Schtonk! (DE 1992) #Filmfest 1315

Filmfest 1315 Cinema

Schtonk! ist eine satirische deutsche Filmkomödie von Helmut Dietl über die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher in der Hamburger Illustrierten Stern 1983. Er wurde 1993 als bester fremdsprachiger Film bei den Oscars und Golden Globes nominiert.

Als „Schtonk!“ im Jahr 1992 herauskam, hatte erst ein deutscher Film einen (Spielfilm-) Oscar gewonnen, das war Günter Grass‘ und Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel „(Sieg 1980, Erscheinungsjahr 1979). Ein Film, der nicht nur, wie „Schtonk!“, stark auf die NS-Zeit Bezug nimmt, sondern in ihr spielt. Es ist schon so, dass, wenn ein deutscher Film Chancen hat, er sich mit der Vergangenheit befassen sollte, am besten mit dem Dritten Reich. Aber auch wie es dazu kommen konnte, ist filmisch interessant: „Der Hauptmann von Köpenick“ (1957/1958) war als erster deutscher Film für den „Auslands-Oscar“ nominiert. Bezüglich der Nominierungen am ertragreichsten waren die späten 1950er und die 2000er Jahre, Letztere bildeten dann auch mit zwei Siegen (für „Nirgendwo in Afrika“ im Jahr 2003 und „Das Leben der anderen“ in 2007) den bisherigen Gipfelpunkt.

Handlung (1)

Westdeutschland Ende der 1970er Jahre: Der Fälscher „Prof. Dr.“ Fritz Knobel produziert und verkauft dem Nähmaschinenfabrikanten und Alt-Nazi Lentz einen angeblich vom „Führer“ selbst gemalten Akt von Eva Braun. Da Knobels Frau Biggi sich geweigert hatte, ihm für diese Figur Modell zu stehen, griff er auf die Landarbeiterin Martha (später Kellnerin des örtlichen Restaurants) zurück, mit der er eine Affäre begann, was den Beginn eines komplizierten Dreiecksverhältnisses darstellte. Als er das Gemälde bei Lentz abliefert, erlebt er mit, wie ein alter Freund von Lentz, Kunstprofessor August Strasser, sich dadurch aufspielt, dass er eine Geschichte erfindet, wie er Zeuge der Entstehung des Bildes gewesen sei. Strasser ist Autor des Buches Der Führer und ich, in dem er beschreibt, wie private Unterlagen Hitlers kurz vor Kriegsende verlorengegangen seien. Das Flugzeug, das die Unterlagen aus dem belagerten Berlin ausgeflogen habe, sei über einem Ort in der späteren DDR abgeschossen worden. Diese offensichtlich fiktive Anekdote aus dem Privatleben Hitlers inspiriert Knobel, durch ein gefälschtes Tagebuch Hitlers mit frei erfundenem Inhalt noch mehr Geld am leichtgläubigen Lentz zu verdienen.

Der Hamburger Reporter Hermann Willié, der für das Magazin HHpress arbeitet und vom Dritten Reich fasziniert ist, ist unterdessen Eigentümer des Wracks der Carin II, der ehemaligen Jacht Hermann Görings, geworden. Da er mit der Restaurierung finanziell überfordert ist, nimmt er Kontakt zur Nichte Görings, Freya Freifrau von Hepp, auf. Die beiden beginnen ein Verhältnis. Willié versucht, seine Chefredakteure für eine Bildreportage über seine Jacht und seine Sammlung an NSDevotionalien, u. a. Teelöffel mit Hakenkreuz und Silberpunze und Görings riesigen weißen Bademantel, den ihm Freya geschenkt hat, zu gewinnen, die er sich von seinem Blatt fürstlich vergüten lassen möchte. Er scheitert damit jedoch. Freya nimmt ihn in der Folgezeit zu einem jährlichen Treffen von Alt-Nazis im Schloss von Lentz mit, wo Willié von dem angeblichen Tagebuch erfährt und Kontakt mit „Prof. Dr.“ Knobel aufnimmt.

