Langstreckenwaffen, Aufhebung der Reichweitenbegrenzung für die Ukraine, der Rüstungsdeal und ein Paradigmenwechsel + vertritt Selenskyj die Mehrheit der Ukrainer? (Statista, Analyse, Kommentar, Umfragen hier und dort)

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Wir mussten den ursprünglich vorgesehenen Jubiläumsticker, die 50. Ausgabe, auftrennen, weil er sich immer weiterentwickelt hat und zu umfangreich wurde. Deswegen kommt die aktuelle Version auch verspätet und befasst sich nur mit einem Thema: Dem Ukrainekrieg und den Langstreckenwaffen. Alles andere werden wir in den nächsten Ausgaben zeigen und ergänzen.

Letztlich haben wir uns doch entschlossen, das Ukraine-Thema in einen eigenständigen Beitrag zu verlegen, der 50. Politicker wird in den kommenden Tagen folgen, mit einem Verweis auf den vorliegenden Artikel.

Mit Friedrich Merz und der neuen Bundesregierung ist es schon beinahe wie mit Donald Trump, man kommt nicht mehr hinterher mit der Kommentierung von all dem, was von dieser Seite geäußert wird. Eindeutig ist Merz bezüglich seines Kommunikationsstils ein Anti-Scholz – was aber auch Gefahren birgt, obwohl wir gegenwärtig den Eindruck haben, er neigt nicht mehr so zu Schnellschüssen wie vor einigen Monaten, hat also die Kanzlerrolle insofern in seine Mentalität integriert, weil voreiliges Vorpreschen jetzt andere Konsequenzen hätte als zu der Zeit, als er noch Oppositionsführer war. Trotzdem muss es Festlegungen geben, das ist die andere Seite der Medaille. Wie etwa bei der Art, wie der Ukraine zukünftig in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriff geholfen werden kann. Nennen wir den heutigen Ticker also Merz I / 26. bis 29.05.2025.

Hier kam das Thema relativ unvermittelt auf den Tisch

26.05.2025 „Ziemlich gefährlich“ – Kreml reagiert auf Merz-Äußerung | WEB.DE / Kreml kritisiert reichweitenstarke Waffen für Ukraine | WEB.DE (Update)

Friedrich Merz wird uns noch häufig beschäftigen – heute tut er das mehrmals, bezogen auf unterschiedliche Themen. Wir fangen mit dem Ukrainekrieg an: Wir hoffen, Merz ist bei der Nennung anderer Länder, die Waffen mit längeren Reichweiten liefern als Deutschland das gegenwärtig tut, der Unterschied zwischen exakt den drei genannten und Deutschland klar: Sie alle können sich im Notfall atomar selbst verteidigen oder, viel wahrscheinlicher, russische Angriffsgelüste durch ihr Abschreckungspotenzial entscheidend mindern. Deutschland kann das nicht. Konnte man die Wahrscheinlichkeit, dass die Amerikaner ihren atomaren Schutzschirm aufspannen, während der Biden-Ära noch auf etwa 50 Prozent taxieren, ist sie unter Trump vermutlich auf unter 10 Prozent gesunken.

Deswegen raten wir weiterhin zu einem gewissen Maß an Vorsicht, auch wenn die Bombardements ukrainischer Städte barbarisch sind und klar belegen, was Wladimir Putin von den diplomatischen Bemühungen Trumps und anderer Politiker hält. Konsequent ist eine Reichweitenbegrenzung natürlich nicht, aber die tatsächlich konsequente westliche Unterstützung für die Ukraine wäre, wenn man Putin wirklich zurückschlagen will, dass die NATO offiziell in den Krieg eintritt, auch mit eigenen Truppen. (Hier ergänzen wir noch etwas, obwohl wir geschrieben haben, dass es hier um eine spontane, kurze Reaktion ging, als wir diesen Textteil verfasst haben: Es handelt sich dabei um ein Szenario. Realistisch war diese Möglichkeit nie, auch unter Joe Biden nicht, ohne die Amerikaner wäre es aber nicht gegangen – also muss man sich dieser Realität beugen und seine Haltung zu Waffenlieferungen entsprechend gestalten). Alles andere wird den Konflikt nur verlängern, aber ihn nicht im Sinne des Westens lösen. Diese Linie vertreten wir, seit eindeutig wurde, dass es keinen schnellen Sieg der einen oder anderen Seite geben wird, m. a. W. seit mehr als zwei Jahren.

