Europas Trump-Besorgnis ist nicht globaler Konsens (Statista + Kommentar)

Briefing Geopolitik USA, Donald Trump, Amtseinführung, Inauguration Ceremony, Präsidentschaft, Verhältnis zu den USA, EU

Für die nächsten vier Jahre könnten wir einen US-Ticker einrichten, denn es wird wohl kaum ein Tag vergehen, an dem Donald Trump nicht für Schlagzeilen sorgen wird. Es liegt in seiner Natur, alles aufzumischen. Die Ergebnisse dieser Mentalität sind freilich noch offen. In seiner ersten Amtszeit hat er nicht so viel erreicht, wie man angesichts seines Wahlergebnisses vom 5. November denken könnte.

Nun sagen alle, er und sein Team seien wesentlich besser aufgestellt als damals, mithin professioneller, und es heißt, alleine heute bzw. morgen wird er wohl ca. 100 präsidiale Dekrete mit teilweise weitreichenden Folgen unterzeichnen. Damit diese nicht alle gerichtlich wieder einkassiert werden, bedurfte es in der Tat einer professionellen Vorbereitung. Hier können Sie den Tag im Ticker und auch die Zeremonien live verfolgen: Trump spricht in Antrittsrede von „Tag der Befreiung für US-Bürger“ | WEB.DE. Wie denken nun die Menschen in der Welt über Trump als Präsident? Die Meinungen fallen sehr unterschiedlich aus und in Europa sind die Sorgen zuhaus.

Infografik: Europas Trump-Besorgnis ist nicht globaler Konsens | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Donald Trumps Rückkehr in das Weiße Haus sorgt vor allem in Europa für Unbehagen. In anderen Teilen der Welt blickt man der Amtseinführung jedoch entspannt entgegen, wie eine globale Umfrage des European Council on Foreign Relations zeigt. Demnach sind viele Befragte in Nationen außerhalb Europas sogar der Ansicht, dass Trump einen positiven Einfluss auf ihr Land haben wird.

In Ländern wie Indien und China bis zu Russland und Brasilien glaubt die Mehrheit der Befragten, dass Trump gut für Amerika, ihr Land und den Frieden in der Welt sein wird. Die einzige Ausnahme unter den in der Umfrage enthaltenen Ländern außerhalb Europas ist Südkorea – eine Demokratie, die in Bezug auf ihre Sicherheit von den USA abhängig ist.

Anders als in den elf EU-Staaten (u.a. Deutschland, Frankreich, Spanien), Südkorea und dem Vereinigten Königreich, sind die Umfrageteilnehmer:innen in der Ukraine eher indifferent gegenüber dem US-Machtwechsel – 54 Prozent antworteten, dass Trumps zweite Amtszeit weder gut noch schlecht sei.

Während die Vereidigungszeremionie läuft, sich keine Gedanken über Donald Trump zu machen, wäre geradezu ignorant, und wir werden vermutlich in den nächsten Jahren mehr über die USA berichten als je zuvor. Vor allem über deren Verhältnis zu Europa natürlich. Die Europäer:innen sind ziemlich negativ, was Trump angeht. Die EU 11, die in der Umfrage erwähnt sind: Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien. In ihnen wurde die Umfrage durchgeführt. Leider werden sie nicht aufgeschlüsselt, denn auch zwischen diesen Ländern gibt es sicher größere Unterschiede, ungeachtet der Tatsache, dass sie alle eher negativ bezüglich Donald Trump tendieren dürften (außer vielleicht Ungarn).

Uns hat überrascht, dass Menschen im UK so deutlich negativ sind, denn Trump war in seiner ersten Amtszeigt ein begeisterter Anhänger des Brexits, und den wollten die Briten schließlich, unter anderem, weil ihnen die Freundschaft mit den USA, das Special Relationship, wichtiger war als die Einbindung in und Anbindung nach Europa. Wenn man sich die Ergebnisse der Umfragen in einigen großen Ländern anschaut, muss man möglicherweise konstatieren, dass da ziemlich viel Naivität im Spiel ist. Wen Trump zum Beispiel seine Handelskriege wirklich anzetteln wird, wird das allen diesen Ländern, egal wie weit sie schon entwickelt sind, schaden. Vielleicht nicht in dem Maße wie Deutschland, aber daraus Kapital schlagen werden sie kaum können, weil aufstrebende Exportnationen immer eng mit den USA und mit Europa kooperieren, und natürlich mit China, das durch einen Handelskrieg mit den USA im einer derzeit wackeligen ökonoomischen Lage ebenfalls geschwächt würde. Es ist eben alles verflochten, und wer sich auf einen isolationistischen Kurs begibt, schwächt die Welthandelsbeziehungen erst einmal – unabhängig davon, ob sie gegenwärtig fair oder nicht gestaltet sind.

