6 Tage vor der Wahl: Quadriell ohne viel Wirkung, aktueller Trend #Merz #Scholz #Habeck #Weidel – und heute unsere Wahlempfehlung #DieLinke

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Noch sechs Tage bis zur Bundestagswahl 2025. Gestern Abend fand das sogenannte Quadriell bei RTL statt, das nach einer Blitzumfrage Friedrich Merz insgesamt als Gewinner sieht. Allerdings nicht in der Form, dass er dadurch für die Union zusätzliche Stimmen holen könnte.

Wir zeigen heute keine Aktualisierung des Zeit-Panels oder von Civey, sondern geben nur kurz die Tendenzen wieder: Die Union legt gemäß Zeit minimal zu, gemäß Civey nimmt sie sogar eher leicht ab. So viel zur Wirkung des Quadriells. Die AfD legt minimal zu, die SPD verharrt auf kläglichem Niveau, die Grünen sind leicht rückläufig, ebenso das BSW. Die Linke zeigt die stärkste Bewegung,  zumindest nach Civey, aber auch der Trend im Zeit-Panel war von heute auf gestern leicht positiv. Es scheint immer sicherer zu werden, dass sie den Einzug in den nächsten Bundestag schaffen wird.

Es ist schon wichtig, dass der Vorsprung von Merz bei der Frage, wer das Land am besten führen könnte, zu allen anderen relativ groß war. Die anderen haben schon bewiesen, dass sie es nicht so gut können, wie es derzeit notwendig wäre, das ist ein wichtiger Unterschied. Merz hat noch nichts zeigen müssen, das sollten alle bedenken, sie generell den vollmundigen Ankündigungen von Politikern vertrauen. Es wird Kompromisse geben müssen, oder er muss mit der AfD zusammengehen. Und die wird der CDU Zugeständnisse ganz anderer Art abpressen, die bei der Wahl 2029 dazu führen könnten, dass die Union nicht mehr stärkste politische Kraft im Land ist.

Deren Kandidatin Alice Weidel hat übrigens insgesamt am schlechtesten abgeschnitten, aber bezüglich ihrer Führungsfähigkeit lag sie in dieser Umfrage noch vor Robert Habeck, der dafür sympathischer rüberkam als alle anderen. Man soll nicht Menschen wählen, die man total unsympathisch findet, das Bauchgefühl ist auch wichtig. Nach dem Bauchgefühl würden wir allerdings keine:n der aktuellen vier oder fünf Kanzlerkandidat:innen wählen. Wir müssen uns nach Sachlage entscheiden, und das kann auch bedeuten, dass wir keine der fünf Parteien wählen, die eine:n Kanzlerkandidat:in aufgestellt haben. Damit hätten wir auch dem Bauchgefühl Genüge getan.

Und damit zum heutigen Thema des Tages. Die gegenwärtigen Entwicklungen könnten für uns auch bedeuten, dass wir doch die Linke wählen werden, denn mittlerweile verfestigt sich die Tendenz, dass sie in den nächsten Bundestag einziehen wird – und zwar nicht (ausschließlich) durch drei Direktmandate, wie 2021, sondern auf dem Premiumweg, mehr als fünf Prozent der Stimmen bei der Wahl erhalten zu haben. Warum wir uns mit allen anderen, auch mit Kanzler Scholz, so schwertun, haben wir zuletzt wieder im Rahmen dieser Beitragsreihe erläutert. Würde für die SPD Boris Pistorius oder Lars Klingbeil antreten, wäre es noch einmal komplizierter. Pistorius war der erste, der nach dem Knall-Auftritt von JD Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz die richtigen Worte der Abwehr und des Protests fand, obwohl er gerade in seinem Ressort stark auf die Kooperation mit den USA angewiesen ist.

Aber wir wollen nicht vom Thema abkommen. Dieses können wir mit einer Umfrage verknüpfen. Sie ist bereits vor neun Tagen aufgesetzt worden, Sie können aber noch abstimmen:

Civey-Umfrage: Wie würden Sie es bewerten, wenn die Linke nach der nächsten Bundestagswahl erneut in den Bundestag einzieht?

