Filmfest 1241 Cinema – Werkschau Charles Chaplin (7)
Tango Tangles (auch Tango Tangle oder The Tango Tangle, Alternativtitel: Charlie’s Recreation) ist ein Slapstick-Kurzfilm aus dem Jahr 1914. Der Schwarzweiß–Stummfilm zeigt mit Charlie Chaplin (im Smoking und ohne Bärtchen), Roscoe Arbuckle und Ford Sterling drei Stars der frühen Keystone-Studios-Filme.[1]
Wie ist es mit dem verflixten siebten Film, den Charles Chaplin gedreht hat? Er ist nicht besonders chaplinesk, weil ihm der Tramp fehlt. Aber gerade einige Filme der nächsten Jahre ohne diesen gehören zu den besten Slapstick-Kurzfilmen von Chaplin, wie „Ein Uhr nachts“, der erste Film von ihm, der aktuell von den IMDb-Nutzer:innen eine Bewertung von 7/10 erhält, alle älteren Werke liegen darunter. Darin spielt er einen wohlhabenden Mann, der betrunken nach Hause kommt und sich mit der Tücke verschiedener Objekte herumzuschlagen hat. Wie der Nicht-Tramp in dem zwei Jahre zuvor entstandenen „Tango Tangle“ klarkommt, steht in der – Rezension.
Handlung[2]
Ein erheblich angetrunkener junger Mann betritt einen Maskenball und flirtet mit dem Garderobenmädchen. Dieses hat aber bereits zwei eifersüchtige Verehrer, den Bandleader und den Klarinettisten der Tanzband. Als der junge Mann das Garderobenmädchen auf die Tanzfläche führt, entwickelt sich eine vorwiegend körperlich ausgetragene Auseinandersetzung um die junge Dame.
Tango Tangles ist eine US-amerikanische Kurzfilmkomödie aus dem Jahr 1914 mit Charles Chaplin und Roscoe Arbuckle in den Hauptrollen. Die Handlung spielt in einem Tanzsaal, in dem sich ein betrunkener Chaplin, Ford Sterling und der riesige, bedrohliche und akrobatische Arbuckle um ein Mädchen streiten. In den Nebenrollen sind außerdem Chester Conklin und Minta Durfee zu sehen. Der Film wurde von Mack Sennett für Keystone Studios geschrieben, inszeniert und produziert und von der Mutual Film Corporation vertrieben.[3]
In Tango Tangles tritt Charlie Chaplin ungeschminkt und mit seinem üblichen Schnurrbart, Schlabberhosen und übergroßen Schuhen auf. Der Film wurde in einem Tanzlokal gedreht, ohne dass es ein formales Drehbuch gab. Mack Sennett schrieb 1954 in seiner Autobiografie King of Comedy über den improvisierten Charakter von Tango Tangles: „Wir nahmen Chaplin, [Ford] Sterling, [Roscoe] Arbuckle und [Chester] Conklin mit in einen Tanzsaal, ließen sie los und richteten eine Kamera auf sie. Sie machten lustig, und das war’s.“ Tango Tangles war das letzte Mal, dass Ford Sterling und Chaplin im selben Film auftraten. Sterling hatte beschlossen, Keystone zu verlassen, wo er den größten Teil seines Ruhms als Chef der Keystone Cops erlangt hatte. (Q 3)
Rezension
Die Beschreibung in der englischen Wikipedia ist falsch. Charles Chaplin ist in dem Film ganz normal angezogen, ähnlich wie sein Rivale, der Bandleader. Und er trägt eben keinen Schnurrbart, das ist wirklich eine Besonderheit. Im wahren Leben tat Chaplin das auch nicht, aber man sieht auch, warum das Bärtchen zwischen Nase und Oberlippe so wichtig war: Sein Gesichtsausdruck wirkt ohne ihn zwar auch komisch, aber nicht so liebenswert, sondern unterstreicht eher die manchmal gar nicht so liebe Ausstrahlung der frühen Tramp-Auftritte von Chaplin. Da er in „Tango Tangle“ aber nicht den Tramp gibt, reiht er sich mehr oder weniger in die Reihe der beiden anderen Komiker ein, die wir sehen, Roscoe Arbuckle und Ford Sterling.
