Wo sehen Deutsche die USA als Partner? (Statista + Zusatzinfos + Kommentar)

Briefing Geopolitik, USA, Wirtschaft, Nahostkonflikt, Ukrainekrieg, Freihandel, Chinapolitik, Umweltschutz

Eines muss man Donald Trump schon jetzt zusprechen, und das wird ihm sehr gefallen. Die Aufmerksamkeit der Welt und von uns allen ist ihm sicher, wenn er morgen erneut zu Präsidenten der USA ernannt werden wird. Kein Amtsantritt, an den wir uns erinnern, hat schon vorher solche Wellen verursacht. Es wird auch nicht ruhiger durch Berichte des aktuellen deutschen Botschafters in Washington, die große Besorgnis ausdrücken: Deutscher US-Botschafter warnt ungewöhnlich klar vor Trump | WEB.DE.

In dem Schreiben geht es viel um Innenpolitik, um Demokratie und Rechtsstaat, aber den meisten hierzulande gruselt auch vor Trumps Auftritt nach außen. Wir haben die Gefahren, aber auch die Chancen, die darin liegen, dass Trump die Europäer zu mehr Eigenständigkeit zwingt, bereits dargestellt. Wir erweisen ihm außerdem die Referenz, indem wir zu seiner Amtseinführung eine kleine Artikelserie gestartet haben. Gestern ging es um die Erwartungen der Amerikaner:innen an Trump, heute betrachten wir das, was Deutsche und die Menschen in den USA gegenseitig voneinander oder von ihrem jeweiligen Land erwarten, wo sehen sie trotz Trump eine Partnerschaft: Infografik: Wo sehen Deutsche die USA als Partner? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Deutschland und die USA blicken auf eine lange und ertragreiche Partnerschaft zurück. In den vergangenen Jahren hat die Stabilität der transatlantischen Beziehungen jedoch gelitten, nicht zuletzt wegen US-Präsident Donald Trump.

Aber bei welchen Themen sehen die Deutschen die Vereinigten Staaten überhaupt noch als wichtigen Partner? Einer Umfrage der Körber-Stiftung zufolge sind die USA für Bundesbürger:innen vor allem bei sicherheitspolitischen Themen und globalen Konfliktsituationen ein wichtiger Verbündeter. So sehen rund 70 Prozent der in Deutschland befragten Personen eine Partnerschaft beim Umgang mit dem Krieg in der Ukraine und rund 54 Prozent beim Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Auch die US-Amerikaner:innen schätzen Deutschland dahingehend tendenziell als Partner ein – im Nahost-Konflikt fühlen dies jedoch weniger als die Hälfte der US-Befragten.

Einigkeit herrscht hingegen auf beiden Seiten bei der Förderung des freien Handels (64% DE, 67% US). Von den USA im Stich gelassen fühlen sich die Deutschen beim Thema Umweltschutz. Insbesondere weil US-Präsident Trump bereits vor seiner Wahl angekündigt hat, das Pariser Klimaabkommen erneut aufzukündigen und zudem verstärkt auf fossile Energieträger setzen will. Bewohner:innen der USA zählen aber weiterhin auf die Unterstützung Deutschlands für den Schutz des Klimas.

Kommentar

Wenn Trump wollte, wenn er seine ganze Macht und auch seine Art, aufzutreten, für gute Zwecke einsetzen würde, könnte er so viel erreichen wie kaum ein Präsident der USA vor ihm. Der Nahostkonflikt ist vielleicht das beste Beispiel dafür. Während er sein Versprechen oder seine Ankündigung, in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden für Frieden sorgen zu können, wohl kaum wird umsetzen können, sieht es im Nahostkrieg anders aus.

Nur ein Mensch kann der israelischen Regierung wirklich etwas ansagen

Wenn ein ausgewiesener Israelfreund wie Trump, der in seiner ersten Amtszeit den hochbedeutsamen Akt vollzogen hat, die US-Botschaft von Tel-Aviv ins geteilte Jerusalem zu verlegen, der israelischen Regierung sagt, er hätte gerne Ruhe in Gaza, um gleich mit einem außenpolitischen Erfolg anfangen zu können, dann wird es Ruhe in Gaza geben.