Lange Zeit verharrte die Linke in der Krise, die letztes Jahr in der Neugründung von Sahra Wagenkenchts Partei (BSW) und dem darauffolgenden Verlust des Fraktionsstatus gipfelte. Angesichts steigender Umfragewerte wächst die Hoffnung, dem nächsten Bundestag erneut anzugehören. Im Mittelpunkt ihres kürzlich vorgestellten Bundestagswahlprogramms steht soziale Gerechtigkeit. Konkret gehören die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel, ein bundesweiter Mietendeckel und eine gestaffelte Vermögenssteuer für Reiche zu ihren Forderungen. Zudem will die Partei die Schuldenbremse lockern, um öffentliche Investitionen in Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur zu ermöglichen. 

Seit Kurzem liegt die Linkspartei in Umfragen wieder bei fünf Prozent – ein Niveau, das sie zuletzt im Herbst 2023 erreichte. Letzte Woche verzeichnete die Partei dem Spiegel nach einen Mitgliederzuwachs von rund 6.000 Eintritten. Partei-Co-Chefin Ines Schwerdtner führt dies teils auf die aktuelle Migrationsdebatte zurück. Während die Union Stimmen der AfD für einen Antrag in Kauf nahm, grenzte die Linke sich ihr zufolge klar davon ab. Sollte die Linke wie beim letzten Mal drei Direktmandate gewinnen, zieht die Partei auch bei unter fünf Prozent ins Parlament. Aussichtsreiche Kandidaten dafür sind etwa Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch, mit denen die Linke auch offensiv wirbt. Die Deutsche Welle spricht ferner von einem positiven Stimmungsumschwung, seit Jan van Aken und Ines Schwerdtner die Partei anführen. 

Trotzdem gibt es nach wie vor Zweifel, ob die Linke nach der diesjährigen Wahl erneut in den Bundestag einziehen kann. Bei der Europawahl erreichte die Linke 2024 nur 2,7 Prozent, ein deutlicher Rückschlag im Vergleich zur letzten EU-Wahl, bei der sie 5,5 Prozent erzielte. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern verlor sie viele Stimmen an das BSW, das auf Anhieb 6,2 Prozent erreichte. Universitätsprofessorin Dorothée de Nève sieht diese Gefahr auch bei der Bundestagswahl. „Fakt ist, dass diese Wählerwanderung für die Linke existenzbedrohend ist“, sagte sie jüngst gegenüber der SZ. Zudem stand es bis vor Kurzem nicht allzu gut um die Geschlossenheit der Partei. Bei den parteiinternen Streitigkeiten ging es laut ZDF etwa um den Umgang mit Antisemitismus und den Kriegen in Gaza und der Ukraine.

Kommentar

Es gehört dazu, dass auch die negativen Aspekte benannt werden, und wir können klar bejahen, dass es in der Linken nicht komplett ruhig ist und die Flügelkämpfe vorbei sind. Einige sind sogar in den sozialen Netzwerken unterwegs und kritisieren wieder mal die eigene Führung, anstatt sich in den Wahlkampf zu schmeißen. Die Linie in der Partei, der die drei „Silberlocken“ angehören, kommt bei diesen Einlassungen nicht gut weg. Aber wo stünde die Partei ohne diese gestandenen Realpolitiker, die über alle Vorsitzenden- und Fraktionsvorsitzendenwechsel im Bundestag hinweg die Partei in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, nach außen geprägt und anschlussfähig gehalten haben?

Damit kommen wir jetzt auch dazu, wen wir in diesem Bundestagswahlkampf am sympathischsten finden: Es ist eindeutig das Silberlocken-Trio. Wir müssen nicht mit allem und jedem übereinstimmen, wir sind froh, dass wir überhaupt zu Menschen, die sich anschicken, im nächsten Bundestag wieder Politik machen zu wollen, ein positives Grundgefühl haben – das teilweise auch aus einer profunden persönlichen Einschätzung erwachsen ist, nicht nur durch Beobachtung aus der Ferne.