The movie publication Bioscope wrote of Tango Tangles, „Jealousy in a dance room ends in a fight which is engaged by the dancers, musicians and attendants.“
Another reviewer in The Cinema wrote, „The ballroom is soon converted into a battlefield which results in this Keystone being a real scream.“[4]
Eine richtige Saalschlacht entsteht eigentlich nicht, die Balgerei beschränkt sich im Wesentlichen auf den Zweikampf zwischen Ford Sterling und Charles Chaplin und am Ende sitzen beide erschöpft auf dem Boden der Garderobe und bieten jeweils dem andren den Sieg und das Mädchen an, nachdem sie sich gegenseitig mit den Kleidern beworfen haben, die in der Garderobe aufgehängt waren.
(…) Sennett was behind the camera for Tango Tangles, which mainly features Sterling and Arbuckle, with an out-of-costume Chaplin stuck on the sidelines. Chaplin, fresh faced and appearing, uncomfortably, sans makeup, looks every bit the bland romantic lead type of the period. Tango Tangles was filmed at the Venice Dance Hall and stars Minta Durfee (Arbuckle’s wife at the time) as the much fought over hat-check gal. Despite his handsome looks and awkward exposure, Chaplin does a convincing drunk again, albeit briefly. Arbuckle, perhaps surprising to contemporary audiences, is quite athletic, despite his girth. In this, Arbuckle prefigures the equally athletic (and even more rotund) Oliver Hardy.[5]
Damit haben wir noch eine Besonderheit des Films entdeckt: Mack Sennett, der Eigner des Keystone-Studios führt hier erstmals in einem Chaplin-Film auch Regie. Für mich schwer festzustellen, ob er sich vom Stil der übrigen damaligen Regisseure unterscheidt – mit Ausnahme von Henry Lehrman, der auch selbst auftrat und zu Chaplin ein so angespanntes Verhältnis hatte, dass Chaplin selbst später kolportiert hat, Lehrman habe ihn so „geschnitten“, dass er, Chaplin, in den gemeinsamen Filmen nicht gut wegkam. Zumindest sagte Chaplin das über seinen allerersten Film „Making a Living“, in dem er mit Lehrman zusammen zu sehen ist.
Auch von „Tango Tangle“ sind verschiedene Versionen im Netz zu sehen, die unterschiedliche Länge aufweisen. Den Stand der Dinge stellen gegenwärtig diejenigen dar, die etwa 14 Minuten Spielzeit haben. Man sollte sich unbedingt die längstmögliche Version anschauen, weil sie flüssiger wirkt, auch Szenen enthält, die in den kürzeren und vermutlich älteren Varianten nicht zu sehen sind.
Wer den Eindruck hat, der Film sei improvisiert, der liegt richtig, wie sich aus dem richtigen Teil der Beschreibung der englischen Wikipedia herauslesen lässt. Ein anderer Kritiker merkt an, dass es wohl gar nicht anders ging, wenn man so schnell produzieren wollte und hält fest, dass der siebte Film von Chaplin nur einen Monat nach dem ersten herauskam. Das bedeutet, wenn man Pausen nicht berücksichtigt, eine Geschwindigkeit von weniger als fünf Drehtagen pro Film.
As for „Tango Tangles“ well there is no Little Tramp in this short just a clean shaven Charlie at a dance where slightly tipsy he flirts with a costume girl who just happens to already have a couple of admirers leading to a slapstick fight. Unlike some of Chaplin’s earlier movies this is very much a movie with a script as well as a director with a vision of what he wanted. And that certainly makes a difference as whilst those movies which appear to be made up on the spot highlight Chaplin’s natural comedic talent this has a story which is simple enough to follow.
But having said that of course with any Chaplin movie you are watching for his comical creativity and he doesn’t disappoint despite having shed his usual character. But what stands out is that Chaplin has an equally talented supporting cast which seems him tangling wonderfully with Ford Sterling who at times steals the movie from him and the always entertaining Roscoe ‚Fatty‘ Arbuckle.
