Roberta (USA 1935) #Filmfest 1291 #AstaireRogers #FredAstaire #GingerRogers

Filmfest 1291 Cinema – Werkschau Fred Astaire und Ginger Rogers (3)

Roberta ist die Verfilmung des gleichnamigen BroadwayMusicals von Jerome Kern und Otto Harbach. Neben Irene Dunne spielen Fred Astaire und Ginger Rogers die Hauptrollen.

Nachdem Fred Astaire und Ginger Rogers mit„The Gay Divorcee“ erstmals gemeinsam einen Film trugen, indem sie tanzten, sangen und auch Komödie machten, folgte im Jahr darauf „Top Hat“ als nächstes Vehikel für das Traumpaar. Dazwischen aber lag „Roberta“, in dem die beiden dem „nominelle Star“ Irene Dunne das First Billing überlassen mussten. Zum letzten Mal in ihrer gemeinsamen Karriere bis 1939 übrigens. Trotzdem handelt es sich selbstverständlich um einen Musikfilm, und seine Broadway-Bühnenvorlage war bereits erprobt.

Handlung[1]

Alexander Voyda, Eigentümer des bekannten Cafe Russe in Paris, weigert sich, die Jazzband The Wabash Indianians auftreten zu lassen, da er echte Indianer als Musiker erwartet hatte. Tatsächlich wird die Kapelle von Huck Haines geleitet. Sein Freund John Kent, ein ehemaliger Footballstar, nutzt die Zwangspause, um sich bei seiner Erbtante Minnie vorzustellen, die den renommierten Modesalon Roberta’s betreibt. Dort trifft John auf Stephanie, Minnies ergebene Assistentin und eine geborene russische Prinzessin im Exil. Ebenfalls vor Ort ist Lizzie Gatz, die frühere Geliebte von Huck, die jetzt als – angebliche – polnische Comtesse „Tanka“ Scharwenka nach einem reichen Ehemann Ausschau hält. Um Huck daran zu hindern, ihr Geheimnis auszuplaudern, arrangiert Lizzie für die Indianians doch noch ein Vorspielen im Cafe Russe.

In der Zwischenzeit kümmern sich Stephanie und Minnie um John, der von seiner eingebildeten Verlobten Sophie sitzengelassen wurde. Stephanie und John verlieben sich ineinander, doch die aufblühende Romanze wird vom plötzlichen Tod von Tante Minnie überschattet. John, der alles erbt, und Stephanie betreiben Roberta’s gemeinsam. Kaum hat Sophie von Johns Erbschaft erfahren, fährt sie nach Paris und versucht, ihren ehemaligen Verlobten zurückzugewinnen. Stephanie will das junge Glück nicht trüben und verzichtet schweren Herzens auf ihre Liebe zu John. Viele Verwechslungen später heiraten John und Stephanie, während aus Huck und Lizzie endlich ein Paar wird.

Rezension

Es war mir nicht bewusst, dass Johns Verlobte, deren Nachname sich so verdächtig deutsch wie „Thiel“ ausspricht, ihn erst in Paris besucht hat, nachdem er eine Erbschaft gemacht hat. Als Footballstar hat man damals wohl nicht so viel verdient wie in späteren Zeiten. Dieser Mann wird gespielt von Randolph Scott, der zu jener Zeit richtig gut aussah und noch nicht vollständig diese extrem kantige Mimik zeigt, mit der man ihn aus Western der 1950er kennt. Aber er muss sich mit der Nennung an vierter Stelle begnügen und macht außerdem auch noch Irene Dunne unglücklich. Für kurze Zeit jedenfalls. Ihr Gesang beinhaltete für mich die emotionalen Höhepunkte des Films, nicht der Tanz und nicht die sonstigen Auftritte von Astaire und Rogers, die hier etwas leichter zuammenfinden müssen als in den Filmen, in denen sie die Bühne wahrhaft für sich alleine haben, weil es ja noch die Handlung um die russische Prinzessin im Exil gibt. Ihre Verkörperung durch Irene Dunne und deren Interpretation des Klassikers „Smoke Gets in Your Eyes“ à la Russie, also mit Balalaika-Orchester und Chor, ist sicher die dramatischste aller Zeiten – schon, weil das Lied hier genau auf die Handlung abgestimmt wird und sie mittendrin schluchzend aufhören muss. Diese Szene ist in Kompilationen über das Beste aus den klassischen Musicals enthalten, zum Beispiel in MGMs „That’s Entertainment“. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob im ersten oder zweiten Teil. Möglich war das, weil MGM die Rechte an dem Film 1945 von RKO gekauft hatte, um ein Remake drehen zu können. Es kam 1952 unter dem Titel „Lovely to Look At“ heraus und zeigen Kathryn Grayson und Howard Keel in den Hauptrollen. Ihre Interpretation von „Smoke Gets in Your Eyes“ war die erste, die ich überhaupt von dem Lied gehört habe, eben durch „That’s Entertainment“. An die Version von Irene Dunne reicht sie vielleicht beim Stimmvergleich heran, aber nicht im Ausdruck.

