4 Tage vor der Wahl, UPDATE: Wie die Jugend wählt + interessante Verschiebungen #btw2025 #Bundestagswahl2025 #CDU #CSU #AfD #SPD #Grüne #DieLinke #BSW #FDP

Briefing PPP, Personen, Parteien, Bundestagswahl 2025

Vier Tage bis zur Bundestagswahl am 23.02.2025. Ab heute erscheinen unsere Artikel als Updates, damit die bisherigen Informationen erhalten bleiben, nachdem wir gestern die fünf „X Tage vor der Wahl“-Artikel  zusammengefasst haben.

Quadriell, Wahlarena, das waren die letzten Auftritte von jeweils vier Kandidat:innen für die Kanzlerschaft, heute kommt es noch einmal zu einem Duell Merz gegen Scholz und morgen zum wirklich allerletzten Aufeinandertreffen  und dieses Mal sind alle dabei:

  1. „Die Schlussrunde“ im ZDF am 20. Februar 2025: Hier werden die Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien ihre politischen Visionen diskutieren. Die Moderation übernehmen Markus Preiß (ARD) und Diana Zimmermann (ZDF).

  2. Das letzte TV-Duell „Scholz gegen Merz“ auf Welt TV am 19. Februar 2025: Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) treffen in einem „Streitgespräch“ aufeinander. Die Moderation erfolgt durch Marion Horn (Bild) und Jan Philipp Burgard (Welt).

Mit zwei Parteien haben wir uns vertieft auseinandergesetzt, mit dem BSW und der Linken, außerdem den Fünf-Punkte-Plan der Union kritisch beleuchtet. Wir hoffen, wir schaffen es noch, in die tagesaktuellen Entwicklungen eine weitere Darstellung einzubauen: Wie die Union von Wirtschaftslobbyisten und rechten „Vordenkern“ unterwandert wird. Lesen sie dazu auch unsere Wahlempfehlung: 6 Tage vor der Wahl: Quadriell ohne viel Wirkung, aktueller Trend – und heute unsere Wahlempfehlung. Heute aber etwas Hoffnungsvolles: Kürzlich fand die Bundesjugendwahl statt. Wie haben die Jugendlichen gewählt? Danach die Umfragentendenzen, gefolgt von den Darstellungen zu den einzelnen Parteien im Bundestag.

I. Die U18-Bundestagswahl

Die Linke gewinnt U18-Bundestagswahl

Bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag werden schätzungsweise 2,3 Millionen junge Deutsche zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Sie sind mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres wahlberechtigt. Für alle die zum Zeitpunkt der Wahl noch nicht volljährig sind, gibt es die Möglichkeit an der sogenannten U18-Bundestagswahl teilzunehmen. Die Statista-Grafik veranschaulicht die Ergebnisse des diesjährigen Votums.

Bereits auf den ersten Blick fällt hier ein deutlicher Unterschied zur aktuellen Sonntagsfrage auf. Klarer Gewinner bei den Unter-18-Jährigen ist Linkspartei mit 20,8 Prozent der Stimmen. Diese bekommt zwar in den letzten Wochen immer mehr Zuspruch aus der Bevölkerung und registriert wachsende Mitgliedszahlen, die meisten Meinungsforschungsinstitute sehen sie jedoch zwischen vier und sieben Prozent. Zweitstärkste Kraft bei der U18-Wahl wird die SPD (17,9 Prozent) vor den Unionsparteien (15,7 Prozent). Letztere werden in den Sonntagsfragen schon seit Monaten mit um die 30 Prozent der Stimmen als Favorit gehandelt, bei Kindern und Jugendlichen scheinen sie jedoch weniger Anklang zu finden. Die AfD erzielt mit 15,5 Prozent ein ähnlich gutes Ergebnis wie die CDU/CSU und steht damit noch vor den Grünen (12,5 Prozent) Weitere Parteien würden es nicht in das U18-Parlament schaffen; die Tierschutzpartei (3,8 Prozent), die FDP (3,4 Prozent) und das BSW (3,4 Prozent) scheitern alle an der Fünf-Prozent-Hürde.

