Filmfest 1317 – Werkschau Charles Chaplin (18) – Die große Rezension
The Knockout ist ein US-amerikanischer Kurzfilm aus dem Jahre 1914. The Knockout war der 17. Film mit Charlie Chaplin bei Keystone. Obwohl Chaplin in diesem Film nur eine Nebenrolle als Ringrichter hatte, wurde der Film von Keystone als Chaplin-Film angekündigt, da er mittlerweile die größere Zugkraft beim Publikum besaß als Fatty Arbuckle. Der Auftritt Chaplins in der Boxszene hat bereits hier große Ähnlichkeit zu der Boxszene in Lichter der Großstadt von 1931.[1] Chaplins Boxgegner in der Boxszene in Lichter der Großstadt war Hank Mann, der in diesem Film ebenfalls eine Nebenrolle hat.
Mittlerweile ist der Film Chaplins Nr. 18, da man „Ihr Freund, der Bandit“, der bis heute nicht wieder aufgefunden wurde, in die Chronologie aufgenommen hat. Wir sehen also hier erstmals Charles Chaplin im Boxring. In „City Lights“ ist sein letzter derartiger Auftritt zu besichtigen, aber zwischen „The Knockout“ und dem 17 Jahre später entstandenen Meisterwerk gab es weitere. Chaplin soll tatsächlich Hobbyboxer gewesen sein. In einer eher leichtgewichtigen Klasse, aber er war ja, wie viele Stummfilmkomiker, die aus dem Vaudeville stammten, physisch sehr stark, im Sinne von schnell und geschickt. Sein Auftritt in „The Knockout“ spiegelt das bereits. Überhaupt ist dies ein bemerkenswerter Film. Mehr dazu in der Rezension.
Handlung
Auf einem Spaziergang werden Pug und seine Freundin von Tagedieben angegriffen; einer macht sich an die Freundin heran. Pug schlägt die Angreifer in die Flucht. Derweil werden in der Stadt Freiwillige gesucht, die gegen den Boxmeister Cyclone Flynn antreten wollen. Ein Landstreicher gibt sich dem Veranstalter gegenüber als Flynn aus, um für sich und einen Kumpel einen Vorschuss zu erschwindeln. Pug lässt sich zu einem Kampf gegen Flynn überreden, weil er seiner Freundin imponieren will. Dann erscheint jedoch der wahre Cyclone Flynn, und die Landstreicher suchen das Weite. Pug muss nun gegen den echten Boxmeister antreten, seine Freundin setzt sich als Mann verkleidet ins Publikum. Kurz vor dem Kampf erscheint ein bärtiger Zuschauer mit Revolvern, der Pug mitteilt, er habe auf ihn gewettet und werde ihn bei einer Niederlage umbringen. Der Kampf beginnt und wird so verbissen geführt, dass sogar der Ringrichter mit eingreift. Als Pug zu verlieren droht, reicht ihm der Bärtige seine Revolver, um den Kampf für sich zu entscheiden. Das führt zu in einer wilden Verfolgungsjagd über die Dächer der Stadt. Am Ende stürzt Pug mit einer Gruppe tollpatschiger Polizisten im Schlepptau ins Meer.
