Briefing Klima Umwelt Energie, Energiewende, Windkraft, Solarenergie, Photovoltaik, Zubau, Rückbau, Dunkelflaute, Atomkraft, europäisches Energienetz, fossile Brennstoffe, Sonderlage, Vorsorge, Resilienz
Vor ein paar Tagen war viel von der Dunkelflaute die Rede, der gegenwärtige Energiemix spiegelt auch einige Probleme beim Ausbau der Erneuerbaren. Aber wie ist der Stand der Dinge insgesamt? Was ist Unsinn, der immer wieder verbreitet wird, und wie sehen die Fakten aus? Die Fakten könnten besser sein, aber insgesamt ist die Energiewende ein Erfolg, das zeigt sich deutlich – und damit zu den Fakten.
Windkraft
- Der Ausbau der Windenergie hat sich nach einem starken Jahr 2017 (5,3 GW Zubau) deutlich verlangsamt.
- Zwischen 2019 und 2021 stagnierte der Zubau bei etwa 1–2 GW jährlich.
- Seit 2022 nimmt der Ausbau wieder leicht zu und erreichte 2023 einen Zubau von 2,5 GW.
Das absichtliche Loch, dass die Gas- und sonstigen Fossile-Energien-Lobbyisten in der Merkel-Regierung beim Aufbau der Windenergie absichtlich gerissen haben, konnte die Ampelregierung nicht ausgleichen. Auch 2024 wird der Gesamtausbau bei 2,4 bis 2,5 Gigawatt liegen.
Allerdings sind größere Offshore-Windparks bereits genehmigt, in der Planung, im Bau. Wir erwarten deshalb für 2025 eine Steigerung des Zubaus.
Solarenergie
- Der Ausbau der Solarenergie zeigt eine kontinuierlich steigende Entwicklung.
- Im Jahr 2017 wurden 1,7 GW neu installiert, während der Zubau bis 2023 auf 6,0 GW anstieg.
- Nie zuvor wurden in Deutschland mehr Solaranlagen installiert als im Jahr 2023.
Im Jahr 2024 beträgt der Ausbau bisher nicht weniger als 15,2 Gigawatt, das ist eine Steigerung um etwa 150 Prozent gegenüber dem ohnehin guten vergangenen Jahr.
Während die Windkraft die Ziele deutlich unterschritten hat (2,4 anstatt 6 Gigawatt), sind sie beim Solarausbau sogar übertroffen worden (15,2 Gigawatt gegenüber 13 Gigawatt gemäß Planung). Das macht leider trotzdem ein Gesamtminus von 1,4 Gigawatt – dabei läuft der Ausbau bei den Erneuerbaren im Vergleich zu anderen Sektoren geradezu hervorragend. Insbesondere der Verkehr und die Gebäude werden ihre Energieziele bis 2030 bei Weitem nicht erreichen.
Dass man die Sektorenziele abgeschafft hat, wäre nur dann ein guter Trick gewesen, wenn die Power beim Ausbau der Erneuerbaren verfehlte Ziele auf anderen Sektoren hätte ausgleichen können, das ist aber nicht der Fall und wäre in dem Maße, in dem sich die Rückstände anhäufen, auch nicht möglich, zumindest nicht bei nationaler Betrachtungsweise.
Wer sich nun wundert, warum die Windkraft trotz des geringen Ausbaus so stark in der Diskussion steht und kaum jemand sich über immer neue gigantische Solarpanelfelder aufregt – es ist etwas anders. Die Windkraft muss vor allem onshore komplizierte Genehmigungsverfahren durchlaufen, bis mal irgendwo in der Landschaft ein Windrad errichtet werden darf, während bei der Solarenergie auf private Initiative plus staatliche Förderung von sehr vielen kleinen Anlagen gesetzt wird. Und diese Kombination scheint ein voller Erfolg zu sein.
Vermutlich werden, wie schon 2023, auch 2024 wieder über eine Million neuer Solaranlagen ans Netz gehen, davon knapp die Hälfte sogenannte Balkon-Solaranlagen:
Im vorigen Jahr wurden über eine Million neue Solaranlagen installiert. Das ist mehr als jemals zuvor. Im ersten Halbjahr 2024 sind bereits etwa 516.000 neue Solaranlagen mit rund 7,6 GW Leistung in Betrieb gegangen.
Das Solarpaket I macht es noch einfacher für Nutzerinnen und Nutzer – egal, ob große oder ganz kleine Anlagen. Und es wirkt: Bis einschließlich Mai wurde das Zubauziel bei PV für 2024 von 88 GW bereits erreicht. Ende Juni betrug die Leistung aller 4,3 Millionen installierten Solaranlagen mehr als 90 GW.
