Filmfest 1285 Cinema
Sylvia Scarlett ist ein US-amerikanischer Spielfilm unter Regie von George Cukor aus dem Jahr 1935. Er basiert auf dem 1918 erschienenen Roman The Early Life and Adventures of Sylvia Scarlett des schottischen Schriftstellers Compton Mackenzie. Es war der erste von insgesamt vier Filmen, in denen Katharine Hepburn und Cary Grant gemeinsam auftraten. (1)
Sylvia Scarlett ist eine US-amerikanische romantische Komödie aus dem Jahr 1935 mit Katharine Hepburn und Cary Grant in den Hauptrollen, basierend auf The Early Life and Adventures of Sylvia Scarlett, einem Roman von Compton MacKenzie aus dem Jahr 1918. Unter der Regie von George Cukor war er als einer der berühmtesten erfolglosen Filme der 1930er Jahre berüchtigt. Hepburn spielt die Titelrolle von Sylvia Scarlett, einer Betrügerin, die sich als Junge ausgibt, um der Polizei zu entkommen. Der Erfolg der List ist zu einem großen Teil auf die Verwandlung von Hepburn durch RKO-Maskenbildner Mel Berns zurückzuführen. (2)
Wenn zwei so erfolgreiche Kinostars wie Katharine Hepburn und Cary Grant vier Filme zusammen machen und mindestens zwei davon Flops sind, könnte man sagen: das passt nicht zusammen. Aber ausgerechnet der letzte davon, „The Philadelphia Story“ (1940) wurde ein Riesenerfolg, brachte Hepburn endgültig zurück ins Geschäft und war ein Höhepunkt in den Karrieren von Cary Grant und James Stewart. Ein weiterer dieser vier Filme, „Bringing Up Baby“ war im Kino kein großer Hit, wurde aber später zum Kultfilm. Ich halte ihn für eine der besten Screwball-Komödien überhaupt und man merkt nicht, dass Katharine Hepburn, die bisher nur dramatische Rollen gespielt hatte, für ihre erste Komödie noch einmal speziell geschult werden musste. Zwischen 1935 und 1938 aber lag für sie eine Durststrecke, in der es mal etwas aufwärts, mal etwas abwärts ging, aber nach dem furiosen Start mit dem Oscar schon für ihren dritten Film „Morning Glory“ (1933) ruckelte es – was sicher auch daran lag, dass Hepburns faszinierende Persona in dem sich verändernden Umfeld der New-Deal-Ära etwas exzentrisch wirkte. Nicht im Sinne von glamourös, sondern als das Girl mit dem eigenen Kopf, obwohl es andere Schauspielerinnen waren, die mit spektakulären Prozessen gegen Studiobosse mehr Freiheit für Darsteller:innen erkämpften. Sinnbildlich steht am Beginn dieser Phase des möglichen Abstiegs und der Unsicherheit „Sylvia Scalett“. Mehr dazu lesen Sie in der -> Rezension.
Handlung (1)
Der vor kurzem verwitwete Buchhalter Henry Scarlett und seine Tochter Sylvia flüchten aus ihrer Heimatstadt Marseilles, nachdem herausgefunden wird, dass Henry Gelder hinterzogen hat. Sylvia schneidet sich die Haare ab und gibt sich fortan als Henrys Sohn Sylvester aus, damit die Polizei sie schwerer verfolgen kann. Auf der Überfahrt nach England treffen sie auf den charmanten Glücksspieler und Schwindler Jimmy Monkley, der die Scarletts im Zollbüro auffliegen lässt, damit er mit seinen geschmuggelten Diamanten leichter durch den Zoll kommt. Gleichzeitig wollte er ihnen eine Lektion erteilen, immer einen Schritt voraus zu sein. Die Scarletts und Jimmy freunden sich an, wobei er fortan denkt, dass es sich bei Sylvester tatsächlich um einen jungen Mann handelt.
In London versucht das Trio mit zwielichtigen Tricks Geld zu erwirtschaften, bleibt aber erfolglos. Eines Abends besuchen Jimmy und Henry das Haus eines reichen Ehepaares, von dem sie durch die Zeitung erfahren haben, dass es abwesend ist. Sie versuchen das Dienstmädchen Maudie auszutricksen, damit sie ihnen das wertvolle Halsband ihrer Hausherrin gibt. Aber Sylvester taucht auf, klärt die Betrügereien auf und fordert von Jimmy und ihrem Vater, zukünftig ehrenhaftere Wege des Geldverdienens zu beschreiten. Maudie schließt sich den dreien an und da sie gerne Theaterschauspielerin wäre, kaufen sie einen Tourneewagen und ziehen als die Pink Pierrots durch England. Henry und Maudie heiraten nach kurzer Zeit.