Rezension
Alles ist in Bewegung. Es ist beinahe ein Keystone-Allstar-Film, den wir hier sehen und ein vollständiger Two-Reeler, der tatsächlich 30 Minuten Länge aufweist – und damit Chaplins bis zu dem Zeitpunkt längster Film. Dass er darin nur für etwa drei Minuten auftritt, tut dem Spaß nicht so viel Abbruch, wie man meinen sollte. Vielleicht, weil ich kein Spezialist für die Keystone-Cops bin, habe ich es genossen, sie endlich in einem Chaplin-Film so in Aktion zu sehen, dass ich mir in etwa vorstellen kann, wie sie in ihren „hauptamtlichen“ Komödien wirken. Die Szene, in der Fatty Arbuckle die ganze Mannschaft nach einem Tauziehen, das er offensichtlich gewonnen hat, in einem mächtigen Tempo hinter sich herschleift, aus einem fahrenden Auto heraus gedreht, ist einfach witzig, weil sie ein Grundelement der Komik schon richtig gut ausspielt. Es geht um physische Unmöglichkeit, die man aber unbedingt sehen möchte und die auf einem Menschheitstraum fußt: Einfach alleine gegen alle stärker zu sein, obwohl man in Wirklichkeit nur etwas korpulenter ist. Auf dieser Idee basieren vermutlich auch viele Filme des damals sehr beliebten Fatty Arbuckle. Ob der Film wirklich schon als Chaplin-Film angekündigt wurde? Jedenfalls wäre es ein Affront gegenüber Arbuckle gewesen, der den Film trägt.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2025: Roscoe „Fatty“ Arbuckle war tatsächlich in Relation zu seiner Körperfülle sehr wendig und geschickt, das ist in den Arbuckle-Keaton-Komödien (als Arbuckle Buster Keaton ins Filmgeschäft half), die von 1917 bis 1919 entstanden, deutlich zu sehen und macht viel von dem Charme aus, den seine Figuren haben. Die Arbuckle-Keaton-Komödien haben wir gerade gesichtet, es sind deren 15, und gehen parallel zur Chaplin-Werkschau nun in der Keaton-Werkschau weiter zu Keatons Solo-Filmen, der zweiten Phase seiner Karriere.
Ich mag seine Art von Komik nicht besonders, weil sie etwas … wie soll ich es nennen … „filthy“ wäre der richtige englische Ausdruck dafür … jedenfalls etwas davon hat. Schon in „Caught in a Cabaret“ (war es, glaube ich) tritt er als noch dreckigerer Dreckspatz auf als der Tramp Charlie und in „The Knockout“ gibt es eine Szene, da wird er von einem Ziegelstein getroffen und fällt nach hinten, es sieht aus, als hätte er sich zuvor in die Hose gemacht. Auch seine Mimik hat etwas Schmieriges. Überhaupt gehört zu Keystone offensichtlich, dass die meisten Leute ziemlich ungepflegt wirken, die darin auftreten. Aber nicht auf eine arme, sondern eher rohe Weise. Bei den Cops geht es einigermaßen, wobei sie im Laufe dieses Films ebenso herumkugeln und verhauen werden wie andere und am Ende im Wasser landen. Ein geradezu statuarisches Ende, Arbuckle und die Cops im Wasser, es wirkt wie ein richtiges Finale, nicht ganz so abrupt wie das, was ich bisher überwiegend auf dem Chaplin-Weg gesehen habe.
Anmerkung 2 anlässlich der Veröffentlichung 2025: Das Urteil über Arbuckle ist hier ziemlich hart ausgefallen, aber im Grundsatz hat es sich nach dem Sichten der Arbuckle-Keaton-Komödien insofern verfestigt, als die ersten von ihnen genau das oben Beschriebene zeigen, auch bei einem wirklich unapetittlichen Umgang mit Lebensmitteln. Im Laufe der Kooperation mindert sich dieser „sleazy“ Anteil, möglicherweise auch durch Keatons Einfluss, der einen ganz anderen Komödienstil pflegen wird, wenn es zu seiner vollständigen künstlerischen Kontrolle kommt.
Ich finde diesen Film sehr, sehr erhellend. Man wollte bei Keystone viel zeigen, das ist offensichtlich, und man sieht auch einiges. Man sieht viele verschiedene Figuren, wie sie agieren und chargieren, man sieht Wiederholungen einiger Elemente, die man schon kennt, wie das Publikum im Box-Theater außer Rand und Band, eine Frau in Männerkleidern – und Ziegelsteine. Das Werfen von Ziegelsteinen als tragendes Element einer Chaplin-Komödie haben wir gerade erst anhand von „The Fatal Mallet“ besprochen, dem 16. Chaplin-Film, zwischen diesem und „The Knockout“ liegt nur der verschollene „Her Friend, the Bandit“.
