Die unendliche Geschichte (DE / USA 1984) #Filmfest 1287

Filmfest 1287 Cinema

Die unendliche Geschichte ist ein deutscher Fantasyfilm aus dem Jahr 1984. Regie führte Wolfgang Petersen, der auch zu den Drehbuchautoren gehört. Vorlage ist der gleichnamige Roman von Michael Ende. Der Film behandelt nur das erste Drittel des Romans. 

Oh ja, es war lange vor der Zeit, in der wir leben. Da gab es einen Produzenten namens Bernd Eichinger und einen Regisseur Wolfgang Petersen. Der eine hatte sich gerade die ersten Sporen als Produzent verdient und wurde mit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981) berühmt, der andere hatte im selben Jahr „Das Boot“ gedreht und ein paar  gelungene Tatorte, und dann kam dieses internationale Filmereignis namens „Die unendliche Geschichte“ und, denn es war ja lange vor unserer Zeit, es ist alles ganz ohne CGI. Ob das besser ist und lebendiger oder liebevoller wirkt als die heutige Computertechnik, ist mittlerweile Ansichtssache, so lebendig wie die Computerhelden wirken. Und ob Mechanik besser ist als Bits und Bytes? Jedenfalls war die Bedienung der Fantasy-Figuren aufwendig, nicht aber teurer als ein Milliarden von Bits verschlingender moderner Trickfilm.

Handlung (1)

Der kleine Bastian wird regelmäßig von seinen Klassenkameraden schikaniert. Auf der Flucht vor ihnen rettet er sich eines Tages in ein Antiquariat, wo er einem alten Buchhändler begegnet, der ihn vor einem geheimnisvollen Buch warnt. Bastian kann nicht widerstehen und „leiht“ sich das Buch mit dem seltsamen Titel Die unendliche Geschichte aus, um es auf dem Dachboden seiner Schule zu lesen. Das Buch handelt von Atréju, der das Leben der „Kindlichen Kaiserin“ Phantásiens und somit auch Phantásien retten will. Denn das geheimnisvolle „Nichts“ lässt Phantásien und alle darin lebenden Wesen langsam verschwinden.

Bastian bemerkt, dass er sich trotz seiner Bemühungen der Geschichte nicht mehr entziehen kann, und verfolgt Atréjus abenteuerliche Reise durch Phantásiens Welt der Winzlinge, Rennschnecken, Felsenbeißer und Glücksdrachen, die vom Untergang bedroht ist und verzweifelt nach einem Retter sucht. Mit jedem neuen Abenteuer lässt er sich weiter in die neue Welt ziehen.

Alles scheint verloren und der Untergang Phantásiens besiegelt, als Bastian schließlich begreift, dass er das „Kind aus der anderen Welt“ und somit der Retter Phantásiens ist und nicht Atréju, auf den Bastian alle seine Hoffnungen gesetzt hatte. Um die Kindliche Kaiserin und damit auch Phantásien zu retten, gibt er ihr endlich den verzweifelt geforderten Namen: „Mondenkind“. Damit begegnet er ihr nun selber. Indem er der Kindlichen Kaiserin gegenüber, die das zu einem Korn zusammengeschmolzene Phantásien in Händen hält, einen eigenen Wunsch für eine neue Welt der Vorstellungen äußert, erblüht Phantásien neu.

Rezension 

Fuchur hat den Film für mich gerettet. Ich glaube, der Aufhänger für die Identifikation sind die großen Kulleraugen, und das Flauschefell darf man nicht vergessen. Ich kenne die Buchvorlage nicht, die ist sicher tiefgründiger als das, was wir in etwa 100 Minuten auf dem Bildschirm sehen, aber es war wohl Fuchur. Alles andere kam mir doch bekannt vor. Die Anlage der Handlung als Heldenreise von einem exorbitanten Ort zum anderen, die Rahmenhandlung, wie das Buch einen kleinen Jungen in der realen Welt inspiriert, seine Welt aktiver zu gestalten und seiner Fantasie Raum zu geben. Interessanterweise sind Bastian und Atréju nicht identisch, der eine schlüpft nicht in den Körper des anderen und muss deswegen auch nicht mit ihm in den Matsch, der psychologisch ganz wichtig für das Verständnis des Kindes im Mann ist, das immer erhalten bleibt. Weitere Deutungen nicht ausgeschlossen.

Das Problem ist für mich, dass irgendetwas an dem Film nicht so stimmt, wie man es zum Beispiel von den Disney-Meisterwerken gewohnt ist. Das Wort „Meisterwerk“ steht für eine bestimmte Filmreihe des Konzerns, aber es  handelt sich auch kinematografisch meist um solche. Da ist zum Beispiel der Beginn. Vater, Sohn allein zu zweit zu Hause, Mutter verstorben. Wo ein richtiger Buddy-Film hätte entstehen können, wirkt der Beginn seltsam verkrampft und ziemlich deutsch, auch wenn Bastian erkennbar in den USA lebt und trotzdem seinen hiesig klingenden Namen behält. Vor allem aber wird dieser Teil nicht abgeschlossen. Das wäre Hollywood-Drehbuchautoren nicht passiert, egal, welches Buch sie vor sich hätten. Es fehlt am Ende die sichtbare Veränderung des Verhältnisses von Bastian zum Vater, die dem Ganzen auch mehr Komik hätte geben können. Denn ziemlich ernst ist der Film leider auch. Was immer man über Petersen sagt, einen Film mit viel Witz habe ich bisher auch von ihm noch nicht gesehen. Auch nicht mit dem typischen, trocken-norddeutschen Humor, der ihm eigentlich angeboren sein müsste.

