Briefing Gesellschaft, Geopolitik, Wirtschaft, Atomkrieg, Weltuntergangsuhr, Doomsday-Clock, Krieg, Frieden, Klimawandel, Demokratie, Katastrophen
Wir müssen heute ein wenig die Apokalypse besprechen, denn Doomsaying ist ohnehin der Trend der Zeit und heute geht es um die Doomsday-Uhr, die viele von Ihnen sicherlich kennen werden. Es ist mal wieder kurz vor Zwölf, und wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass man den Sekundenzeiger noch weiter an die Zwölf herangerückt hätte, wäre er nicht eh schon so dicht davor – was den Effekt hat, dass die jüngsten schlechten Nachrichten nur noch marginale Auswirkungen auf die Position des Zeigers oder der Zeiger haben.
Infografik: Weltuntergangsuhr steht auf 90 Sek. vor Mitternacht | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Die Zeiger der symbolischen Weltuntergangsuhr stehen auf 89 Sekunden vor Mitternacht – und damit so dicht an einer globalen Katastrophe wie noch nie zuvor. Die Weltuntergangsuhr – auch Atomkriegsuhr genannt – beschreibt die Wahrscheinlichkeit einer möglichen globalen Katastrophe, für die Menschen verantwortlich sind. Es handelt sich um eine symbolische Uhr des „Bulletin of the Atomic Scientists“, einem Magazin für Atomwissenschaftler. Die aktuelle Umstellung von zuvor 90 Sekunden auf nun 89 Sekunden vor Mitternacht bezieht sich auf die laut Forschern auf die anhaltenden Bedrohungen durch Atomwaffen, den Klimawandel und den potenziellen Missbrauch der biologischen Wissenschaft und einer Vielzahl neuer Technologien. Beim Thema Klimawandel haben die Forscher mehrfach den nunmehr zwei Mal vollzogenen Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen kritisiert.
Wie die Statista-Grafik außerdem zeigt, wurde die Weltuntergangsuhr erstmals im Jahr 2020 unter der Grenze von zwei Minuten bis Mitternacht justiert. Die Wissenschaftler des Bulletins gaben die Zeit bis zur ultimativen Katastrophe mit „100 Sekunden“ an. Als Gründe hierfür wurden die Corona-Krise, der voranschreitende Klimawandel, die Verbreitung sogenannter Fake News, d.h. falscher und irreführender Informationen, sowie eine zugespitzte weltpolitische Lage genannt. Der russische Angriff auf die Ukraine verschärfte die geopolitische Situation deutlich, was die Forscher Anfang 2023 veranlasste, die Weltuntergangsuhr von 107 auf 90 Sekunden (1,5 Minuten) vor Mitternacht vorzustellen.
Der Katastrophe näher rückte die Welt demnach auch in den Jahren 1953, als es zum Test von Wasserstoffbomben durch die USA und der UdSSR kam. Die Katastrophengefahr durch die sogenannte Kubakrise (1962) wird durch die Uhr übrigens nicht abgebildet. Hintergrund: Die Ausgabe des Bulletin of the Atomic Scientists, das die doomsday clock publiziert, erschien im Jahr 1962 im November/Dezember – zu dem Zeitpunkt war die politische Krise bereits weitgehend entschärft.
Vermutlich war die Weltuntergangsuhr zunächst tatsächlich nur auf die Gefahr eines Atomkriegs bezogen, aber mit der Zeit wurde deutlich, dass die Menschheit vielfältigen Einflüssen ausgesetzt ist, die sie selbst geschaffen hat, und dass es nicht besser, sondern schlechter wird. Dabei geht es nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um Kriege und um Politik und Gesellschaft. Das zeigt u. a. die Tatsache, dass Auswirkungen der Corona-Pandemie berücksichtigt werden, ebenso wie Fake News, die wiederum durch ihren Bezug dieser Situation einen Höhenflug erreicht hatten. Im Grunde war das auch ein Test dafür, wie man allgemein über die sozialen Medien manipulieren kann. Das hatte in einer bis dahin nicht dagewesenen Größenordnung und Grundsätzlichkeit funktioniert, also wird es für alle möglichen schlechten Zwecke eingesetzt.
Die Befriedung der Welt steht nicht bevor, für einen Konflikt, der nicht einmal gelöst, sondern nur unterbrochen wird, poppen mindestens zwei neue auf. Die Gefahr, dass immer mehr Staaten Atomwaffen besitzen werden und damit nicht so verantwortlich umgehen, wie das bisher der Fall war (sofern man den Druck, den Atomstaaten mit diesem Besitz auf andere ausüben, noch als verantwortlich ansehen kann), steigt ebenfalls. Es ist schon sehr bedenklich, dass man überlegen muss, ob es nur noch so geht: der beste Schutz für das eigene Land wäre genau dieser.
