Briefing Wirtschaft, Bauindustrie, Bauinvestitionen, Wohnungsbau, Wohnungsmangel, Ineffizienz, Produktivität, Arbeitskosten
Langsam kommen wir wieder ins Laufen, unsere Info-Artikel betreffen. Gestern Ernährung, heute Bauwesen, also alles, was wichtig ist.
Deutschland ist in Europa Spitze bei den Bauinvestitionen – das weist die folgende Statista-Grafik aus und wir werden es sicher nicht unkommentiert lassen:
Infografik: Bauinvestitionen – Deutschland ist europäische Spitze | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
ein anderes Land in Europa investiert so viel in bauliche Anlagen wie Deutschland. Die Bauinvestitionen der Bundesrepublik lagen 2023 bei rund 487 Milliarden Euro und damit nochmals fünf Prozent über dem Vorjahreswert. Andere große Volkswirtschaften wie Frankreich und das Vereinigte Königreich liegen indes deutlich darunter. Die Grande Nation kommt auf Bauinvestitionen von rund 358 Milliarden, das Inselkönigreich liegt bei 316 Milliarden Euro. Auch im Vergleich zu 2022 macht Deutschland den größten Sprung, wie die Statista-Grafik mit Eurostat-Daten zeigt.
Mit 35 Prozent wird der Großteil der deutschen Investitionen vom Bauhauptgewerbe erbracht, das Ausbaugewerbe folgt mit 29 Prozent. Während die Investitionen in den Wohn- und Nichtwohnbau seit 2020 wieder schrumpfen, verweilt der Tiefbau weiterhin auf einem hohen Niveau. Das liegt vor allem an einer Vielzahl an Aufträgen aus dem öffentlichen Sektor. Dieser macht rund 80 Prozent aller Tiefbauinvestitionen aus. Nachdem der Markt jahrelang die Verkehrsnetze vernachlässigt hat, ist nun eine Trendwende zu beobachten. Insbesondere die Deutsche Bahn AG, die vom Bund deutlich mehr Geld für Investitionen erhält, hat Mitte des Jahres 2023 mehrere Großaufträge am Markt platziert.
Wir haben es überschlagen: Auch wenn man es auf die Einwohnerzahl umrechnet, liegt Deutschland vor Frankreich und Großbritannien, wenn auch nicht mehr so deutlich wie in absoluten Zahlen, bei den Niederlanden sieht es aber schon anders aus, dort sind die Investitionen pro Einwohner etwas höher. Der Umkehrschluss liegt leider auf der Hand: Wie schlecht muss es 2023 in anderen Bereichen ausgesehen haben, wenn die Bauinvestitionen um fünf Prozent anstiegen, es aber insgesamt zu einer Rezession kam? Alles geht derzeit zulasten der Produktion, sowohl das verstärkte Bauen als auch die sogenannten konsumptiven Ausgaben, die ebenfalls weiter steigen.
Außerdem geht es auf dem Bau dort nicht voran, wo es für die Menschen eben auch wichtig wäre: Beim Wohnungsbau. Hier hat die Bundesregierung auf ganzer Linie versagt. Es ist immer das Gleiche: Dort, wo man Investitionen problemlos öffentlich beauftragen kann, ist im Ernstfall etwas zu steuern, aber dort, wo man geschickt mit Hebeln operieren muss und auch mal Widerstände beseitigt werden müssen, wie bei der Bevorzugung und Ausführung des öffentlichen Wohnungsbaus zulasten von Privatinvestoren, die für die Mehrheit der Bevölkerung viel zu teuer bauen, sieht es anders aus und es zeigt sich, dass die Politik keine Gestaltungskraft hat. Beim Tiefbau dürfte vor allem der Ausbau des Glasfasernetzes eine Rolle spielen. Wir haben in Berlin Straßen, die sind innerhalb von fünf Jahren aus unterschiedlichen aufgerissen worden. So kann man natürlich auch Bauinvestitionen erzeugen. Von Koordination keine Spur, und so dürfte es bei vielen Projekten aussehen.
Die deutsche Bauindustrie prunkt auch gerne mit ihrem Erfolg im Ausland (International – Die Deutsche Bauindustrie), aber wenn man die Inflation herausrechnet, sind die Zuwächse in den letzten fünfzehn Jahren eher bescheiden gewesen – und es gibt noch ein Problem: Durch Auslandsaufträge entstehen in Deutschland höchstens ein paar Abeitsplätze in der Verwaltung der Bauunternehmen, bestenfalls noch bei Zulieferern, in der Hauptsache aber dort, wo gebaut wird. Bei 468 Milliarden Euro Bauumsatz in Deutschland sind knapp 40 Milliarden Auslandsaufträge im Jahr 2023 auch nicht so viel, selbst, wenn man mitrechnet, dass bei deutschen Projekten auch ausländische Unternehmen zum Zuge kommen. In den vergangenen Jahrzehnten hatten mehrere große deutsche Bauunternehmen erhebliche Probleme und sind teilweise nicht mehr am Markt, das merkt man natürlich.
Auch nicht uninteressant: Dass die deutsche Bauindustrie eine geringere Produktivität aufweist als diejenige anderer westeuropäischer Länder (ex UK, das nicht in die Betrachtung eingeflossen ist) – das verteuert Aufträge natürlich, weil mehr Arbeitskräfte eingesetzt werden müssen als in anderen Ländern, um sie bei gleicher Größenordnung durchzuführen. Zum Glück sind wiederum die Arbeitskosten in Deutschland nicht so hoch, wie Arbeitgeber es gerne suggerieren, sie liegen im westeuropäischen Mittefeld. Die Steigerungsrate ist allerdings in den letzten Jahren höher gewesen als in den meisten anderen Ländern. Nicht die deutschen Zahlen haben uns in dem Zusammenhang erstaunt, sondern diejenigen von Ländern, die trotz hoher Inflation überall in Europa offenbar die Preise pro Arbeitsstunde offenbar seit zwölf Jahren Jahren annährend auf dem gleichen Niveau halten können (der Vergleich betrifft hier die Jahre 2023 und 2012). Alle Fakten entstammen der oben verlinkten Quelle.
TH
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