Die U18-Bundetagswahl hat zwar eher einen symbolischen Charakter, dennoch sind die Ergebnisse ein Gradmesser für die politische Einstellung der Jungend in Deutschland. Insgesamt wurden beim diesjährigen Votum in der Woche vom 07. bis 14. Februar rund 166.443 gültige Stimmen in etwa 1.812 selbstorganisierten Wahllokalen abgegeben.

Stellen Sie sich vor, die Bundestagswahl am 23.02. würde so ausgehen. Noch 2017 war die tatsächliche Lage gar nicht so viel anders, es hätte für eine rot-grün-rote Koalition gereicht. Leider hat die SPD sich in die GroKo-Falle der Union  locken lassen. Wichtig ist: Die 166.000 jungen Menschen, die abgestimmt haben, sind nicht repräsentativ. Sie dürften überdurchschnittlich gut gebildet, politisch informiert und engagiert sein. Diese Aufstellung bevorzugt eher das linke Spektrum. Trotzdem sehen wir hier, was möglich wäre, wenn alle im Land den Idealismus junger Menschen hätten. Sogar die Abfolge ist absolut logisch, denn die Linke hat derzeit das kohärenteste Demokratie-, Sozial- und sogar Umweltangebot. 

Wir haben uns gestern die Biografien der linken Spitzenkandidaten Jan van Aken und Heidi Reichinnek sowie der neuen Linken-Co-Vorsitzenden Ines Schwerdtner angeschaut. Klare, richtige Haltungen, keine unangenehmen Verflechtungen mit kapitalistischen Interessengruppen und keine Skandale. Wenn es um die Wirtschaft geht, was ja auch wichtig ist:

Dieses Land kann nicht durch einen freidrehenden Haudrauf-Kapitalismus à la Trump, Merz oder Lindner gerettet werden, bei dem wir gegen die USA und China keine Chance haben zu bestehen, weil dort die viel größeren Ressourcen vorhanden sind, sondern durch vertiefte Wissensbildung, durch Partizipation der Arbeitenden, durch langfristig zukunftsfähige Branchen, durch mehr demokratische Strukturen in der Wirtschaft und durch eine Zusammenführung derer, die von den Rechten aus eigennützigen Gründen jeden Tag ein Stück mehr gespalten werden. Wir gehen hier nicht ins Detail, aber die Wahl der Jugendlichen, auch in der Reihenfolge der Parteien, erscheint uns viel logischer als das, was die Erwachsenen am 23.02. tun werden, die, das muss man so klar sagen, ethisch meist ziemlich abgeranzt sind.

Bei den Erstwähler:innen sieht es tendenziell ähnlich aus wie bei den Jugendlichen, wenn auch nicht in diesem starken Ausmaß, nämlich dass die Rechten bei ihnen nicht so gut ankommen. Wir wollen also hoffen, dass die nächste Generation, die ins Wahlalter eintritt, diesen Schwung mitnimmt und versteht, warum ihr noch viel stärker ausgeprägtes Gerechtigkeitsbild sie nicht trügt und sich das vor allem in dem Job, den sie annehmen werden, um die Reichen noch reicher zu machen, nicht wegmanipulieren lässt. Macht hat kann auch durch Selbstermächtigung entstehen, man ist diesem Furor von reich und rechts nicht hilflos ausgeliefert, der die Zivilisation derzeit zu versenken droht, die so mühevoll und unter großen Opfern aufgebaut wurde.

II. Aktuellste Umfrage-Tendenzen

Unter anderem haben wir eine schöne Laufgrafikdarstellung  zur Entwicklung der einzelnen Parteien in Umfragen seit dem Ampel-Bruch zu empfehlen: Umfragen Bundestagswahl: 3 große Gewinner seit dem Ampel-Aus – Business Insider. Sie ergänzt das Zeit-Panel, das wir jeden Tag sichten (Bundestagswahl: Wer führt in der aktuellen Sonntagsfrage? | ZEIT ONLINE) und den Civey-Seismographen (Civey-Umfrage: Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?). Die Darstellung der einzelnen Parteien in ihrer Umfrage-Entwicklung seit dem Ampel-Aus am 6. November 2024 ist sehr instruktiv und macht noch einmal deutlich, was bei den Wähler:innen verfängt – und was nicht.