Israels Regierung hört auf nichts und niemanden außer auf die USA, und auf diese nur dann, wenn jemand nicht so weich ist wie Biden und zwar rhetorisch in etwa das Richtige sagt, aber trotzdem keine Fakten sprechen lässt, wie zum Beispiel Waffenlieferungen zu stoppen, weil er zwar auf Kritik am Gazakrieg bei Demokraten verbal achten, darauf eingehen musste, aber die Realitäten doch stärker waren. Trump aber hat dieses kaum zu überbietende pro-israelische Gepräge, mit dem er sich den Rücken freihalten kann, um sich wirklich durchzusetzen. Ihm wird niemand unterstellen, er vertrete die Interessen Israels nicht hinreichend, und er hat derzeit überall im US-Bundesparlamentarismus die Mehrheiten, die er dafür braucht, um nicht alles mit anrüchigen Dekreten absichern zu  müssen, was er vorhat, sondern er kann sagen, ich stütze mich auf eine parlamentarische Mehrheit und damit auf die Mehrheit des großartigsten und mächtigsten Landes auf diesem Planeten.

Ist es also Zufall, dass ausgerechnet jetzt in Gaza ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde oder bereits vorauseilender Gehorsam von Menschen, die nie von ihrem Gewissen geplagt sind, aber gerade deswegen, weil sie nur in Machtkategorien denken, wissen, dass es eine Macht gibt, der sie sich beugen müssen, wenn diese die entsprechenden Knöpfe drückt?

Uns erinnert der aktuelle Vorgang des Gaza-Waffenstillstands an eine Situation, die über 40 Jahre zurückliegt. Damals musste der arme Jimmy Carter, der gerade verstorben ist, es ertragen, dass Botschaftsangehörige der USA von der neuen islamistischen iranischen Regierung über 400 Tage lang als Geiseln genommen worden waren, und dann bekam der martialischer auftretende Ronald Reagan deren Freilassung zum Amtsantritt quasi als Willkommensgeschenk der Mullahs. Dieser Vorgang, das Problem, das er nicht lösen konnte, und ökonomische Schwierigkeiten Anfang der 1980er, die auch in Deutschland einen Politikwechsel auslösten, kosteten Carter, den letzten (auch) Idealisten unter den US-Präsidenten, seinerzeit die Wiederwahl.

In einer Welt, die von Machtmenschen beherrscht wird, weil es um Macht geht, kann man mit einem machtvollem Auftritt einiges erreichen, das gilt auch für Donald Trump. Denn niemand hat mehr reale Macht als er (außer jenen, die ihn steuern, mit einem Augenzwinkern zu den Verschwörungstheoretikern).

Auch in der Ukraine könnte etwas gehen

In der Ukraine ist Frieden möglich, es geht nur nicht so schnell, weil Russland von den USA nicht so abhängig ist wie Israel und weil dort China und andere Mitspieler zugange sind, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Front gegen die USA machen, wenn auch nicht ganz offen, abgesehen von Nordkorea.  Es würde abe rniemand ernsthaft intervenieren, wenn Trump sagen würde, es gibt einen gerechten Frieden oder wir gehen all-in. Dann hätte Russland keine Chance, diesen Krieg zu gewinnen und damit den Erfolg seiner Aggression als Basis für weitere Angriffe zu nutzen.

In dieser geostrategischen Angelegenheit setzen viele darauf, dass Trump unte anderem nicht gerne als derjenige Präsident in die Geschichte eingehen will, der die Ukraine verliert, auch wenn er immer wieder gegen deren Unterstützung gewettert hat.

Ob diese Rechnung aufgehen wird, können wir nicht vorhersagen, aber wir meinen durchaus, dass Trump, der nicht mehr um seine erneute Wiederwahl fürchten muss, vor allem für seinen Platz in den Geschichtsbüchern arbeiten wird, und da zählt vielleicht doch nicht nur das Dealen, das Aushandeln, sondern auch die Verteidigung der US-Interessen dort, wo es etwas kosten darf und vielleicht nicht so viel an maximalen ökonomischen Vorteilen einbringt. Dann ginge es auch um die Weltmachtstellung per se, nicht bloß um ihre ökonomischen Vorzüge, und Trumps berüchtigter Utilitarismus wäre dann nicht seine einzige Handlungstriebfeder. Nicht als Beispiel dafür sollte man seine Einlassungen bezüglich Panama, Grönland und Kanada nehmen, denn da gibt es diese handfesten, direkt und deutlich sichtbaren ökonomischen Interessen sehr wohl,  zumindest sieht Trump das so.

