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Wenn Sie uns lesen, sind Sie natürlich auch politisch interessiert. Und was wäre interessanter, als jetzt schon zu wissen, wie die Bundestagswahl in 40 Tagen ausgegangen ist? Es gibt viele Umfragen, darauf kommen wir noch zu sprechen – und den Versuch einer Prognose, der im Folgenden dargestellt ist.
Wie geht die Bundestagswahl 2025 aus?#

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Mindestens acht Meinungsforschungsinstitute fragen potenzielle Wähler:innen regelmäßig, wem sie ihre Stimme geben würden, wenn am nächsten Sonntag die Bundestagswahl wäre. Die Ergebnisse sind fester Bestandteil der Wahlberichterstattung. Dabei können selbst kleine Schwankungen zu großen Schlagzeilen werden. Aber wie akkurat sind die Ergebnisse dieser Umfragen?
Bei Infratest dimap, verantwortlich für den ARD-Deutschlandtrend, lag die SPD zehn Tage vor der Bundestagswahl 2021 mit 26 Prozent ziemlich nah an den am 26. September 2021 erreichten 25,7 Prozent. Kurz vor dem Urnengang waren die Ergebnisse der Sonntagsfrage also ziemlich präzise. Das sah wenige Wochen früher noch ganz anders aus. So lagen die Sozialdemokraten noch Anfang August mit 18 Prozent hinter den Grünen auf Platz drei. Ähnlich sieht der Befund auch für die Forschungsgruppe Wahlen und Forsa aus.
Es gibt indes auch Prognosen, die schon deutlich früher Ergebnisse liefern wollen, die nah an der Realität sind. Da ist zum Beispiel Vorcast.org, dessen Gründer Malte Meissner für sein Modell neben den Daten der Meinungsforschungsinstitute weitere Faktoren wie eine Regressionsprognose (u. a. auf Grundlage von Wirtschaftsdaten), die langfristige Parteineigung und Wahlmüdigkeit in seine Vorhersage einfließen lässt. Dazu heißt es auf vorcast.org: „Vorcast ist ein Vorhersagemodell für die Bundestagswahl, das präziser und weniger verzerrt ist als Wahlumfragen.“
Und wie geht die Bundestagswahl 2025 nun laut Vorcast aus? Die CDU landet bei 30,9 Prozent. Während das etwa den aktuellen Umfragen entspricht, schneidet die SPD mit 17,4 Prozent deutlich besser ab. Für die AfD reicht es dagegen nur für den dritten Platz. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass die FDP hier einigermaßen ungefährdet den Sprung über die 5-Prozent schafft.
Wir stellen diesem Forecast, wie es korrekt heißen muss, wenn man nicht alles zu Denglisch verballhornt, den aktuellen Wahltrend gegenüber, wie er auf Dawum zu sehen ist.
| CDU/CSU |
|
30,4% | (−0,7) |
| AfD |
|
19,9% | (+1,1) |
| SPD |
|
15,9% | (−0,3) |
| Grüne |
|
13,6% | (±0) |
| BSW |
|
5,2% | (±0) |
| FDP |
|
4,0% | (+0,4) |
| Linke |
|
3,2% | (−0,1) |
| Freie Wähler |
|
1,8% | (−0,1) |
| Sonstige |
|
6,0% | (−0,3) |
Wir haben uns nicht mit der Art befasst, wie der Forecast erstellt wird, aber was sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl? Wäre heute die Bundestagswahl, nicht am 23.02.?
Einstweilen wollen wir uns nicht darüber streiten, ob die Union 30,4 oder 30,9 Prozent einfahren wird, ein gutes Ergebnis wird wohl kaum herauskommen, wenn man bedenkt, wie alles auf die Union zuläuft, wie günstig die Lage für sie ist. Bei der SPD ist der Unterschied schon erheblicher, und zwar zu ihren Gunsten, wenn man den Forecast heranzieht. Bei den Grünen sieht es genau umgekehrt aus, sie werden laut Forecast nur knapp zweistellig, was bedeutet, sie verlieren hier 3,3 Prozent gegenüber dem Mittel der aktuellen Umfragen. Vielleicht ist der Ersteller des Forecasts FDP-Wähler, denn er suggeriert deutlich, dass die Ultra-Neoliberalen in den nächsten Bundestag einziehen werden, dass also eine Stimme für sie nicht verschenkt ist.
Dass die Linke etwas besser abschneidet als im Durchschnitt der Umfragen, hat hingegen keine Relevanz, sie wird die Fünf-Prozent-Hürde so oder so nicht schaffen. Ebenso wie das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sogar 0,2 Prozentpunkte hinter ihr landen soll, während es nach dem Umfragentrend knapp drin wäre (5,2 Prozent). Das ist ein erheblicher Unterschied, der vor allem taktisch orientierte Wähler:innen bezüglich FDP und BSW beeinflussen kann.