Andere werden in Erinnerung haben, dass der Dealmaker sich während seiner ersten Amtszeit selbst ziemlich naiv angestellt hat, was heute einige Putinisten zu der Ansicht verleitet, Putin wird mit Trump wieder leichtes Spiel haben. Das könnte eine Täuschung sein, denn seit 2022 kann man die Einhegung Chinas und die Einhegung Russlands nicht mehr getrennt voneinander denken und wir haben bereits geschrieben, dass Trump außenpolitisch vielleicht nicht damit anfangen will, dass er die Ukraine für den Westen verliert. Das ist zwar eine Spekulation, aber über eines sind sich Beobachter weitgehend einig: Die zweite Amtszeit von Donald Trump wird für viele Machthaber auf der Welt härter werden, weil er keineswegs weniger radikal ist als früher, eher im Gegenteil, dafür aber viel effizienter und erfahrener geworden ist. Vor allem seinem Umfel, das er sich jetzt zusammengesucht hat, zugerechnet, dass es eine rechte Agenda mit viel Power durchdrücken wird, wo immer es geht.

Die Dekrete, über die heute im Wesentlichen geschrieben wird, sind vor allem innenpolitischer Natur und ausschließlich reaktionären Inhalts, was auch logisch ist: Hier kann Trump in kurzer Zeit viel mehr bewirken als in der Geopolitik, wo es tatsächlich mehr ums Dealen gehen wird. Wie die Auswirkungen seiner Politik tatsächlich sein werden, kann im Moment kein Mensch ernsthaft prognostizieren, man kann nur Szenarien entwerfen. Diese haben den Nachteil, dass sie immer irgendwelche Zusammenhänge in dieser komplexen Welt nicht oder nicht im richtigen Maße integrieren können – und unerwartete Effekte nicht abbilden können.

Vermutlich gibt es deswegen so viele politische Thinktanks, die sich schon häufig geirrt haben: Analytik aus dem Geschehenen heraus in die Prognostik zu überführen, ist nicht so einfach.

Wir haben im letzten Artikel der Serie auch geschrieben, dass Trump, wenn er sich dem Guten widmen würde, mehr erreichen könnte, nach außen, für uns alle ,als jeder Präsident der USA vor ihm, außer vielleicht FDR, der die USA im Zweiten Weltkrieg zur globalen Supermacht entwickelt hat. Aber er hat kein dementsprechend positives Mindset, und das macht ihn sehr gefährlich. Er lebt im Grunde von der Spaltung und vom Rückschritt. Den werden vor allem die Amerikaner zu spüren bekommen, die nicht auf seiner Linie liegen, aber kann es unter diesen Voraussetzungen geopolitisch gut für uns alle laufen? Nur dann, wenn er es zufälligerweise als in seinem Sinne ansieht. Nicht, wenn es darum geht, Partner fair zu behandeln, auch wenn man dadurch für sich selbst nicht das auf den ersten Blick Maximale herausholen kann. Aber was ist das, was Trump im jeweiligen Fall wirklich anzielt?

Es wird sehr spannend werden und am Ende seiner Amtszeit könnten wir besser dastehen als jetzt, in Europa. Weil wir gezwungen werden, endlich aufzuwachen und den Realitäten ins Auge zu sehen. Es gibt keine Freunde, in der Geopolitik, sondern nur Interessengemeinschaften. Also müssen alle sehen, wie sie dabei abschneiden. Europa hat zwar die kulturelle Vielfalt und die Geschichte, um die Zukunft zu bestehen, aber nicht die Führer und nicht die Mentalität, die bereits auf Trump und andere ausgerichtet ist. Ab heut wird neu gezählt, im Verhältnis Deutschlands und Europas zu den USA. Wir empfehlen sehr, liebgewordene Denkweisen und Gewohnheiten jetzt grundsätzlich infrage zu stellen und sich ganz auf das zu konzentrieren, was sich nun zeigen wird, was immer es sein mag. Persönliche, auch positive Erfahrungen, sollten dabei keine Rolle spielen, denn mit Trump persönlich werden die meisten hierzulande niemals eine Freundschaft pflegen. Und selbst das wäre keine Gewähr für ein gutes Verhältnis auf Dauer, wie sich bei ihm immer wieder zeigt.

