Briefing Gesellschaft, Weihnachtszeit, Weihnachten, Weihnachtsbaum, Nachhaltigkeit
Im vergangenen Jahr hatten wir eine komplette Artikelserie zum Konsum an Weihnachten gepostet. Gut, dass wir diesen Ansatz nicht wiederholt und weiterentwickelt haben. Selbstverständlich war es ein kritischer Ansatz. Eine Umfrage kurz vor dem 24. Dezember darf aber sein:
Begleittext von Civey
Konsum und Nachhaltigkeit sind kontroverse Themen zur Weihnachtszeit. Dem RND zufolge finden jährlich rund 21 Millionen Weihnachtsbäume den Weg in deutsche Wohnungen. Laut Umweltbundesamt stammen diese oft aus riesigen Monokulturen. Meist kommen dabei umwelt- und gesundheitsschädliche Pestizide zum Einsatz. Einige werden zudem unter unfairen Arbeitsbedingungen erzeugt.
Alternative Weihnachtsbäume sind aber auch umstritten. In den USA sind etwa künstliche Bäume aus Plastik beliebt. Der Verband Natürlicher Weihnachtsbaum kritisiert, dass Plastikbäume Erdöl benötigen und häufig aus weit entfernten Regionen wie China stammen. Durch die lange Anreise hätten Plastikbäume laut der Naturschutzorganisation Robin Wood eine schlechtere CO₂-Bilanz als echte Bäume.
Eine Alternative zum klassischen Baumkauf ist der Kauf oder Verleih eines Baums mit Wurzeln im Topf. So kann er laut dem Ideenportal Smarticular nach den Feiertagen in der Natur wieder eingepflanzt werden. Aber auch diese Variante sieht Robin Wood kritisch, da es dabei „keine Anwachsgarantie“ gebe. Es wird daher empfohlen, beim Baumkauf auf einen ökologischen Anbau aus regionaler Produktion zu achten.
Kommentar
Wir haben mit „eindeutig ja“, also für den Verzicht, gestimmt. Das war aber einfach, weil wir seit dem Auszug aus dem Elternhaus nie einen Weihnachtsbaum in der Wohnung hatten. Allenfalls weitgehend wiederverwendbaren Adventsschmuck. Wir sind natürlich dieses Mal nicht bei der Mehrheit, 56 Prozent der Menschen lehnen den Weihnachtsbaumverzicht rundweg ab. Bei manchen ist der Grund natürlich die übliche Obstruktion gegen jedes Nachdenken über globale Notwendigkeiten, aber wir haben auch einen Grund gefunden, gegen das Abschaffen des Weihnachtsbaums zu tun. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Wir meinen, am Ende dieses Jahres, das uns von vielen als wirklich beschissen geschildert wird, vor allem natürlich auf allgemeiner Ebene, persönliche Wechselfälle und positive Ereignisse halten sich ja oft die Wage, am Ende eines Jahres, das viele aber wegen äußerer Einflüsse sehr gestresst hat und das sozusagen mit einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt zur Neige geht, würden wir unser eigenes Stimmverhalten nicht unbedingt weiterempfehlen wollen.
Jetzt ist nicht die Zeit, die Dinge, die noch gehen, zu kicken und damit für weiteren emotionalen Stress in der Familie zu sorgen, wenn man sie nun einmal gewohnt ist. Wir trennen jetzt auch nicht die üblichen Fortschrittsverweigerer von jenen, die einfach nur geschützt werden sollten gegen noch mehr Veränderungsstress. Wir können die Hintergründe des Abstimmungsverhaltens nicht ermitteln.
