Was erwarten Amerikaner:innen von der nächsten Trump-Ära? (Statista + Zusatzinfos Immigration + Kommentar)

Briefing Geopolitik USA, Gesellschaft, Donald Trump, Immigration

Übermorgen ist es soweit. Donald Trump wird erneut eder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein, des mächtigsten Landes und der größten Volkswirtschaft der Welt. Ob es uns gefällt oder nicht, es ist eine unumstößliche Tatsache. Also werden wir uns darauf einzurichten haben und können nur hoffen, die Politik hierzulande hat gute Antworten auf seine Politik. Was uns gestern einfiel: Donald Trump wird der Präsident sein, unter dessen Ägide die USA ihr bisher größtes, das 250-jährige Jubiläum ihres Bestehens feiern werden: im Juli 2026, genauer geschreiben, am 4. Juli.

Als wir uns bezüglich des Datums vergewissert haben, tauchte darunter ein Artikel in der Google-Suche auf: 10 Gründe, warum Kamala Harris die Wahl gewinnen wird. Nichts altert so schnell wie falsche Prognosen, aber nicht immer sind die Prognosen so grundfalsch, wie sie dieses Mal waren. Was erwarten nun die Menschen vom Wahlsieger Donald Trump? Statista hat es grafisch aufbereitet.

Infografik: Was erwarten Amerikaner:innen von der nächsten Trump-Ära?  | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Am 20. Januar wird Donald Trump als neuer US-Präsident eingeschworen, damit beginnt offiziell seine zweite Amtszeit. Die Wähler:innen hoffen natürlich, dass ihr Präsident in den kommenden vier Jahren einiges für sie zum Besseren wenden wird. Die Statista-Grafik zeigt auf Grundlage einer Umfrage von Gallup, was die Amerikaner glauben, dass die zweite Trump-Regierung erreichen wird. Dabei gaben fast sieben von zehn Befragten (68 Prozent) an, dass das vermeintliche Einwanderungsproblem unter Kontrolle gebracht wird. Am wenigsten Vertrauen haben die Befragten in das Überwinden der politischen Spaltung in den USA durch das neu aufgestellte Trump-Kabinett.

Etwa sechs von zehn Befragten glauben, dass Trump die Arbeitslosigkeit senken, das Land vor Terrorismus schützen und die Wirtschaft verbessern wird. Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) glaubt, dass er die Steuern in den USA senken und (51 Prozent) die Kriminalitätsrate verringern wird. Nur etwa ein Drittel (35 Prozent) der Befragten ist der Meinung, dass die Trump-Regierung in der Lage sein wird, die Qualität der Umwelt zu verbessern. Eine Mehrheit der Befragten sagte auch, dass er nicht in der Lage sein wird, die Beziehungen zwischen den Ethnien zu verbessern, das Bildungswesen zu verbessern, das Defizit im Bundeshaushalt erheblich zu verringern, die Bedingungen für Minderheiten und Arme zu verbessern oder die Preise für Lebensmittel und andere Artikel zu senken.

Es wirkt seltsam, dass die Menschen, die Trump gewählt haben, auf so vielen Gebieten so wenig von ihm erwarten. Deswegen machen wir jetzt auch mal eine Prognose und sagen die nächste Fehlprognose voraus: nämlich dass Trump deshalb unbeliebt werden wird, weil er die Inflation nicht ganz ausbremsen kann. Das allein wird nicht reichen, weil seine vielen Wähler:innen andere Prioritäten zu setzen scheinen. Immigrationsverhinderung steht ganz oben, und eine Sache ist viel wichtiger, als wir uns das vielleicht von außen vorgestellt haben: Dass Trump die USA aus internationalen Konflikten heraushalten wird. Das glauben recht viele Menschen trotz seiner gerade besonders scheppernden Rhetorik. In der Tat haben sich die USA in seiner letzten Amtszeit nicht in  neue Verstrickungen begeben. Er konnte allerdings vorhandene auch nicht lösen, das musste dummerweise Biden ausbaden, vor allem den schmählichen Abzug aus Afghanistan, das größte Desaster dieser Art seit dem Ende des Vietnamkriegs, sogar die Bilder von hastigen Evakuierungen ähnelten einander. Es ist aber bei den Amerikaner:innen offensichtlich nicht so, dass sie Trumps Gepolter für kriegsgefährdend halten, sondern eher für einen Beweis dafür, dass er genug Abschreckungswirkung erzielt, um amerikanische Interessen auch ohne heißen Krieg durchsetzen zu können. Ein Handelskrieg scheint für die meisten Menschen dort kein Krieg zu sein, sonst wären die Hoffnungen nicht so groß.