Soweit unsere erste, spontane Einlassung zu diesem Thema. Bevor wir Ihnen eine Umfrage vorstellen, bei der Sie mitmachen können, werden wir uns updaten und für Sie alle wesentlichen aktuellen Informationen recherchieren, damit Sie bei dieser komplizierten Angelegenheit ein Bild haben. Wir haben in diesem Fall etwas vorschnell abgestimmt, als wir die nach der Recherche folgende Umfrage bearbeitet haben – wir wollten auch sehen, wie das Meinungsbild gegenwärtig ausschaut.  

Aktuelle Entwicklungen im Ukrainekrieg: Deutsche Waffenlieferungen und Rüstungskooperationen

Die jüngsten Entwicklungen im Ukrainekrieg zeigen eine signifikante Intensivierung der militärischen Unterstützung Deutschlands für die Ukraine. Im Fokus stehen dabei drei zentrale Aspekte: die Lieferung von Langstreckenwaffen, die Aufhebung von Reichweitenbeschränkungen und neue Rüstungskooperationen. Dieser Bericht analysiert die aktuellen Entscheidungen, ihre Hintergründe sowie die damit verbundenen Vor- und Nachteile.

a.) Lieferung von Langstreckenwaffen aus Deutschland

Kontext und aktuelle Beschlüsse

Deutschland hat im Mai 2025 ein neues Militärhilfepaket im Wert von fünf Milliarden Euro für die Ukraine beschlossen, das erstmals direkte Investitionen in die ukrainische Rüstungsproduktion vorsieht1. Ein zentrales Element ist die Finanzierung ukrainischer Deep-Strike-Drohnen vom Typ BARS und AN-196 Liutyi im Wert von 400 Millionen Euro1. Die BARS-Drohne verfügt über eine Reichweite von 700–800 km und übertrifft damit sogar den deutschen Marschflugkörper Taurus (Reichweite: 600 km)1. Parallel dazu bleibt die Frage der Taurus-Lieferungen umstritten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte, eine Lieferung des Taurus-Systems sei „im Bereich des Möglichen“, verwies jedoch auf die erforderliche mehrmonatige Ausbildung ukrainischer Soldaten, die einen unmittelbaren Nutzen der Waffe infrage stelle36.

Pro-Argumente

  1. Strategische Wirkung: Die BARS-Drohnen ermöglichen der Ukraine Angriffe auf logistische Knotenpunkte und Kommandostellen tief im russischen Hinterland, was die russische Kriegsführung destabilisieren könnte1.
  2. Stärkung der ukrainischen Industrie: Durch die Finanzierung lokal produzierter Waffen wird die ukrainische Rüstungsindustrie langfristig gestärkt, was die Abhängigkeit von westlichen Lieferungen verringert56.
  3. Politisches Signal: Die Entscheidung demonstriert Deutschlands Entschlossenheit, die Ukraine trotz innenpolitischer Debatten weiter zu unterstützen36.