Der Klimawandel wird angesichts der neuesten Entwicklungen endgültig zu den unabwendbaren Ereignissen gerechnet werden müssen. Mit welcher einer Zerstörungswut gerade in den USA Politik betrieben wird, das stellt alles in den Schatten, was es in der westlichen Welt jemals gab. Wobei wir die Machtübernahme der Nazis ausklammern, im Grunde zählte Deutschland damals nicht zur westlichen Welt, weil es keine gesicherte Demokratie hatte. Die Folgen des Irrsinns kann man noch nicht einschätzen, aber wir sehen ein Problem auf Deutschland zukommen, das uns weiter zurückwerfen wird:
Auf Einflüsse von außen angemessen zu reagieren, wird immer schwieriger und erfordert immer mehr Kapazität, außerdem stärkt der Rechtsruck in vielen Ländern natürlich auch die Rechte bei uns. Das heißt, die Demokratieerhaltung wird viele Ressourcen binden, auch zivilgesellschaftliche, die wir dringend für Zukunftsprojekte, für die Transformation, für die Errichtung einer faireren Welt- und Gesellschaftsordnung gebraucht hätten, und doch ist nicht sicher, ob sie gelingt. Man kann nicht alles haben, ist in diesem Fall kein schlauer Spruch, denn es hängt alles miteinander zusammen, und wenn es in vielen Punkten immer weiter bergab geht, werden davon weitere Themen und Lebensbereiche infiziert.
Vielleicht hat man die Uhr in den guten Zeiten nicht weit genug zurückgestellt. Das sogenannte Ende der Geschichte, das eine globale Übereinkunft über die Notwendigkeiten und die Ziele für die Zukunft erlaubt hätte, wird zwar stark berücksichtigt, aber wie soll man zum Beispiel einen Zustand erreichen, der wenigstens mit den Zeigern auf elf Uhr symbolisiert wird? Jetzt hat man das Problem, dass man erhebliche weitere Verschlechterungen relativ zu früheren auf der Uhr nicht mehr angemessen abbilden kann. Was macht es schon, ob die Welt nun 90 oder 89 Sekunden vom Untergang entfernt ist? Das wird sich mancher denken. Es ist eh alles umsonst gewesen, alle zivilisatorischen Anstrengungen für die Katz. Vermutlich haben sich die Wissenschaftler nicht vorstellen können, dass die Menschheit geradezu nach schreit, unterzugehen.
Leider wird dabei etwas Grundsätzliches offenbar: Die internationalen Konflikte werden nicht aufhören, die Atomwaffen werden nicht abgebaut werden, weil das mittlerweile nicht mehr nur zwischen den USA und Russland ausgehandelt werden kann, sollten diese beiden Staaten sich doch einmal wieder vereinbaren können. Die multilaterale Welt ist längst Wirklichkeit, in der viele ihr eigenes Ding machen, oft zum wirtschaftlichen oder militärischen Schaden für andere. Dass eine multipolare Weltordnung nicht besser sein muss, sieht man aktuell. Die Annahme, dass mehr Autonomie mehr Verantwortungsbewusstsein und Freundlichkeit generiert, ist schlicht falsch. Das Gegenteil kann auch falsch sein, es gibt diesen Zusammenhang einfach nicht. Wenn man etwas näher herangeht und sich anschaut, wie die Menschen sich innerhalb von Staaten, von Gemeinwesen, von Gruppen verhalten, wird auch klar, dass der Mensch nicht dafür konzipiert wurde, über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Evolution hat längst überfällige Schritte noch nicht hinbekommen, sie versagt auf eine Weise, die zu Politikversagen, gesellschaftlichem Versagen, zu mangelhaftem Verhalten von Menschen auf allen Ebenen führt. Wäre das anders, würden sich bestimmte, auf längere Sicht tödliche und auf Atavismen aufbauende Ideologien und allerlei Egoismen nie durchsetzen können, sondern es gäbe immer eine Mehrheit der Zivilisierten, die keinen Rückschritt zulassen und das Ganze im Blick haben würde.
Ob die Zeigerstellung der Weltuntergangsuhr immer im richtigen Maße geändert wurde, ist vielleicht diskutabel und die Relationen sind auf dieser Informationsebene schwierig zu erfassen, aber die Lage ist schlecht, und das spiegelt die Zeigerstellung der Uhr.
TH
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