Filmfest 1297 Cinema – Werkschau Buster Keaton (12)
Der Koch, der Kellner, der böse Clown und das Mädchen und ein Hund ist auch dabei
Der Koch (Originaltitel: The Cook) ist eine US-amerikanische Kurzfilm–Slapstick–Komödie aus dem Jahr 1918 mit Roscoe Arbuckle und Buster Keaton in den Hauptrollen.
Der erste Buster-Keaton-Film, den wir uns angeschaut haben, war „Buster und die Polizei“ („Cops“, 1922). Nun gehen wir vier Jahre zurück und damit in die Zeit, als Keaton noch Partner des damals bekannteren Roscoe „Fatty“ Arbuckle war, einem der berühmtesten frühen Filmkomiker, der zumindest figürlich Oliver Hardy ein wenig vorwegnahm. Buster Keaton bekam zumindest bei diesem Film und in der gesehenen Version nicht einmal einen Credit im Vorspann, obwohl er klar die Nummer Eineinhalb war, etwa so viel Spielzeit hatte wie Arbuckle – und man kann sagen, die beiden waren das erste von vielen berühmten Komikerduos im Film. Die Zusammenarbeit begann 1917 und endete 1919 – nicht wegen des berüchtigten Arbuckle-Skandals von 1921, der dessen Karriere beendete, denn Keaton hatte schon 1920 sein eigenes Studio erworben und filmte fast gleichzeitig mit dem letzten Arbuckle-Keaton-Film seinen ersten eigenen Streifen.
Veröffentlicht wird die Rezension nun nach der chronologischen Sichtung aller Keaton-Filme von Beginn an, wir sind also im Jahr 1917 gestartet und „Der Koch“ war der viertletzte von insgesamt 15 Filmen, die Arbuckle und Keaton miteinander gedreht haben. Einige Erkenntnisse aus der Befassung mit Keatons Frühwerk haben wir in die Rezension aus dem Jahr 2018 einfließen lassen und diese in vorliegender Form ergänzt, kursiv und mit einer Seitenmarkierung versehen. Wir haben keine Neusichtung des Films und keine ergänzende KI-Analyse der Rezension vorgenommen.
Handlung (1)
In der Küche einer Gaststätte vollführt Roscoe Arbuckle als Koch zahlreiche Gags mit den dortigen Lebensmitteln und Küchenutensilien. Fertig angerichtet, wirft er die Speisen und Getränke Buster Keaton zu, der sie als Kellner geschickt fängt, um sie den Gästen zu servieren. Nach dem Auftritt einer exotischen Tänzerin, wird das Lokal von einem Rowdy gestürmt, der die Kassiererin zu einem Tanz zwingt. Keiner der anwesenden Männer ist in der Lage ihn zu stoppen. Nur durch den Küchenhund gelingt es letztlich ihn davonzujagen. Später dann beschäftigen sich Gaststättenbestizer und -personal damit die beste Lösung für das Verspeisen von Spaghetti zu finden.
An einem geruhsamen Nachmittag haben die Angestellten frei. Der Koch fährt mit dem Küchenhund zum Strand, wo sie einen großen Fisch erangeln können. Der Kellner hat ein Date mit der Kassiererin, die abermals von dem Rowdy bedrängt, auf eine am Strand stehende Achterbahn flüchten muss und in höchster Not von oben herab in den Ozean springt. Während der Küchenhund den Rowdy verfolgt, rettet der Kellner mit Hilfe des Kochs die Kassiererin, vermutlich.
Rezension
Man kann sagen, „Der Koch“ zeigt Arbuckle und Keaton auf dem Höhepunkt ihres gemeinsamen Schaffens. Die Komik ist sehr schnell, sehr ingeniös und technisch für die bescheidenen Verhältnisse von 1918 anspruchsvoll ausgeführt. Natürlich belegen die häufigen Schnitte, dass man viele Tricktechniken noch nicht so beherrschte, dass eine perfekte Illusion entstand. In der Küche kann man das deutlich sehen. Selbstverständlich ist jeder Moment, in dem aus dem Wunderwerk von gemischter Milchtonne, Kaffeeautomat und Gulaschkanone etwas anderes entnommen wird, in Wirklichkeit eine neue Szene und wenn Arbuckle über die hoch moderne Kücheninsel hinweg, die es nur gibt, weil damit logischer wird, dass Keaton auf der anderen Seite die Ware per Wurf und Fang schneller annehmen kann, als wenn er die Küche durchmessen würde, diese Würfe ausführt, dann geschieht das von seiner Seite aus natürlich als Wurf – aber Keatons Annahme dürfte rückwärts gefilmt sein, in Wirklichkeit sind das also ebenfalls Würfe.