Contra-Argumente

  1. Eskalationsrisiko: Langstreckenwaffen könnten Russland zu Vergeltungsschlägen gegen deutsche oder europäische Infrastruktur provozieren6.
  2. Verzögerte Wirkung: Die Taurus-Lieferung würde aufgrund der Ausbildungsdauer erst in einem Jahr Wirkung entfalten, während die Ukraine kurzfristig dringendere Bedürfnisse hat3.
  3. Diplomatische Spannungen: Die Lieferungen könnten Bemühungen um Friedensverhandlungen untergraben, da Russland sie als direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands interpretieren könnte6.

b.) Aufhebung der Reichweitenbeschränkung

Neue Richtlinien und Vereinbarungen

Am 28. Mai 2025 unterzeichneten Deutschland und die Ukraine eine Absichtserklärung, die erstmals keine Reichweitenbeschränkungen für gelieferte Waffen mehr vorsieht56. Dies ermöglicht der Ukraine den Einsatz deutscher Waffensysteme gegen militärische Ziele auf russischem Territorium. Die Vereinbarung umfasst auch die gemeinsame Entwicklung neuer Langstreckenwaffen („Longrange Fires“), die speziell auf ukrainische Bedürfnisse zugeschnitten sind56.

Pro-Argumente

  1. Taktische Flexibilität: Die Aufhebung von Reichweitenbeschränkungen erlaubt der Ukraine, russische Logistikzentren und Luftwaffenstützpunkte außerhalb der besetzten Gebiete anzugreifen, was die russische Offensivfähigkeit mindert6.
  2. Gleichberechtigte Verteidigung: Die Ukraine kann sich nun „vollumfänglich“ gegen Angriffe verteidigen, inklusive solcher, die von russischem Gebiet ausgehen56.
  3. Innovationsschub: Die Kooperation bei der Waffenentwicklung fördert technologische Innovationen, die auch der deutschen Rüstungsindustrie zugutekommen könnten6.

Contra-Argumente

  1. Eskalationsdynamik: Unbegrenzte Reichweiten erhöhen das Risiko, dass der Krieg auf bisher unberührte Regionen Russlands übergreift, was eine weitere Mobilisierung der russischen Bevölkerung zur Folge haben könnte6.
  2. Völkerrechtliche Bedenken: Angriffe auf russisches Staatsgebiet könnten als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet werden, falls sie nicht eindeutig defensive Ziele verfolgen6.
  3. Internationale Kritik: Einige NATO-Partner befürchten, dass uneingeschränkte Waffenlieferungen die Allianz in direkte Konfrontationen mit Russland ziehen könnten6.

c.) Vereinbarung zur Rüstungskooperation

Struktur und Ziele der Zusammenarbeit

Die im Mai 2025 vereinbarte Rüstungskooperation zwischen Deutschland und der Ukraine zielt auf eine langfristige industrielle Partnerschaft ab. Deutschland finanziert nicht nur ukrainische Waffensysteme, sondern beteiligt sich auch an deren Produktion vor Ort15. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Drohnen und Marschflugkörpern, die ohne Reichweitenbeschränkungen einsetzbar sind56.

Pro-Argumente

  1. Nachhaltige Unterstützung: Lokale Produktionsstätten verkürzen Lieferketten und machen die Ukraine unabhängiger von Importen15.
  2. Wirtschaftlicher Nutzen: Deutsche Unternehmen profitieren von Technologietransfers und neuen Märkten, während die Ukraine Arbeitsplätze und Infrastruktur aufbaut56.
  3. Schnelle Anpassung: Gemeinsam entwickelte Waffen können besser an die sich wandelnden Bedrohungen an der Front angepasst werden6.

Contra-Argumente

  1. Abhängigkeitsrisiko: Die Ukraine könnte in eine technologische Abhängigkeit von deutschen Herstellern geraten, die ihre strategische Autonomie einschränkt6.
  2. Sicherheitsbedenken: Die Präsenz deutscher Firmen in der Ukraine macht sie zu potenziellen Zielen russischer Angriffe1.
  3. Politische Kontroversen: Die Kooperation könnte nicht nur allgemein innenpolitisch für harte Auseinandersetzungen sorgen und die Bevölkerung spalten, sondern auch die gerade erst begründete Koalition zwischen den Unionsparteien und der SPD belasten.

