Mehr Wahrheit & Distanz bezüglich der Börsenverluste, ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte, Vertrauen in die Politik nicht an der falschen Stelle

Briefing Wirtschaft Economy, Börsenkurse, Kurssturz, Montagscrash, The Great Depression, Trumps Zölle und zu sehr heißgelaufene Märkte, charttechnische Korrektur, Wirtschaftsgeschichte

Das Beben an den Börsen wird mit hochdramatischen Meldungen kommentiert. Wir haben  hingegen in unserem heutigen Ticker, den wir ganz der US-Zollpolitik gewidmet haben, die Folgen für die Realwirtschaft in den Vordergrund gestellt: #Tariffs 1: wie 1890, wie 1910 oder wie 1930? +++ #Zölle 2: #Trump erklärt, aber nicht ganz +++ #Tariff 3: #Trump vs. #Sanders +++ #Zoll 4: Die #EU und die #Reaktion #TTIP #BlackMonday #Kundenwünsche | Der #Politicker für #Demokratie und #Freiheit – DER WAHLBERLINER.

Eilends und passend zur heutigen Situation an den Märkten hat Statista eine Grafik aufgesetzt, die wir sehr erhellend finden:

Begleittext von Statista

Zum Handelsauftakt brach Deutsche Aktienindex (DAX) um über zehn Prozent ein, konnte aber zum frühen Nachmittag einen Gutteil der Verluste wieder gut machen. Bereits am Freitag hatte der deutsche Leitindex um fünf Prozent nachgegeben. Dabei beschränkt sich das Börsenbeben nicht auf den deutschen Markt. Auch in Asien und den USA brachen die Kurse stark ein. Direkt verantwortlich hierfür sind die vergangene Woche von US-Präsident Donald Trump verkündeten Zölle.

Auf die Waren der meisten Länder erheben die USA zusätzliche Zölle von mindestens 10 Prozent, wie eine weitere Statista-Grafik zeigt. Für diejenigen Staaten, die sehr hohe Zölle auf US-Importe erheben oder anderweitig Handels- oder Währungspraktiken betreiben, die von der aktuellen US-Regierung als unfair angesehen werden, fallen die Erhöhungen deutlich höher aus – für Importe aus er EU werden zum Beispiel 20 Prozent fällig.

Trump selbst ist derweil der Meinung, dass alles Bestens ist, wie unter anderem tagesschau.de berichtet. „Ich denke, es läuft sehr gut“, sagte der US-Präsident. „Die Märkte werden boomen, die Aktien werden boomen, das Land wird boomen.“ Privatanlegern dürften das aktuelle Börsenbeben dagegen deutlich weniger gelassen sehen. Allein in den Minuten nach Verkündung der Zölle verlor der S&P 500-Index innerhalb von Minuten zwei Billionen US-Dollar.

Kommentar

In diesen Zeiten ist alles schlimm, das merkt man deutlich. Haben doch die reichsten Milliardäre der USA nun innerhalb kürzester Zeit zusammen über 200 Milliarden Dollar verloren, wurden am vergangen Freitag insgesamt an der Börse Werte in Billionenhöhe vernichtet. Die Entwicklung des Dow Jones ist in letzter Zeit etwas anders verlaufen als die des deutschen DAX, aber grundsätzlich war es gut, dass sich Statista nicht bloß auf ein paar Tage, Wochen oder Monate konzentriert hat, als die Kursentwicklung des Dax abgebildet wurde.

Warum? Weil man sich angesichts der Darstellung auch mal gelassen zeigen kann. Es sei denn, man hat gerade Wertpapiere auf höchstem Kursniveau gekauft oder beim hektischen Kurzfrist-Traden in die falsche Richtung optiert. Selbst schuld, wer sich angesichts der deutlichen Warnzeichen seit Antritt der Trump-Regierung verzockt hat. Wer hingegen langfristig investiert ist, kann sich zurücklehnen. Bis jetzt zumindest.

Denn was sehen wir in dieser Grafik? Einen Anstieg insbesondere im Jahr 2024, der jeder realwirtschaftlichen Entwicklung, besonders in Deutschland, davongelaufen ist. Auch Charttechniker müssten abwinken und sagen: Ganz normale Korrektur, was sich gerade abspielt. Konnte nicht so weitergehen. War heißgelaufen, die Börse.