Und wir sollen ja taktisch wählen, um die Demokratie zu stärken, das wird allenthalben empfohlen (wir werden uns dieses Mal wohl sogar zähneknirschend daran halten). Allerdings ist die große taktische Frage, ob man die Union stärken möchte oder die Grünen oder die SPD gerne als starkes Korrektiv hätte. Nach dem Forecast darf man die Grünen nicht aus taktischen Gründen wählen, weil sie zu schwach dazu sind, sondern muss auf die SPD setzen. Um dies fortzuspinnen: Der Forecaster könnte also auch SPD-Wähler sein. Man weiß es nicht so genau, aber eine Partei haben wir auffälligerweise noch nicht besprochen: Die AfD.
Glauben Sie, die AfD wird am 23.02. nur etwas mehr als 16 Prozent einfahren? Wir haben uns schon vor dem jüngsten Auftrieb die Zahlen für verschiedene Bundesländer angeschaut (nach den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen) und kamen damals gesamt deutsch auf 18 bis 19 Prozent, was damals auch den bundesweiten Umfragen entsprach. Wir hoffen, es werden keine 20 bis 22 Prozent werden, aber 16,4 Prozent halten wir für sehr niedrig gegriffen. Genau wie die 10,3 Prozent bei den Grünen. Offenbar soll das Ergebnis, das wir oben sehen, einen gewissen Sensations-, aber auch Manipulationswert haben, nämlich die Parteien stärken, die gut abschneiden. Der AfD-Parteitag, der gerade stattfand und der ein großes Medienevent war und auf dem Alice Weidel eine Wende gehalten hat, die von vielen als Selbstentlarvung apostrophiert wurde, ist in den Umfrageergebnissen und vermutlich auch in der Darstellung des Forecasts noch nicht enthalten.
Wird der Parteitag der AfD einen Schub geben, weil nun genau dies die offizielle Linie ist, was der Rechtsaußenflügel bisher vertreten hat, Stichwort Remigration? Oder werden einige Menschen, die keine Nazis sind, sondern nur falsch geroutet waren, jetzt doch Bedenken bekommen, ob sie diese Partei wählen sollen? Wir wissen es nicht, und wir können uns nicht gut vorstellen, wie man dieses Verhalten in einem Forecast antizipieren will, ohne mit einer Vielzahl von Menschen konkret gesprochen zu haben.
Unsere Ansicht ist, wir werden weiter auf Umfragen angewiesen sein. Wie gut die Rohergebnisse gewichtet und demnach korrigiert werden, damit kann man die IT auch schon beschäftigen. Aber es gleich mal ohne Befragung zu versuchen, halten wir für einen schwierigen Ansatz. Nicht bei den acht genannten Instituten ist übrigens das Innovations-Meinungsforschungsinstitut Civey, das schon häufiger bei bestimmten Parteien sehr exakt war und das bewusst nicht auf Repräsentativität der Rohdaten setzt, sondern auf Algorithmen, die diese so bewerten sollen, dass die Repräsentativität nachträglich hergestellt wird. Hier zum weiteren Vergleich auch deren aktuelle Daten:
Was sagt uns unser Gefühl nach so vielen Jahren des Wählens und der Wahlbeobachtung? Die Union wird über 30 Prozent landen, die AfD wird klar zweitstärkste Kraft werden. Alles andere trauen wir uns nicht zu prognostizieren, nicht einmal, ob die Grünen oder die SPD auf Rang drei einlaufen wird und ob es zu Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot reichen wird oder ob eine Kenia-Koalition erforderlich ist, um eine Mehrheit zu erlangen. Was man nicht tun sollte, gleich, ob sie wieder in den Bundestag einzieht: Die FDP erneut an einer Regierungskoalition beteiligen. Dieser Großkapital-Interessenverein neigt dazu, die anderen zu erpressen, wenn es nicht komplett nach dessen oder ihrer Pfeife geht. Wir halten es übrigens nicht für unmöglich, dass sie drinbleibt, denn der Bruch der Ampelkoalition wird von einigen sehr wohl honoriert werden, die tatsächlich Grund haben, ihre Interessen von der FDP vertreten zu sehen und vielleicht bei Aussichtslosigkeit deren Wiedereinzugs ins Parlament die Union unterstützt hätten.
Solche Darstellungen sind nicht unschuldig, sie sollen die Wählenden genau in die Richtung manipulieren, die sie darstellen, gerade dann, wenn dabei Überraschendes zu sehen ist. FDP hin oder her: Käme es so, wie es im Forecast steht, würde es auf jeden Fall zu einer GroKo reichen, ohne weiteren Koalitionspartner. Und was sagt uns dies in unserer Funktion als taktisch Wählende? Wir hatten uns jüngst erst wieder über Olaf Scholz geärgert, aber Scholz wird wohl Geschichte sein, wenn es zu einer neuen GroKo kommt. Wir haben uns auf Esken und Klingbeil als führende Verhandler:innen auf der SPD-Seite eingestellt.
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