Das Thema Taurus haben wir oben ausgelassen, liefern es hier aber nach: Es gibt bisher offenbar keine eindeutige Lieferzusage. Technisch gesehen hat der Taurus-Marschflugkörper eine Sonderstellung. Es gibt zwar mittlerweile Systeme, welche die Ukraine einsetzen kann und die weitere Entfernungen zurücklegen, aber vor allem die Durchschlagskraft des Taurus ist bei weitem höher und daher ist dieses System mit größerem Nutzen im Abwehrkampf gegen russische Einsatz- und Kommandostrukturen im russischen  Hinterland verbunden.

Uns hat die Rüstungskooperationsvereinbarung auch deshalb überrascht, weil sie ausnahmsweise vorher nicht durchgesickert ist. Falls die Bundesregierung diese Taktik weiter verfolgen kann, hat sie auf jeden Fall einen Vorteil gegenüber den elegischen öffentlichen Diskussionen zuvor, die von Gegnern der Ukraine  und Freunden Putins weidlich ausgenutzt wurden: Die deutsche Politik ist nicht mehr so ausrechenbar, und das ist im Kampf gegen Diktaturen, die immer geheim operieren können, geradezu notwendig, um auch taktisch Waffengleichheit herzustellen. Demokratietechnisch ist es schlecht, keine Frage, aber wie schützt man die Demokratie stärker, das wäre dann die nächste Frage, die zu stellen wäre: Durch Öffentlichkeit für jedes Vorhaben oder durch die Möglichkeit, Angriffe von außen besser abzuwehren? Wir möchten das an dieser Stelle nicht analysieren, weil es wieder viele Pros und Contras geben würde: Am Ende wünschen wir uns das, was die Demokratie, was die FDGO am meisten schützt, auch wenn es zum Beispiel das Verbot einer Partei mit sich bringen würde, die zwar viele Wähler hat, aber deswegen nicht weniger verfassungsfeindlich sein muss.

Die Idee mit der gemeinsamen Rüstungsproduktion als solche ist nach unserer ersten Einschätzung in etwa das Interessanteste, was wir seit Jahren, eigentlich seit dem Beginn des Ukrainekriegs, aus der deutschen Politik gehört haben. Und sie ist von Donald Trump abgeschaut. Wie macht man aus dieser Defensive, in der sich die Ukraine und ihre Unterstützer befinden, das Beste? Zum Beispiel, indem man Innovation und Kampferprobung für deutsche Rüstungsgüter bewirkt und weitere Absatzmärkte generiert. Ethisch ist das nicht besser als irgendeine andere Handlung im Krieg, aber es hat wenigstens grundsätzlich einen Sinn, anders als die Verpulverung endloser Mittel ohne Vorteil für Deutschland. Selbst, falls die Ukraine als selbstständiger Staat untergehen sollte, die Erfahrungen aus dieser Kooperation könnten die Bundeswehr und die hiesige Rüstungsindustrie um Jahre nach vorne bringen. Natürlich adaptieren wir mit dieser Argumentation  nun ebenfalls Trump-Denke, aber wie soll sich eine realistische Politik in Zeiten verhalten, in denen ethische Regeln im Allgemeinen und das Völkerrecht im Besonderen immer weniger eine Rolle spielen, die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen deswegen aber permanent wächst?

Deutschland hat der Ukraine in Relation zur Größe seiner Volkswirtschaft bisher mehr geholfen als jedes andere Land, wenn man Waffenlieferungen, Finanzhilfen, Aufnahme von Geflüchteten, wirtschaftliche Schäden und weitere Hilfen, die über die EU an die Ukraine gingen und an denen Deutschland wiederum federführend beteiligt war und ist, zusammenrechnet. Wir schätzen die Gesamtausgaben inklusive wirtschaftlicher Nachteile durch das Sanktionsregime gegen Russland auf über 200 Milliarden Euro, und das ist eine konservative Schätzung, über 300 Milliarden würden uns nicht überraschen. Davon hätte man große Teile der deutschen Infrastruktur sanieren und die Bundeswehr ertüchtigen können, was der Volkswirtschaft wiederum viel mehr geholfen hätte. 