Was den Wählenden auch nicht so bedeutsam zu sein scheint: Die politische Spaltung des Landes zu überwinden. Es ist halt, wie es ist, und es ist ethisch viel zu anspruchsvoll, daran ernsthaft noch etwas ändern zu wollen. Es gibt ein paar Woke an der Ost- und Westküste und der Rest hat keine Lust, sich mit ihnen zusammenzuschließen. Gar nicht so unähnlich der Situation bei uns, auf die Innenstädte und den eher ländlichen Raum bezogen.

Auch beim deutschen Wahlkampf (wir haben heute Wahlplakate fotografiert und werden sie in den nächsten Wochen kommentieren), so ist unser Eindruck, ist Zusammenhalt nichts mehr, womit man Mehrheiten gewinnen kann. Das Tischtuch ist zerrissen und kann nicht per Dekret oder nur mit gutem Willen geflickt werden.

Ob die USA tiefer gespalten sind als Deutschland, wäre ohnehin ein sehr interessantes Thema. Vielleicht stimmt das gar nicht, denn eines eint die Amerikaner ja doch: Sie sind alle mehr oder weniger patriotische Amerikaner, während es einen ähnlichen Grundkonsens bei uns nicht gibt. Fort he better or worse, aber irgendetwas wird man sich in Deutschland ausdenken müssen, um ein gemeinsames Narrativ zu finden, sonst wird der Abstieg immer schneller vonstatten gehen. Da haben die Amerikaner es bei all ihren Disparitäten besser, denn die USA als Land der Freiheit, das ist eine Erzählung, dies fast 250 Jahre lang funktioniert hat, und die Leute werden richtig aggressiv, wenn sie ihren amerikanischen Traum in Gefahr sehen. Es ist keine gegen das Land gerichtete Aggressivität, wie bei uns, sondern eine, die das Land weit weg von seiner Bestimmung sieht und diese gemäß vorgeblichen alten Idealen restituieren will.

Dabei werden Einwanderer in aller Regel auch überzeugte Amerikaner, spätestens mit ihrer Legalisierung und mit seiner gut laufenden Wirtschaft scheint das Land auch die Arbeitskräfte gut gebrauchen zu können, die ins Land strömen, jedenfalls ist die Arbeitslosenquote extrem niedrig. Man versteht deshalb gar nicht so recht, was die Einwanderer-Hasser umtreibt, denn dort gibt es keine Großgruppen, deren Mitglieder mehrheitlich nichts mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung anfangen können. Sie legen sie anders aus als bei uns, das ist offensichtlich, und haben auch keine Angst davor, dass die Demokratie Schaden nehmen könnte, wenn Trump regiert. Trump hat speziell und trotz seiner Hetze und seiner Grenzschließungsrhetorik  unter mexikanischen männlichen Einwanderern bei den Wahlen die Mehrheit geholt. Diejenigen, die nicht legalisiert und keine US-Staatsbürger sind, dürfen allerdings nicht wählen,  und vermutlich ist es wie überall gewesen: er erst einmal dazugehört, dem ist es ziemlich egal oder er sieht es sogar negativ, ob weitere Menschen desselben Glücks teilhaftig werden dürfen. In dem Moment, in dem man drinnen ist, sind die, die draußen sind, potenzielle Konkurrenten und Gefährder des eigenen, gerade erst eingeleiteten Wohlstands.