In einem Dorf in Cornwall lernen die Pink Pierrots Michael Fane kennen, einen jungen, bohèmisch lebenden Künstler. Sylvia alias Scarlett fühlt sich sofort zu ihm hingezogen und stiehlt am Strand ein Frauenkleid, um in ihrer wahren Erscheinung vor Michael zu treten. Dieser ist von ihrem plötzlichen Geschlechtswandel fasziniert und zeigt Interesse an ihr. Allerdings ist er in einer turbulenten Beziehung mit der russischen Aristokratin Lily, die alle Spielarten der Liebe kennt und Sylvia von Michael fernzuhalten weiß. Unterdessen eskaliert der Ehestreit zwischen Henry und Maudie, die einen Flirt mit einem reichen Mann eingegangen ist. Als sie ihn nachts verlässt, rennt Henry ihr hinterher – am nächsten Morgen finden Jimmy und Sylvia ihn tot unter einer Felsklippe. Ob er sich umgebracht hat oder es ein Unfall war, bleibt ungeklärt.
Jimmy ist sehr beeindruckt davon, dass es sich bei „Sylvester“ um eine Frau handelt, und bekundet nun an ihr romantisches Interesse. Wenig später will sich Lily in der See ertränken, wird aber von Jimmy und Sylvia gerettet. Sylvia glaubt, dass Lily aufgrund ihrer Liebe Michael den Suizid begehen wollte, und verständigt ihn. In der Zwischenzeit sind aber Jimmy und Lily gemeinsam abgehauen. Michael und Sylvia verfolgen die beiden, da sie meinen, dass der jeweils andere zu Lily beziehungsweise Jimmy gehört. Nachdem Michael und Sylvia zwischenzeitlich aufgrund zu schnellen Fahrens im Gefängnis gelandet sind, spüren sie die beiden doch noch im Zug auf. Sie merken allerdings, dass sie beide ineinander verliebt sind, und verlassen den Zug wieder. Unklar bleibt dabei, ob Jimmy nur aus Rücksichtslosigkeit mit Lily geflohen ist oder Sylvia ihre Chance auf Michael ermöglichen wollte.
Rezension
Die Handlungsbeschreibung lässt schon erkennen, dass es sich um einen für die Zeit ungewöhnlichen Film handelt.
Sylvia Scarlett ist der erste und zugleich bis heute unbekannteste der vier gemeinsamen Filme von Cary Grant und Katharine Hepburn. Es folgten Die Schwester der Braut, Leoparden küßt man nicht (beide 1938) und Die Nacht vor der Hochzeit (1940), die allesamt zu Filmklassikern wurden.
Sylvia Scarlett war damals ein Fiasko, er konnte seine Produktionskosten von rund einer Million US-Dollar nicht einspielen und wurde von vielen Kritikern zerrissen.[1] Das damalige Testpublikum schrieb teilweise wütende Rezensionen. Hepburn kritisierte Jahrzehnte später, dass die Handlung des Filmes kein klar erkennbares Ziel gehabt hätte.[2]
Erst seit den 1970er-Jahren erfährt der Film gesteigerte Resonanz, zuletzt insbesondere unter den Aspekten wie Gender und Queerness.[3] Der Kritiker Emmanuel Levy bezeichnete ihn als einen der „persönlichsten and eigenwilligsten Filme“ von Cukor, der seiner Zeit voraus gewesen sei und heute als Underground–Kultfilm gelten könne.[4]
Jonathan Rosenbaum sah ihn im Chicago Reader gar als den „interessantesten und wagemutigsten“ Film, den Cukor je gemacht habe, und es handele sich um einen der „poetischsten, magischsten und einfallsreichsten Hollywood-Filme seiner Ära“. Der Film lebe von seiner sexuellen Ambivalenz, da Hepburn als Junge bei den Figuren von Cary Grant, Brian Aherne und Dennie Moore Interesse wecke. Die „Genrewechsel entsprechen den Geschlechterwechseln“, denn der Film wechsele – wie später viele Filme der Nouvelle Vague – alle paar Minuten seinen Ton: „von der Farce zur Tragödie zur Romanze zum Krimithriller“. Dennoch halte die talentierte Besetzung den Film zusammen, so Rosenbaum.[5]