Die Bewegungen bei den Parteien werden wieder stärker. Wir schauen zunächst, was sich  seit gestern getan hat, den Vergleich mit der Lage vor sechs Tagen können Sie hier ziehen: 9 Tage vor der #Wahl: 3 gewinnen, 2 verlieren. Vor allem die Civey-Werte schlagen jetzt stärker aus, und diese Dauerbefragung ist ein Seismograph, er macht Trends frühzeitig sichtbar, die sich dann auch in anderen Umfragen zeigen – gerade vor Wahlen. Deswegen konzentrieren wir uns heute auf ihn im Vergleich zu den gestrigen Werten, die Werte aus dem Zeit-Panel in Klammern dahinter.

– CDU/CSU: 29,8 (30,1), -0,3 
– AfD 21,1 (20,7) +0,4
– SPD 15,7 (15,2) +0,5
– Grüne 13,4 (13,7) -0,3
– Linke 6,9 (6,5) +0,4
– FDP 4,7 (4,2) +0,5
– BSW 4,3 (4,4) -0,1 

Das sind für einen einzigen Tag sehr starke Veränderungen, die sich naturgemäß im Zeit-Panel nicht so stark ausweisen, weil es die Werte mehrerer Institute zusammenfasst. Damit haben nun FDP, wie vorausgesagt oder als Möglichkeit beschrieben, die Plätze getauscht. Der Auftrieb bei der Linken geht weiter, die SPD kann den kleinen Schub ganz sicher nicht mehr in einen Wahlsieg umwandeln, die rechte CDU-Rhetorik hilft quasi im Maßstab 1:1 der AfD.  Und die FDP könnte den Wiedereinzug ins Parlament doch schaffen. 

III. Die Parteien, die derzeit im Bundestag vertreten sind (Ergänzungen bei sechs von sieben Fraktionen / Gruppen)

 CDU/CSU

  • Dank eines in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebten Kanzlerkandidatenund aufgrund ihres freidrehenden Rechtspopulismus hat sich die Union selbst geschadet. Anstatt die Situation zu nutzen und ein Angebot für die Zusammenführung eines zerstrittenen Landes zu machen, greift sie immer weiter nach rechts aus und liefert der AfD damit Steilvorlagen. Jüngste Umfragewerte, die die Union teilweise unter 30 Prozent sehen, bestätigen diese Einschätzung (Ergänzung vom 19.02.).
  • Erst reißt Merz die Brandmauer ein, dann behauptet er, wie gestern in der ARD-Wahlarena wieder, er würde auf gar keinen Fall mit der AfD koalieren. Glauben Sie dem Mann nicht, er redet viel, wenn der Tag lang ist. In diese Kategorie fällt auch, dass er gestern wieder Menschen Angst gemacht hat und das Land spalten will.
  • Den Fünf-Punkte-Plan der CDU zur Migration haben wir uns in diesem Beitrag etwas näher angeschaut: 8 Tage bis zur Wahl: Der 5-Punkte-Plan, die Grenzsicherung, die Logik. Schon nach der intensiveren Befassung mit dem Punkt Grenzsicherung und dem Punkt Abschiebung war festzustellen: Die CDU macht auch hier eine populistische Tünkram-Rallye, die weit von den faktischen und rechtlichen Realitäten entfernt ist. Hätten wir die drei übrigen Punkte auch näher analysiert, so unser Eindruck beim schnellen Durchdenken, hätten wir den Plan komplett auseinandergenommen.
  • Glauben Sie Merz‘ Ausführungen zum Bürgergeld nicht, sie sind komplett verfassungswidrig, und noch ist Deutschland nicht die USA, wo sich rechtes Kesseltreiben einfach über die Verfassung hinwegsetzen kann.
  • Ein Koalitionspartner der Union, wenn es nicht die AfD ist, hat deshalb dringlichst die Aufgabe, zu verhindern, dass die Partei sich endgültig von der Demokratie verabschiedet.

