Filmfest 1279 Cinema
Mephisto ist ein deutsch–ungarisches Filmdrama von István Szabó aus dem Jahr 1981. Sein Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman, den Klaus Mann 1936 im Exil geschrieben und veröffentlicht hatte.
Nach 1979 (für „Die Blechtrommel“) gab es also zwei Jahre später wieder einen Film, der zumindest in Deutschland mitproduziert wurde und bei der folgenden Verleihung den Auslands-Oscar errang. Zwischendrin gab es noch „Das Boot“, der für sechs Oscars nominiert war und heute als einer der besten deutschen Filme überhaupt gilt – zumindest, wenn die IMDb-Nutzer der Maßstab sind, die ihn derzeit auf Platz 71 in der Liste der 250 besten Filme aller Zeiten sehen (Stand 24.05.2015). Nachdem der Autorenfilm ab den späten 1960ern das deutsche Filmschaffen deutlich erneuert hatte und viel experimentiert wurde, war dies eine sehr gute Erntezeit.
Handlung (5)
Hendrik Höfgen ist Schauspieler an einem Theater in Hamburg, sehr begabt, aber auch eitel und exzentrisch. Ende der Zwanziger Jahre begeistert er sich für die Idee, Theater für die breitesten Bevölkerungskreise zu entwickeln. Seine Versuche, mit Laienschauspielern „proletarisches Theater“ auf die Bühne zu bringen, scheitern jedoch an seinen überzogenen Ansprüchen gegenüber den Mitwirkenden. Er wendet sich mehrere Male ausdrücklichst gegen alle nationalsozialistischen Bestrebungen im Lande. Er ist der Überzeugung, dass man sich schmutzig macht, wenn man sich mit Leuten abgibt, die sich der nationalsozialistischen Richtung verschrieben haben.
Höfgen heiratet die Großbürger-Tochter Barbara Bruckner, ohne von seiner früheren Geliebten, der dunkelhäutigen Juliette, abzulassen. Er bekommt ein Gastengagement an einem Theater in Berlin vermittelt und kann sich dort dauerhaft etablieren, vom Publikum wird er gefeiert. Seine Frau überbringt ihm die Nachricht, dass Hitler Reichskanzler geworden ist. Sie hat den Plan gefasst, Deutschland den Rücken zu kehren und möchte auch ihn für ihre Emigrationspläne gewinnen. Höfgen jedoch verweist darauf, dass er als Schauspieler an die deutsche Sprache gebunden sei und daher anderswo keine Anstellung fände. Er versucht sich immer wieder zu der Idee zu retten, dass seine Kunst abseits von aller Politik angesiedelt sei. Als in Berlin der Reichstag brennt, befindet er sich bei Filmaufnahmen in Budapest. Er zögert mit der Rückkehr nach Deutschland, weil er darauf gefasst ist, dass ihm seine Vergangenheit als kommunistischer Agitator zum Verhängnis werden könnte. Von einer dem Machtzirkel nahestehenden Kollegin bekommt er jedoch einen Brief, in dem sie ihm versichert, dass er gute Chancen für weitere Theater-Engagements habe.
Seine größten Erfolge in Berlin erzielt er in der Rolle des Mephisto in Goethes Faust. (Weiter: Inhaltsangabe in der Wikipedia)
Rezension
Allerdings: „Mephisto“ stammt vom ungarisschen Regisseur István Szabó und der Protagonist Hendrick Höfgen wird gespielt vom Österreicher Klaus Maria Brandauer,mit dem Szabó wenig später den ebenfall viel beachteten „Oberst Redl“ gefilmt hat.
Die drei Oscargewinner oder –nominierten Filme spielten alle in der Zeit des Nationalsozialismus oder reichten in diese hinein. Es war eben auch die Phase der großen und im Ganzen sachgerechten Aufarbeitung, in der Geschichte so gefilmt wurde, dass die Klischees, mit denen auch diese Film arbeiten und arbeiten müssen, hinter großartige Entwürfe von einzelnen Schicksalen im Mühlwerk jener bedrückenden Jahre zurücktreten und diese kurze Epoche anhand von Protagonisten, Mitläufern, Gegnern, Helden des Widerstandes und Opfern des Regimes erfahrbar werden. Alle diese Filme profitieren davon, dass die Autoren oder Macher und manch andere Mitwirkende jene Zeiten noch miterlebt, mindestens in sie hineingeboren worden waren. Auch wenn gerade „Mephisto“ eine dezidiert subjektive Sprache hat und nicht vorgibt, die Wirklichkeit abzubilden, auch wenn zuweilen etwas lässig mit historischen Details in Mode und Ausstattung umgegangen wurde, sorgt der Zeitstil für eine Mischung aus Distanz und Nähe, die dem NS-Staat als Filmthema angemessen sind.
Formal und bezüglich der Schauspielleistungen, insbesondere derjenigen von Klaus Maria Brandauer als Höfgen / Mephisto, ist bereits viel geschrieben worden und wir werden uns dieses Mal zitateweise der umfangreichen Rezeption bedienen, die der Film erfahren hat.