Es muss nach mehr als drei Jahren endlich auch zu etwas kommen, das Vorteile nicht nur für eine Seite mit sich bringt, auch wenn diese angegriffen wurde, und da ist die Rüstungskooperation, bevor an einen Wiederaufbau der Ukraine gedacht werden kann, die einzige Möglichkeit, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Ein Rohstoffdeal wäre auch möglich, aber dazu hat die Bundesregierung offenbar (noch?) nicht die Chuzpe, und, wie alle Europäer, die Chance verpasst, mit den USA zusammen und mit den gleichen Argumenten wie Trump in einen solchen Deal einzusteigen. Es ist auch nach der Rüstungskooperationsvereinbarung klar, dass Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine bleibt. Wieder wichtig zu beachten: in Relation zu seinem BIP, nicht nominell, da liegen die USA natürlich vorne, wenngleich es hier schon lange eine Gegenrechnung gibt: Die USA verschenken nichts, sie vergeben Kredite, außerdem profitieren ihre Waffenproduzenten massiv vom Ukrainekrieg, weil die eigene Regierung diese Waffenkäufe vorfinanziert und sich das Geld später von der Ukraine wiederholen will – auch durch den Rohstoffdeal und dadurch, dass die Europäer den Wiederaufbau finanzieren sollen, von dem die USA ebenfalls profitieren werden.

Alle Verhandlungen werden im Grunde mit einer Person geführt, mit Wolodymyr Selenskyj. Ist er der Mann, der die Mehrheit der Menschen in der Ukraine vertritt? Hierzu eine aktuelle Statista-Grafik:

Infografik: Wie groß ist das Vertrauen in Selenskyj? | Statista

Rund drei Viertel der Menschen, die in der Ukraine leben, vertrauen ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das zeigt eine Statista-Infografik auf Basis einer Erhebung des Kyiv International Institute of Sociology (KIIS). Das Vertrauen ist dabei seit Beginn des Jahres deutlich gestiegen: noch im Dezember 2024 lag der Anteil der Vertrauenden lediglich bei 52 Prozent. Größer war dieser Anteil lediglich im März 2022 kurz nach Beginn der russischen Invasion (90 Prozent) und im September 2019, also wenige Monate vor dem Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie (80 Prozent). In der Zeit nach Beginn der russischen Invasion bis Ende 2024 hatte das Vertrauen dagegen kontinuierlich abgenommen.

Das Umfrageergebnis legt laut KIIS-Exekutivdirektor Anton Gruschetsky den Schluss nahe, dass unter anderem der Disput im Weißen Haus zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und Selenskyj vom 28. Februar 2025 dazu geführt hat, dass Selenskyj in den vergangenen Wochen mehr Unterstützung in der Ukraine zuteil wird. „Wir erleben einen Prozess der Vereinigung der Gesellschaft vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen für die Ukraine“, so Gruschetsky. Offenbar nähmen die Ukrainer Trumps Rhetorik als „Angriff auf die gesamte Ukraine und alle Ukrainer“ wahr. Die in der Grafik gezeigten Umfragedaten des Februars 2025 wurden übrigens zu Beginn des Monats erhoben.

Die Umfrage wurde in Form von Telefoninterviews durchgeführt, die zum jew. Zeitpunkt der Umfrage in dem von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet der Ukraine lebten. KIIS-Generaldirektor Wladimir Paniotto weist trotzdem daraufhin, dass in Kriegszeiten zusätzliche systematische Fehler bzw. Abweichungen auftreten können. Gleichzeitig betont Paniotto jedoch, dass die Ergebnisse trotz dieser Herausforderungen eine hohe Repräsentativität aufweisen und eine zuverlässige Analyse der öffentlichen Stimmung ermöglichen.

