Shall We Dance (Tanz mit mir, USA 1937) #Filmfest 1319 #DGR #Astaire #Rogers #AstaireRogers

Filmfest 1319 Cinema – Werkschau Fred Astaire und Ginger Rogers (7) – Die große Rezension

Die Länge ist „DGR“ (ca. 3260 Zeichen ohne die fehlende Besetzung, Stab)

Tanz mit mir (Originaltitel: Shall We Dance) ist ein US-amerikanisches Filmmusical mit Fred Astaire und Ginger Rogers aus dem Jahr 1937. Die Regie führte Mark Sandrich, die Musik stammt vom Songschreiberduo George und Ira Gershwin. Als literarische Vorlage diente die Geschichte Watch Your Step von Lee Loeb und Harold Buchman.

 „Tanz mit mir“ habe ich vor langer Zeit schon einmal gesehen – oder war es doch eher der übliche Ausschnitt aus „That’s Entertainment“ (1974) oder „That’s Dancing“ (1985), der auch von diesem Astair-Rogers-Musical sicherlich eine Szene oder zwei beinhaltet hat? Ich glaube, noch etwas spielt eine Rolle: die Doppel-CD „George and Ira Gershwin in Hollywood“, die gleich mehrere der Nummern aus „Shall We Dance“ beinhaltet. Das ist nicht verwunderlich, denn dieser Film war der erste und einzige der Tanzfilmreihe des legendären Duos, den die Gershwin-Brüder für Astaire und Rogers mit Musik versehen hatten. Das Wort „legendäres Duo“ lässt sich freilich auf beide Paarungen beziehen. Nach Irving Berlin und Jerome Kern nun also die Gershwins. Wie beeinflusst die unterschiedliche musikalische Ausrichtung der drei Komponisten bzw. Komponistenduos den Filmstil und was gibt es sonst zum siebten von zehn Werken zu sagen, in denen die beiden Tanzgenies zusammen auftraten? Wir schreiben mehr darüber in der -> Rezension.

Handlung[1]

Der US-amerikanische Balletttänzer Peter P. Peters, der unter dem Künstlernamen Petrov auftritt, ist auf Europatournee. Er tanzt derzeit in einem Ensemble in Paris, das dem trotteligen Ballettliebhaber Jeffrey Baird gehört. Peter wünscht sich jedoch insgeheim, klassisches Ballett mit modernen Jazz-Tanzschritten zu vermischen. Auf einem Foto sieht er eines Tages die Stepptänzerin Linda Keene, die sich ebenfalls in Paris aufhält. Er verliebt sich in sie und ist entschlossen, sie für sich zu gewinnen. Als sie sich jedoch zum ersten Mal treffen, ist Linda von Peter – der sich ihr gegenüber mit seinem Künstlernamen zunächst als Russe ausgibt – nicht sonderlich angetan. Umso mehr an ihm interessiert ist Lady Denise Tarrington, eine ehemalige Tanzpartnerin von Peter, die er nach einigen Jahren wiedertrifft. Um Lady Tarrington abzuwehren, gibt er sich ihr gegenüber als verheirateter Familienvater aus.

Kurz darauf sehen sich Linda und Peter auf einem Ozeandampfer in Richtung New York wieder, allerdings nicht zufällig – Peter war ihr gefolgt. Während gemeinsamer Spaziergänge an Deck kommen sie sich schließlich näher. Ein Interview von Lady Tarrington, in dem sie Peter als Familienvater benennt, sowie die übliche Fantasie der Presse führen dazu, dass die Zeitungen berichten, Peter und Linda seien verheiratet. Linda will jedoch den New Yorker Geschäftsmann Jim Montgomery heiraten – sehr zum Ärgernis von Verehrer Peter und ihrem Manager Arthur, da Linda mit der Hochzeit auch ihre Tanzkarriere beenden würde. Da es weder Linda noch Peter gelingt, das Gerücht über ihre vermeintliche Ehe zu zerstreuen, beschließen sie, tatsächlich zu heiraten, um sich am nächsten Tag offiziell scheiden zu lassen.