Die Wiedergabe anderer Meinungen anstatt unserer eigenen oder als überwiegende Ergänzung zum Obenstehenden ist eine Ausnahme, die dem derzeit erheblichen Zeitdruck geschuldet ist und der Ansicht, dass wir unter diesem Zeitdruck für einmal profunde Meinungen sprechen lassen und uns eine eigene, ausführlichere Stellungnahme für eine weitere Sichtung des Films vorbehalten, die es sicher in den nächsten Jahren geben wird.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im März 2025: Bisher hat es diese weitere Sichtung nicht gegeben, obwohl Arte den Film vor einiger Zeit wieder im Programm / in der Mediathek hatte. Auf absehbare Zeit wird es also bei der vorliegenden Rezension bleiben.
Hans Gerhold vom film-dienst fand Brandauer „ungemein brillant“ in einer „schauspielerischen tour de force, die allein den Besuch lohnt“. Er biete ein „intelligentes Psychogramm eines vom Erfolg Besessenen und von den Mächtigen Begünstigten“. „Formal konsequent“ drücke Szabó Höfgens Zwiespältigkeit durch ein Halbdunkel aus. Durch den Verzicht auf eine Entschlüsselung der Figuren als Realpersonen meide der Film den Klatsch und gewinne Allgemeingültigkeit für andere totalitäre Regime. „Dies und die allgemein unaufdringliche Kameraführung, die im Wechsel von Nah- und Großaufnahmen und weiten Totalen, die gelegentlich die Personen umfahren, auch den Wechsel von psychologischem Kammerspiel und ohnmächtiger Beobachtung von Machtabläufen, in die die Kunst buchstäblich verwickelt ist, transparent macht, läßt Mephisto zu einem sehenswerten filmischen Diskurs über Politik und Kultur werden (1).
„Mepthisto“ sei „weit mehr als die Verfilmung eines berühmten Schlüsselromans“. Er nannte die Schlussszene, in der Höfgen ruft: „Ich bin doch nur ein Schauspieler!“, „eine großartige Metapher in einem an solchen virtuosen Kunststücken nicht armen Film.“ Brandauer, der den Höfgen „mit einer hinreißenden Leidenschaft“ verkörpere, stelle mit seiner Intensität die anderen Schauspieler „in den Schatten, obschon auch sie hervorragende Leistungen zeigen. Ihm ebenbürtig in der Beherrschung seiner Mittel ist István Szabó […]. Mit dem »Mephisto« ist ihm sein Meisterwerk gelungen.“ Der Beruf des Schauspielers sei eine „geniale Metapher“ für „eine Anpassung bis zum Äußersten, bis zum Verlust des eigenen Ichs.“ Zwar sei der Mephisto Höfgens „Paraderolle“, doch „im Leben ist er nicht der Verführer, sondern der Verführte“. Er schließe einen Pakt mit dem Teufel, der in der Gestalt des Ministerpräsidenten „keineswegs wie ein Teufel auftritt. Er braucht keine Gewalt, ihm stehen andere Mittel zur Verfügung.“ Höfgen schaffe den Aufstieg durch Verrat an anderen Menschen und liefere sich „von Angst, von Ehrgeiz und Genie“ zerfressen der Macht aus. (2)
„Auf das „nur ein Schauspieler“ könne man ergänzen „nur ein kleiner Beamter“ oder „nur ein Lokomotivführer“ und so weiter. Zu Szabós brillantem Stil gehörten Wechsel zwischen Großaufnahmen und Totalen, zwischen Bildern in hellen Pastelltönen und halbdunklen Szenen, hektischen Schnelldurchläufen und ruhigen Einstellungen. Brandauer komme „höchstes Lob“ zu: „Einfühlsam und durchweg glaubwürdig bewältigte er die schwierige Aufgabe, die faszinierende Persönlichkeit Höfgens greifbar zu machen, meisterhaft kontrastiert von DDR-Star Rolf Hoppe als diabolischem General.“
Der Film sei eine „Studie über einen erfolgsbesessenen, fast manischen Charakter, der sich in extreme Widersprüche einrichtete, um in und für seine Kunst leben zu können, macht einsichtig, daß die Sicherheit einer vom Leben abgespaltenen Existenz im Elfenbeinturm nur Illusion ist.“
Uta van Steen hielt Höfgen für jemanden, der das Leben mit Theater gleichgesetzt hat. Zu Beginn seiner Laufbahn engagiert er sich entschieden „für das Konzept des totalen Theaters […], das die Grenze überwindet zwischen Akteuren und Publikum. Dann […] kamen die Nazis und inszenierten ihr totales Theater, dessen Bühne die Welt und williges Werkzeug Höfgen war.“ Der Schauspieler habe das Leben mit Theater gleichgesetzt. (3)