Wir haben es mit einem großen Land zu tun, das von einem Großsprecher geführt wird, das uns viel fremder ist, als die Transatlantiker denken, weil sie ihre Anbindungen zu leicht für das Ganze nehmen und ihren Einfluss überschätzen. Psychologisch ist das verständlich, schadet aber der Klarheit und Logik beim Handeln für die Zukunft. Wir haben es da leichter: Wir müssen nur unsere Forderungen aus den letzten ca. 10 Jahren wiederholen, dass Europa im Ganzen und speziell Deutschland endlich mehr Unabhängigkeit organisieren muss. Von allen, aber unter Trump auch von den USA. Das gebietet einfach die Vorsicht. Wir haben gerade gesehen, wie Trumps Gefolge sich in den deutschen Wahlkampf einmischt, so etwas darf nicht zur Regel werden und vor allem nicht so einflussreich sein.

Einflussnahme gab es seitens der USA immer schon, aber nicht so plump und nicht so öffentlich sichtbar. Das sind Übergriffe aus einem Land, in dem man es gewöhnt ist, anderen gegenüber mächtiger zu sein und sich diese Übergriffe ungestraft erlauben zu können. Europa muss kein größerer Machtfaktor werden, aber ein größeres Widerstandsnest, zugunsten des globalen Gleichgewichts und zugunsten der Weiterentwicklung der Gesellschaft. Bisher ist davon nicht viel zu sehen, auch weil wichtige Länder aktuell quasi führungslos sind – wobei wir nicht sicher sind, dass es nach der Beendigung der innenpolitischen Krisen in Deutschland und Frankreich besser werden wird. Wir haben schon darüber geschrieben, dass gerade Friedrich Merz wohl keinen B-Plan haben wird, wenn das Verhältnis zu den USA unter Trump darunter leidet, dass Merz deutsche Interessen verkaufen muss, die gegen jene der USA gerichtet sind, vor allem wirtschaftspolitisch. Das macht uns mit am meisten Sorgen, dass es keinerlei Ansätze erkennbar sind, wie das Problem der Behauptung gelöst werden soll, falls gelernte Transatlantiker sich gegen die USA stellen müssen, damit Deutschland nicht noch mehr Schaden davonträgt, als das in den letzten Jahren schon aus unterschiedlichen Gründen der Fall war.

Leider ist Berichterstattung oft die Verarbeitung negativer Erscheinungen und Vorgänge. Wenn es ruhig läuft, gibt es nicht viel zu erzählen, wie zum Beispiel zur Zeit von Barack Obama. Zumindest aus deutscher Sicht war das eine ruhige Zeit, im Verhältnis zu den USA, auch wenn Dinge, die Trump nun immer mehr überdreht, wie das NATO-Zwei-Prozent-Ziel aus dieser Ära stammen und außenpolitisch manches schiefging, was die Demokraten anfassten. Man musste hierzulande nicht wie das Kaninchen auf die Schlange schauen. Jetzt muss sich das Kaninchen einen Igel verwandeln, und wir sehen einfach nicht die Stacheln wachsen. Und das ist es vor allem, was Trumps Wirken für uns so spannend macht: Ob es die hiesige Politik hinkriegen wird, Antworten darauf zu finden.

Angela Merkel hat man das ja zugerechnet, sie hat sich sogar über US-Wünsche hinweggesetzt, aber dafür sind die Schäden heute umso größer, weil die Rache auf dem Fuß folgte, siehe u. a. russisches Gas und Nord Stream. Die Erfahrungen mit Trump-Resistenz sind also nicht die besten. Sie sind auch deshalb schlecht, weil es seinerzeit keine kohärente und zukunftsträchtige Strategie gab – sondern nur Vertrauen in gewisse Politiker und Potentaten, die nicht besser sind als Trump und auch nur das tun, was gerade ihren Interessen dient, und viele wichtige Weichenstellungen wurden verschleppt.

Dass nicht einmal in der jetzigen Situation echte Lösungen sichtbar werden, das wird Trump ausnutzen, da dürfen wir sicher sein. Seine Stärke ist, wie bei allen Machtmenschen, auch die Schwäche der anderen. Wir sind gespannt, wie gerade und durchgedrückt der Rücken europäischer Politiker:innen Trump gegenüber sein wird, wie Kanzler Scholz es gerade fordert. Der gut fordern hat, denn er wird bald die Verantwortung für das Land nicht mehr tragen. Nur so sind einige für ihn ungewöhnlich markige Sprüche der letzten Tage zu verstehen: Er muss es nicht mehr zeigen. Wir werden sehen, was Trump uns allen zeigen wird.

TH


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