Ganz klar, die Torten waren am Ende ihrer Möglichkeiten, der Ziegelstein eindeutig eine Steigerung, sogar Frauen kriegen ihn mitten ins Gesicht (in „The Fatal Mallet“, hier ist es eine Art Kissen, das vom Ring aus ins Publikum geschmissen wird, das die Frau in Männerkleidern trifft). Am Ende, als Fatty Arbuckle den Kampf gegen den echten Champ nicht gewinnen kann, entreißt er einem Zuschauer, der auf ihn gewettet hat (der körperlich größte Teilnehmende an dieser Komödie, Mack Swain, mit dem Charles Chaplin u. a. den wunderbaren „Der Goldrausch“ gedreht hat) dessen beide Revolver und versucht, seinen Gegner zu erschießen. Dabei haben die beiden sechsschüssigen Pistolen Munition bis zum Abwinken, die Trommeln werden dann aber unvermutet und unmotiviert doch leer.
Was sieht man also? Eine unglaubliche Vitalität, wie sie in Keystone-Komödie üblich gewesen sein soll und typisch für ein junges und ziemlich rohes Land, die Übertreibung, den Hang zur immerwährenden Steigerung und leider auch die Eigenart, Konflikte mit Waffengewalt zu lösen, die bis heute anhält. Die Kinobesucher:innen damals mögen den wild um sich schießenden Arbuckle witzig gefunden haben, ich fand diese Sequenz eher entlarvend. Andererseits ist der Film teilweise richtig gut choreografiert, zum Beispiel die Sequenz auf den Dächern, in denen der Champ vor dem schießenden Arbuckle flieht und diesem wiederum die Cops nachrennen. Das wirkt eingeübt und die Kamera macht eine gute Arbeit. An einer Stelle liftet sich sie sich sogar ein wenig nach oben und dabei wird die vierte Wand durchbrochen. Als Arbuckle seine Kleidung wechselt, um fürs Boxen zu trainieren. Auch hier wieder: Witzig einerseits, ein wenig „dirty“ andererseits.
Nach „Mabel at the Wheel”, dem ersten Two-Reeler, in dem Chaplin zu sehen war, nun also ein weiterer Meilenstein, auch wenn Chaplin nur eine kleinere Rolle in einem vergleichsweise umfangreichen Ensemble hat. Der Film beinhaltet aber mehr Action-Elemente als alle anderen Chaplins bevor und dessen Beitrag fügt sich nahtlos in die Handlung ein. Der gesamte Ablauf ist vernünftig ausgedacht und wirkt, als sei er bereits nach einem echten Drehbuch entstanden, und nicht, wie die meisten dieser schnell gefilmten Komödien, mehr oder weniger improvisiert. Das bedeutet nicht, dass jede Bewegung, die im Boxring ausgeführt wird, vorher einstudiert wurde. Jene Vollblutkomiker, die wir hier sehen, waren durchaus in der Lage, solche Momente aus dem Stegreif zu entwickeln. Die Szene enthält aber einige Schnitte, wir dürfen also davon ausgehen, dass auch ein wenig probiert und wiederholt wurde.
Ein Rezensent von Moving Picture World schrieb: „Roscoe Arbuckle, der geschickt unterstützt wird, macht in dieser Komödie mit zwei Walzen jede Menge Spaß. In ihren frühen Stadien hat die Geschichte eine besonders gut vernetzte Handlung, aber die Dinge gehen in dieser Reihe ein wenig aus den Fugen, wenn auf der zweiten Walze eine große Verfolgungsjagd eingeführt wird. Diese Verfolgungsjagd sowie ein Comedy-Preiskampf sind ungewöhnlich lustig.“
Zwei Aspekte, die ich bereits erwähnt habe, werden auch in dieser Kritik benannt: Die relativ gut gebaute Handlung, nach dieser Ansicht vor allem zu Beginn, und dass die Verfolgungsjagd wirklich lustig ist. Sie ist es, ich musste zwei- oder dreimal lachen. Und zwar ausschließlich über die Verfolgungsjagd inklusive der Tauziehen-Sequenz und trotz der übertriebenen Schießerei mit viel Pulverdampf.