Große Anerkennung dafür, dass man das den allerdings sehr schnell ausgeführten Bewegungsabläufen nicht ohne Weiteres anmerkt. Die Szene im Restaurant ist eher die typische, etwas rohe Art des Slapstick jener Zeit, wie wir sie auch von Charles Chaplin fast gleichartig gefilmt kennen. Solche Szenen liegen einfach nah, wenn es darum geht, viel Acktion mit wenig Mitteln in kurzer Zeit zustandezubringen. Hübsch anspruchsvoll für die damaligen Verhältnisse hingegen wieder die Achterbahn-Sequenz. Vor allem der Hund scheint gut trainiert worden zu sein, er läuft dem bösen Clown tatsächlich über eine ziemliche weite Strecke sehr gut nach. Die Continuity stimmt allerdings nicht so recht, was das Besteigen der Leiter angeht, wo der Hund tatsächlich folgen kann. Wir haben noch nie einen Hund auf eine solche Art oder überhaupt eine Leiter hochklettern sehen, aber vielleicht ist der gesamte Part ebenfalls rückwärts in den Film integriert worden. Was allerdings bedeuten würde, dass Hunde zumindest Leitern abwärts können.
Der Szenenanschluss wirkt verschoben, weil mittendrin die Spaghettiszene eingebaut wurde. Was hat man mit Spaghetti nicht schon alles im Film gemacht, bis hin zu Loriot. Man muss sich vorstellen, dass die Deutschen noch in den 1950ern und danach zu Spaghetti ein ähnlich fremde Verhältnis hatten wie viele Amerikaner zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bis dann viele Italiener einwanderten. Aber diese Szene haben wir als besonders chaplinesk empfunden, auch wenn mehrere Personen die verschiedenen Methoden, mit den langen, dünnen Nudeln fertig zu werden, ans Publikum weitergeben. Die heute übliche Variante, Gabel auf tiefem Teller in die Nudeln hineindrehen, wird leider bei der Gelegenheit nicht erfunden. Manche Speisen sind ihrer Zeit gewissermaßen voraus, denn kaum etwas lässt sich in Relation von Umfang, Gewicht, Aufwand so schnell essen wie Spaghetti.
Die Schlussszene ist ziemlich enttäuschend, muss man allerdings konstatieren. Die Sequenz mit dem Seil oder den Seilen ist noch guter Slapstick, aber was geschieht, als das Mädchen, Buster und Fatty im Wasser gelandet sind? Nichts. Man kann froh sein, dass es danach überhaupt noch Filme von ihnen gab, denn keiner von ihnen macht Anstalten, das Schwimmen zu beherrschen und von Rettung des Mädchens durch die beiden wackeren Komiker kann keine Rede sein, also streichen wir den Begriff „wacker“ wieder.
Sollte ausgerechnet der Schluss des Films fehlen oder war Plitsch, Platsch zu dritt damals genug des Guten, um das Publikum zum Lachen zu bringen? Man sieht aber etwas anderes – nämlich, dass Buster Keaton offenbar tatsächlich aus ziemlicher Höhe ins Wasser springt, was sein Kollege natürlich nicht vollzieht und das Mädchen auch nicht. Bei physischen Gags gibt es ohnehin einige Auslassungen, die belegen, dass der richtige, komplette Stunt damals nur etwas für Ausnahmekönner war – wie eben Buster Keaton. Ob es schon Stuntmen gab, entzieht sich unserer Kenntnis, aber es wäre sicher aufgefallen, wenn andere Personen die Actionszenen ausgeführt hätten als die beiden markanten Hauptdarsteller.
Ergänzung 2025: In der Tat fehlt die letzte Minute des Films bisher in allen restaurierten Versionen, lange Zeit galt der Film sogar als komplett verschollen, ehe Ende der 1990er an unterschiedlichen Orten Teile oder Fragmente auftauchten. Keines davon enthält aber die letzte Minute. Die Frage oben ist trotzdem berechtigt, denn damals endeten viele Filme durchaus abrupt, wie man auch an den frühen Chaplin-Werken sehen kann. Mitten im Jahr 1918 waren Keaton und Arbuckle aber im Grunde schon weit genug, ein echtes Ende zu produzieren.
Der Film ist der letzte, der vor Keatons Einrücken in die Armee und seinem Einsatz in Europa gedreht wurde, veröffentlicht wurde er im September 1918, etwas mehr als zwei Monate nach dem Beginn seines Wehrdienstes und zwei Monate vor dem Ende des Ersten Weltkriegs. Der nächste Arbuckle-Keaton-Film, „Backstage“, erschien etwa ein Jahr später, am 7. Dezember 1919, auf der Leinwand.