Ein bisschen überdramatisiert wirkt die plötzliche Liebe zu diesem Schrank namens John durchaus, und dann wird, sehr selten in einem Musical, gezeigt, wie eine Person stirbt, die von der Prinzessin zuvor noch in den Schlaf, mithin den ewigen Schlaf, gesungen wurde. Ich kann mir gut vorstellen, warum man Irene Dunne gerne als neue Garbo aufgebaut hätte und ihr Rollen wie Mrs. Miniver angeboten hat, während bei der eher kumpelhaft wirkenden Ginger Rogers noch nicht abzusehen ist, dass sie fünf Jahre später den Oscar für eine dramatische Rolle in dem Film „Kitty Foyle“ erhalten würde, der in den bisherigen Karrieren der beiden eher typisch für Dunne gewesen wäre. Diese wurde fünf Mal für den Oscar nominiert, gewann ihn aber nicht. Mit ihrem Sieg stach Rogers auch ihren bisherigen Filmpartner Fred Astaire aus, der nie einen Schauspieloscar erhielt (wohl aber 1950 einer der ersten Ehren-Oscar-Gewinner war, also noch während seiner aktiven Zeit). Nicht ganz so berühmt wie viele andere Nummern der beiden ist, was man an Tänzen von Astaire und Rogers zu sehen bekommt. Gleichwohl sind besonders Astaires Solonummern, so kurz sie hier sein müssen, erstklassig. 

Der Film hat durch seine dramatischen Elemente einen anderen Tenor als die Rogers-Astaire-Tanzfilme, denn das ist schon alles recht berührend gemacht und irgendwie hat man den Eindruck, es geht nur mit Balalaikas und mit diesen Russen, die so schrecklich sentimental sind. Jedenfalls hat man den betreffenden Handlungselementen dadurch mehr Sicherheit gegeben, denn die Amerikaner treten, wie wiederum in den Astaire-Rogers-Filmen üblich, eher robust und selbstbewusst auf. Im Grunde ist das ganz gut getroffen, besser als in manchem US-Melodram, in dem nur Amerikaner zu sehen sind. Klar, alles basiert auf einem Teilbild eines Klischees, aber es muss nicht gelogen sein. Interessant, dass alle diese Filme mit Rogers und Astaire, die ich jetzt gesehen habe, „abroad“ spielen, in Europa oder gar Südamerika, in Europa müssen es natürlich Paris und London sein.

Es passt aber wieder zu diesem weltmännischen Charme, den Fred Astaire ausstrahlt. Der Sohn eines österreichisch-deutschen Musikerpaars mit jüdischem Hintergrund hat das Wiener Gefühl für Melodie und Rhythmus und den deutschen Sinn für Präzision und harte Trainingsdisziplin, die in Kombination erst zu Astaires Meisterschaft führen konnten. So könnte man es ausdrücken, wenn man in weiter mit den Nationen-Stereotypen spielen will. Außerdem, das sieht man in diesen frühen Filme häufig, war er sehr schmal, nicht sehr groß, daher aufgrund seines Körperbaus sehr beweglich. Vielleicht halfen ihm sogar seine Hände, die er selbst als viel zu groß empfand, beim Halten der Balance und der Rhythmisierung in seinen außergewöhnlichen Tanznummern.

