Filmfest 1308 Cinema
Verbotene Liebe ist ein DEFA–Spielfilm des Regisseurs Helmut Dziuba aus dem Jahr 1990.
„Verbotene Liebe“ zeigt die DDR formal noch intakt, ihre Strukturen, auch die Denkweisen, die in ihr entstanden sind. Andererseits war wohl eine deutliche Aufweichung der Ideologie notwendig, damit dieser brisante Film veröffentlicht werden konnte. Und bis heute sind sexuelle Handlungen mit unter 14-Jährigen strafbar, weil sie als Kinder angesehen werden. Auch im Westen gab es aber schon damals eine Tendenz zum frühen Sex – und was, wenn er einvernehmlich ist und sogar zwischen zwei Personen stattfindet, die beide minderjährig sind? Weiterhin sind Sexualstraftaten Offizialdelikte, eine Anzeige, wie sie im Film erst gestellt werden muss, damit ermittelt und ein Gerichtsverfahren in die Wege geleitet werden kann, ist nach heutigem Recht nicht notwendig. In der Praxis wird wohl in den meisten Fällen Anzeige gestellt werden müssen, weil sie sonst nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden. Für Menschen, die als Kinder missbraucht wurden, könnte dieser Film schwierig sein. Wir haben nur das berücksichtigt, was gesehen werden sollte: Eine Art von Liebesbeziehung, die die meisten in diesem Alter sicher nicht hatten, aber vielleicht gerne gehabt hätten.
Handlung (1)
Die dreizehnjährige Barbara und der achtzehnjährige Oberschüler Georg kennen sich schon lange. Sie sind Nachbarn und verstehen sich gut. Aus der Freundschaft wächst mit der Zeit eine tiefe Liebe. Da Barbara jedoch noch nicht das Schutzalter überschritten hat, ist diese Beziehung in den Augen der Umwelt verwerflich. Nachdem die beiden das erste Mal in einem leerstehenden Haus miteinander geschlafen haben, glauben sogar einige Jugendliche, sie könnten Barbara als Freiwild ansehen, und versuchen sie zu vergewaltigen. Auch mit den Eltern gibt es große Probleme. Vor allem die Väter der beiden sind schon lange verfeindet. Georgs Vater war durch die Kampagne „Industriearbeiter aufs Land“ in das Dorf gekommen, der Idealismus ist nun jedoch Lethargie bis Verbitterung gewichen, insbesondere auch angesichts der materiellen Erfolge von Barbaras Vater (dem Nachbarn). Dieser ist vor allem an Geld interessiert, ansonsten verständnislos bis primitiv. Endlich hat dieser einen Weg gefunden, seinen Widersacher, den „Genossen“, zu kompromittieren, und zeigt Georg wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes an. Auch in der Schule gibt es wenig Verständnis. Der Schuldirektor leitet disziplinarische Maßnahmen ein und Georgs Zukunft scheint verbaut, ein Studium ist nicht mehr möglich. Nur die Lehrerin Laube steht zunächst zu den beiden und wird zu einer Freundin für Barbara. Schließlich solidarisieren sich auch die Mitschüler mit dem Liebespaar.
Der Film endet mit der Verkündung des Urteils gegen Georg. Dort wird auf den Widerspruch zwischen einem an sich sinnvollen, aber starren Gesetz (§ 148 des Strafgesetzbuches der DDR) und der ganz offensichtlich echten Liebe der beiden eingegangen. Ein abschließendes Urteil wird im Film nicht bekannt gegeben, jedoch die spätere Heirat der Liebenden, für die Georg „einen kleinen Preis“ bezahlt habe.
Informationen
Der Film des DEFA-Studios für Spielfilme basiert auf einer Erzählung des Schriftstellers Helmut H. Schulz, dessen Werk in der DDR mehrere Jahre nicht veröffentlicht werden durfte. Auch der Film konnte trotz fertigem Drehbuch drei Jahre lang nicht realisiert werden. Als er dann am 19. April 1990 im Berliner Kino „International“ uraufgeführt wurde, war der Film zum Teil schon von der Entwicklung überholt. Zunächst wurde der Film wie nahezu alle DEFA-Filme der Zeit kein großer Erfolg, da sich das Publikum zunächst vor allem für westliche Produktionen interessierte. Erst im Laufe der Jahre entwickelte sich Verbotene Liebe, schon wegen des zeitlosen Themas von „Romeo und Julia“, zu einem Kultfilm.
Die Rolle der Lehrerin Laube kommt in der Vorlage nicht vor, sie wurde von Regisseur Helmut Dziuba eigens für Gudrun Ritter ins Drehbuch geschrieben. Beim letzten nationalen Spielfilmfestival der DDR 1990 wurde sie für die Rolle mit dem Preis für die Beste Nebenrolle ausgezeichnet. Hauptdarstellerin Julia Brendler war während der Dreharbeiten erst vierzehn Jahre alt.
Rezension
Der Aspekt der verfeindeten Familien, der den Romeo-und-Julia-Touch in die Geschichte bringt, hätte man ein paar Jahre früher wohl auch nicht zeigen können, denn es ging um desillusionierte Genossen und schlaue, geldgierige Bäuerchen. Von wegen Klassensolidarität und gemeinsames Arbeiten am großen Werk. Ebenso ist das rüde, bedrohliche Verhalten der Dorfjugend eher amerikanischen Filmen abgeschaut. Außerdem weist es bereits auf Nachwendetendenzen hin. Im gesamten Szenario finden sich aber viele Einflüsse, die wir aus den Polizeirufen kennen, die aus der DDR kamen und in den folgenden Jahren neue Ausformungen fanden.