Wie so oft, geht das Publikum mit solchen Wandlungen nicht mit, die Profis über die Jahrzehnte vollziehen und verharrt beinahe böswillig bei 6,2/10 (IMDb-Nutzer:innen). Die Sprunghaftigkeit des Film war mir auch aufgefallen, aber das Zusammenhalten besorgt vor allem Katharine Hepburn, die in der Rolle des unsicheren Mädchens eine Intensität erreicht, die alles toppt, was ich von ihren frühen Filmen bisher kannte, weil sie hier plötzlich ihre Identität wechselt und in ihrem eigenen Geschlecht gleichermaßen fragend und „sparkling“ wirkt, natürlich und auf eine damals ungewöhnliche Weise anziehend im Vergleich zu der abgefeimten Konkurrentin, die alle weiblichen Tricks kennt. Bisher war Hepburn in ihren frühen Filmen sehr dezidiert und kaum einen Moment unsicher zu sehen, vielmehr progressiv und stark selbst im Verzicht, wie in allerersten Film „A Bill of Divorcement“. Noch nicht gesehen habe ich „Vier Schwestern“ (1934), der der beste der frühen Hepburn-Streifen sein soll und die am größten angelegte Produktion war, in der sie in der ersten Phase ihrer Hollywood-Karriere mitgewirkt hat.
Von allen Teamings mit Cary Grant ist dieses sicher nicht nur das am wenigsten bekannte, sondern auch das kurioseste – was nicht nur an Hepburns ungewöhnlicher Rolle liegt, sondern auch daran, dass Cary Grant einen Kleingauner spielt, was sonst nicht sein Beritt war. Er hat ein paar große zwielichtige Figuren gespielt, aber hier wirkt er beinahe wie ein Mann aus der Unterklasse, der er von seiner Herkunft als Archie Leach tatsächlich war. Vermutlich haben ihm das harte Brot der frühen Jahre und seine Schulung im Vaudeville dabei geholfen, diese Rolle auszufüllen, bei der er am Ende das Mädchen des Films nicht kriegt. Er wirkt mit seiner etwas dunklen Erscheinung eindeutig nicht so überlegen weltmännisch wie später und weicht auch vom Schönheitsideal der damaligen Zeit mit der hier schon hervortretenden, aber noch nicht verfeinerten markanten Optik doch um einiges ab. Allerdings wandelte sich dieses Bild gerade mit anderen Typen, die nicht mehr so Valentino-like wirkten, etwa Clark Gable. Grant macht für die Verhältnisse der Zeit in diesem Film sowohl einen recht männlichen als auch recht unguten Eindruck.
Finale
Es wäre sicher interessant, den Film in seiner Eigenschaft als Pionierstück des Queer-Kinos zu untersuchen, aber das überlasse ich lieber Spezialisten für solche Untersuchungen. Der Film ist bereits unter der Ägide des Hays Code entstanden, der 1934 eingeführt wurde und konnte daher nicht sehr offen mit sexueller Freizügigkeit, mit Genderwechseln, mit Homosexualität und Bisexualität verfahren, auch wenn sich vielleicht noch Spuren der früheren Ungezwungenheit finden. Leider gab es ein weiteres Problem. Manche Originalversionen kann ich ohne englische oder deutsche Untertitel schon ganz gut verstehen, was auch notwendig ist, wenn man sich Filme auf Plattformen anschaut, die, anders als Youtube, keine Untertitelung, auch nicht in der Originalsprache, anbieten. In „Sylvia Scarlett“ wird teilweise Cockney gesprochen und überhaupt zuweilen recht undeutlich, wofür auch Cary Grant verantwortlich ist. Dass er damit Rekurs auf seine Herkunft als Junge aus dem Milieu der Working Poor in England nimmt, hat sicher mit dazu beigetragen, dass Kritiker sein Spiel mochten oder authentisch fanden, aber es war auch etwas mühselig, außerdem war er als Kind kein Londoner Straßenjunge, sondern wuchs in Bristol auf. Er hatte es aber drauf, einen dieser Typen zu verkörpern, die auch G. B. Shaws „Pygmalion“ und das abgeleitete Musical „My Fair Lady“ beglänzen, das hört man leider. Komischerweise verstehe ich Cockney in dem Musical viel besser. Vielleicht auch durch vielfaches Hören der Songs, die in diesem Dialekt gehalten sind.