Stellenweise chargiert er in Roberta ein wenig und ich habe ihm nicht abgenommen, dass er, wie der hölzerne Typ, den Randolph Scott darstellt, überhaupt keine Ahnung von Mode oder kein Gefühl dafür hat. Die konservativen Ansichten von John nutzt Astaires Figur für eine kleine Intrige, die wir fast baugleich fünf Jahre später in Hitchcocks „Rebecca“ wiedersehen werden: Einer Frau wird ein Kleid zum Anziehen empfohlen, von dem die empfehlungsgebende Person genau weiß, dass die Zielperson des Auftritts gar nicht charmiert sein, sondern ganz übel darauf reagieren wird. In dem einen Fall wegen des angeblich zu zeigefreudigen Stils, besonders des Rückenausschnitts, in „Rebecca“ wegen der Last der Vergangenheit. Die Diskussionen über Mode sind überhaupt etwas rudimentär, aber ich staune immer wieder darüber, wie man Hollywood Modenschauen in Filme integriert hat, die ja wirklich das Neueste von damals zeigen mussten. Die Kleider für die Modenschau  wurden von der Designerin Lucile Ltd. entworfen. Die Firma wurde von Lady Duff Gordon gegründet und war bekannt für ihre luxuriösen und eleganten Kleider. Solche Elemente machen jeden Film zu einer tollen Zeitreise, vor allem, wenn sie nicht in Magazinen abgebildet sind, sondern von Mannequins getragen werden, die ebenso zeitgeistig ausschauen wie die Kleidungsstücke.

„Der Film ist ein Muster für Weltgewandheit in einem Musical und Mr. Astaire, der elegante Meister der leichten Komödie und des Tanzes, ist die wichtigste Zutat. Ihm dabei zuzuschauen, wie er mit der Leichtfüßigkeit einer Katze über den Tanzboden gleitet ist eines der gegenwärtigen Hauptvergnügen im Kino. […] Die ewige Hexe Miss Claire Dodd ist wie üblich erfolgreich darin, die Romanze zu stören. […] Mr. Astaire und ‚Roberta‘ sind beispielhaft für den Überfluss, die Eleganz und den Humor in einem Musikfilm. Wenn der Streifen überhaupt so etwas wie einen Fehler aufweist, dann den unglücklichen Umstand, dass Mr. Astaire und seine exzellente Partnerin Miss Rogers nicht während der gesamten Laufzeit tanzen können.“[2]

Die Kritik seitens der führenden US-Zeitung lässt erahnen, wie enthusiastisch man auf das neue Tanzpaar seinerzeit reagierte und wie gierig man nach neuen Filmen mit ihnen war. Wer die Kritik geschrieben hat, ist nicht angegeben, Bosley Crowther war es jedenfalls noch nicht, der hätte sicher auch mehr zum Bemängeln entdeckt, in diesem reinen Unterhaltungsfilm. Nicht an Astaires und Rogers Tanzkunst natürlich, wohl auch nicht an Rogers‘ gelungener Parodie auf die Performance der Darstellerin, die deren Rolle bei den Bühnenaufführungen gespielt hatte, aber vielleicht doch an der Haupthandlung und den Exilrussen.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2025: 1935 war Andre Sennwald der Haupt-Filmkritiker der NYT, nach seinem frühen Tod im Januar 1936 gefolgt von Frank S. Nugent, der später auch  Drehbücher schrieb. Im März 1935, als „Roberta“ Premiere feierte, war demnach Sennwald der vermutliche Kritiker.

Vor dem Finale wollen wir die Rezension aber unterbrechen, um die netten Informationen, welche die Wikipedia gemeinfrei bereithält, in unsere Besprechung zu integrieren:

Irene Dunne beendete 1935 mit dem Auftritt in Roberta ihren Vertrag bei RKO, in dessen Verlauf sie seit 1930 allmählich zum zugkräftigsten Star des Studios aufgestiegen war. Zunächst war Dunne bekannt geworden durch ihre Auftritte in tränenreichen Melodramen, in den sie viel und oft weinte und eine nicht endenwollende Abfolge von Schicksalsschlägen mit stoischer Gelassenheit ertrug wie in Back Street oder No Other Woman. Erst allmählich wandelte sich ihr Image von einer Märtyrerin der Liebe hin zur Darstellung selbstbewusster Frauen wie in The Silver Cord. Nach Auftritten in Stingaree und Sweet Adeline hatte sich Dunne darüber hinaus auch als renommierte Interpretin von Jerome Kern-Liedern etabliert. Der Komponist schätzte dem Vernehmen nach besonders die stets etwas zurückhaltend und unterkühlt wirkende Vortragsweise der Sängerin. Für die Filmrechte des Broadwayerfolges Roberta von Jerome Kern und Otto Harbach, der es 1933 auf insgesamt 295 Aufführungen gebracht hatte, zahlte RKO 65.000 US-Dollar und übertrug die Hauptrolle Irene Dunne. Gleichzeitig sah der Produzent Pandro S. Berman in dem Stoff eine ideale Gelegenheit für die beiden neuen RKO-Stars Fred Astaire und Ginger Rogers. Die beiden Schauspieler hatten 1933 mit ihrem Auftritt in dem Dolores-del-Río-Musical Flying Down to Rio die Aufmerksamkeit durch ihre innovativen Tanzeinlagen erregt. 1934 wurden die beiden dann in The Gay Divorcee bereits als Hauptdarsteller angekündigt. Doch erst der überragende finanzielle und künstlerische Erfolg von Roberta etablierte das Duo Astaire – Rogers dauerhaft als Leinwandpaar. In Roberta werden die Namen von Fred Astaire und Ginger Rogers zwar auch über dem Titel genannt, jedoch nur knapp halb so groß wie der Name von Irene Dunne, dem nominellen Star der Produktion.