Im Gegensatz zu den kleineren Filmen, den Tatorten mit dem Kieler Kommissar Finke beispielsweise oder auch zum „Boot“ mit seinen vielen Männern in enger Röhre, letzterer ist ja nicht „kleiner“, sondern nur intimer als etwa „Troja“, wo Petersen richtig ausgreifen konnte oder eben als „Die unendliche Geschichte“. Der wirkt zu wenig besiedelt und beseelt, da hätte Petersen sich wirklich anschauen können, wie Disney mit tierischen Sidekicks die Kinder begeistert. Aber nein, kaum ist das weiße Pferd von Atréju einigermaßen eingeführt, versackt es im Sumpf. Die Szene offenbart auch einen Mangel an emotionaler Tiefe, und das zieht sich irgendwie durch das ganze Werk. Auch die Rennschnecke, die schlafend fliegende Fledermaus und der Nachtalb sind bald abgemeldet, nur der Steinbeißer, den fanden die Filmemacher wohl so unwiderstehlich und vermutlich war er auch teuer, sodass er zum Schluss nochmal zum Einsatz kommen durfte.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass der Regisseur in einer Zeit groß wurde, als im deutschen Film das Zurückhaltende oberstes Gebot war. Seine Tatorte gehören zu den präzisesten und psychologisch stimmigsten ihrer Zeit, aber sie müssen auch nicht mit allen möglichen und unmöglichen Handlungselementen und Figuren zurechtkommen, und – sie können den Zeitgeist einfangen, den es in „Die unendliche Geschichte“ natürlich nicht gibt. Die USA wirken in diesem Film, der ja auch ein amerikanischer ist, nicht besonders plastisch. Auch die Schule als Handlungsort hat man quasi verschenkt, sie ist nur Kulisse, mithin Drohkulisse. Scheiße, Mathearbeit. Ich konnte es Bastian nachfühlen, aber daraus wird nichts für eine rote Linie generiert. Zum Beispiel, wie nach seinem Abenteuer in Phantásien Bastian plötzlich mit befreiter Kreativität den Schulalltag wuppt, sogar Mathe. Stattdessen darf lediglich Fuchur den drei Doofen aus der Klasse Angst einjagen, sodass diese freiwillig in die Mülltonne gehen.

Wenn man sehen will, wie ein Schicksal sich selbst beeinflusst, dann muss man doch ein Jahr weitergehen in der Filmgeschichte und „Zurück in die Zukunft“ anschauen. Der Film hat alles und mehr, was „Die unendliche Geschichte“ an Drive, Witz, herrlichen Charakteren fehlt. In Deutschland hat es eben damals wie heute an Erfahrung und Konkurrenz bei solchen Großprojekten gefehlt, an gegenseitigem Ansporn und Inspiration. Hätte es fünf oder sechs Eichingers gegeben, hätte sich das alte Wir-sind-Wer-Feeling wieder eingestellt, das vor der NS-Diktatur den deutschen Film prägte. „Metropolis“ hat zwar mehr Geld versenkt als „Die unendliche Geschichte“ einspielen konnte, aber der Film mit den beiden Jungs und dem Drachen und der Kindprinzessin ist spontan einer, bei dem ich denke, er ruft nach einem Remake. Es gibt fast nichts, was man nicht etwas besser machen könnte, außer vielleicht die Nasen. Die Nasen der Fantasy-Figuren, auch die von Fuchur, bewegen sich so wunderbar, viel mehr als bei echten Kreaturen.

Philosophisch ist der Film genau mit der Botschaft ausgestattet, die alle Filme dieser Art auszeichnet und die heute manchmal etwas verlogen wirkt. Mag schon sein, dass mich auch das stört, weil es sich wie eine Masche durch wirklich alle Kinderfilme durchzieht, die ich zuletzt gesehen habe; die meisten waren aktuellere US-CGI-Produktionen. Es geht immer darum, die eigene Fantasie zu schützen, die Kreativität zu stärken, sich nicht unterkriegen zu lassen von Widrigkeiten des Alltags, Kind zu sein und die großen Träume zu wagen. Sicher ein Stoff, der Eichinger lag, denn er hat ja viel gewagt und Träume zu Zelluloid wirken lassen.

Aber der Alltag ist oft so alltäglich und nicht nur 90 Minuten lang – und doch …

Finale

Ich fand den Film eigenartigerweise doch inspirierend, obwohl ich viel an seiner Machart auszusetzen habe. Da ist noch etwas drin, das hat mit der Botschaft zu tun und geht tiefer als das, was man in den Laufbildern sieht. Die Appellfunktion fand ich interessant, auch wenn ich im Nachgang (ergänzt anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2025) keine langfristige Wirkung auf mich feststellen konnte. Vielleicht ist es aber gerade für eine solche Wirkung wichtig, dass man sich nicht zu sehr mit einzelnen Figuren identifiziert, die ja doch in vieler Hinsicht anders sind als man selbst. Das ist aber die Sichtweise von jemandem, der schon etwas übers Erstlesealter hinaus ist und dem es manchmal abstrakt lieber ist als zu manipulativ konkret.

68/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

Regie Wolfgang Petersen
Drehbuch
Produktion
Musik
Kamera Jost Vacano
Schnitt Jane Seitz
Besetzung

 

 

 

 


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