The Knockout ist eine halbe Stunde lang, ein Epos für Keystone. Es ist im Grunde ein Fatty Arbuckle -Vehikel, in dem Charlie zwischen dem Preiskämpfer Fatty und Edgar Kennedy steht. Chaplins ballettartiger Slapstick rettet den Film (knapp) und The Knockout macht erneut überdeutlich, warum Chaplin seine Kollegen schnell in den Schatten stellte.[1]
Ob der Film mit einem anderen Darsteller als Chaplin in der Rolle des Ringrichters gänzlich abgefallen wäre? Ich glaube, das ist nicht der Fall, aber natürlich ist seine Präsenz ein Plus.
The Critics‘ Review: The Knockout (1914, Charles Avery) (lescritiquesducritique.blogspot.com). Diese interessante Kritik sieht einiges etwas anders als ich. Chaplin übertreibt seinen kurzen Auftritt, der Film insgesamt ist enttäuschend, die vielen Schüsse von Arbuckle sind lächerlich, dafür wirkt der Boxkampf ziemlich echt und auch hier macht man sich Gedanken darüber, was improvisiert sein könnte und was einem Drehbuch folgt. Das Finale sei zu abrupt, heißt es außerdem. Klar, wenn man es mit einem richtigen, ausgefeilten Ending vergleicht, aber nicht in Relation zu den bisherigen Chaplin-Keystone-Komödien, die ich gesehen habe. Es ist eben vieles relativ, nur dass ein Trommelrevolver mehr als sechs Schuss nicht abfeuern kann, ohne nachgeladen zu werden, das ist fix. Trotzdem wird gerade Arbuckles Leistung hier hervorgehoben, und wenn ich an die Szene denke, in welcher er etwa fünf Keystone-Cops am Seil hinter sich herzieht, neigt sich mein Pendel auch ein wenig. Andererseits: Warum sollte jemand, der zuvor ein 500-Pfund-Gewicht stemmt, nicht fünf 70-Kilo-Männer mit sich schleifen können? Das sind doch auch bloß 700 Pfund Lebendgewicht, und sie müssen nicht angehoben werden.
Ich schrieb bereits, ich bin kein Keystone-Spezialist, daher kann ich nicht beurteilen, wie viele der Gags Wiederholungen aus anderen Komödien des Studios sind. Aber schon die Ziegelstein-Repetition nach „The Fatal Mallet“ (und „Mabel at the Wheel“) weist darauf hin, dass die Zahl der sicher funktionierenden Gags in jedem Zeitalter des Kinos begrenzt war. Anfangs wohl sogar eng begrenzt. Mit der Zeit erweiterte sich das Repertoire und es kam zu unendlich vielen Abwandlungen, Zitaten, Hommagen, Parodien – und zu Experimenten und einmaligen Stunts, die unvergessen sind. Chaplin hat einige davon zu verantworten, aber unter seinen ersten 18 Filmen ist noch kein Gag, der etwas wie Ewigkeitswert hat. Auch Chaplin hat sich eben entwickelt und fiel nicht als der Macher von „Moderne Zeiten“ vom Himmel. Ich erwähne diesen Film, weil er die höchste Dichte an ausgefallenen, ikonischen, innovativen und vielschichtigen Sketchen aller Chaplin-Filme hat.
Noch etwas führt diese Kritik aus und ist damit ein Hauptgewinn. Ich habe mich auf die typisch amerikanischen Elemente konzentriert und dabei etwas Gesellschaftliches übersehen. Die Frau in Männerkleidern macht nicht etwa aus Spaß diese Maskerade, sondern um ihren Freund überhaupt im Boxring bewundern zu können, denn Frauen durften damals offenbar nicht als Zuschauerinnen bei Boxkämpfen zugegen sein. Eine gar nicht so unlogische Einschränkung, und genau deswegen sieht man wohl in manchen etwas später entstandenen Boxfilmen sehr herausgehoben Frauen im Publikum und manchmal auch, wie sie alles andere als zarter sind als Männer, sondern ebenso gierig auf das Spektakel und enthemmt in ihrer Mimik. Hier wirkt es übrigens, als ob der Sitznachbar zur Rechten (in Wirklichkeit also zur Linken) sehr wohl erkannt habe, dass es sich um eine Frau handelt und sie überhaupt einige Aufmerksamkeit erfährt, in den vorderen Sitzreihen. Ich weiß nicht, ob man daraus eine längere interpretatorische Linie entwickeln sollte.