Willié wittert eine Sensation und weiht nur den seit langem befreundeten Ressortleiter Pit Kummer und den Verlagsleiter Dr. Guntram Wieland ein. An der Chefredaktion vorbei erwirkt er die geforderten über neun Millionen D-Mark für den Ankauf von 60 Hitler-Tagebüchern, allesamt Fälschungen von Knobel, um sie zu veröffentlichen. Ständige Zweifel an der Echtheit zerstreut Knobel, indem er selbst Vergleichsschriftstücke anfertigt, unter anderem einen „Führerbefehl“ an Ferdinand Porsche zum Bau des VW Käfer. Knobel schreibt alle Tagebücher selbst und füllt sie mit belanglosem Inhalt. Wohl am häufigsten zitiert ist sein Ausspruch im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1936: „Hoffentlich bekomme ich für Eva noch Karten!“ (…)

 Rezension: „Schtonk!“ wurde für den sogenannten nicht englischsprachigen Oscar nominiert – nach 25 Jahren noch als gerechtfertigte Entscheidung anzusehen?

„Schtonk!“ hatte es nicht geschafft, der Auslands-Oscar ging an die französische Produktion „Indochine“. Aber die Nominierung halte ich auch heute noch für gerechtfertigt. Perfekt ist der Film sicher nicht: Es geht ein wenig drunter und drüber, das liegt am Genre. Eine perfekte Satire wäre vielleicht keine Satire mehr, denn in ihr wird menschliches Fehlen aller Art auf die Schippe genommen, nicht die perfekte Funktion von irgendetwas, die man schlecht persiflieren kann. Man kann sie, wie die Vernichtungslager der Nazis, nur ernsthaft abhandeln.

Im Grunde stimmt aber alles. Das Überspitzte ebenso wie die verschrobene Form von Emotionalität, die verlacht wird, aber in unserem kollektiven Bewusstsein gespeichert ist. Im individuellen Bewusstsein somit auch: Die Kombination von altem deutschen Schlager-Liedgut (nicht alles davon stammt aus der NS-Zeit) mit Kriegsbildern und Bildern aus der Jetztzeit des Films, die wunderbaren Darsteller, die pointierte Inszenierung einzelner Szenen mit ihrem hervorragenden Timing, viele visuelle Gags und herrliche Dialoge – viel mehr kann man nicht wollen.

Ein wenig mehr vielleicht, was die Dramaturgie angeht, die ist ein wenig flach geraten,  manches gerät zu verspielt, aber langweilig ist der Film nie, weil er so viele witzige Elemente enthält und natürlich für jeden, der sich nur ansatzweise mit der jüngeren deutschen Geschichte befasst hat, tausend Anspielungen, die auch alle so platziert sind, dass man sie leicht wahrnehmen kann. Sogar ein Zitat von Chaplins „Moderne Zeiten“ ist erkennbar: Die Szene, in welcher ein Kellner das Tablett über die Gäste hinweg balanciert und sich sozusagen mit den Tanzenden drehen muss, das Tablett immer gefährlich kurz vor dem Abstürzen. Auch der Fackelzug in der Nacht ist nicht nur eine Erinnerung an die NS-Aufmärsche mit ihrer besonderen Stimmung, hier ins Gruftige gedreht, sondern sicher auch ein Filmzitat.  

Dass ein solcher Film entstehen konnte, ist zum Einen logischerweise der Tatsache zu verdanken, dass es einige Jahre zuvor tatsächlich den Stern-Hitler-Tagebücher-Presseskandal gegeben hatte, den größten bis heute in der Geschichte Deutschlands. Zum anderen meine ich, erst nach der Wiedervereinigung war ein so frecher und von aller Scham freier Film über die NS-Zeit möglich, der nur auf sie Bezug nimmt, sie nicht aus der Epoche selbst heraus porträtiert. Ein Porträt dieser Ära kann eben in Deutschland wohl niemals eine Komödie sein. Also muss es die spätere Befassung mit dieser Zeit sein, die Distanz, die derlei ermöglicht, und die Vergangenheitslastigkeit der Überlebenden wie der Medien, die beim Thema Drittes Reich nicht mehr rational an eine Veröffentlichung herangehen können. Und heute? Natürlich könnte man einen Film machen, der in den 1980ern spielt, wie „Schtonk!“, aber 1991/92 gab es wirklich noch viele Überlebende des Regimes. Nunmehr werden die letzten Zeitzeugen bald nicht mehr unter uns sein. Es gibt aber genug Nachlass für weitere Geschichten und die Erinnerungen vieler Spätüberlebender der Shoah wurden aufgezeichnet, um sie vor dem vergessen werden zu bewahren (2).

