mit dem er die Europäer an die Kandarre legen kann wie nie zuvor in der Geschichte.

Deswegen sind wir, schon bevor Trump wiedergewählt wurde, schrittweise auf die Meinung eingeschwenkt, dass Deutschland eine eigene Atomverteidigung braucht. Damit dieses Spiel endlich aufhört, diese Erpressbarkeit wenigstens die militärische Seite verliert. Es ist schlimm genug, dass Deutschland auch wirtschaftlich von Donald Trump so gut vorgeführt werden kann, weil es auf den Export in Länder wie die USA besonders angewiesen ist.

Im Grunde müsste die Trennlinie erst einmal durch die Nato verlaufen, bevor man pauschal wieder sagt, sie sei eine gute Sache. Sie wird von den USA dominiert, und wenn die Europäer sich von Trump in die Ecke drängen lassen, dann ist die Nato keine gute Sache. Die erste Maßnahme, sie wieder dazu  zu machen, wäre daher, endlich eine eigenständige europäische Machtposition aufzubauen, die für mehr Gleichgewicht innerhalb der Nato sorgt. Das heißt auch, Grenzen bei den Militärausgaben setzen, ob die USA das gut finden oder nicht. In Europa steht über eine Million Menschen unter Waffen, das sollte wohl bei vernünftiger Taktik und Strategie ausreichen, um Angriffe abzuwehren, denn ein echter Krieg gegen die Nato würde auch die Invasion in Nato-Länder beinhalten, und dann käme es auf diese Truppen so an, wie das jetzt in der Ukraine unter ungleicheren Verhältnissen der Fall ist. Nur ein bisschen Propaganda und Cyberkrieg würden nicht ausreichen.

Das Allerwichtigste aber, und da hält die Nato überhaupt keine Aktien und wirkt auch nicht fördernd: Die westlichen Demokratien müssen endlich ein Auge darauf haben, dass sie nicht im Inneren an ihren Widersprüchen scheitern, sonst ist die Nato nur ein Militärbündnis zur Erhaltung der Macht der USA. Dass man sie als Hebel gegen die Europäer einsetzen kann, sieht man ja gerade, alle zittern schon vor Trump, bevor er noch ins Amt zurückgekehrt ist. Das gefällt ihm und uns bringt es auf die Palme, weil wir diese Form von Abhängigkeit, die auf Erpressungsfähigkeit beruht, weder zwischenmenschlich noch politisch akzeptieren. Wir möchten eine Welt der wirklich Freien und so weit wie möglich Gleichgestellten sehen. Die Nato trägt in ihrem Zustand nicht dazu bei, diesen Gedanken zu fördern.

Da die Bescherung dank einer miserablen Weltpolitik nun aber engerichtet ist, ist die Nato natürlich auch notwendig, weil nur sie die Strukturen hat, um eine Abwehr zu koordinieren, während die Europäer unter sich es nicht leisten könnten, obwohl sie zusammengenommen im konventionellen Bereich Russland überlegen wären, auch ohne die USA.

Beim letzten Mal hatten wir noch mit vorsichtig positiv abgestimmt, aber angesichts der neuesten politischen Entwicklungen muss man befürchten, dass die Bundeswehr nun  hochgerüstet wird, koste es was es wolle – und am Ende doch kein hinreichender Schutz vorhanden sein wird, weil die supranationalen Strukturen nicht genug entwickelt sind und außerdem die USA gerade mal keinen Bock haben, den Atomschirm aufzuhalten, wenn es Raketen und Drohnen regnet, wenn Trump und seine Gesinnungsgenossen dort das Sagen haben. Das Problem wird sich möglicherweise auch nicht in vier Jahren erledigt haben, die man mal irgendwie aussitzen muss, wie man es hierzulande ja so gerne tut. Ein Tump-Nachfolger aus der Maga-Ecke könnte genauso weitermachen. Dann wäre es um Europa äußerst mager bestellt und die Nato würde mehr oder weniger nur noch auf dem Papier existieren. Allein, dass ein solches Szenario mittlerweile denkbar ist, muss uns dazu veranlassen, die Nato höchstens noch neutral zu bewerten.

TH


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