Aber der Frau dürfen wir ein wenig Aufmerksamkeit widmen, es handelt sich nämlich um Minta Durfee, die hübsche Nr. 2 unter den damaligen Keystone-Darstellerinnen nach dem Star Mabel Normand, die beiden waren auch befreundet miteinander und so, wie Normand das Love Interest von Studiochef Mack Senett war, war Durfee mit Roscoe „Fatty“ Arbuckle verheiratet. Sie schaut also in ihrer Verkleidung ihrem tatsächlichen Ehemann beim Boxen zu. Sie ist nicht nur hübsch, sondern auch deswegen wichtig, weil sie Chaplins erste Filmpartnerin überhaupt war. In seinem allerersten Film „Making a Living“ ist sie der Zankapfel von Chaplin (noch nicht im Tramp-Kostüm) und Ford Sterling.
The comedy here stems directly from the slapstick breed, making The Knockout incredibly kinetic and fun. It’s never too reliant on one breed of comedy and, again, typical for the Keystone shorts, toys with the roles and personalities of its characters. Nothing is ever too linear here and everything winds up being a ribald blast of energy, especially for Chaplin. Chaplin’s referee character doesn’t come into play until the second half of the short, but when he does, he provides for another element of the diverse comic abilities of the Keystone company. Playing with comedic tropes and having two great performers at the forefront, The Knockout is among one of the big winners for the company.[2]
Hier wird der Film wieder eher bewertet, wie ich ihn sehe, nämlich als ein ziemlich gut geschnürtes Fun-Paket, für die Verhältnisse der Zeit, das von der Reichhaltigkeit der anwesenden Charaktere profitiert, natürlich inklusive Chaplin als Ringrichter. Er ist schon ein wenig dominant in dieser Szene, das hat aber auch mit der Anordnung der drei wichtigen Figuren im Ring zu tun: Er wird immer wieder in den Kampf verwickelt und hält sich vorne am Seil fest, rutscht, als der Boden nass geworden ist, auch einmal am Seil entlang. Ob er sich damit bewusst im wörtlichen Sinne in den Vordergrund gespielt hat, hängt eben auch davon ab, ob Drehbuch und Regie es so vorsahen, oder ob es aus einer Improvisation heraus entstanden ist, in der Chaplin sich als geniale Rampensau erweist, die einen Umstand, nämlich den, nicht selbst einer der Kontrahenten zu sein, zum Vorteil ausnutzt. Ich kann mir beide Varianten vorstellen.
Alle diese frühen Kurzfilme enthalten Slapstick und Slapstick und dieser ist nicht anders, außer dass einige von ihnen wirklich schlecht sind. Während des Steinewerfens ist vor allem das Timing schrecklich und entweder kann man sehen, dass sich die Person auf den Sturz vorbereitet, oder sie zögert eine kurze Sekunde, nachdem sie getroffen wurde, bevor sie fällt. Wenn man einmal gesehen hat, wie anmutig und natürlich ein Profi wie Buster Keaton diese Stürze ausführen kann, wird es offensichtlich, wenn jemand sie schlecht macht.[3]
Es wird außerdem kritisiert, dass der Boxkampf eine schlechte Kadrage hat, weil immer versucht wird, den Mann mit dem Walross-Schnurrbart (Mack Swain) mit im Bild zu halten, der bekanntlich auf Fatty gesetzt hat. Trotzdem meine ich, er fordert diesen nicht etwa auf, den Kampf mit den Pistolen fortzuführen, denn wird ein so entschiedener Boxkampf wirklich von einem Wettbüro als Sieg gewertet? Selbst in den USA, wo bekanntlich alles möglich ist, dem Klischee zufolge, scheint mir das zweifelhaft zu sein, denn eine Möglichkeit bedeutet ja nicht, dass es nicht entgegenstehende Regeln geben könnte, die eine Möglichkeit zwar physisch nicht verhindern können, aber ein Outcome wie einen Sieg nicht durch Knock-Out, den gibt es hier nämlich, entgegen dem Filmtitel, gar nicht, sondern durch Shoot-Out mit Todesfall zu entscheiden, könnte (dem Klischee zufolge nur knapp) als nicht regelkonform angesehen werden. Trotzdem wird die Boxkampfszene hier als die beste des Films angesehen, weil Arbuckle und Chaplin darin vorkommen. Für mich bleibt die anschließende Verfolgung der Höhepunkt, obwohl Chaplin in ihr nicht mehr zu sehen ist.