Wir sehen alle Großereigenisse des 21. Jahrhunderts wunderbar an diesem Dax-Chart, der bis ins Jahr 2000 zurückreicht. Wir sehen, dass der Einbruch von 9/11 zu einem ohnehin für die Börsen ungünstigen Zeitpunkt stattfand, als die Dotcom-Blase bereits geplatzt war, und dass es lange dauerte, bis der Dax sich von den kumulierten Folgen dieser negativen Ereignisse erholte, derweil aber die Realwirtschaft schon wieder ganz gut lief, etwa seit dem Regierungsantritt von Angela Merkel, wofür sie persönlich relativ wenig konnte. Das spiegelte sich in einem neuen Anlauf zu Höchstständen, der ziemlich genau dort abbrach, wo der Dax schon 2001 seinen Deckel gefunden hatte. In Wirklichkeit also, inflationsbereinigt, wurden die Höchststände zu Beginn des Jahrtauends nicht wieder erreicht,  und das war, fundamental gesehen, auch in Ordnung.

Dann kam die Bankenkrise, die sich sehr deutlich im DAX-Chart abbildet. Dank der Kapitalflut in den 2010ern dann eine stetige Aufwärtsbewegung mit neuen Höchststständen, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts allerdings unruhiger verlief. Ohne, dass es an einzelnen Tagen zu dramatischen Kursverlusten kam. Der nächste Einschnitt war, wie sollte es anders sein, die Corona-Pandemie, von der sich die Märkte aber sehr schnell wieder erholten. Im Falle des DAX eindeutig zu schnell, denn die Fundamentaldaten in Deutschland hinken weit hinter der Entwicklung der Börse zurück, seit fünf Jahren. Besonders der rasante Anstieg ab 2023, der sich Ende 2024, anfang 2025 noch einmal beschleunigte, ist nur dadurch zu erklären, dass Deutschland eines der Länder ist, die die USA als Kapitalstaubsauger kurzzeitig abgelöst haben, weil offenbar viele Anleger dem Trumpismus bereits vorauseilend misstrauten.

Vollkommen irrational dann die Entwicklung der ersten Monate des Jahres 2025, als der DAX von Höchststand zu Höchststand eilte, während die Realwirtschaft am Rande der Rezession dahindümpelt. Irrational meint: Sofern man überhaupt noch klassische Fundamentaldaten als Grundlage für eine gesunde Entwicklung der Wertpapiermärkte ansieht – im Zeitalter des zockenden Finanzkapitalismus eine umstrittene Einstellung, die wir aber nach wie vor für richtig halten. Denn eine Finanzblase kann leicht platzen, was dann übrigbleibt, ist eine Wirtschaft, die konkurrenzfähig ist und sich berappeln kann – oder Letzteres nicht, weil Ersteres nicht vorhanden ist.

Bis jetzt haben wir wegen der Verluste der Superreichen die Taschentücher noch nicht einsetzen müssen. Das werden wir wohl eher tun, wenn wieder die „kleinen Leute“ die Schäden der nächsten Finanzkrise bezahlen müssen, mit ihren Steuergeldern. Denn glauben Sie ernsthaft, dass Leute wie Musk, Bezos, Zuckerberg und einige andere Chargen wirklich arm werden? Eher wird man uns das letzte Hemd ausziehen. So, wie es zuletzt die EZB mit ihrem „Whatever it takes“ getan hat. Sie hat es so gemacht, dass den meisten Menschen gar nicht auffiel, wie sie dadurch ärmer wurden, während Kapital Besitzender weiter Unmengen von ebenjenem Kapital anhäuften, und mehr als je zuvor.

Die Politik fürchtet sich viel mehr davor, dass die Reichen sie nicht mehr lieben als vor dem sogenannten Volkszorn. Zu Recht, denn diese Klasse ist bestens vernetzt und hat weitgehend einheitliche Interessen, während sich das Volk durch populistische Spins spalten lässt. Deswegen haben wir eigentlich mit niemandem Mitleid, falls es wieder zu einer echten Wirtschaftskrise kommt, außer mit jenen, die immer eine Gesellschaft gefordert haben, die auf Solidarität anstatt Spaltung und auf weniger Ungleichheit und mehr Gerechtigkeit gedrungen haben. Vergeblich, wie wir wissen. Also meinen wir auch uns selbst? Irgendwo schon.

Wir lassen uns weder verblenden, noch zocken wir rum, nicht einmal mit den kleinen Beträgen, mit denen wir es könnten. Doch ein Crash mit anschließendem weiterem Zugriff auf das Wenige, was die Normalbevölkerung besitzt, wird uns genauso wie all jene treffen, die es auch verdient haben, wenn der Kapitalismus sich wieder einmal vergaloppiert. Vielleicht wird dabei wirklich ein Teil des freidrehenden Wertpapierkapitals vernichtet, aber was bleibt, ist auch nicht schöner: Diejenigen, die über Produktiv- und Immobilienkapital verfügen, werden auch nach einem Reset wieder ganz oben stehen. Denn eines wird auch eine noch so große Disruption nicht erbringen: Die Abkehr von einem System, das auf längere Sicht diese Zivilisation vernichten wird hin zu einem, das auf Maß und Partizipation setzt.