Berührend wird die Geschichte, die einfach und konventionell strukturiert ist, durch die Darstellung vor allem von Julia Brendler als Barbara und durch die Rolle, die man eigens für Gudrun Ritter in den Film geschrieben hat. Die Entstehung einer Mitwisserschaft bringt die Lehrerin in Nöte und das Mädchen begräbt die Lieblingspuppe „Mann“ in dem Moment, in dem sie sich verändert hat, ihre Liebe zu dem jungen Mann, für den die Puppe sinnbildlich steht, sich erfüllt hat. Das Missbrauchsproblem ist auch deshalb so schwierig zu behandeln, weil es Barbara ist, die den Sex mit Georg haben möchte. Sie ist die Aktive und er wehrt sie erst einmal ab – auch, weil sie so jung ist. Dass die beiden miteinander herumgezogen sind, als sie vielleicht acht, er dreizehn Jahre alt war, was man zwischenzeitlich sieht, erschließt sich wohl am besten aus dem Nachbarschaftsverhältnis, ansonsten ist es eher ungewöhnlich, wenn es sich nicht um Geschwister handelt.
Wunderschön ist die Symbolik der Bilder, die Jahreszeiten, das Gelände, die Landschaft, die immer zur Gefühlslage passt. Das gilt insbesondere für die Schlammgegend, als es zur Aufwallung kommt, die letztlich zum ersten Sex führt, ebenso wie die Zerstörung des Liebesnestes, des letzten Rückzugsortes, zwei Jahre später. Der distanzierte Westler könnte das Verhältnis auch so beschreiben: Das heißblütige junge Mädchen klammert sich an den Jungen, der erst noch selbst merken muss, dass er verliebt ist und es sich nicht um eine einseitige Schwärmerei von Barbara handelt. Junge Frauen sind Männern in der Entwicklung eben ein paar Jahre voraus, auch emotional. Allerdings muss man alle Filter wegziehen, die durch Milieus, Gruppenzugehörigkeiten, Lebenswelten in den Städten über diese sehr unbedingte Liebe gelegt werden.
Hans-Peter Dahm, der Darsteller von Georg, hat keinen Wikipedia-Eintrag, aber Julia Brendler ist zu einer vielbeschäftigten Serienschauspielerin geworden und tritt auch in Kinofilmen auf. Ein Wort natürlich noch zu Peter Sodann, der den Vater von Barbara spielt. Wie gut der fies kann, hat uns geradezu amüsiert. Seine Art, die er hier als böser Bauer zeigt, ist seinem Wesen in den Tatorten, die er viele Jahre lang als Kommissar Ehrlicher dominiert hat, gar nicht so unähnlich – nur die Einstellung, die ist anders, nämlich dem Sozialismus nicht nachträglich so zugewandt.
Finale
„Verbotene Liebe“ ist heute ein Kultfilm, heißt es in der Wikipedia. Immerhin hat er der ARD-Dauer-Vorabendserie ihren Namen verliehen. Ob die Idee wirklich diesem Film inspiriert ist, wissen wir aber nicht, der Titel ist nicht so außergewöhnlich, dass man unweigerlich auf einen Zusammenhang schließen muss. Das Setting der Serie ist jedenfalls komplett anders und ein Konflikt wie der im Film gezeigte kam unseres Wissens niemals vor. Heute wäre es ohnehin wieder schwierig, „Verbotene Liebe“ zu drehen, denn politisch korrekt wird er wohl niemals.
Dafür wirft er zu viele Fragen über das Erwachen der Sexualität auf und ob es überhaupt angängig ist, dass ein Mädchen einen Jungen mehr oder weniger verführt und deswegen der Missbrauchsvorwurf nicht haltbar ist – ob der junge Mann bei dem Altersunterschied nachgeben darf, ist wieder eine andere Frage. Die Botschaft ist: Es liegt in dem, was zwischen Barbara und Georg geschieht, kein Falsch, und die beiden werden etwas später heiraten.
Der Film ist sehr prominent besetzt, viele Namen sind mir mittlerweile aus anderen Filmen, aus Nachwendeproduktionen oder der Polizeiruf-Reihe bekannt, zu Peter Sodann siehe oben.
Anlässlich der Veröffentlichung des Textes fünf Jahre nach dem Entwurf haben wir einige Ergänzungen vorgenommen (Handlung, folgender Punkt „Kritiken“).
Kritiken
„Der Film erzählt in wunderschönen, manchmal etwas symbolüberladenen Bildern von gesellschaftlichen Deformationen, von menschlichem Versagen, aber auch von Verständnis und Güte (Gudrun Ritter als Prototyp des gar nicht so selten guten DDR-Lehrers) und vom Mut zur Solidarität. Und vor allem – und dies in künstlerischer Vollendung – von der niemals zu stürzenden Himmelsmacht Liebe.“– Renate Holland-Moritz in: Eulenspiegel 17/1990
„So ist Helmut Dziubas Verbotene Liebe ein weiterer ‚Vor-Wende-Film‘, der beschreibt, was zur Wende drängte. Was er zeigt, wird damit freilich nicht unaktuell. Es könnte sich wohl ähnlich in einem Dorf der Bundesrepublik zutragen. Gegen eine lieblose Umwelt wird auch kein „einig Vaterland“ Schutz bieten.“ – Heinz Kersten in: Der Tagesspiegel, 6. Mai 1990
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2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2020)
| Regie | Helmut Dziuba |
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| Drehbuch | Helmut Dziuba |
| Produktion | Uwe Kraft |
| Musik | Christian Steyer |
| Kamera | Helmut Bergmann |
| Schnitt | Monika Schindler |
| Besetzung | |
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