Während Chaplins frühe Kurzfilme nur darin bestanden, dass er herumalberte und ein wenig Unfug trieb, hatten Arbuckles Filme tatsächlich eine gewisse Handlung. Hier wird er von einigen Unruhestiftern, die mit Arbuckles Mädchen flirten, zu einem Boxkampf gezwungen. Aber in einer Wendung spielt Arbuckle kein Weichei, er ist tatsächlich sehr stark und fähig.[4]
Dieser Absatz stammt von einem anderen Rezensenten aus derselben Quelle. Es gibt die frühen Chaplin-Filme, in denen er nur herumalbert, aber auch Zwerge haben klein angefangen und ich würde das auch unter den ersten 18 (minus einem verschollenen Werk) nicht durchgängig so sehen wollen. Ich orientiere mich u. a. wieder an „Mabel at the Wheel“ oder auch „Caught in a Cabaret“, also an den ersten Zwei-Reelern, die Chaplin gemacht hat und die wegen der größeren Länge gegenüber den One-Reelern der bessere Vergleichsmaßstab sind. Arbuckles nette Persönlichkeit wird von dieser Seite auch erwähnt, er sei der einzige Stummfilmstar gewesen, der es genoss, neben anderen aufzutreten und nicht sein Ego unbedingt in den Vordergrund stellen musste. Für diesen Rundblick fehlt mir noch ein wenig der Einblick, aber ich möchte hinzufügen, dass Mabel Normand, die Förderin von Charles Chaplin, ebenfalls ein großzügiger Charakter gewesen sein soll – anders als Chaplin selbst, der wohl eines der größten Egos der frühen Kinotage besessen haben muss. Von nichts kommt nichts, und Genies haben meist auch Schattenseiten, vor allem, wenn sie merken, dass sie echte Publikumsmagneten sind, die wie eine Sonne über dem Planeten ihrer Fans strahlen müssen, wohingegen eine zweite Sonne nur irritieren oder die Hitze zu hoch treiben würde.
Die Geschichte ist nicht sehr kreativ oder interessant und die Regie ist uninspiriert. Tatsächlich ist die Besetzung der einzige Grund, warum dieser Zwei-Walzen-Film überhaupt in Erinnerung bleibt. Viele bekannte Stars der damaligen Zeit haben nicht im Abspann aufgeführte Nebenrollen, darunter Ford Sterling, Slim Summerville, Charley Chase und Mack Sennett selbst.
Oh, und neben Arbuckle gibt es noch einen kleinen Komiker namens Charlie Chaplin, von dem Sie vielleicht schon gehört haben. Er hat eine Szene, in der er während des Kampfes den Boxringrichter spielt. Er trägt das berühmte weiße Gesichts-Make-up und den Schnurrbart des kleinen Landstreichers, aber nicht die weiten Klamotten. Seine Rolle besteht darin, dass er anmutig zwischen den beiden viel größeren Kämpfern im Boxring herumläuft und gelegentlich von einem Schlag getroffen wird. In der zweiten Runde mischt er sich dann urkomisch in den Kampf ein, was diese Szene locker zum Höhepunkt des Films macht.
Die Keystone Cops tauchen auch auf dem Höhepunkt auf, nachdem Arbuckle anfängt, die Kampfhalle zu beschießen. Sie jagen Arbuckle, der selbst seinen kämpferischen Gegner jagt. Einmal unterbrechen sie eine gesellschaftliche Affäre, die sich im Haus einer wohlhabenden Familie abspielt. Dass sie wohlhabend sind, erkennt man an dem Bärenfellteppich auf dem Boden, der in frühen Stummfilmen ein fast allgegenwärtiges Symbol für Geld war.