Balkon-PV ist ein Hit: Bis Ende Juni 2024 kamen 220.000 neue Balkonkraftwerke hinzu. Im vergangenen Jahr wurden rund 500.000 neue Anlagen registriert. (…)
Künftige Ziele: Ab 2026 soll mehr als dreimal so viel Solarenergie zugebaut werden wie bisher. Bis 2030 sollen in Deutschland Solaranlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von 215.000 MW (215 GW) auf Dächern installiert und auf Freiflächen aufgestellt sein. Quelle: So läuft der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland | Bundesregierung
Anteil der Erneuerbaren am Strommix
- 2021: 43,8 %
- 2022: 48,4 %
- 2023: 53,3 %
- 2024: 61,5 % (erstes Halbjahr)
Einen Haken gibt es im Jahr 2024. Die sehr hohe Steigerung des ersten Halbjahres wird sich nicht durchhalten lassen, das zeigen neueste Zahlen. Aktuell liegt der Anteil der Erneuerbaren deutlich unter dem von 2023. So etwas kann passieren, wenn das Wetter so extrem sonnenarm ist wie im Spätherbst 2024 und außerdem eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Windflaute herrscht. Wir gehen davon aus, dass der Gesamtanteil an Erneuerbaren im Jahr 2024 zwischen 55 und 57 Prozent liegen wird. Es geht also etwa im bisherigen Tempo mit der Steigerung des Anteils voran, nicht wesentlich schneller, wie die Zahl des ersten Halbjahres es suggeriert, die die Bundesregierung veröffentlicht hat; einen neueren Stand gibt es auf deren Informationsseite noch nicht.
An dem Tag, an dem dieser Artikel geschrieben wird, liefert Kohle den größten Anteil an allen Energieträgern, die Strom erzeugen. Aber auch dies ist eine Momentaufnahme, der Anteil der Erneuerbaren wird bei günstigen Wetterlagen weiter steigern. Ein Problem macht die aktuelle Situation allerdings deutlich: Da die Entwicklung von Speichersystemen immer noch hinterherhinkt, kann man die Erneuerbaren so viel ausbauen, wie man will, bei besonderen Wetterlagen müssen andere Energieträger zusätzlich für die Stromerzeugung sorgen. Man kann noch nicht in guten Zeiten „vorproduzieren“ und eine Vorratsspeicherung für die Konstellation betreiben, dass sowohl Windkraft- als auch Solaranlagen kaum Strom liefern. Normalerweise wären Atomkraftwerke die erste Wahl, um solche Lagen abzufedern, aber produzieren in Deutschland nicht mehr, also müssen schädliche Fossilbrennstoffe verfeuert werden, um Strom zu generieren – und es muss Strom aus dem Ausland zugekauft werden. Auch Atomstrom natürlich, wenn er im europäischen Energienetz gerade angeboten wird. Womit sich in der Tat die Frage stellt, ob es klug war, zum gegebenen Zeitpunkt vollkommen aus der Atomenergie auszusteigen.
Daran sind aber nicht die Erneuerbaren schuld, die an manchen Tagen im Jahr 2024 den gesamten Energieproduktionsbedarf in Deutschland bereits decken konnten, sondern eine wieder einmal signifikant sorglose Vernachlässigung von Sonderlagen, wie wir sie gerade sehen. Ein typischer Fall von mangelnder Resilienz und Notfallplanung, wie er hierzulande auf vielen Gebieten zu beobachten werden, die gesamtgesellschaftlich und politisch gestaltet werden, was Fragen aufwirft, die über die Energiewirtschaft hinausgehen.
Natürlich kann man immer irgendwo Strom zukaufen, solange das europäische Energienetz nicht dem zunehmenden Nationalismus zum Opfer fällt. Die Panikmache vor massiven Stromausfällen in Deutschland aus Gründen des Energiemangels ist derzeit unbegründet. Eher muss man damit rechnen, dass es zu dem einen oder anderen Sabotageakt kommen wird, der für kurz- und mittelfristige Ausfälle sorgt.
Aber man hat bei Engpässen in der Energieerzeugung wenig Möglichkeiten, den Strommix nach Wunsch zu gestalten. Man muss nehmen, was zu vernünftigen Preisen verfügbar ist, und das ist nicht immer der ethisch hochwertigste oder CO2-ärmste Strom.
Außerdem sieht man an der Grafik, die wir haben erstellen lassen, dass wir beim Ausbau der Erneuerbaren weiter sein könnten, wenn nicht insbesondere in der letzten Legislaturperiode der Amtszeit von Angela Merkel der Ausbau der Windkraft so gebremst worden wäre, und dass es immer noch schwierig ist, die Inbetriebnahme neuer Anlagen wieder in Schwung zu bringen. Dass es nicht schneller geht, hat auch mit einem Phänomen zu tun, das jede Technik erreicht, die von der ersten in die zweite Generation wechselt: Es werden auch alte Anlagen zurückgebaut, in diesem Jahr gingen dadurch 0,8 Gigawatt verloren (3,2 GW Zubau minus 0,8 Rückbau/Abbau = ein Plus von 2,4 GW).
Die „Zeit“ hat stets einen aktuellen Überblick über die Zubauziele für Solar- und Windenergie: Energiemonitor: Die wichtigsten Daten zur Energieversorgung – täglich aktualisiert | ZEIT ONLINE.
Dort können Sie auch das Mittel aktueller Gas- und Strompreise und den Spritpreis einsehen und mit den Preisen vergleichen, die Sie gerade zahlen. Exklusive regionaler Unterschiede, die man bedenken muss.
TH
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