Um für Astaire und die beiden Schauspielerinnen passende Rollen zu schaffen, mussten umfangreiche Anpassungen im Drehbuch vorgenommen werden. So wurden die Rolle des Huck Haines aus ursprünglich zwei verschiedenen Rollen in der Bühnenshow zusammengefasst, die von Bob Hope als Bandleader und George Murphy als Tänzer gespielt wurden. Für Ginger Rogers Charakter wurden ebenfalls zwei Bühnenrollen zusammengefasst. Rogers nutzte die Gelegenheit, um als falsche polnische Prinzessin eine gekonnte Parodie von Lyda Roberti zu geben, die in der Broadwayshow als Scharwenka aufgetreten war. Die Grundidee – arbeitslose amerikanische Schauspielerin tritt als angebliche osteuropäische Adelige auf – tauchte wenige Monate später in der Mitchell-Leisen-Komödie The Princess Comes Along mit Carole Lombard erneut auf der Leinwand auf.

Finale

Interessant, zu lesen, dass dieser Film, nicht das vorausgehende erste Schaustück „The Gay Divorcee“, das schon alles Essenzielle der Rogers-Astaire-Tanzfilme enthält, erst deren Karrieren gesichert haben soll. Ob sie das damals auch so sahen oder lieber gleich wieder ganz im Mittelpunkt gestanden hätten? Jedenfalls sollten sie das noch im selben Jahr wieder, im erwähnten „Top Hat“. Ich habe ihn bereits gesehen und werde die Rezension nach dieser schreiben, weil er chronologisch nach „Roberta“ entstand bzw. Premiere hatte. Daher hab ich schon einen Eindruck, wie es nach „The Gay Divorcee“ weiterging, der von mir eine ausgezeichnete Bewertung (83/100) erhalten hat. Ganz so weit gehe ich bei „Roberta“ nicht, weil dem Film diese fast schon berauschende Einheitlichkeit und, die formale Geschlossenheit einer reinen Tanzkomödie fehlt, aber hochwertig sein ist Trumpf, was man auch hier wieder sieht. Von der Darstellung, den Tanz, die Musik, die Klamotten bis hin zum Art Déco, das sich in diesem Film wieder schön breitmachen darf, ist er ein synästhetischer Genuss. Den Einklang von allem betreffend, was einen Film als optischen Leckerbissen ausmachen kann,  übertreffen die Rogers-Astaire-Filme sogar die späteren MGM-Welterfolge. Ein paar Stellen, die etwas holprig wirken, wenn es zum Beispiel um diese seltsame Figur des russischen Thronfolgers geht, verschmerzt man angesichts des insgesamt Dargebotenen ganz gut.

Bemerkenswert ist etwas, was sicher kein Zufall war. Der vereinende Kuss des Hauptliebespaares wird ziemlich radikal auf eine halbe Sekunde gekürzt. Weil Randolph Scott in einer Szene als romantical Leading Man nicht so funktioniert? Jedenfalls wird quasi abgebrochen und die allerletzte Einstellung gehört wieder Rogers und Astaire, die ebenfalls ihr Finale haben. Wäre dem Rogers-Astaire-Spezialisten Mark Sandrich, hätte er Regie geführt, das auch passiert? Wir wissen es nicht, aber „The Gay Divorcee“ und „Top Hat“, den er ebenfalls verantwortete, wirken inszenierungsseitig noch einmal etwas eleganter als „Roberta“. Was aber auch der Tatsache geschuldet sein kann, dass man hier nicht zwei recht verschiedene Handlungsstränge und Charakterpaare miteinander verzahnen musste.

76/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2023)

Regie William A. Seiter
Drehbuch Jane Murfin,
Sam Mintz,
Allan Scott
Produktion Pandro S. Berman
Musik Max Steiner,
Jerome Kern
Kamera Edward Cronjager
Schnitt William Hamilton
Besetzung

[1], kursiv, tabellarisch: Roberta (Film) – Wikipedia


Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Hinterlasse einen Kommentar