Es ist klar, dass die Deutschen beim Thema Ukraine mehr auf die USA setzen als umgekehrt, denn hierzulande gibt es einen höheren Bevölkerungsanteil, der die Ukraine weiterhin unterstützen möchte als in den USA, wo die isolationistischen Tendenzen auch dank Trumps Einfluss stärker geworden sind. Aber auch in den USA sehen 59 Prozent Deutschland als wichtigen Partner in dieser Angelegenheit.

Dass die USA und Deutschland voneinander in Sachen  Nahost nicht ganz so viel erwarten, liegt auf der Hand. Die Russland-Ukraine-Expertise der Deutschen ist nicht von der Hand zu weisen, auch ihre im Vergleich zur Größe des BIP höhere Hilfeleistung für die Ukraine nicht, aber im Nahen Osten hat Deutschland sie schlicht und ergreifend nichts zu melden. Da werden die Amerikaner sich kaum Unterstützung oder was immer erwarten, deswegen kann man hier, das sieht die Mehrheit in den USA zu Recht so, nicht von einer Partnerschaft mit Deutschland sprechen.

Anders sieht es beim Thema Welthandel aus

Kein anderes Land auf der Welt ist so sehr auf den Freihandel angewiesen wie Deutschland, und wenn es da nicht so läuft, dann läuft alles schlecht, wie man gerade sieht. Damit hat Trump ein gigantisches Druckmittel in der Hand, und das weiß er und verhält sich dementsprechend. Ob die Förderung des Freihandels von der Mehrheit der Amerikaner überhaupt noch gewünscht wird, drückt sich nach unserer Ansicht in der obigen Grafik nicht direkt aus. Man weiß lediglich, dass, wenn der Freihandel gefördert werden soll, diese beiden Länder neben China die wichtigsten globalen Player sind. Durch das Verhältnis des Dreieck China-Deutschland-USA wird sich die Zukunft des Welthandels entscheiden, auch wenn andere Staaten zunehmende Anteile an diesem Handel haben: würden diese drei Staaten die bisherige Handelsordnung nicht mehr aufrechterhalten können oder wollen, käme es weltweit zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen.

Das größte Problem hätte Deutschland, das nur einen sehr kleinen Binnenmarkt hat, im Vergleich zu den beiden anderen im Dreieck der führenden Handelsnationen. Dies gilt auch dann, wenn man die EU als Binnenmarkt sieht, denn Deutschland treibt mit den USA und China mehr Handel als mit irgendeinem EU-Land. Während in der „klassischen“ Zeit der Blockteilung der Welt die Niederlande und Frankreich die Haupt-Handelspartner Deutschlands waren, zuweilen auch Großbritannien, dann folgten erst die USA. Damals wurden über 60 Prozent des deutschen Außenhandels mit den klassischen EU-Ländern abgewickelt, diejenigen, die nach der Wende dazukamen, also nicht mitgerechnet. Immerhin, es sind mit der heutigen größeren EU gegenüber der frühen EG immer noch 54 Prozent der Exporte und 52 Prozent der Importe. Allerdings kommt es auch darauf an, was exportiert und importiert wird und auf dem Automobilsektor spielt gerade China mittlerweile eine herausragende Rolle.[1]

Von deutscher Seite ist in dem hohen Prozentwert also auch viel Hoffnung enthalten, es möge nicht so schlimm kommen, wie Trump es immer wieder betont, um die bestmögliche Ausgangslage für einen Deal zu erreichen. Hier könnte es wichtig sein, dass Europa sich endlich mal zusammenrauft, um Trump eine gleich große Wirtschaftsmacht entgegenstellen zu können, wenn es zum Dealen kommt.