Mehr aktuelle Daten zum Krieg in der Ukraine finden Sie auf der zugehörigen Statista-Themenseite.

Zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident der Ukraine war Selenskyj sehr beliebt – hingegen nicht mehr vor Ausbruch des Ukrainekriegs. Ob man ihm nicht zutraute, eine russische Aggression abzuwehren, wissen wir nicht, wir untersuchen diese Grafik nicht historisch. Jedenfalls ist nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands seine Beliebtheit nie so gering gewesen, dass man sagen könnte, er vertrete nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit. Im Jahr 2025 wächst sie sogar wieder beständig, obwohl er den Krieg bis zu einem guten Verhandlungsfrieden fortsetzen möchte und die Menschen als zunehmend kriegstraumatisiert gelten, die in der Ukraine verblieben sind. Auch deswegen sind konkrete Hoffnungszeichen wichtig, wiewohl sich die Wirkung von „Deals“ aller Art nicht von heute auf morgen einstellen dürfte. Die Grafik „beschleunigt“ sich nach rechts, die Zeitabstände zwischen den gezeigten Umfragen werden geringer, das man sollte man bezüglich der optischen Wirkung der Säulen beachten.

Und hier die Umfrage, die wir eingangs erwähnt haben:

Keine Reichweitenbeschränkung für gelieferte Waffen an die Ukraine: Gut oder schlecht? (Civey)

Am Montag erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf der re:publica in Berlin, dass keine Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffenlieferungen an die Ukraine gelten. Gestern stellte er bei einem Besuch in Finnland klar, dass dies keine Neuerung sondern eine seit Monaten gängige Praxis unter den westlichen Verbündeten sei. Ob Deutschland Taurus-Marschflugkörper von bis zu 500 Kilometern Reichweite liefern wird, ließ Merz offen. Die Debatte über diesen Waffentyp läuft in Deutschland jedoch bereits seit Langem. Außenminister Johann Wadephul (CDU) betonte jedoch am Montag in Portugal, man werde keine Details zu einzelnen Systemen nennen, um Russland keine Hinweise auf das eigene Vorgehen zu geben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist heute in Berlin, um mit Merz über die weitere deutsche Unterstützung für sein Land zu sprechen.

„Ein Land, das sich nur im eigenen Territorium einem Angreifer entgegenstellen kann, verteidigt sich nicht ausreichend“, sagte Merz am Montag zur Begründung. Die Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger sprach von einem „folgerichtigen und eigentlich überfälligen“ Schritt und forderte konkrete Maßnahmen wie die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Außenminister Wadephul wies zudem Kritik aus Russland zurück: „Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen.“ 

Kritik folgte von dem BSW, der Linken und der SPD. SPD-Politiker Ralf Stegner sagte dem RND, einzelne Ausnahmen bei Waffenreichweiten könnten sinnvoll sein – „insgesamt finde ich aber alles, was den Krieg ausweitet, falsch“. Öffentliche Aussagen wie jene von Merz seien zudem „nicht hilfreich“. Linken-Fraktionschef Sören Pellmann warnte, dass die Lieferung immer schwererer Waffen bislang nicht zur Beendigung des Kriegs beigetragen habe. Die vollständige Aufhebung der Reichweitenbeschränkungen könne „zu einer weiteren Eskalation führen“. Auch Russland reagierte deutlich. Die Entscheidung laufe einer politischen Lösung des Konflikts zuwider, warnte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Wir lesen immer wieder, wie schlecht Deutschland aufgestellt ist für einen tatsächlichen Angriff, daher halten wir eine euphorische Befürwortung tieferer Verstrickungen in den Krieg nicht für eine gute Haltung. Es denken gegenwärtig aber etwa 45 Prozent der Abstimmenden so und rechnet man die vorsichtigen Befürworter hinzu, sind es 53 Prozent. Hingegen sind die Gegner mit 36 + 4 Prozent doch signifikant in der Minderheit. Wir haben mit Unentschieden gestimmt, wie weitere 7 Prozent der Teilnehmenden. Wir haben oft genug das „Ukraine-Dilemma“ beschrieben, wir fügen hier keine weitere Erklärung bei, sondern fassen uns kurz. Will der Westen diesen Krieg gewinnen, wird der NATO nichts anderes übrigbleiben, als sich direkt zu beteiligen. Alles andere verlängert die Zeit bis zum Sieg Russlands, bestenfalls kann man dann noch sagen, man kauft sich diese Zeit, es dauert länger, bis Putin auch NATO-Länder angreifen wird, man kann sich besser vorbereiten. Falls man daran glaubt, dass es so kommen wird, wenn er mit der Ukraine durch ist und sie nicht mehr existiert. Wir halten beide Teile des Szenarios nicht für unmöglich.