Dieses Verhalten ist nicht auf die USA beschränkt, ist aber eine Erklärung für den Erfolg Trumps bei Gruppen, die nicht gerade von ihm gepflegt werden. Sechs Prozent mehr als zuvor bei Biden glauben sogar, dass Trump die ethnische Spaltung im Land besser managen wird. Insofern wird ihm sogar zugetraut, mehr Zusammenhalt zu organisieren. Für uns als Beobachter aus Europa kaum nachvollziehbar. Oder doch? Trump und Vance haben es geschafft, in klassische demokratische Millieus einzudringen, die sich als working class begreifen, die Demokraten aber für zu abgehoben halten, als dass sie sie noch unterstützten würden. Dieses Gefühl, sich nicht mehr repräsentiert zu sehen, hat auch dazu geführt, dass Biden unter Afroamerikanern besser lag als Kamala Harris, obwohl sie selbst einen hälftigen Hintergrund dieser Art hat. Wahlanalysen haben gezeigt, dass Trump wichtige Schneisen ins demokratische Milieu schlagen konnte.

Zusammen mit der Tatsache, dass traditionell demokratisch wählende Staaten nicht zu jenen zählen, deren Bevölkerung am schnellsten wächst, könnte das bedeuten, dass die Demokraten für lange Zeit keine Chance mehr auf das Amt des Präsidenten oder der Präsidentin  haben werden.

Natürlich ist alles im Fluss, das ist es immer, und ob sich die Erwartungen der Trump-Anhänger erfüllen, wird man sehen. Konzentrieren wir uns, der Logik gehorchend, noch einmal auf das Thema Migration, das wir bisher nie anhand von Fakten dargestellt haben, soweit es die USA betrifft:

Basierend auf den verfügbaren Daten lässt sich schätzen, dass im Jahr 2024 eine beträchtliche Anzahl von Menschen illegal in die USA eingewandert ist:

## Schätzungen zur illegalen Einwanderung 2024

– Die Gesamtzahl der ausländischen Bevölkerung in den USA erreichte im Februar 2024 einen neuen Höchststand von 51,4 Millionen[2].

– Seit Präsident Biden im Januar 2021 sein Amt antrat, ist die im Ausland geborene Bevölkerung um 6,4 Millionen gewachsen[2].
– Es wird vorläufig geschätzt, dass mehr als die Hälfte (3,7 Millionen) dieses Anstiegs wahrscheinlich auf illegale Einwanderung zurückzuführen ist[2].
– Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) verzeichnete im Haushaltsjahr 2024 fast 3 Millionen unzulässige Begegnungen an den Grenzen[1].
– Davon fanden etwa 2,9 Millionen Begegnungen an der Südwestgrenze statt[1].
– Es wird geschätzt, dass zusätzlich etwa 2 Millionen sogenannte „Gotaways“ (Personen, die unentdeckt die Grenze überquerten) seit Beginn des Haushaltsjahres 2021 in die USA gelangten[1].

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Zahlen Schätzungen sind und die genaue Anzahl der illegal eingewanderten Personen schwer zu bestimmen ist. Die tatsächliche Zahl könnte höher oder niedriger sein, da einige Personen mehrfach aufgegriffen wurden oder das Land wieder verlassen haben.

## Entwicklung der illegalen Einwanderung

Die illegale Einwanderung in die USA hat in den letzten Jahren zugenommen:

– Die nicht autorisierte Einwandererbevölkerung wuchs von 10,5 Millionen im Jahr 2021 auf 11,0 Millionen im Jahr 2022[4].
– Dies war der erste anhaltende Anstieg der nicht autorisierten Einwandererbevölkerung seit dem Zeitraum von 2005 bis 2007[4].
– Der monatliche Durchschnittszuwachs der im Ausland geborenen Bevölkerung unter Präsident Biden beträgt 172.000, was viermal so hoch ist wie der Durchschnitt unter Trump vor COVID-19[2].
– Trotz dieser Zunahme bleibt die Gesamtzahl der nicht autorisierten Einwanderer in den USA unter dem Höchststand von 12,2 Millionen im Jahr 2007[4]. / [1]

Die USA sind nach wie vor das Land, das die höchsten Einwanderungszahlen weltweit hat, per Saldo sind sie aber unter Joe Biden nicht dramatisch angestiegen. Es scheint offenbar mehr Übertrittsversuche über die mexikanisch-amerikanische Grenze gegeben zu haben, die entdeckt wurden, also solche die geglückt sind. Das ist angesichts dieser langen Grenze erstaunlich, und lässt darauf schließen, dass eine Maue entlang der Gesamtlänger tatsächlich möglich wäre, jedenfalls funktionieren würde.