Aber wenn der Weihnachtsbaum einen positiven, atmosphärischen Effekt hat, wenn er zum Familienritual gehört, inklusive dem Schmücken, dann meinen wir, es kann 2024 so bleiben Wir empfehlen natürlich nicht generell die Wiedereinführung für Menschen, die schon etwas weiter sind bzw. waren, aber selbst da gibt es Abweichungsfälle. Die 21 Millionen Weihnachtsbäume, die jedes Jahr allein in Deutschland getötet werden, um ein paar Tage lang im Lichterglanz erstrahlen zu dürfen, erinnern uns immer wieder an Hans Christian Andersens passendes Märchen dazu. Wenn uns unsere Erinnerung nicht trügt, wollte ein Baum, der ein seiner Ansicht nach langweiliges Leben im Wald führte, so gerne, wie andere Bäume, lieber als Schiffsmast um die Welt segeln, bis er von jenem Lichterglanz vernahm, mit dem einige Bäume ausgestattet wurden und wie sie der Mittelpunkt des Weihnachtsfestes waren. Tatsächlich wurde er auserwählt, schön, wie er war (und jung natürlich, zu klein für einen Segelmast) und geschlagen, um als Weihnachtsbaum zu dienen. Es waren natürlich tolle Tage, doch bald fielen ihm die Nadeln ab, er wurde auf den Dachboden verfrachtet, stand einsam und welk vor sich hin und hatte nur noch Mäuse zur Gesellschaft. Und dann wurde er kleingehackt und als Feuerholz verwendet. So ist das mit der kurzlebigen Pracht der Welt.
Wir haben das Märchen jetzt nicht nachgelesen, obwohl wir das von der Mutter ererbte, wunderschön aufgemachte Andersen- Buch aus den 1950ern hier stehen haben, aber der Text hatte uns als Kind stark beeindruckt und, wie das bei Andersens Märchen grundsätzlich der Fall ist, ein erstes Gefühl für Vergänglichkeit und den Sinn der Dinge gegeben. Als das Märchen entstand, war der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer auch noch eine sehr neue Erfindung, sollte man vielleicht erwähnen, noch nicht in so vielen Ländern und in allen Bevölkerungsschichten verbreitet wie heute.
Gerade in diesem Jahr ist das Nachdenken über den Sinn und die Vergänglichkeit unbedingt empfehlenswert, gleich ob mit oder ohne Weihnachtsbaum als Anschauungsobjekt. Gleichwohl ist dieses Jahr eine Verzichtsmentalität noch schwieriger zu implementieren, wenn man darin nicht geübt ist, das verstehen wir sehr wohl. Wir wollen ja nicht, dass noch mehr Leute die AfD wählen, nur, weil wir jetzt auch noch den Weihnachtsbaumverzicht nahelegen. Okay, ein bisschen Ironie muss auch sein, anders sind diese Zeiten ohnehin nicht mehr zu ertragen. Ein Weihnachtsbaum würde daran auch nichts ändern, das ist die andere Seite der Medaille, wenn man die Dinge einigermaßen nüchtern und realistisch betrachtet.
Wir lehnen uns mit diesem Artikel auch ein wenig zurück, lassen los, schieben die Aggressionen weg, die der Lauf ebenjener Dinge immer wieder auslöst, haben gestern schon weitgehend unsere Weihnachtspost erledigt. Wir haben zudem einen Trauerfall in der Familie, wie er bei gegebenem Alter der Person nicht ungewöhnlich ist, aber auch zu diesem Jahr passt, das ein Jahr der Abschiede ist. Im Allgemeinen ein Abschied von vielen Gewissheiten oder die bisherige Apotheose des Abschiedsreigens, der seit Corona nicht aufhört, sich zu drehen, und da passt das Persönliche gut rein. Auch wenn Letzteres etwas Natürliches ist und Ersteres von Menschen in ihrem Unverstand und sogar böswillig verschuldet wird.
Wir verbinden unser Abstimmungsverhalten in Sachen Weihnachtsbaum also einmal nicht mit einer Empfehlung, zumal es nur indirekt um einen politischen Tatbestand geht. Wir wünschen Ihnen aber noch nicht Frohe Weihnachten. Vielleicht werden wir es gar nicht tun, weil wir die Feiertage sogar nutzen wollen, um Rückstände bei unseren Publikationen abzuarbeiten und weitere Artikel zumindest vorzubereiten. Oder? Na gut: Frohe, friedliche Festtage für Sie und einen guten Start ins Jahr, falls wir uns nicht zuvor noch einmal beim Schreiben und Lesen treffen.
TH
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