1992 war aber noch die Frage offen, ob man in Deutschland überhaupt eine Komödie über die NS-Zeit machen darf.

Der Film kam damals sehr gut an, nicht nur in Deutschland, und er ist Teil einer Welle von deutschen Komödien im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, die man als Auftakt für eine modernere, etwas mutigere Form des Humors in Deutschland sehen konnte. Bei allen Fehlern der Wiedervereinigung, künstlerisch wirkte sie zunächst befreiend, und das ist psychologisch gut nachvollziehbar. Ein dunkles Kapitel war formal beendet und man konnte sich an die mentale Aufarbeitung machen, ohne auf Zehenspitzen unterwegs zu sein. Aber es hat dann auch nie wieder einen mit „Schtonk!“ vergleichbaren Film gegeben. Vielleicht, weil ein vergleichbar guter Gegenstand nicht vorhanden war. Es ließen sich aber viele Filme denken, die nie gedreht wurden, während z. B. die DDR-Vergangenheit mittlerweile auch in wirklich reizenden Komödien eingefangen wurde. Das System wurde eben doch nicht mit dem des Dritten Reiches gleichgestellt, und vor allem hatte es keine so dramatischen Außen- und Nachwirkungen produziert. Es war eine innerdeutsche Angelegenheit und ist es bis heute, während das NS-Erbe  global ist. Der Film spiegelt dies: Das Interesse das Auslandes ist angesichts der gefundenen (angeblichen) Hitler-Tagebücher riesig, keine DDR-Story ließe sich so gut verkaufen.

Außerdem ist er doch grunddeutsch. Diese Mischung aus Chuzpe und gefühlig-bedrohlicher Naivität, die uns gezeigt wird, ist typisch gewesen für das Deutschland des  20. Jahrhunderts. Bis zu einem gewissen Grad bei den Amerikanern, die ja zu Beginn kurz mit auf die Schippe genommen werden, als Besatzer und Kunden für Hitler-Devotionalien, aber das kommt ja nicht von ungefähr, stellten die Deutschen doch für lange Zeit die größte Einwanderergruppe in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die anderen sind entweder nur das eine oder das andere oder keines von beiden, haben mehr Stil oder gar keinen, sind versiert oder gänzlich unbedarft. Insofern ist dies ein zutiefst deutscher Film, der eine Menge zum Klingen bringt. Das eigentliche deutsche Klischee müsste das der grotesken Abspaltung sein. Sollte man meinen, aber mittlerweile bin ich eher der Ansicht, wenn man die Nazi-Zeit ausklammert, ist es universell. Wer in diesem reichhaltigen Tableau, das „Schtonk!“ anbietet, keine Figur ausmachen kann, die ihn spiegelt, der muss schon ein sehr untypischer Menschentyp sein. Der Schlehmil, der Blender, der ewig Gestrige, der Snob, der Geschäftemacher, der Geleimte – aber auch Frauen, die hier beiläufig mitporträtiert werden und die schon etwas Besonderes sind und es immer sein mussten, angesichts dessen, was die Männer im Laufe von über 100 Jahren verbockt haben.