AfD

  • Die Union päppelt die AfD hoch, im Verein mit den neuen Antidemokraten im Weißen Haus von Washington. Alles, was wir oben zu Merz geschrieben haben, ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Offenbar will die Union sich selbst klein machen, deswegen kommt sie auch nicht mehr über 30 Prozent in den Umfragen. Die AfD gewinnt exakt so viel hinzu, wie die Union verliert, Stand heute. Zwar darf man keinen Eins-zu-Eins-Wähleraustausch annehmen, aber zwischen diesen beiden Parteien ist Einstellung der Wähler:innen nun einmal am durchlässigsten.
  • Der neueste vermutlich islamistische Anschlag von München hat der AfD hingegen keine Wähler:innen mehr zugeführt, ihre Ergebnisse sind dadurch nicht angestiegen.
  • Die AfD ist an der Obergrenze ihrer gegenwärtigen Möglichkeiten angekommen. Das könnte auch damit zu tun haben, dass immer mehr Menschen merken, wie inkohärent die Partei geopolitisch aufgestellt ist: Will Weidel nun den Rechten in den USA hinterherlaufen oder die nationalistische, prorussische, antiamerikanische Karte spielen? Will sie mehr oder weniger Rüstung und Letzteres zu welchem Zweck, wenn doch aus Russland keine Gefahr droht? So ist das, wenn man Imperialisten super findet, man landet in einer argumentativen Sackgasse, wenn die Imperien unterschiedliche Interessen haben, was ja meistens der Fall ist. Deren Wesen ist es, sich gegen die Konkurrenz aufzustellen. Im Großen genau das Gleiche wie das Spaltungsdenken, das die AfD hoffähig machen will und dessen Verbreitung in der Bevölkerung sie hoffähig macht. Es wird nichts Gutes dabei herauskommen.
  • Was wir besonders erschreckend finden: Nicht nur tendiert die AfD im Wege ihres Wachstums der letzten Jahre nicht, wie andere Rechtsparteien in Europa, etwas mehr zur Mitte, sondern ins Gegenteil, und ihren Anhängern scheint es auch nichts auszumachen, dass sie alles andere als sauber ist. Wenn der im Link beschriebene Verdacht sich bewahrheiten sollte, dann zeigt sich vor allem, nicht zum ersten Mal, eines: Die AfD ist bereits stark mit jener Form von Kapital verwoben, die komplett schädlich gerade für die „arbeitenden Menschenist“, die angeblich das Zielpublikum der AfD sind.

SPD

  • Kanzler Olaf Scholz hat am 13.02. verkündet, er sehe einen Siegwahrscheinlichkeit für sich von 60 Prozent. Dafür müsste die SPD innerhalb von nun fünf  Tagen noch mindestens um 60 Prozent auf etwa 25 Prozent zulegen, die Annahme vorausgesetzt, dass die CDU einige Prozentpunkte an die SPD verlieren würde. Er kann aber auch nicht sagen, ich lasse den Wahlkampf sein, wir schaffen es sowieso nicht. Jedenfalls ist von einer Aufholjagd der SPD nichts zu verspüren. Scholz kann sich schon ein wenig anpassen, wie die Diskussionen der letzten Tage gezeigt haben, wo er so öffentlich sichtbar war wie selten zuvor, aber eben nicht genug, um den Menschen Vertrauen zurückzugeben, das er als Chef der Ampel mit verspielt hat. Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass er 2021 nur Kanzler wurde, weil in der Union wahlkampfmäßig schieflief, was schieflaufen konnte.
  • Ein weiteres Problem ist das Ambivalenzdilemma. Scholz ist vielfach in schwierigen Abwägungen gefangen, dafür kann er nichts. Er kommuniziert sie aber nicht so, dass er, oder, auf internationaler Bühne, Deutschland dabei gut wegkommt. Das hat man gestern wieder in Paris gesehen, als es um die Sicherstellung eines möglichen Ukraine-Friedens ging. Er ist ehrlicher als die anderen, weil er keinen Quatsch verspricht und nicht vorprescht, ohne Ergebnisse zu kennen, auf deren Basis Sicherheit organisiert werden kann, weil das nun einmal nicht seine Art ist. Gleichzeitig tut Deutschland weit mehr für die Ukraine als jedes andere europäische Land, während die anderen mit ihren möglicherweise undurchführbaren und bisher luftblasenhaften Ideen sich als Macher präsentieren. Scholz ist der Anti-Macron, wenn man so will. Mehr Substanz, aber weniger Repräsentanz und dadurch weniger Relevanz, am Ende des Tages.
  • Die Abgrenzung der SPD von der Union ist nicht deutlich genug, auch das war gestern zu verspüren. Wo ist die Ansage, dass Scholz nicht mit Merz persönlich koalisieren wird, weil dieser die Brandmauer beschädigt hat? Das wäre doch für ihn relativ einfach, weil er unter Merz nicht Minister sein will (und damit nicht den Weg seiner Parteikollegin Giffey in Berlin gehen will, die von der Regierenden Bürgermeisterin durch eine Wahlniederlage von der CDU zur Senatorin herabgestuft wurde, aber so an der Macht klebt, dass sie das mitgemacht hat). Ist es aber anscheinend nicht. Scholz ist eben doch Scholz. Mit allen Vor- und Nachteilen, und in dieser Zeit, in dieser Lage, bei dieser Wahl, überwiegen die Nachteile.
  • Außerdem liegt der Verdacht nah, dass Scholz vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit gesagt hat. Uns würde das überhaupt nicht überraschen,  und hinter der Verneinung von Treffen mit den in den Skandal verwickelten Bankern kann nur stecken, dass man Angst davor hat, die Inhalte dieser Gespräche könnten für Zündstoff sorgen. Scholz‘ Verstrickung in mindestens zwei der größten Wirtschaftsskandale der BRD war für uns vor seiner Kanzlerschaft schon ein Grund, ihn nicht für wählbar zu halten. Angesichts der jüngsten Umfrageentwicklungen müssen wir das zum Glück wohl auch nicht aus taktischen Gründen tun.