Die Linke hat in der vergangenen Woche die Zahl von 83.000 Mitgliedern überschritten. Das ist die höchste Zahl seit der Vereinigung von WASG und PDS im Jahr 2007. Als wir erstmals vor neun Jahren die Mitgliederzahlen der Linken beobachtet haben, lagen sie bei etwa 63.000, auch damals, vor der Bundestagswahl, mit ansteigender Tendenz. Was sich jetzt abspielt, ist eine viel stärkere Bewegung und ähnelt dem Effekt, den auch die Grünen in den letzten Jahren zu verzeichnen haben: Der Partei fliegen die Mitglieder – unsere Hoffnung: neue, unverbrauchte, junge und idealistische, nicht ideologie-„stabile“ (putinfreundliche Betonköpfe) – Mitglieder zu, weil der Auftritt der Linken der sympathischste ist. Und weil in Wirklichkeit die Antwort auf alles, was jetzt passiert, hier und in der Welt, links sein muss, und nicht noch mehr rechts. Die SPD und die Grünen hingegen drohen in das Loch zu fallen, das die CDU in der Mitte gelassen hat, als sie nach rechts zur AfD hin wanderte. Damit das nicht passiert, versuchen sie selbst, Stege nach rechts zu bauen. Wenn diese dünen Balken mal tragen. Meist nützt es nur den rechteren Rechten, wenn derlei versucht wird. Und in diesem Weg liegt enorm viel Unsicherheit, auch für angestammte Wähler:innen und für welche wie uns, die vielleicht aus taktischen Gründen SPD wählen könnten. 

Wir können im Moment nicht einschätzen, wie weit sich SPD und Grüne vom Rechtsdrall beugen lassen, der so sehr an Fahrt aufgenommen hat. Die erste Gegenbewegung, die wir überhaupt sehen, ist, dass die Linke die erwähnten Zuwächse hat. Auf einem Niveau, das noch keine linke Gegenmacht darstellt, aber es ist immerhin besser, als wenn es gar keine Stimme der Solidarität mehr im Bundestag geben würde. Deswegen machen wir hier auch Wahlwerbung: Wer sicher sein will, dass er sich nicht am Rechtsruck beteiligt und einer Partei seine Stimmen geben will, die soziale und zivilisierte Ansichten auch im nächsten Bundestag vertreten kann, der muss die Linke wählen. Um es mit Angela Merkels Worten zu sagen: es ist alternativlos. Und vermutlich nicht verschenkt, wie der aktuelle Trend andeutet.

Nun ein paar Worte für Grünwähler:innen: Vergleichen Sie mal, wer das bessere Umwelt- und Klimaschutzprogramm hat. Sie werden sehen, Sie müssen nicht nur keine Abstriche machen, wenn Sie die Linke wählen, Sie wählen eine viel konsequentere Partei, die außerdem in der Realpolitik auch dafürgestanden hat. Das war zumindest in Berlin so, als sie mit der SPD und den Grünen regierte. Keine andere Partei hat sich so sehr für soziale Rechte und die Verkehrswende gleichermaßen eingesetzt. Also für das, was man auf Stadtebene machen kann. Thüringen mag ein etwas anderer Fall sein, aber dort ticken die Uhren sowieso anders, wie man bei der jüngsten Landtagswahl gesehen hat.

Wenn die Linke es schafft, ihre progressive Klima- und Umweltagenda auch noch gut unter die Menschen zu bringen, dann könnte sie zweistellig werden und den vielfach in der Sache uneindeutigen Grünen viele Wähler:innen abnehmen.

Nun ein paar Worte für SPD-Wähler: Die SPD hat zwar das Bürgergeld eingeführt und der Grundansatz war richtig, Qualifikation first einzurichten, angesichts von 1,5 Millionen Menschen, die gerne Jobs hätten, aber mit ihrer aktuellen Aufstellung keine finden. Aber jetzt lässt sie sich ja auf das CDU-Bashing ein, das in Wirklichkeit nur einen ganz kleinen Teil dieser Menschen betrifft, sie aber alle meint und auf Spaltung zielt. Eine SPD, die sich auf diesen Populismus einlässt, ist nur schwer wählbar.