Sie wissen ja, anders als an der Börse bekommen Sie bei uns immer einen Mehrwert, wenn wir Artikel aufsetzen, daher ein Blick zurück in eine Zeit, in der die Breite Masse der Amerikaner glaubte, schnell reich werden zu können und dann hoffnungslos verarmte – für viele Jahre. Wir haben gefragt, wie lange es gedauert hat, bis die Märkte sich  nach dem bisher größten Crash aller Zeiten im Oktober 1929 erholt hatten:

Anwort

Die Erholung der Börsen nach dem Crash von 1929 ist ein komplexes Thema, da sie je nach Betrachtungsweise unterschiedlich bewertet wird. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Nominale Erholung des Dow Jones

  • Der Dow Jones Index erreichte seinen Höchststand vor dem Crash am 3. September 1929 mit einem Wert von 306 Punkten. Nach dem Crash fiel er bis Juli 1932 auf 41 Punkte, was einem Verlust von etwa 89% entsprach.
  • Nominal betrachtet dauerte es 25 Jahre, bis der Dow Jones seinen Höchststand von 1929 wieder erreichte. Dies geschah erst am 23. November 1954[1][3][5].

Inflationsbereinigte Erholung

  • Unter Berücksichtigung der Inflation und Dividenden wird die Erholung kürzer eingeschätzt. Einige Studien zeigen, dass es etwa 10 Jahre dauerte, bis Anleger ihren ursprünglichen Wert zurückerhielten, wenn Dividenden reinvestiert wurden[1][4].
  • Wenn zusätzlich die Effekte von Deflation und breiteren Marktindizes berücksichtigt werden, könnte die Erholung sogar nur etwa 5 Jahre gedauert haben. Dies basiert jedoch auf spezifischen Berechnungen, die nicht ausschließlich den Dow Jones betrachten[1].

Erholungsphasen und Rückschläge

  • Nach dem Crash gab es eine kurzfristige Erholung: Von November 1929 bis April 1930 stieg der Dow Jones wieder auf 294 Punkte, bevor er erneut abstürzte und bis Juli 1932 seinen Tiefpunkt erreichte[2][3].
  • Nach dem Tiefpunkt begann ab März 1933 eine langsame Erholung, die jedoch durch den erneuten Börsenrückgang in den Jahren 1937–1938 unterbrochen wurde. Dieser zweite Einbruch verzögerte eine vollständige Erholung erheblich[5].

Langfristige Betrachtung

Für Anleger, die während des Crashs investiert waren, dauerte es je nach Strategie und Index zwischen 10 Jahren (mit Dividenden) und 25 Jahren (nominal), um wieder den ursprünglichen Wert zu erreichen.

Visualisierung

Die beigefügte Grafik zeigt die nominale Entwicklung des Dow Jones Index von 1929 bis 1954. Sie verdeutlicht:

  1. Den dramatischen Absturz zwischen 1929 und 1932.
  2. Die langsame Erholung über mehrere Jahrzehnte.
  3. Den nominalen Höchststand von 1929, der erst 1954 wieder erreicht wurde.

Die nominale Erholung war langwierig, während inflationsbereinigte Berechnungen eine schnellere Rückkehr zum Ausgangswert zeigen können. Die Wahl der Perspektive hängt davon ab, ob Dividenden und Inflation berücksichtigt werden oder nicht.

Kommentar Teil 2

Ja, wenn man die Dividenden berücksichtigt, war man in 5 bis 10 Jahren wieder raus, je nachdem, ob man auch Inflation oder Deflation in die Berechnung einfließen lässt. Nun denken Sie mal nach.

Millionen von Menschen verloren in der Great Depression nicht nur bis zu 90 Prozent ihrer Aktienersparnisse, sondern auch ihre Jobs. Was werden sie also getan haben, angesichts der mangelhaften sozialen Absicherung in den USA? Sie werden ihre Aktien billigst verkloppt haben, um überhaupt noch ein paar Dollar flüssig zu machen. Einige sprangen auch aus dem Fenster eines Hochhauses, aber die meisten haben versucht, irgendwie durchzukommen.