Die Grünen

  • Für die Grünen ist der Ausstieg aus der Ampel und die gegenwärtige Situation, Teil einer Minderheitsregierung mit der SPD zu sein und dies in einigermaßen Harmonie, eine Erholung, das ist deutlich zu sehen. Keine andere Partei außer der Linken und der AfD hat seit dem 5. November so viel zugelegt (in Wählerprozenten, nicht prozentual gegenüber dem Ergebnis am 5. November). Dabei kommt ihnen zugute, dass Kanzlerkandidat Robert Habeck wenig aneckt, überragende Beliebtheitswerte hat aber auch er nicht vorzuweisen.
  • In der Ampelkoalition haben die Grünen immerhin maßgeblich für ein paar gesellschaftspolitische Fortschritte gesorgt, aber bei dem aktuellen Rechtsdrall ist das nur bei einer Minderheit ein Grund, sie zu wählen. Wir sind gespannt darauf, was passiert, wenn die Grünen demnächst vielleicht mit Rückschritt-Merz koalieren.
  • Die Auswertung neuester Diskussionsrunden offenbart bei Habeck ein anderes Dilemma als bei Scholz. Er wird zwar als relativ sympathisch angesehen, aber man traut weder seiner Fachkompetenz, noch seiner Führungsfähigkeit. Das heißt, man spricht ihm Kanzlerformat ab, und das ist schlecht für einen Kanzlerkandidaten.
  • Das längerfristige Momentum ist eindeutig gegen die Grünen und ihre Themen gerichtet. Wenn man das bedenkt, sind die fast 14 Prozent, die sie aktuell erreichen könnten, sehr gut. Und Habeck hat sich gestern annehmbar in Sachen Klima positioniert (in der Wahlarena), für uns war er da schlüssig, wenn auch nicht komplett logisch. Wir meinen, wie die Klimaziele erreicht werden, ist Sachfrage, solange es nachhaltig ist, und wenn „Technologieoffenheit“ bedeuten könnte, dass die Ziele dadurch schneller zu erreichen sind, dann muss man darüber reden. Alles andere ist in Zeiten, in denen viele den Klimaschutz lieber ganz kippen würden, für später, wenn sie erreicht sind und weitergedacht werden kann, sogar über die komplette CO2-Neutralität hinaus. Transformation ist kein Ponyhof und es gibt unzählige Interdependenzen zu bedenken. Gerade Habeck mit seiner Affinität zur „Kontextualisierung“ sollte das wissen, es wirkt aber häufig nicht so.
  • Es ist bei der Stimmung im Land unrealistisch, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und dabei viele wirksame Maßnahmen auszuschließen, die ein gleich gutes Ergebnis bringen könnten, außerdem ist die Ampelpolitik in der Hinsicht total inkohärent gewesen.
  • Die CO2-Preise steigen, das Klimageld kommt nicht, die E-Auto-Förderung wurde eingestellt, die Wärmepumpen mit viel Druck durchgesetzt, die Solarenergie boomt dank Kleinförderung, bei der aufwendigeren Windkraft geht es nicht richtig voran, der Verkehrs- und Gebäudesektor sind weit von ihren Zielen für 2030 entfernt, und dass sie diese verfehlen werden, hätte man schon bei der Festlegung sehen müssen, weil wie schlicht unrealistisch sind. Dazu müsste man mit Verboten und Förderungen das Land auf eine Weise umkrempeln, die auch in normalen Zeiten vermutlich nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht hätte. Es hilft auch nichts, auf die Kosten der Verzögerung zu verweisen, die uns noch einholen werden. Die Krisensituationen haben die Prioritäten verschoben, ob man das gut findet oder nicht. Wir finden es nicht gut, aber wir sehen es als Tatsache an.