Und sonst hat sie auf sozialem Gebiet komplett versagt. Kein Klimageld, absolut nichts für die Mieter:innen, im Gegenteil, der Auftrieb an einem aus dem Lot geratenen, entfesselten Markt geht weiter. Alleine 2024 sind die Neuvermietungspreise in Berlin wieder um 8,5 Prozent gestiegen.  Die Folgen sind drastisch und werden zum Vorschein kommen, wenn nicht immer irgendwelche Großkrisen die Aufmerksamkeit der Menschen für sich in Anspruch nehmen.

Dieses nicht sehr sozialdemokratische Verhalten der SPD kennen wir schon von der früheren Berliner Stadtregierung, wo sich Linke und Grüne weitaus stärker für soziale Rechte einsetzten als die SPD. Jetzt, mit der Rückschrittskoalition aus SPD und CDU, ist ohnehin keine Verbesserung der Situation mehr möglich. Deshalb waren wir nicht maximal überrascht, dass die wichtigsten sozialen Fragen in dieser Koalition nicht angegangen werden  

Wir schauen auch auf solche Themen. Wir sind genauso engagiert wie andere, wenn es um den Demokratieschutz, die Verteidigung, die Sicherheit, die USA und ihre abseitige Entwicklung geht, aber wir lassen uns davon nicht vollständig aufsaugen. Wir schreiben nicht so viel darüber, aber wir haben auch Dinge im Blick, die im Wahlberliner derzeit nicht im Vordergrund der Berichterstattung / Kommentierung stehen, die aber sehr wohl unsere Wahlentscheidung beeinflussen.

Das Aufsteigen der Linken halten wir für sachlich mehr als begründet, auch wenn es offenbar dadurch mitgeprägt wird, dass die Linke sich auf die Seite der besonders versierten Parteien im Bereich der sozialen Medien gestellt haben. Auch wenn uns das weniger tangiert, so finden wir es doch gut, dass TikTok nicht mehr nur der AfD gehört. Es ist sogar dringend notwendig gewesen, dass eine Partei dort endlich dagegenhalten kann. Auch im Bereich moderner Mediennutzung haben die anderen versagt, besonders SPD und Grüne. Im Prinzip sind das Parteien für ältere Menschen, was bei den Grünen vor einigen Jahren noch nicht der Fall war. Aber beide müssen sich ernsthafte Gedanken darüber machen, wo sie eigentlich hinwollen. Welche Rolle sie in einer Demokratie unter Druck spielen wollen. Wollen sie diese mitverteidigen oder gehen sie von den Rechtsauslegern in die Knie?

Dass eine relative Mehrheit von etwa 41 Prozent die Linke nicht mehr im Bundestag sehen möchten, nur 21 Prozent das auf jeden Fall wollen, ist in Wirklichkeit eine Riesenchance. Die Linke braucht ihr Programm nicht zu verwässern, bei dieser Konstellation. Aber sie sollte versuchen, die 21 Prozent und einige, die für „überwiegend ja“ gestimmt haben oder unentschlossen waren, zu überzeugen. Dann wird es etwas mit der Zweistelligkeit 2029. Und dann ist Revanche auch süß, an das BSW gerichtet. 

Bei einer Jugendwahl, bei der immerhin 166.000 junge Menschen in Schulen teilgenommen haben, lag die Linke übrigens bei über 20 Prozent und auf dem ersten Platz vor der SPD und den Grünen. Auch wenn diese Jugendlichen nicht repräsentativ gewesen sein mögen, sondern überdurchschnittlich politisch engagiert waren: Wo, wenn nicht unter jungen Menschen, die noch nicht komplett verbogen sind und noch einen Sinn für Gerechtigkeit haben, soll die Linke ihre Potenzial finden, das in Zukunft genutzt werden kann, damit Menschen wieder so leben können, dass sie den inneren Raum für Gerechtigkeit finden?

Wenn wir aber schon eine Positionierung vornehmen, dann möchten wir Sie auch mit ein wenig Original-Material versorgen, denn die Welt und die Parteiprogramme, alles ist unübersichtlich.