Außerdem, so eine andere Stimme aus dem Rezensenten-Trio, die wir bereits zitiert haben, ist Arbuckles Hund Luke zu sehen, der mehr Auftritte gehabt haben soll als mancher Stummfilmschauspieler. Stimmt, die Szene in dem Haus haben wir noch nicht erwähnt. Natürlich ist nicht das Hauskonzert mit Klavier und Gesangsduo das Highlight, sondern das Bärenfell. Wer denkt nicht an „Dinner for One“, in dem es sich zum Tigerfell gewandelt hat und der eine der ersten realistischen Darstellungen von Demenzphase 3 bei gleich 2 Personen im Film ist? Auch dies eindeutig ein privilegierter Haushalt. Mir war genau dieses Element etwas zu viel des Guten oder Turbulenten, es sorgt mit dafür, dass der Film die Zentrierung verliert, was von dem einen oder anderen Kritiker auch kritisch angemerkt wird. Er fängt sich in der Tauzieh-Szene und auf dem Pier aber wieder ein und konzentriert sich aufs Wesentliche.
Finale
Nachdem wir nun die eigene Meinung und auch einige andere eingefangen haben, sind wir tatsächlich bei einer Rezension im DGR-Format herausgekommen, und zwar mit einiger Leichtigkeit. Ist das der Stellung dieser Komödie angemessen, zumal Chaplin in ihr gerade mal drei Minuten Spielzeit hat? Ich meine, ja. Auch die IMDB-Nutzer:innen sehen in ihm etwas mehr als in einigen anderen, denn es ist der zweite nach „Caught in a Cabaret“, der aktuell 5,7/10 erhält. Ja, wir arbeiten uns langsam voran, „Mabel at the Wheel“ etwa kam auf 5,6/10. Aber es ist vielleicht nicht so falsch, Chaplins Werdegang so darzustellen, wie er tatsächlich war: Die großen Anlagen waren sofort zu sehen, aber sein Tramp fiel nicht wie ein Stern vom Himmel, sondern wurde am Boden erarbeitet, und zwar in Schritten, die man leicht nachvollziehen kann. Und auch nach 18 Filmen müssen wir festhalten, dass noch gar nichts von dessens späterer Ambivalenz zu sehen ist: Auch hier fehlt der romantische Aspekt noch vollkommen. Damit ist Chaplin mimisch und bezüglich der Ausführung seiner Aktion schon ein sehr auffälliger Komiker, aber noch kein Star zum Verlieben. Ein Traummann wird er nie werden, aber schon bald ein kleiner Mann, mit dem man alle kleinen Glücksträume dieser Welt träumen kann. Trotz einiger Macken und Schwächen und meiner Feststellung, dass der liebenswerte Fatty Arbuckle wohl nicht mein Lieblingskomiker werden wird, gehe ich etwas höher als die IMDb-Nutzer:innen es im Durchschnitt tun.
Einen Streit gibt es bei diesem Film übrigens auch: Spielt Chaplin hier den Tramp oder nicht? Er trägt dieselbe Maske, aber nicht die Tramp-Kleidung, wie ein Kritiker ausgeführt hat, den ich oben zitierte. Ich tendiere zu einem „Nein“. Warum sollte ein Tramp als Schiedsrichter beim Boxen arbeiten? Ich orientiere mich eher an der Kleidung. Mir fiel nämlich auch auf, dass er z. B. normal weite Hosen trägt und natürlich nicht die für seine hiesige Funktion unpraktische zu kleine Jacke.
61/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2024)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Charles Avery |
|---|---|
| Produktion | Mack Sennett |
| Musik | Manlio Mazza |
| Kamera | Frank D. Williams |
| Besetzung | |
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|
[1]CHAPLIN IN KEYSTONE, TEIL ZWEI | 366 seltsame Filme (366weirdmovies.com)
[2] Mack Sennett’s Keystone Short Films (1909 – 1915) | The Steve Pulaski Message Board (proboards.com)
[3] The Knockout (1914) Darsteller: Roscoe (Fatty) Arbuckle, Minta Durfee, Edgar Kennedy – Three Movie Buffs Review
[4] The Knockout (1914) Darsteller: Roscoe (Fatty) Arbuckle, Minta Durfee, Edgar Kennedy – Three Movie Buffs Review
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