Linda muss allerdings feststellen, dass sie sich in Peter verliebt hat und gar keine Scheidung will. Als sie Peter mit Lady Tarrington antrifft, die Peter inzwischen nach New York nachgereist ist, missversteht Linda die Situation und besteht schließlich doch auf eine Scheidung. Als sie ihm bei einer großen Revue die Scheidungspapiere überreichen will, überlegt sie es sich noch einmal anders und tanzt mit Peter auf der Bühne.

Rezension

Tanz mit mir war der siebte von zehn gemeinsamen Filmen von Fred Astaire und Ginger Rogers. Erste Proben, die sich am Ende auf 300 Stunden summiert haben sollen, fanden im November 1935 statt. Gedreht wurde vom 24. Dezember 1936 bis 22. März 1937. Komponist George Gershwin, der zuvor am Broadway eine Reihe von Flops gehabt hatte, erhielt von RKO Pictures für seine Beteiligung an Tanz mit mir 55.000 Dollar, was verglichen mit Honoraren von Kollegen wie Irving Berlin und Jerome Kern eher wenig war.[1] Zusammen mit seinem Bruder, dem Liedtexter Ira Gershwin, schrieb er Monate vor Drehbeginn sechs Songs, um die anschließend eine Handlung konstruiert wurde. Gershwin, der zusammen mit seinem Bruder für den Film erst zum zweiten Mal in Hollywood tätig war, litt während des Drehs an einem Gehirntumor, an dem er im Juli 1937 verstarb.

Ja, das ist ein sehr trauriger Begleitumstand. Hatte George Gershwin den Film, der im Mai Premiere hatte, noch sehen können? Das Cover der erwähnten CD zeigt die beiden Gershwin-Brüder bei einem ihrer beiden Hollywood-Besuche, die CD beinhaltet auch viele Songs, die in Hollywood-Filmen verwendet, aber nicht eigens für diese Filme geschrieben wurden, zum Beispiel aus „Porgy and Bess“. Ein so unfassbar schönes Lied wie „Summertime“ kommt in „Shall We Dance“ nicht vor, es hätte den Film auf eine andere emotionale Ebene gehoben. Die Stücke in „Shall We Dance“ sind anders. Sie sind sehr auf Rhythmus angelegt, auch im Vergleich zu Irving Berlins prototypischer Musik für Astaire und Rogers, noch mehr in Relation zu Jerome Kerns Noten zu „Swing Time“. Das zeigt sich schon in der ersten wichtigen Numme, „Slap that Bass“, die im Maschinenraum des Ozeanliners „Queen Anne“ (in Wirklichkeit entweder die erste „Queen Elizabeth“ oder die „Queen Mary“) spielt. Dafür bekommt dieser Raum ein fantastisches, bewusst unrealistischs Art-Déco-Interieur und die ausschließlich afroamerikanischen Heizer – falls man sie noch so nennen kann, das Schiff  wurde sicherlich schon mit Dieselmaschinen betrieben – haben eine Arbeitsumgebung, die blitzblank und hell eingerichtet ist. Mit ihnen singt Astaire zunächst zusammen, einer von ihnen  hat sogar eine Bassgeige mit, was will man mehr? Daran wird also gezupft und aus dem Zupfen und dem Takt der Maschinenkolben ergibt sich der Rhythmus des Liedes. Wie schon in „Swing Time“ wird mit einem Schattenwurf gearbeitet, dieses Mal sind es weitere Kolben, an denen Astaire entlangtanzt. Auf einer Balustrade, wie sie zwar in riesigen Heizräumen von Ozeandampfern wohl auch vorhanden waren, aber nicht so herrlich verfremdet, dass man darüber hinwegtanzen kann. Das macht Astaire ausgezeichnet, denn trotz der stylischen Überbreite muss er sich hier sehr gut koordinieren, um nicht zu dicht an den Rand zu kommen. Es handelt sich um die längste, aber auch die schmalste Tanzfläche für Astaire bis dahin.