Auch hier sieht man wieder, dass, anders als in Chaplins Filmen, kein sozialer Kontext eingebaut wird. Es gibt im Grunde kein „Oben und Unten“, es gibt auch keine romantische Verwicklung, alles ist purer Spaß. In der frühen Phase waren auch Chaplins Filme noch eher rau und er war ja Keatons Vorgänger bzw. einer davon als Partner von Arbuckle. So gesehen, müssen wir die obige Aussagen korrigieren und festhalten, dass Chaplin und Arbuckle das erste berühmte Komiker-Duo im Film waren, aber Chaplin hatte sich doch recht schnell abgesetzt und mit einem Stab von perfekt auf ihn zugeschnittenen Nebendarstellern und Männern hinter der Kamera seine künstlerische Freiheit erlangt. Das geschah schon 1915, nach einem Jahr mit Arbuckle, während dieser mit Keaton immerhin vier Jahre zusammen eine burleske Komödie nach der anderen drehte. Von Arbuckle hatten andere also viel profitiert, was das Beherrschen des Films als Medium angeht.
Hier müssen wir vor der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2025 eine Ergänzung schreiben: Charles Chaplin hatte während seiner Zeit bei Keystone, seiner ersten Filmfirma, mehrfach mit Arbuckle zusammen gespielt, aber die beiden waren nicht Dauerpartner im Sinne eines Komikerduos. Die beiden waren nicht so eingespielt wie Keaton und Arbuckle wenige Jahre später. Mehr signifikant für Chaplins Entwicklung war nach unserer Ansicht die Paarung mit Mabel Normand, dem damals größten weiblichen Komik-Star im Filmgeschäft.
Sicher wäre es interessant, weitere frühe Filme von Keaton und Arbuckle anzuschauen, denn auch bei ihnen hat es sicher eine Entwicklung gegeben, doch leider – anders als bei Chaplins Frühwerken sind wohl viele nicht erhalten. Es heißt, von Keatons Stumm-Kurzfilmen seien insgesamt noch 32 verfügbar und die sind auf einer DVD-Serie von Lobster erhältlich, zu der es auch kurze Kritiken gibt.
Wie wir mittlerweile wissen, stimmt das nicht, denn wir sind gerade dabei, die Entwicklung Buster Keatons anhand einer ihm gewidmeten Werkschau nachzuvollziehen. Vom ersten Film im Jahr 1917 an, in dem er bereits, man kann sagen, ein Protegé von Arbuckle war. Richtig ist allerdings, dass wir bis zu „Good Night, Nurse!“, dem direkten Vorgänger von „Der Koch“, schon eine deutliche Entwicklung gegenüber den Anfängen im Jahr 1917 nachvollziehen können. Anfang 1918 gab es einen deutlichen Qualitätssprung, der mit dem Umzug der Comique Company, Arbuckles Produktionsfirma für Paramount (Famous Players Lasky, verantwortlicher Produzent war Joseph Schenck) von der Ost- an die Westküste zusammenfiel.
Finale
Zu einer Zeit, als Chaplin bereits den Three-Reeler „A Dog’s Life“ und den ebenfalls längeren „Charly als Soldat“ drehte, war Buster Keaton noch ausschließlich in Kurzfilmen unterwegs, die etwa 20 Minuten Spielzeit nicht überschritten. Wenn man so will, entwickelten sich beide zeitversetzt, denn Buster kam ja erst 1917 zum Film, Chaplin schon 1914. Aber ihr Genie war ähnlich stark ausgeprägt und so drängte es zu immer größeren Werken, die in den 1920ern in teilweise legendären Langfilmen gipfelten wie „Goldrausch“ (Chaplin, 1925) oder „Der General“ (Keaton, 1926). Ersterer ist wohl das grandioseste Abenteuer-Movie der 1920er, Letzterer beinhaltet eine der teuersten Szenen der bisherigen Filmgeschichte, in der ein echter Zug von einer echten Brücke gestürzt wird.
Fortschreitende Kenntnisse bringen Korrekturen mit sich. „A Dog’s Life“ ist mit 33 Minuten nicht wesentlich länger als die längsten der Arbuckle-Keaton-Filme, die etwa 27 Minuten erreichten und nur knapp ein Three-Reeler. Richtig ist, dass der Film mehrdimensional ist, weil er Komik, Drama und Sozialkritik vereint, während Keaton diesen Sprung hin zu einer Matrix nie gegangen ist, die Komik auch berührend und romantisch, später noch kritischer macht, vor allem in den 1930ern, und sie thematisch und emotional räumlicher wirken lässt.
Dem ursprünglichen Entwurf fehlt eine Bewertung, wir vergeben aufgrund des Eindrucks beim Lesen der Rezension und aufgrund der IMDb-Bewertung von 6,6/10 ohne Neusichtung erstmals für einen der frühen Keaton-Filme, die bis zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Der Koch“ gedreht wurden, eine Bewertung im 70er-Bereich für den Film, der das Dutzend voll macht.
71/100.
2025 Der Wahlberliner (Entwurf 2018 und 2025)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Roscoe Arbuckle |
|---|---|
| Drehbuch | Roscoe Arbuckle |
| Produktion | Joseph M. Schenck |
| Kamera | George Peters |
| Besetzung | |
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