  • Dass dieses Thema Frust macht, weil zu wenig getan wird und doch so viel eingegriffen, wieder zurückgenommen, die Richtung nicht eindeutig ist, fällt vor allem den Grünen auf den Kopf. Auch in dem Sinne: da kommen sie im Moment wirklich noch gut weg, in den Umfragen.
  • Außerdem haben viele Zweifel an der deutschen Außenpolitik à la Baerbock, auch wir. Sie symbolisiert das vermutliche Scheitern des teuren Ukraine-Engagements und Belehrungen ohne Druckmittel in aller Welt. Genau das Gegenteil von dem, was jetzt die Trump-Administration tut, und wer wird sich da wohl durchsetzen? Letztlich kommt es auf Wirksamkeit an, und Deutschland wirkt immer mehr wie ein Land, das immer weniger geschätzt wird, weil Politiker sich immer mehr selbst überschätzen und auf keine Weise auf die tatsächliche Zeitenwende vorbereitet wirken, die wir jetzt sehen.
  • Die Grünen profitieren nach unserer Ansicht trotzdem davon, dass ihr Wähler:innen sehr segregiert denken und die Zusammenhänge nicht in den Blick nehmen, weil sie ideologisch auf Einzelthemen fixiert sind. Man sagt, die Grünen haben ein überwiegend akademisch gebildetes Publikum. Wenn das stimmt, dann profitieren sie davon, dass die heutige Akademisierung sich fundamental von der bis zur Implementierung des Bologna-Prozesses unterscheidet. Sie ist nicht mehr auf Universalbildung gerichtet, und das fördert ein fachthematisch eingeengtes Denken ohne Blick über den Tellerrand.

Die Linke

  • Dass wir die Linke an fünfter Position nennen und nicht ganz am Ende oder gar nicht, ist ein kleines Wunder. Falls nichts mehr schiefgeht, müsste sie den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Der Trend zeigt weiter aufwärts, allerdings seit zwei Tagen nicht mehr bei Civey. Das mag daran liegen, dass die Wahldiskussionen, bei denen sie nicht zugegen ist, ihren Erfolg in den sozialen Medien aktuell überlagern. Außerdem baut er stark auf einem Ereignis auf, der Rede von Hedi Reichinnek im Bundestag am 29.01.2024, wo sie als einzige die Brandmauer wirklich gelebt hat.
  • Das heißt, es muss jetzt nachgeliefert werden, und ein so starkes Statement wird es vorerst nicht mehr geben können, denn die Linke hat bis zur Wahl kein Forum mehr, in dem sie sich so präsentieren kann. Das ist die Kehrseite eines Social-Media-Hypes, er altert beinahe so schnell wie die Zeitung von gestern. Aber vielleicht baut man darauf eine kohärente Medienstrategie auf, das wäre gerade bei jüngeren Wählenden sehr wichtig.
  • Nicht umsonst haben gerade bei einer „Bundesjugendwahl“ mehr als 20 Prozent der Jugendlichen die Linke zur stärksten Partei gemacht.
  • Wichtig ist aber auch das quasi Gegenteil. Das ziemlich analog wirkende Projekt „Silberlocke“, in dem sich die beliebtesten Politiker der Linken zusammengefunden haben, um es noch einmal zu reißen für ihre Partei: Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch. Sie werden versuchen, ihre Wahlkreise direkt zu gewinnen, bei Gysi könnten wir uns auch vorstellen, dass das noch einmal klappt, weil der Wind insgesamt günstiger für die Linke geworden ist.
  • Zu mehr Stoff bezüglich der Linken verweisen wir noch einmal auf unseren Artikel 6 Tage vor der Wahl: Quadriell ohne viel Wirkung, aktueller Trend – und heute unsere Wahlempfehlung .