Wir wachsen immer weiter. Am Mittwoch 12.02. standen wir bei über 83.000 Mitgliedern. So viele Mitglieder hatten wir seit der Fusion aus WASG und PDS noch nie! In den Umfragen stehen wir mittlerweile überall bei 5 Prozent oder mehr. Jan van Aken meinte vor einem Monat, wir holen 7 Prozent – das wurde als Witz abgetan. Der Einsatz der vielen Aktiven an den Haustüren, auf den Marktplätzen, auf Veranstaltungen, in den Medien zeigt Wirkung. Wir erreichen in den sozialen Medien 20-mal mehr Menschen als zuvor. Auf TikTok, wo vor wenigen Monaten noch die AfD und rechtsextreme Inhalte dominiert haben, haben wir mittlerweile unter den Parteien die meisten „Herzchen“. (Aus einer internen Mitteilung der vergangenen Woche.)

Jan van Aken ist einer der beiden aktuellen Vorsitzenden der Linken, neben Heidi Reichinnek, die in hohem Maße mitverantwortlich ist für das linke Social-Media-Wunder: In den sozialen Medien ist die Spitzenkandidatin der Linkspartei längst eine Art Star, sie hat bei Instagram 340.000 Follower. Mehr als ihre Partei. Bei TikTok sind es gut 500.000, ungefähr doppelt so viele, wie die Linkspartei hat. Reichinnek sorgt dafür, dass die AfD bei TikTok nicht mehr die meisten Likes bekommt. Linke über Fünfprozenthürde: Heidi Reichinnek als Social-Media-Star

Diese Tatsache widerlegt auch, dass rechte Inhalte aufgrund ihrer Aggressivität und Simplizität generell besser auf sozialen Medien kommunizierbar sind. Man kann auch das Bessere auf eine Weise rüberbringen, die es gut erklärt und natürlich von Grund auf sympathischer wirkt als das rechte Gekeife, das immer auf die Abwertung anderer abzielt, die nicht zur eigenen Blase gehören. Ob hier schon ein erster gesellschaftlicher Gegentrend erkennbar ist, bleibt abzuwarten. Es gibt ja immer einen Kern von aufrechten Demokrat:innen, der nicht nach rechts wandert. Dieser Kern verfestigt sich nun um die Linke herum.

Damit haben wir aber immer noch nichts Programmatisches besprochen, wir zitieren aus demselben Schreiben wie zuvor:

Die Regierungen der letzten Jahrzehnte haben enorme Mängel in der öffentlichen Daseinsvorsorge und dem Sozialstaat hinterlassen: Durch die Schuldächer regnet es, Schwimmbäder werden geschlossen, Kita-Gruppen und Schulklassen sind zu groß. Pflegenotstand, Wohnungskrise, Bahn und ÖPNV ausbauen? „Leider kein Geld da“ ist die Botschaft der Ampel-Regierung.

Nicht alle sind in der Krise: Den Millionären und Milliardären geht es prächtiger denn je. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind die zehn reichsten Deutschen um 85 Milliarden Euro reicher geworden. Der Börsenindex-Dax feiert Rekordstände im Monatstakt. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geht direkt in die Taschen großer Waffenkonzerne und Aktionäre. Dafür war Geld da. Und dafür werden die Regierungen wieder Geld schaffen.

Um das zu erreichen, müssen wir Geld in die Hand nehmen, Investitionen massiv erhöhen und soziale Sicherheit schaffen. Die soziale und ökologische Krise lässt es nicht mehr zu, dass zuschauen, ohne zu handeln.

 

Die Gesellschaft steht vor einer Zerreißprobe. Wir wollen die Strukturen stärken, die Zusammenhalt organisieren: bezahlbarer Wohnraum, moderne Schulen und ausreichend Kitaplätze mit besserem Personalschlüssel, funktionierende Krankenhäuser und Pflegeheime, ein pünktliches und bezahlbares Netz von Bus und Bahn und sozial gerechten Klimaschutz.