China ist sein eigener Mitspieler

Was den Umgang mit China angeht, erwarten sich mehr Amerikaner von Deutschland etwas als umgekehrt, das ist ebenfalls nicht unlogisch, denn auch in den USA wird gesehen, wie eng China und Deutschland miteinander wirtschaftlich verflochten sind. Nach Handelsvolumen genauso stark wie mit den USA selbst, und die Zahlen sind sehr hoch, um die es dabei geht. Das heißt, Deutschland wird als ein Land wahrgenommen, das mit dem roten Riesen dealen kann, und das beeindruckt selbst die Amerikaner. Deshalb ist es auch dringendst angeraten, dass Deutschland sich seine China-Politik nicht von den USA vorschreiben lässt, sondern es so macht wie diese, nämlich die eigenen Interessen in den Vordergrund stellt. Diese können sich auch darin ausdrücken, dass man sich unabhängiger von China macht, ohne es gleich zum Feind zu erklären. In der Hinsicht hat gerade zerbrochene Ampelregierung, wie außenpolitisch an so vielen Stellen, richtig große Dummheiten begangen. Anstatt strategische Wirtschaftspolitik zu organisieren, wird vollmundig eine Systemrivalität angekündigt, der aber wenig Zählbares folgt.

Keine Illusionen beim Klimaschutz

Ein wenig schmunzeln mussten wir in Bezug auf den Umweltschutz. Diesbezüglich gilt Deutschland ganz offensichtlich immer noch als eine Weltmarke, Umweltschutz Made in Germany ist ein Begriff in den USA. Die Frage ist nur, wie wichtig das den Amerikanern ist oder noch ist, denn wäre es für sie ein herausragendes Thema, dann hätten sie nicht Trump gewählt. Das heißt, Deutschland hat ausgerechnet dort ein großes Renommee, wo es den Amerikanern nicht so drauf ankommt, was sie als zweitrangig erachten. Das ist durchaus betrüblich, aber hier kann Deutschland auch einmal nationale Akzente setzen, zusammen mit anderen fortschrittlichen Ländern: Egal, ob Trump mal wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt, der Trend in Richtung Klimaneutralität sollte unumkehrbar sein. Er bietet auch wirtschaftliche Chancen, nebenbei bemerkt, denn nachhaltig agierende Länder werden langfristig Vorteile haben, in einer Welt, in der der Klimawandel immer mehr auch das ökonomische Geschehen mitbestimmt.

Dass man dabei zwar autark in mancher Hinsicht sein kann, aber nicht unabhängig im Ganzen, versteht sich leider von selbst. Was allein durch die Waldbrände in den USA gerade an CO2 in die Luft geblasen wird, erregt fast so viel Grauen wie der Amtsantritt von Donald Trump, und von solchen Phenomena einer veränderten Klimalage ist auch Deutschland betroffen, ohne durch kluge nationale Politik dagegen allein etwas ausrichten zu können. Was man tun kann, ist, den nationalen Katastrophenschutz zu verbessern. Bei allen anderen das Klima betreffenden Angelegenheiten ist man letztlich auf die Kooperationsbereitschaft der großen Emittenten angewiesen, und die dürfte bezüglich der USA unter Trump erheblich nachlassen. Bereits der freundliche Joe Biden hat, realistisch betrachtet, nicht viel erreicht. Insofern ist auch der große Gap der Erwartungen logisch: Fast niemand hierzulande glaubt, die USA könnten ein hilfreicher Partner beim Klimaschutz sein.

TH

[1] Wichigste Handelspartner 2023:
China: Mit einem Handelsvolumen von 254,2 Milliarden Euro war China 2023 der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Allerdings ist der Vorsprung zu den USA geschrumpft.

USA: Mit einem Handelsvolumen von etwa 253 Milliarden Euro lagen die Vereinigten Staaten 2023 knapp hinter China12. Bei den Exporten standen die USA jedoch an erster Stelle mit einem Anteil von 9,9% der deutschen Gesamtexporte.

Niederlande: Mit einem Anteil von 7,5% am gesamten deutschen Außenhandelsumsatz (220 Milliarden Euro) waren die Niederlande der drittgrößte Handelspartner.

Frankreich: Mit einem Anteil von 6,4% am Außenhandelsumsatz (190 Milliarden Euro) folgte Frankreich auf dem vierten Platz.


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