Wer konnte hingegen seine Wertpapiere halten und warten, bis die Unternehmen wieder Gewinne machen und Dividenden zahlen? Natürlich diejenigen, deren großer Besitz breit gestreut war und die teilweise an den Unternehmen selbst beteiligt waren, deren Aktien sie hielten. Der Massenkonsum in den USA setzte dadurch aber um zehn Jahre verspätet ein, nämlich erst um 1940, als für den großen Krieg gerüstet und dann daran teilgenommen wurde. Dabei spielte die von der KI erwähnte Tatsache eine Rolle, dass man 1937 schon glaubte, aus der Depression weitgehend raus zu sein, und es dann wieder zu einem Rücksetzer kam. Weitere Konjunkturdellen 1946/47 und 1958 wirkten sich hingegen nicht mehr so erschütternd aus, weil die totale Armutssituation der meisten Amerikaner schon weitgehend behoben war (1940er) oder es vorher eine für damalige Verhältnisse lange  Ära der  breit angelegten Prosperität gab  (1950er).

Hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben, hätten die Amerikaner den Wohlstand von 1929 vermutlich erst irgendwann in den 1950ern oder 1960ern wieder erreicht. Eine ganze Generation von Aktienverrückten wäre nachhaltig pleite gewesen und mangels einer ausreichenden Anzahl guter Jobs nie wieder in die Spur gekommen.

Und jetzt überlegen Sie, was Sie in den volatilen Zeiten davon zu halten haben, dass die Bundesregierung Ihnen das Aktiensparen andichten will. Merken Sie etwas? Sie sollen dem Großkapital abermals zum Fraß vorgeworfen werden, das niemals verliert. In keiner Krise, durch keinen Krieg. Vor allem deshalb erscheint das verführerisch, weil z. B. das Rentensystem nicht endlich umgestellt wird und weil die Märkte Probleme mit der Allokation haben, trotz der exorbitanten Anstiege der Kurse im Jahr 2024, die vermutlich vor allem durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland verursacht wurden.

Es muss noch etwas an uns allen geben, was man unbedingt finanzialisieren muss, um das wackelige System weiter am Laufen zu halten. und dazu gehören die Rentenansprüche. Wenn wir das zulassen, werden Millionen weiterer Menschen in Altersarmut landen, wenn die Märkte richtig crashen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist höher als je zuvor nach dem Niedergang von 1929 und sie steigt mit jedem Tag mutwilliger Disruptionspolitik in den USA. Zwar können die Notenbanken wieder die Geldpresse anschmeißen, wie ab 2009, aber dieses Mal wird es dadurch zu hoher Inflation kommen, da sind wir uns ziemlich sicher. Es wird andere Auswirkungen geben als den schleichenden Vermögensverfall bei den kleinen Sparern in den 2010ern, der jetzt ohnehin schneller voranschreitet, weil die nunmehr aufgrund des Auftrags der Inflationsdämpfung höheren EZB-Zinsen von den Banken nicht an die Sparer weitergegeben werden.

Profis fliehen bereits aus Anlagen, die dem Volk weiterhin als die Lösung aller Finanzprobleme des Staates angedreht werden sollen, und das nicht erst seit Trumps Zollkriegserklärung. Das Medianvermögen in Deutschland ist erschreckend gering, und damit die Krisenresilienz der Bevölkerung. Das durchschnittliche Vermögen ist vor allem zu klein, um Aktienexperimente zu erlauben. Das ist eine Folge falscher politischer Weichenstellungen über Jahrzehnte hinweg. Wenn es zu einer neuen großen Wirtschaftskrise kommt, wird Deutschland, wo es an klugen Strategien für die Zukunft komplett fehlt, mehr Wohlstand verlieren als viele andere Länder.

Bis auf die Superreichen werden alle verlieren. Das Großkapital wird auch von der nächsten Krise wieder profitieren – es zeichnet sich schon ab –, auch wenn es eine geopolitische und nicht eine wirtschaftliche Krise sein sollte. Selbst dann oder gerade dann, wenn beides zusammentrifft, was in der Geschichte immer wieder der Fall war, werden die kleinen Leute es bitter bezahlen und sie werden es bitter bereuen, für neoliberale Parteien von AfD über FDP und Union bis hinein in die SPD und die Grünen gestimmt zu haben.

Werden sie aber auch verstehen, was sie selbst falsch gemacht haben? Wir befürchten, das wird nicht der Fall sein. Deswegen werden unsere Taschentücher vermutlich trocken bleiben, wegen eines gewissen Mangels an Mitleid. Hingegen in eigener Sache weinen, weil wir es besser gewusst haben, es besser gemacht haben und trotzdem betroffen sind, wäre kontraproduktiv, denn Taschentücher gehören zu den Konsumgütern, die während der letzten Inflationsrallye, die die Reichen wieder einmal reicher gemacht hat und die Armen ärmer, ziemlich teuer geworden sind. Wie auch das tägliche Brot. Amen.

TH


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