Die Linke ist die einzige Partei, die noch ernsthaft adressiert, was doch so offensichtlich ist: Es ist nicht zu wenig Geld da, es ist nur immer ungleicher verteilt und die Krisenprofiteure sacken derzeit Unsummen ein, während es vielen Menschen schlechter geht. Es gibt den Gegensatz zwischen Ausgaben-Notwendigkeiten verschiedener Art und knappen Kassen nicht. Man hält die Kassen künftig knapp, weil man sich vor dem Kapital in die Hose macht, anstatt es daran zu erinnern, dass vor allem es selbst von all diesen Investitionen profitieren wird. Nicht einmal das kriegt die Politik seit vielen Jahrzehnten hin. Von Ansätzen einer gerechteren Wirtschaftsordnung per se ganz zu schweigen. Auf dem Gebiet ist auch die Linke nicht mehr das, was sie mal war, aber immer noch um Längen besser als die anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Die Linke macht eine Rechnung auf, wie ihre Umverteilungen finanziell funktionieren sollen – bis auf einen nicht spezifizierten Betrag für eine Abrüstungsinitiative ist das alles zumindest nachvollziehbar. Eine Abrüstung halten wir im Moment nicht für eine schlaue Idee, das würden wir, wenn wir die Gelegenheit dazu hätten, auch in der Linken ernsthaft und im Sinne einer Mindermeinung diskutieren. Hätte die Linke Gestaltungsmacht, käme aber auch sie nicht um die Erkenntnis herum, dass Sicherheit auch ein wichtiger Aspekt ist, wenn es darum geht, Demokratie und den Sozialstaat zu schützen.

Hier haben wir aber noch etwas zum Steuerprogramm gefunden: Nur die Programme der Grünen und die Linke würden der Mehrheit tatsächlich eine Steuererleichterung bringen, das der Linken in erheblich stärkerem Umfang (Quelle wie oben):

Mit der AfD wären 13% der Menschen in Deutschland mehr von Armut betroffen; mit der FDP 11 %; mit dem BSW 4,2 %; mit der Union 2,9 %; mit der SPD 0,5 %.

Nur mit Die Linke und den Grünen sinkt die Armutsquote. Bei den Grünen um 5%. Bei uns nimmt die Armut um 16% ab.

Sechzehn Prozent weniger sind bei der heutigen grassierenden Armut zwar nicht die ganz große Lösung, aber wenigstens ein erster Ansatz. Die vorgeschlagenen Investitionen in die Zukunft würden die Quote weiter senken, die sich durch den Niedergang der tatsächlichen Partizipationsmöglichkeiten ärmerer Menschen, wie zum Beispiel die offenbar von den Rechten und Marktradikalen gewollte Zerstörung guter Bildung für alle, tendenziell weiter erhöht.

Oben sieht man übrigens auch wieder, warum AfD und FDP so gut zueinander passen. Kein Wunder, dass Christian Lindner sich nun bereits mehrfach als Fan der Disruption geoutet hat, obwohl der Begriff gerade erst in Mode gekommen ist. Das ist auch eine Art von Trendsetting. Ein rechtes, antidemokratisches Trendsetting. Mag diese Art von Liberalen nie wieder in den Bundestag einziehen, das ist ein Herzenswunsch von uns. Aber auch das BSW, das Gerechtigkeit auf seine Fahnen geschrieben hat, sieht nach obiger Rechnung alles andere als gut aus. Es braucht also nicht unbedingt diesen Ukraine-Zynismus, den wir gestern thematisiert haben, um von einer Wahl dieser Neupartei Abstand zu nehmen, es reicht auch, auf deren tatsächliche Ideen zur Gerechtigkeit zu schauen.

Wir müssen hier einen Disclaimer setzen. Wir waren von 2016 bis 2021 Mitglied der Linken, es wäre unfair, das an dieser Stelle zu verschweigen. E gab auch Gründe für den Austritt, die hatten sowohl mit Wagenknecht als auch mit anderen unbefriedigenden Entwicklungen in der Linken zu tun, unter anderem einer Tendenz zu immer mehr Mittigkeit. Damit wollen wir heute nicht hadern, wir sind froh, dass wir noch eine politische Kraft mit Fünf-Prozent-Potenzial finden, deren Wahl und nicht aufzwingt, uns mehr verbiegen zu müssen, als einem aufrechten Demokraten guttun kann.

TH


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