Briefing Klima, Umwelt, Gesellschaft, Klimageld, CO2-Steuer, Grüne, FDP, CDU, SPD, Solarenergie, Windkraft
Wir hatten gestern überlegt, ob wir etwas Öl ins Feuer gießen sollen mit der Umfrage, ob man den Weihnachtsmann geschlechterneutral umbenennen soll, wir hatten aber ein anderes Anliegen, das uns wichtiger war, natürlich ging es auch dort um Gesellschaftspolitik.
Klimapolitik ist auch kein Ponyhof, in Deutschland. Aber wenn wir in doofen Zeiten wie diesen, in denen so vieles auf der Strecke bleibt, zwischen dem Gendern des Weihnachtsmannes und einer fortschrittlichen Klimapolitik wählen müssten, würden wir uns für die fortschrittliche Klimapolitik entscheiden. Zu dieser gehört auch ein sozialer Ausgleich, speziell in Zeiten, in denen die Menschen in Deutschland tendenziell ärmer werden, wie wir gestern gelesen haben. Im Moment ist de Klimapolitik für Verbraucher teuer, daran besteht kein Zweifel. Es gibt keinen Strom für den Preis, zu dem er bei den erneuerbaren Energien eigentlich kosten sollte oder müsste, wenn man den Erzeugerpreis-Vergleichstabellen folgt. Nicht einmal annähernd ist dies der Fall. Und es gibt weitere Kosten der Nachhaltigkeit, die besonders für Menschen mit geringem Einkommen schwer zu stemmen sind. Sie verbrauchen aber auch viel weniger CO2 als jene, die buchstäblich auf großem Fuß leben, und das ist die Idee hinter dem Klimageld: Diejenigen, die die Umwelt weniger belasten, dafür zu belohnen oder für die Kosten zu entschädigen, die vor allem von den Reichen verursacht werden.
Dazu gibt es heute die passende Umfrage:
Klimageld für Geringverdiener einführen?
Begleittext von Civey
Letzte Woche wurden die offiziellen Wahlprogramme der Parteien für die kommende Bundestagswahl bekannt gegeben. Die Grünen setzen auf einen bezahlbaren und sozialverträglichen Klimaschutz. Konkret versprechen sie etwa die zeitnahe Einführung des Klimageldes. „Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück“.
„Damit klimafreundliche Alternativen für alle Menschen erschwinglich werden, wollen wir in Zukunft Förderprogramme weiter ausbauen und durch soziale Staffelung insbesondere auf Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zuschneiden“, heißt es im Grünen-Wahlprogramm. Um dies zu ermöglichen schließt die Partei auch Schulden nicht aus. Sie argumentieren, dass Investitionen in den Klimaschutz eine Generationenaufgabe sei, die „teilweise auch über Kreditaufnahme finanziert werden sollte“.
Eigentlich war diese Zahlung bereits im Ampelkoalitionsvertrag festgeschrieben, wurde aber nie umgesetzt. Dem Handelsblatt nach scheiterte dies am Fehlen einer technischen Möglichkeit zur Auszahlung an jede einzelne Bürgerin und jeden Bürger. Anfang dieses Jahres gab der ehemalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) zudem mit Verweis auf die schwierige Haushaltslage und seinen Sparkurs bekannt, dass keine weiteren Gelder zur Verfügung stünden, um die Einnahmen des CO2-Preises wie geplant pro Kopf weiterzugeben. Insofern würden die Einnahmen „für die Förderung von Heizungen, Gebäudesanierung, grüner Stahlproduktion, Ladesäulen für E-Autos” eingesetzt.
Kommentar
Das hätten wir gerne einmal verifiziert gesehen, dass Lindner die Einnahmen aus der CO₂-Besteuerung tatsächlich zweckgebunden für grüne Projekte umsetzt. Außerdem stammt von ihm auch das Argument, das Klimageld sei technisch nicht umsetzbar. Wenn das Handelsblatt derlei aufnimmt, ist das dessen Sache, wir halten dieses Argument für Unsinn. Der Staat zahlt viele Leistungen an viele Menschen aus, warum sollte das beim Klimageld nicht möglich sein? Bei Steuerzahlenden könnte man es überdies mit den Steuern verrechnen. Auf dem Steuerbescheid ist ebenso die Bezugsgröße direkt sichtbar, das Einkommen. Im Grunde ist es ein negativer „Soli“, der geringer wird, je höher das versteuerbare Einkommen einer Person ist. Für Transferempfänger, die eine Pauschale erhalten, würde auch ein pauschales Klimageld in die Bescheide eingebaut werden können. Es würde also mehrere Wege der Auszahlung geben, ohne dass man dafür neue administrative Strukturen aufbauen müsste, das Gleiche gilt für Rentner:innen usw.
Fazit: Die FDP-Strategen haben das Klimageld so lange verschleppt, bis sie auf die Haushaltslage verweisen konnten.