Es ist eine besondere Gabe, Menschen so auszufuchsen, wie Helmut Dietl es mit „Schtonk!“ getan hat, dennoch wirkt kaum eine der Figuren richtiggehend unsympathisch. Es kommt zu  Abstufungen beim Grad der Sympathie, die man hier nicht mit Identifikationspotenzial gleichsetzen kann, wobei man den Fälscher eher an sich heranlassen mag als die Pressefritzen oder gar die Garde der Altnazis. Die relative Milde, mit welcher der Film auf all dieses Personal blickt, mag man ihm ankreiden, aber daraus folgt dann doch der Schluss, dass nicht angeht, in Deutschland eine Komödie über Hitler zu machen, sondern man muss es beim politischen Kabarett belassen und bei der ernsthaften Auseinandersetzungen im Theater und im Kino, die es ja mittlerweile auch gegeben hat.

Finale

Bei der Bewertung habe ich mich nicht leicht getan, weil es auf jeden Fall eine hohe Punktzahl sein sollte, wir dann aber doch in einen Bereich kommen, in dem bisher nur ernste deutsche Filme angesiedelt waren. Lange Zeit war zum Beispiel Konrad Wolfs „Der geteilte Himmel“ mit 8,5/10 der am besten bewertete deutsche Film innerhalb der Anthologie (inzwischen rezensiert, noch nicht veröffentlicht und höher angesiedelt: „Das Boot“ mit 9/10 und „M“), kann ich also die 8,5/10, die ich für „Schtonk!“ als richtig ansehe, auch in Relation zu diesen Filmen rechtfertigen? Ich meine, ja. Da es die Zehntel-Abstufungen nicht mehr gibt, ist ein Kompromiss  zwingend. Es gibt keinen besseren deutschen Film seiner Art. Dafür ist die Rezension habe ich die Rezension etwas kürzer gehalten als bei den großen „ernsten“ Filmen.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2025: Er wurde noch für den „ersten“ Wahlberliner verfasst, im „neuen“ gibt es die 100er-Teilung wieder, aus der FilmAnthologie wurde das Filmfest. Die Bewertung haben wir nur geringfügig angepasst, aber bezüglich der Hoffnungen in den deutschen Film aus dem Jahr 2016, die stellenweise in den Text hineingeschrieben wurden, müssen wir heute festhalten, dass diese sich nicht erfüllt haben. Zu wenig Wagemut, zu wenig – ja, Chuzpe, zu wenige Regisseure und Produzenten, die noch in der Lage sind, einen vergleichsweise aufwendigen Film „rauszuhauen“, der nicht auf Nummer sicher geht. Bernd Eichinger ist verstorben und mein Landsmann Günter Rohrbach, der „Schtonk!“ produziert hat und mit dessen Namen sich so viele berühmte Fernseh- und Filmproduktionen verbinden wie mit keinem anderen noch lebenden Produzenten, hat 2017 seinen letzten Film herausgebracht. Es kommen keine entsprechenden Persönlichkeiten nach, und das führt zu einem abermaligen Abschwung im deutschen Film.  

84/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
(2) Vor wenigen Tagen ist auf der Seite der Shoah-Überlebenden im Alter von 103 Jahren Margot Friedländer verstorben, die bekannteste noch lebende Zeitzeugin in Deutschland. Ihr widmen wir diese Rezension. Nach unseren Recherchen war nicht zu ermitteln, ob sie die Behandlung der NS-Zeit durch diesen Film gebilligt hat, aber. Gleichwohl hilft dieses Werk nach unserer Ansicht, die Erinnerung wachzuhalten, auch wenn es einen Blick auf menschliche Eigenschaften und Schwächen liefert, deren unbestreitbare Dominanz über Vernunft und Empathie gerade heute neue verhängnisvolle Wendungen ermöglichen könnten und die Demokratie unter Druck setzen. Die Zeit für Komödien über die NS-Zeit oder den gegenwärtigen Umgang damit sollte angesichts des Rechtsrucks in Deutschland erst einmal vorbei sein.

Regie Helmut Dietl
Drehbuch Helmut Dietl
Ulrich Limmer
Produktion Günter Rohrbach
Helmut Dietl
Musik Konstantin Wecker
Kamera Xaver Schwarzenberger
Schnitt Tanja Schmidbauer
Besetzung

 

 


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