Wenig später folgt die Hundeszene, die man gesehen haben muss. Nicht nur Hundeliebhaber, aber die wohl besonders haben daran ihren Spaß. Wenn man davon absieht, dass die Hunde für die Überfahrt in kleinen Zwingern gehalten werden und nur zum Ausgang daraus abgeholt werden dürfen. Dieser aber ist eine der schönsten Szenen aus allen Astaire-Rogers-Filmen und wieder entsteht die Musik aus der Bewegung heraus, außerdem müssen die Hunde alle so bewegt werden, dass die Szene harmonisch und witzig wirkt. Man kann Hunde natürlich dressieren, mit Katzen wäre es nicht gegangen. Aber es ist herrlich anzuschauen, wie viel Kreativität und Charme sich da entfaltet. Das Lied dazu heißt passenderweise „Beginner’s Luck“, denn es beinhaltet das Kennenlernen, das von Astaire gewollt ist. Er inszeniert alles, und das auf eine sehr humorvolle Art. Rogers hat üblicherweise den reagierenden Part, so auch hier, aber sie macht das Allerbeste daraus. Wieder einmal muss Fred Astaire seine Tanzpartnerin erobern, aber die Variation gegenüber den drei Vorgängerfilmen „The Gay Divorcee“ (1934), „Top Hat“ (1935) und „Swing Time“ (1936) ist gelungen. Nicht zu vergessen „Follow the Fleet“ und „Roberta“ (1936, 1935) sowie dem Starter „Flying Down to Rio“ (1933) die aber auf unterschiedliche Weise etwas anders ticken.

Die dritte herausragende Nummer ist der Skater Dance. Kann man auf klassischen Vierräder-Rollschuhen steppen? Man kann, wenn man es lang genug übt, das ist ganz offensichtlich so. Was da drin steckt, ist gnadenlos gut. Wer zum Beispiel mal auf Schlittschuhen, auf Kufen, gelaufen ist, weiß diese Szene zu schätzen. Auf Rollschuhen ist es m. E. noch schwieriger, gute Tanzschritte zu kreieren. Dafür kann man schwungvoll zusammen rollen, wenn es passt. Und am Ende im Gras landen. „Let’s Call the Whole Thing off“ ist der Titel des Songs zu dieser Szene bzw. des Songs, der den Tanz einleitet, denn zuerst sitzen beide nebeneinander auf einer Bank und singen, dann tanzen sie erst auf Rollen, was etwas weniger unnatürlich wirkt, als wenn sie dabei auch noch gesungen hätten. Wenn es stimmt, dass Fred Astaire immer „echt“ gesungen hat, wäre es auch nicht möglich gewesen, ebenso wie während seiner anderen Tanznummern, die viel zu dynamisch sind, als dass man dabei noch den Ton halten könnte. Meist leitet der Gesang ein, der Tanz folgt. Ich bin mir aber nicht sicher, dass er wirklich immer „live“ gesungen hat. Bei den anderen, auch bei Rogers, sieht man, dass die Synchronität der Lippenbewegungen mit dem gerade gesungenen Wort nicht immer hundertprozentig passt, bei Astaire hatte ich den Eindruck aber – war es hier oder in einem der anderen Filme? – auch schon. Es geht wohl doch letztlich um die Perfektion der Einspielung, und die ist besser, wenn man den Körper dabei einigermaßen ruhig halten kann. Und diese Perfektion nahm fraglos von Film zu Film zu, den Astaire und Rogers miteinander drehten. Sie erreicht, ebenso wie die Ingeniosität der Tanznummern, in „Shall We Dance“ einen möglicherweise absoluten Höhepunkt.