Interessant ist die Abstimmungslage. Wir haben selbstverständlich klar für das Klimageld gestimmt, und wir haben den Grünen angelastet, dass sie sich gegen die Neoliberalen-Radikalen auch zusammen mit der SPD nicht durchsetzen konnten. Immer dort, wo es wirklich um Erleichterungen für viele geht, wird gegenüber den Kapitalistenvertretern am leichtesten nachgegeben. Das fällt bei den Grünen schon lange auf und deswegen wählen wir sie auch nicht. Wir sind uns sicher, sie hätten, anders als die SPD, in einer Koalition mit der CDU unter Angela Merkel auch nicht den Mindestlohn durchgesetzt.
Wir können schon aus sozialen Gründen vor einer schwarz-grünen oder gar Jamaika-Koalition nur eindringlich warnen. Wenn Sie Grün wählen, wählen Sie auch Friedrich Merz, denn Rot-Grün wird es nicht geben (außerdem ist es auch keine Gewähr für Gutes, siehe die Ära Schröder, die von der FDP sabotierte Ampel betrachten wir ja immer gesondert).
Und Sie erinnern sich vielleicht daran, dass die FDP 2017 die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ. Nicht, weil die Grünen so widerspenstig gegenüber der neoliberalen Agenda gewesen wären, sondern weil die Kanzlerin sich nicht komplett über den Tisch ziehen ließ.
Wussten Sie andererseits, dass die FDP noch vor der Gründung der Grünen die erste Partei war, die sich den Umweltschutz aufs Panier schrieb und sogar der Ansicht war, dass der Umweltschutz kosten darf? Das waren Zeiten. Das waren die 1970er. Da war die BRD noch ein Land mit positiven Aussichten.
Und damit zurück zu den Grünen und der Union. Glauben Sie ernsthaft, die Grünen können das Klimageld mit Merz umsetzen? Das wird nicht stattfinden. Deswegen gilt die obige Warnung, und sie gilt darüber hinaus für den Klimaschutz insgesamt, wenn der künftige Kanzler schwadroniert, man könne die Windräder ja sicher bald wieder abbauen, weil sie eine Übergangstechnologie seien. Vielleicht sind sie das sogar, aber Friedrich Merz und die meisten von uns werden nicht mehr leben, wenn sie durch etwas Besseres ersetzt werden, das ebenfalls klimaschützend ist. Insofern ist das Meiste eine Übergangstechnologie von einer industriellen Revolution bis zur nächsten.
Aber Merz kann sich freuen, denn beim Ausbau der Windkraft liegt die Ampelregierung unter Plan, während sie beim Solarausbau überraschend gut ist. Daran merkt man auch, dass die Solarindustrie nicht so kontrovers ist, denn dieser Ausbau geht in ziemlicher Stille vonstatten. Insgesamt gibt es aber leider ein Defizit von ca. 4 Gigawatt Ende 2024, gegenüber den Zielen von 2030 bzw. dem Punkt, an dem wir jetzt stehen müssten, um sie zu erreichen.
Umso wichtiger ist das Klimageld, damit die Kosten für den forcierten Ausbau, der notwendig ist, nicht vor allem jene hart treffen, die am wenigsten Energie verbrauchen und trotzdem mit den gegenwärtig hohen Preisen und anderen Kosten, die sich durch die Transformation ergeben, am meisten gefordert sind. Wenn sie zum Beispiel die oben angesprochene Lade-Infrastruktur mitbezahlen, obwohl sie sich weder ein Elektroauto leisten können oder wollen, noch überhaupt Auto fahren, sondern ökologisch korrekt Fahrrad und ÖPNV, muss es dafür einen Ausgleich geben.
Es hat uns ein wenig überrascht, dass zwar 44 Prozent der Abstimmenden klar für das Klimageld sind, jedoch 33 Prozent ebenso klar dagegen (die Umfrage ist noch sehr frisch, aber in der Regel verschiebt sich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr so viel, zu dem wir diesen Artikel verfassen).
Unter den Neinsager:innen müssten auch viele potenzielle Klimageldempfänger sein. Aber klar, es kommt von den Grünen und es hat mit Klimapolitik zu tun, das geht gar nicht. Ein klassisches Beispiel dafür, wie Menschen gegen ihre eigenen Interessen votieren, aus reiner Biestigkeit. Mit jenen, die „eher dagegen“ sind, summieren sich die Ablehnenden auf immerhin 40 Prozent.
Trotzdem ist das Klimageld mehrheitsfähig. Kein Grund, es einzuführen, wie bei so vielen klugen Dingen, die von einer Mehrheit unterstützt werden würden. Aber man kann es ja mal wieder ins Wahlprogramm schreiben, obwohl es damit unter besseren Voraussetzungen schon nicht geklappt hat, als wir sie in der nächsten Bundesregierung sehen werden. Das ist zwar kein Grund, dagegen zu sein, mehrt aber den Verdruss über mannigfaltige Politikversprechen im Vergleich zu dem, was in diesem Land wirklich passiert.
TH
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