Auf Rang zwei weltweit folgt schon Deutschland, was angesichts der Größenverhältnisse auch bedeutet, dass pro Einwohner hierzulande mehr Zugänge zu verzeichnen sind als in diesem klassischen Einwanderungsland.

Hohe Zahlen in einzelnen Monaten bedeuten nicht, dass sich, über die Jahre hinweg betrachtet, die Zahl der illegalen Einwanderer in den USA merklich erhöht hat, insofern ist eben auch alles wieder eine Frage des Spins und wie man Daten verkürzt und einseitig verwendet, um politisch Kapital daraus zu schlagen.

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die Immigration in den USA, wenn sie Phänomene wie bei uns  mit sich bringen würde, wie die häufige Ablehnung der westlichen Werteordnung, Trump einen noch viel höheren Wahlsieg beschert hätte. Dort geht es im Grunde mehr um ökonomische Tatbestände und um die Kriminalität, nicht um oftmals religiös-weltanschaulich motivierte Wünsche, dem Land ein anderes Gepräge zu geben und in ihm eine andere Rechtsordnung durchzusetzen. Bei aller Meinungsfreiheit wäre das so in den USA nicht möglich, wie es bei uns offen propagiert wird. Der Staat dort wird von den Neolliberalen zwar ständig angegriffen, aber in manchen Dingen ist er wesentlich durchsetzungsfähiger als hierzulande – auch der Wirtschaft gegenüber, wenn es sein muss.

Wir sehen deshalb auch die Gefahr, dass die AfD, egal, ob sie gegen die Mehrheit arbeitet, was sehr offensichtlich ist, das Migrationsthema für weiteres Wachstum ihrer Anhängerschaft verwenden kann. In den USA ist die Demokratie nicht exakt aus den gleichen Gründen gefährdet wie in Deutschland.

Geopolitische Auswirkungen der Trump-Wahl wagen wir nicht zu prognostizieren, weil Trump vor allem eines ist: für jede Überraschung gut. Man kann auch nicht einfach kaufmännisch denken und sich von dieser Position aus überlegen, was Trump tun würde, wenn er ein rein ökonomisch denkender Dealmaker wäre. Das ist er nämlich nicht. Er ist auch ideologisch geprägt, er ist narzisstisch und es geht im in der zweiten Präsidentschaft auch um seinen Eintrag in die Geschichtsbücher. Am Ende könnten deshalb auch Verhaltensweisen dominant werden, die aus der Sicht eines Dealmakers befremdlich wirken. Ob das gut oder schlecht ist? Wir werden es sehen.

TH

[1] Zusatzinfo-Block Einwanderungszahlen USA

1] https://homeland.house.gov/2024/10/24/startling-stats-factsheet-fiscal-year-2024-ends-with-nearly-3-million-inadmissible-encounters-10-8-million-total-encounters-since-fy2021/

[2] https://cis.org/Report/ForeignBorn-Share-and-Number-Record-Highs-February-2024

[3] https://usafacts.org/articles/what-can-the-data-tell-us-about-unauthorized-immigration/

[4] https://www.pewresearch.org/short-reads/2024/07/22/what-we-know-about-unauthorized-immigrants-living-in-the-us/

[5] https://usafacts.org/state-of-the-union/immigration/

[6] https://www.forbes.com/sites/stuartanderson/2024/10/25/undocumented-immigration-has-plummeted-by-98-from-4-key-countries/

[7] https://www.cbp.gov/newsroom/national-media-release/cbp-releases-september-2024-monthly-update

[8] https://www.cbp.gov/newsroom/national-media-release/cbp-releases-june-2024-monthly-update

[9] https://www.nytimes.com/2024/12/11/briefing/us-immigration-surge.html

[10] https://www.bbc.com/news/articles/c0jp4xqx2z3o

[11] https://www.migrationpolicy.org/news/fy2024-us-border-encounters-plunge

 


Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Hinterlasse einen Kommentar