Da kommt es gar nicht so schlecht, dass der Akzent von Gershwins Liedern etwas mehr auf Rhythmus liegt und die Texte etwas mehr „sophisticated“ wirken als bei Berlin und besonders bei Kern. „Shall We Dance“ ist noch edler und noch stylischer als „Top Hat“, und das will etwas heißen. Einzig die Aufmachung von Ginger Rogers konnte nicht noch einmal verbessert oder extravaganter gestaltet werden, es gibt dieses Mal kein Federkleid, zumindest kein vollständiges und die Frisur mit dem Zopf, die ihr in Top Hat so wundervoll steht, war unwiederholbar und die Haarmode sichtlich schon etwas länger als zwei Jahre zuvor. Diese Filme sind auch Stil-Zeitzeugen, in all dem krass schönen Art Déco und auch mit den kleinen Veränderungen, die man in der kurzen Zeit deutlich erkennen kann. Die Damenhüte wurden ebenfalls spitzer und die Formen ausgefallener, die Schnitte der Damenkleider etwas eckiger, was sich bis in die 1940er fortsetzte, bevor alles zum Ende der 1940er hin wieder gerundeter wurde, dieses Mal auch das Schönheitsideal, bezogen auf weibliche Körper.

Man hatte erkennbar etwas vor mit „Shall We Dance“, obwohl man vielleicht nicht ganz sicher war, ob Gershwins Musik so einschlagen würde wie die von Irving Berlin. Wir begrüßen Edward Everett Horton als Sidekick für Astaire wieder, der nach „Top Hat“ verloren gegangen war, ebenso den lispelnden Eric Blore und natürlich das technische Team mit dem Ausstattungsdirektor Van Nest Polglase, der RKO-Filme so elegant aussehen ließ, als stammten sie von Paramount und die Lichtführung glänzen ließ, als sei der Film bei MGM entstanden. Sehr angenehm, dass es dieses Mal keinen schrillen, nervigen weiblichen Sidekick gibt. Dafür sollte ein Sonderpunkt vergeben werden, denn im Grunde sind diese Figuren frauenfeindlich, wenn auch nicht, wie bereits in der Rezension zu „The Gay Divorcee“ erwähnt, so extrem wie bei den Marx Brothers die Figuren, die Margaret Drummond zu spielen hatte. In „The Gay Divorcee“ war der weibliche Sidekick aber am dichtesten an diesen Figuren dran, danach wurde es besser mit diesen Figuren und nun sind wie weg, ohne dass ich etwas vermisst hätte.

Natürlich müsste man sich, wenn man schon auf dieser Schiene fährt, noch die Haltestellen Rassismus und Tierquälerei anschauen, aber man kann es tatsächlich auch übertreiben. Klar, im Unterdeck schuften die Afroamerikaner und die Hunde dürfen mit ihren Menschen nicht ins Bett, aber seit ich Fred Astaire in „Swing Time“ konzediert habe, dass selbst sein Blackfacing eindeutig als Verbeugung vor einem der Erfinder des modernen Steptanzes, Bill „Bojangles“ Robinson, gedacht war, kann ich jetzt nicht die Mentalität der Weißen, wie sie hier schwarze Arbeiter ablichten, ausfitzeln und einen Punkteabzug daraus generieren. Da gab es im damaligen Film ganz andere Übergriffe,  zumal die Afroamerikaner hier u. a. normal sprechen. Das Lied handelt übrigens, wie viele Songs gerade aus jenen Jahren, davon, wie man mit Musik aus schwierigen Stimmungen herauskommt. Kahns und Jurmans „All That Chillum Got Rhythm“ aus dem selben Jahr ist ein weiteres Beispiel für einen solchen Song. Auch Gershwins „135th Street Blues“ („Blue Monday“) aus dem Jahr 1922 geht in dieser Richtung, wie im Lied selbst erwähnt, mehr im „operatic Style“ und wurde in den 1940ern filmisch verwendet, auch „Ol‘ Man River“ aus „Showboat“ entstand in den 1920ern und „That Lucky Old Sun“, das ich am liebsten von Louis Armstrong gesungen mag. Da steckt durchaus unterschwellig das schwere Leben drin, auch wenn der Maschinenraum eher wirkt, als wenn er von einer KI gesteuert und von Robotern befeuert wird.