What this all boils down to is that „Tango Tangles“ is an entertaining early example of Charlie Chaplin playing someone other than the iconic Little Tramp. But it is a movie where at times Chaplin is over shadowed by Ford Sterling whose comic abilities sweep the carpet from underneath the great actor.[6]
Bei diesem Film scheint es ein gewisses Rezeptionsproblem zu geben, denn irgendetwas stimmt zuweilen nicht. Vermutlich hatte der Film eben doch kein Drehbuch, wenn Originalaussagen das belegen, er hatte aber auch keinen Tramp, während Chaplin wiederum keinen „Supporting Cast“ gehabt haben dürfte, da Ford Sterling und Roscoe Arbuckle damals noch die größeren Stars waren und der Film deren Duo-Momente ebenso in den Vordergrund rückt wie Chaplins Solo mit dem Garderobenmädchen.
Ich finde den Film ziemlich ausgeglichen, mit einem gewissen Nachteil für Arbuckle, obwohl dieser dann auch kurzzeitig in die Balgerei eintritt. In anderen Dingen würde ich der obigen Meinung zustimmen: Ich finde den Film einen Tick flüssiger und versierter als die bisher gesehenen der ganz frühen Chaplin-Zeit, und ich würde auch sagen, dass Ford Sterling hier Chaplin mindestens ebenbürtig ist. In diesem Fall spielt allerdings der Geschmack eine Rolle, auch wenn Sterling und Chaplin hier einander nicht nur aufgrund der Kleidung, sondern auch stilistisch ähnlicher wirken als bei anderen gemeinsamen Auftritten. Damit ist der Vergleich allerdings zu Ende, denn Sterling wechselte im Anschluss das Studio bzw. machte sich selbstständig.
Finale
Wer Chaplins ikonischen Tramp sucht, der wird hier nicht fündig werden. Wer studieren will, wie Chaplin seine Komik schreittweise entwickelte, allerdings schon. Die Rauferei ist die intensivste und am besten ausgeführte innerhalb des „Zyklus“ der ersten sieben Filme von ihm. Sie enthält auch keine Übergriffigkeiten gegenüber Frauen oder grobe Fouls, wenn man von dem üblichen Ein-Bein-Stellen etc. absieht, das zum Saalkampfstil wohl dazugehört. Deswegen ist das Unentschieden am Ende auch gerecht. Da Chaplin die Frau, mit welcher er zwischenzeitlich tanzt (wie konnte sie von ihrer Garderobe weg?) eher im Stil eines trotzigen Eroberers und robusten Ballsaalakrobaten als eines romantischen Verehrers bewegt, ist es auch nicht schade, dass die beiden am Ende leer ausgehen. Aber es ist nett ironisch auf einem basalen Niveau, das trotzdem erkennen lässt, dass man ein wenig Rhythmus und Schwung in die Haudrauf-Komik bringen kann. Deshalb gehe ich etwas höher als die IMDB-Nutzer:innen, die durchschnittlich nur 5/10 vergeben. Allerdings tue ich das bei den meisten dieser frühen Filme von Charles Chaplin, weil ich ihre historische Bedeutung und natürlich die rudimentäre Filmindustrie von damals berücksichtige.
Auch hier eine schnelle Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Beitrags Ende 2024: Mittlerweile haben wir die dritte US-Chronologie „Ein Film, ein Jahr, von Beginn an“ gestartet, die im Wechsel mit Chaplin- und Keaton-Filmen vorangetrieben wird. Auch 1914 gab es schon künstlerisch geschlossenere Werke als die früühen Chaplin-Komödien und man war gerade beim abendfüllenden Spielfilm angekommen (für das Jahr 1914 haben wir beispielsweise „The Squaw Man“ rezensiert).
57/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2023)
| Regie | Mack Sennett |
|---|---|
| Drehbuch | Mack Sennett, Charlie Chaplin |
| Produktion | Mack Sennett |
| Kamera | Frank D. Williams |
| Besetzung | |
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[3] Tango Tangles – Wikipedia (englisch)
[4] Tango Tangles – Wikipedia (englisch)
[5] CHAPLIN AT KEYSTONE, PART ONE | 366 Weird Movies
[6] Tango Tangles (1914) starring Charles Chaplin, Ford Sterling, Roscoe ‚Fatty‘ Arbuckle, Chester Conklin, Minta Durfee directed by Mack Sennett Movie Review (themoviescene.co.uk)
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