Die Lage ist nicht eindeutig und nicht für einfach zu bewerten, sondern hochgradig kompliziert, und auch Kooperationen werden nicht vollständig aus dem Dilemma führen. Wir haben zwar eine leichte Präferenz für die Beseitigung der Reichweitenbeschränkung, weil sie unlogisch im Sinne der bestmöglichen Abwehr ist, aber das reicht zu jetzigen Zeitpunkt und trotz der massiven Angriffe Russlands auf Zivilisten in der Ukraine nicht aus, um aus dem „Unentschieden“ in die Pro-Fraktion überzutreten. Letztlich müssen wir, siehe oben, darauf achten, dass die Kriegsgefahr in Deutschland sich nicht zu sehr steigert, und da wir nicht in die Köpfe von Diktatoren hineinschauen können, wissen wir auch nicht, was sie noch vorhaben und wie groß diese Gefahr aktuell und bei jeder Änderung der westlichen Strategie ist oder sein wird.

TH

 

Quellen zur Recherche „Aktuelles zu den Waffensystemen, Reichweite“

  1. https://defence-network.com/deutschland-deep-strike-drohnen-ukraine/
  2. https://www.merkur.de/politik/einsatz-gegen-russland-ukraine-bekommt-weitere-storm-shadows-aus-grossbritannien-93439554.html
  3. https://www.youtube.com/watch?v=JjlZ38nouUI
  4. https://defence-network.com/ukraine-luftverteidigungssystem-iris-t-slm-24/
  5. https://www.youtube.com/watch?v=b4SAaM-Yqdk
  6. https://www.youtube.com/watch?v=CQiw93d1Tvw
  7. https://newsukraine.rbc.ua/news/germany-to-transfer-6-iris-t-anti-aircraft-1725392590.html
  8. https://time.com/7288843/germany-ukraine-russia-strikes-explained/
  9. https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine/reichweitenbeschraenkung-was-hat-merz-gesagt-und-was-hat-er-gemeint-110502292.html
  10. https://www.welt.de/politik/ausland/article256173844/Ukraine-Krieg-Russland-hat-sich-verkalkuliert-sagt-Merz-Kreml-nennt-Aufhebung-von-Waffen-Limit-gefaehrlich.html
  11. https://www.tagesspiegel.de/politik/hilft-kurzfristig-nicht-kiesewetter-kritisiert-vereinbarung-mit-kiew-zu-langstreckenwaffen-13770184.html
  12. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/deutschland-waffenlieferungen-ukraine-100.html
  13. https://www.zeit.de/politik/ausland/ukraine-krieg-news-liveblog
  14. https://www.tagesschau.de/inland/merz-reichweiten-waffen-100.html
  15. https://www.ukrinform.de/rubric-defense/3998108-ukraine-und-deutschland-unterzeichnen-abkommen-uber-finanzierung-ukrainischer-langstreckenwaffen.html
  16. https://www.tagesschau.de/inland/selenskyj-besuch-berlin-pressekonferenz-100.html
  17. https://regionalheute.de/kiesewetter-kritisiert-deutsch-ukrainische-langstrecken-kooperation-1748445122/
  18. https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-russland-merz-reichweitenbegrenzung-waffen100.html
  19. https://www.deutschlandfunk.de/bundesregierung-sagt-kiew-militaerhilfe-von-fuenf-milliarden-euro-zu-bau-von-weitreichenden-waffen-v-100.html