Außerdem hab ich mir die Rezension ein wenig aufgehoben, weil dieser Film der Einstieg in das frühe Werk von Katharine Hepburn war, ein Sprung von den Rogers-Astaire-Filmen, die zur selben Zeit ebenfalls beim Studio RKO entstanden – gerade, weil der Film etwas wirr und ziellos wirkt, wie Katharine Hepburn zu Recht bemerkte, kann ich mich nicht mehr an jedes Detail erinnern. Umso klarer tritt Katharine Hepburn in dem geklauten Strandkleid hervor, in dem sie eine Persona markiert, die stark von ihren sonstigen Rollen abweicht. Die Szenen damit alleine sind den Film wert, ohne den Wert des Drags schmälern zu wollen, den sie mit ihrer, wenn sie wollte, burschikosen Art wunderbar interpretiert hat. Dass man ihr lesbische Beziehungen zumindest unterstellt hat, ebenso wie Cary Grant durch sein Zusammenleben mit Kollege Randolph Scott, allerdings erst später, homoerotische Neigungen mindestens unterstellt wurden. Damit Sie aber nicht das möglicherweise Essenzielle des Films verpassen, habe ich die englischsprachige Wikipedia ein wenig ausgebeutet:
Der Film ist vor allem für seine queeren Elemente bekannt, wobei Hepburns Charakter auch dann noch Drag macht, wenn es für die Figur nicht mehr notwendig ist,[10] was „gleichermaßen verwirrte und beunruhigte“. [11] Es wird angenommen, dass die sexuellen Mehrdeutigkeiten und geschlechtsspezifischen Missverständnisse der Filme für die damalige Zeit zu gewagt waren, was dazu führte, dass das Publikum den Humor in Cross-Dressing und Verwechslungen nicht sah. [12] Es führte auch dazu, dass das Kinopublikum den Film verließ, zumal angedeutet oder gezeigt wurde, dass sowohl männliche als auch weibliche Charaktere von Hepburns Charakter angezogen wurden, in und außerhalb von Drag. Während sie in Drag ist, wird Sylvia von einer Frau geküsst und Monkley kommentiert, dass er „eine richtige Wärmflasche“ gemacht hat, als sie sich umziehen, um schlafen zu gehen. Gleichzeitig zeigt Fane mehr Interesse an Sylvia, während sie in Drag ist, und verliert es, nachdem sie enthüllt hat, dass sie eine Frau ist. [13]
Einige haben argumentiert, dass „Geschlecht als ein von Sexualität oder körperlichem Sex getrenntes Konzept erst in zwanzig Jahren entstehen würde, so dass das Publikum während des gesamten Films keinen Kontext für Sylvias seltsame Kleidung hatte“. [14] Dennoch gilt der Film als einer der wenigen des Goldenen Zeitalters Hollywoods, der Queerness respektvoll repräsentiert. [15] Er wird heute als „ein Denkmal für den sapphischen Eindruck, den Hepburn in Hollywood hinterlassen hat“,[16] gesehen, wobei der Film impliziert, „dass Sylvia für immer Sylvester bleiben könnte“, selbst wenn sie eine Beziehung mit einem Mann eingeht.[17] Einige hingegen sind der Meinung, dass „diese köstlich frechen Einladungen mit sexueller Panik und einem vorhersehbaren Rückzug in die verkleidete Weiblichkeit beantwortet werden“. [18]
Eine Wertung, die etwas über dem IMDb-Durchschnitt liegt, können wir aber vertreten, denn interessant ist der Film trotz seiner formalen Schwächen allemal. Eine Anmerkung zum Titelbild, anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2025: Wir wirkt Katherine Hepburn auf diesem Foto zum Film auf Sie? Wir hätten das Bild niemals auf Mitte der 1930er datiert, sondern eher auf ein Foto, das einen Modeltyp mit kurzem Haarschnitt zeigt, der in den 1980ern modern wurde, auch der Stil des Fotos trägt dazu bei.
68/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2023)
(1), tabellarisch: Wikipedia, (2), kursiv: Wikipedia (en)
| Regie | George Cukor |
|---|---|
| Drehbuch | |
| Produktion | Pandro S. Berman |
| Musik | Roy Webb |
| Kamera | Joseph H. August |
| Schnitt | Jane Loring |
| Besetzung | |
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