(Brandauers) „… Höfgen gerät durch rein interpretatorische Mittel in fast gespenstischer Weise zur charakterlichen «Unperson», die zunächst nur im Rollenspiel auf der Bühne ein «Gesicht» bekommt, später aber Wege findet, auch im Privatleben eine «Rolle» spielen und Persönlichkeit damit wenigstens vortäuschen zu können.“ Höfgen ist ein Schauspielertyp, der wenig eigene Persönlichkeit hat und deshalb umso leichter in Rollen hineinschlüpfen kann. „Dass die Figur des Mephisto Höfgens Glanzrolle ist, zeigt nur, wie wenig er selber zum Verführer taugt.“ Deshalb passt er sich um jeden Preis den Verhältnissen an: „Denn eine Rolle zu spielen – auf der Bühne wie im Privatleben – ist für Höfgen die einzige Möglichkeit der Existenz; Die Maske des Schauspielers verdeckt die Gesichtslosigkeit des Individuums.“ Ähnlich gebe Rolf Hoppe keine Göring-Karikatur ab, sondern den „Typus des kalten Machtmenschen, der innerlich ebenso hohl wie Höfgen ist und sein Gesicht erst durch die (in diesem Fall politische) Rolle erhält, die er spielt: Höfgen und der «General» erscheinen bei Szabó bis in die Bildgestaltung hinein als zwei Schmierenkomödianten des Unheils […]“ (4)
Finale
Dass die Figur Höfgen eine Nachbildung von Gustaf Gründgens ist, ergänzen wir an dieser Stelle, weil es zu den Grundinformationen gehört und zur historischen Herleitung des Romans von Klaus Mann, der auch Schwager von Gustaf Gründgens war (dessen Schwester Erika war für drei kurze Jahre die Ehefrau von Gustaf Gründgens, bevor dieser seinen großen Aufstieg in Berlin feierte):
Der Roman zeichnet schwach verhüllt den beruflichen Aufstieg des Theaterschauspielers, -regisseurs und -intendanten Gustaf Gründgens in der Zeit des Nationalsozialismus nach. Eine frühere Ausgabe des Romans wurde 1966 in der Bundesrepublik Deutschland gerichtlich verboten. Im Frühjahr 1981, als der Film in Cannes aufgeführt wurde und den Preis für das beste Drehbuch und den FIPRESCI-Preis erhielt, erschien der Roman in der Bundesrepublik erneut. Der Film reduziert die Bezüge zu Gründgens und verdichtet die fiktionalisierte Hauptfigur Hendrik Höfgen zum Typus des anpasserischen Charakters und korrumpierbaren Künstlers, der seine Überzeugungen dem beruflichen Erfolg opfert. Gedreht wurde die Koproduktion mit dem Fernsehen in den DEFA-Studios, in Budapest und in Paris.[2] Neben Szabós Inszenierung erregte vor allem Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle Aufsehen und wurde von der Kritik gelobt. (5)
Freilich ist nicht alles im Film historisch und weicht auch von der Buchvorlage erheblich ab, weshalb es im Vorspann richtigerweise „nach Motiven aus“ dem Roman „Mephisto“ heißt. Aspekte wie Gründgens‘ Homosexualität oder Bisexualität kommen nicht zum Ausdruck – es sei denn, einigen seiner Attitüden und Gesten gegenüber anderen Männern im Film soll eine latent homosexuelle Neigung andeuten. Ansonsten könnte man sagen, Höfgen habe eine starke weibliche Seite, wie sie Künstler auch dann oft auszeichnet, wenn sie nicht gleichgeschlechtlich oder nach beiden Seiten ausgerichtet sind. Keine dezidierte Erwähnung finden die Filmprojekte von Gründgens, insbesondere „Tanz auf dem Vulkan“ (1938), der zu den wichtigeren Kinostücken der NS-Zeit zählt und in dem Gründgens eine gewisse subversive Tendenz unterstellt wird – offenbar von den Nazis unbemerkt vorgetragen, insbesondere in dem Lied „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“, das man als Aufruf zu revolutionärer Aktion, auch zu Widerstand begreifen kann.
Dies alles ändert aber nichts an Gründgens‘ opportunistischer Grundhaltung, die es ihm ermöglichte, im NS-Staat trotz einiger im Grunde nicht tragbarer Eigenschaften ganz oben in der Hierarchie der Künstler zu stehen.
80/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
| Regie | István Szabó |
|---|---|
| Drehbuch | István Szabó, Péter Dobai |
| Produktion | József Marx, Lajos Óvári, Manfred Durniok |
| Musik | Zdenko Tamássy |
| Kamera | Lajos Koltai |
| Schnitt | Zsuzsa Csákány |
| Besetzung | |
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(5) Hans Gerhold, film-dienst Nr. 20/1982
(2) Fischer Film Almanach 1982. Fischer, Frankfurt am Main 1982. ISBN 3-596-23674-6, S. 158–160
(3) Uta van Steen: Mephisto, Kritik im Filmbeobachter, abgedruckt in: Lother R. Just (Hrsg.): Das Filmjahr ’81/82. Filmland Presse, München 1981, ISBN 3-88690-022-3, S. 169–171
(4) Gerhart Waeger: Mephisto, in: Zoom Nr. 20/1981, S. 12–13
(5), kursiv und tabellarisch: Wikipedia, (1) bis (4) zitiert nach der Wiedergabe in der Wikipedia
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