  20. https://www.tagesspiegel.de/internationales/liveblog/50000-soldaten-an-der-grenze-zur-ukraine-selenskyj-warnt-vor-neuer-russischer-grossoffensive-4309180.html?liveblog._id=urn%3Anewsml%3Alocalhost%3A2025-05-11T09%3A08%3A10.090746%3Ab43900b0-95e9-4f82-9cd6-84a341a21e73__editorial
  21. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ukraine-was-die-freigabe-von-langstreckenwaffen-bedeutet
  22. https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-mittwoch-498.html
  23. https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-krieg-russland-istanbul-sanktionen-trump-100.html
  24. https://www.tagesspiegel.de/internationales/liveblog/50000-soldaten-an-der-grenze-zur-ukraine-selenskyj-warnt-vor-neuer-russischer-grossoffensive-4309180.html?liveblog._id=urn%3Anewsml%3Alocalhost%3A2025-05-10T13%3A05%3A35.789076%3A9d3426a0-ed3b-44fa-8e4a-c7eb06f35d4f__editorial
  25. https://www.freitag.de/autoren/gerd-meissner/russland-wird-dem-versand-weitreichender-raketen-an-kiew-nicht-tatenlos-zusehen
  26. https://www.fr.de/politik/ticker-krieg-ukraine-news-selenskyj-soll-merz-treffen-moegliche-russland-gespraeche-zr-93753785.html
  27. https://www.reuters.com/world/europe/germany-sticking-kyiv-air-defence-supply-plan-source-says-2024-09-03/
  28. https://www.reuters.com/world/europe/ukraine-has-received-iris-t-air-defence-system-germany-spiegel-2022-10-11/
  29. https://www.reuters.com/world/europe/germany-wont-let-up-military-aid-ukraine-scholz-says-2024-09-04/
  30. https://www.reuters.com/world/europe/germany-considering-whether-supply-iris-t-air-defence-system-ukraine-source-2022-05-13/
  31. https://www.reuters.com/business/aerospace-defense/germanys-diehl-further-expand-production-iris-t-air-defence-systems-2024-06-06/
  32. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1303434/umfrage/bilaterale-unterstuetzung-fuer-die-ukraine-im-ukraine-krieg/
  33. https://overton-magazin.de/top-story/taurus-trick-von-merz-deutschland-finanziert-produktion-ukrainischer-langstreckenwaffen/
  34. https://tass.com/world/1837607
  35. https://www.aljazeera.com/news/2025/5/28/what-are-germanys-taurus-missiles-that-ukraine-wants
  36. https://www.aljazeera.com/news/2025/5/27/us-europe-lift-range-restrictions-on-ukraine-missiles-why-it-matters
  37. https://www.n-tv.de/politik/Keine-Reichweitenbeschraenkung-fuer-die-Ukraine-mehr-und-kommt-jetzt-der-Taurus-Was-Merz-Ausserungen-bedeuten-article25796891.html
  38. https://regionalheute.de/ukraine-debatte-ueber-aufhebung-der-reichweitenbeschraenkung-1748282041/
  39. https://www.n-tv.de/politik/Koalition-streitet-ueber-Waffenwende-im-Ukraine-Krieg-article25795342.html
  40. https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-05/bundeskanzler-friedrich-merz-ukraine-krieg-waffen-turku-finnland


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