BSW

  • Noch ein paar Tage die aktuelle Tendenz, und wir können das BSW ans Ende hinter die FDP setzen. Die Bewegungen sind, siehe oben, derzeit nicht sehr stark, aber nur noch 0,2 Punkte trennen nach dieser Darstellung das BSW von den Disruptionsfans. Das ergibt auch Sinn, denn auf unterschiedliche Weise wollen beide Parteien das Land aus der Demokratie kippen, die einen in Richtung einer Diktatur der radikalen Rechten und Tech-Milliardäre in den USA, die anderen in Richtung Putin-Oligarchismus. Diese Art von Propaganda kommt nicht besonders gut an im Moment, trotz der berechtigten Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Irgendetwas gefällt den Anständigen in diesem Land an diesem narzisstischen Zynismus nicht, der ein kleiner Spiegel des narzisstischen Zynismus von Putin, Trump und anderen puren Machtmenschen ist, die derzeit wie die Pilze aus vom Neoliberalismus vieler Jahrzehnte kontaminierten politischen Humus schießen.
  • Zum BSW haben wir uns hier näher geäußert: 7 Tage vor der Wahl: Wen Sie nicht wählen sollten #BSW #AfD #CDU #CSU #FDP, oder knapp doch #SPD #Grüne oder eher #DieLinke.
  • Stand 19.02. ist das BSW in Umfragen hinter die FDP zurückgefallen (Civey) oder liegt nur noch 0,1 Prozent vor ihr (Umfragenpanel Die Zeit). 

FDP

  • Unser einziger Wunsch ist: Möge dieser Club von Menschenverächtern, zu dem die Liberalen sich mittlerweile selbst degradiert haben, für immer in der politischen Versenkung verschwinden. Das ist natürlich ein sehr frommer Wunsch, denn in einem Land, in dem so viele Menschenverächter wohnen, ist immer Raum für eine Partei dieser Art. Wir beziehen uns dabei vor allem auf die mittlerweile offene „Disruptionsfreundlichkeit“, denn unabhängig von ihren Umfragewerten sehen Lindner & Co. die Zeit dafür gekommen, ihre undemokratischen Ideen nun ganz unbemäntelt darzustellen.
  • Dass auch sie mit der AfD stimmen, wo immer es zu Mehrheiten für rechte Politik führt, wird schon gar nicht mehr thematisiert, sondern als mehr oder weniger selbstverständlich angesehen. Die sogenannten Freiheitlichen sind ausschließlich an der Freiheit des Kapitals interessiert, damit es mit uns machen kann, was es will. Christian Lindner sieht sich schon als zweitgrößten Disrupteur nach Donald Trump. Damit ist, wie wir in den USA sehen, ein Frontalangriff auf die Demorkatie gemeint. Und in der CDU machen sich immer mehr antidemokratische Kräfte breit, darüber werden wir noch gesondert schreiben. So leicht wie in der FDP haben es diese Kräfte in der größeren und vielfältigeren Union noch nicht, aber das rechte Dreigestirn wird diese Demokratie stürzen, wenn nicht alle Anständigen dagegenhalten
  • Befeuert wird dieses endgültige Fallenlassen der Fassade von der Entwicklung in den USA. Außenpolitisch allerdings tut sich jetzt kein Riss, sondern ein Krater zwischen diesen Rechten auf. Erneut ein Widerspruch, der daher rührt, dass Hass, Spaltung, Menschenverachtung immer auch die Spalter und Verächter, die Antihumanisten spaltet, wenn die Interessenlage auseinanderläuft, an der sie sich ausschließlich orientieren.  

TH


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