Was den Film für mich weiterhin anziehend gemacht hat, war die schnörkellose, von allen mehr oder weniger deutlich artikulierte Sprache, die den Spaß erhöht, das Anschauen von Originalversionen ohne Untertitel zu verbessern. Freilich geht das bei mir nur auf Englisch, mein Französisch ist dazu z. B. schon nicht mehr gut genug. 

Für die Tanzeinlagen sah Pandro S. Berman ursprünglich den renommierten George Balanchine als Choreograf vor, doch musste Balanchine aufgrund seiner Verpflichtungen an der Metropolitan Opera absagen. Die Ballettszenen sollte dann der russische Choreograf Léonide Massine gestalten, was letztlich jedoch Harry Losee trotz seines Schwerpunkts auf Modern Dance übernahm. Die anderen Tanzeinlagen choreografierte Astaire zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Hermes Pan. Allein die Rollschuhtanzeinlage zu Let’s Call The Whole Thing Off beanspruchte eine 32-stündige Vorbereitung und vier Drehtage.[1]

Das ist ein weiteres Plus: Fred Astaire als Balletttänzer, der den Jazz in seine Auftritte integrieren und sie damit mehr zu Revuen machen will. In einer Szene gibt es diese Verschmelzung auch, mir fällt aber gerade nicht ein, ob sie auch ein Lied beinhaltet. Ich meine trotzdem, Astaire war tänzerisch auf seine Weise unerreicht, aber kein Nurejew. Er hat es auch bei relativ wenigen Ballettschritten bewenden lassen.

Das Sehnsuchtslied heißt dieses Mal „They Can’t Take That Away From Me”, aber es integriert sich, wie die anderen Lieder dieser Art, nicht ganz perfekt in eine so leichte und humorvolle Handlung, wie „Shall We Dance“ sie aufweist und für mich ist es nicht vergleichbar mit „Let’s Face The Music And Dance“, das viel umfassender Melancholie und „es war“ ausdrückt. Wenn ich nicht wüsste, dass Gershwin auch Lieder wie „Summertime“ konnte (bzw. dieses Lied geschrieben hat, es gibt kein vergleichbares), hätte ich gesagt, es ist etwas mehr Kopf und etwas weniger Bauch und Herz in der Musik.

Die Weltpremiere von Tanz mit mir fand am 7. Mai 1937 in den Vereinigten Staaten statt. Nachdem bereits der zuvor veröffentlichte Astaire-Rogers-Film Swing Time (1936) nur mäßig an den Kinokassen abgeschnitten hatte, machte auch Tanz mit mir mit 413.000 Dollar vergleichsweise wenig Gewinn.[1] Auch die Gershwin-Songs wurden erst Jahre später populär. 

Ich kann nachvollziehen, dass Gershwins Lieder für diesen Film nicht sofort zu Mega-Hits wurden, anders als eben Berlins Musik zu „Top Hat“. Mich hat also das, was im obigen Absatz steht, nicht wirklich überrascht. Die Songs  sind etwas zurückgenommener, nicht dieser melodiestarke Power-Swing, mit dem Film wie „Top Hat“ den neuen Stil des Jazz erst unter die Menschen brachten, begleitet von der allmählichen Vergrößerung der kleinen Tanzkapellen der 1920er bis hin zu den Big Bands Ende der 1930er und darüber hinaus. Nicht umsonst heißt der Nach-Nachfolger von Top Hat „Swing Time“. Man muss sich vor Augen halten, wie progressiv diese Astaire-Rogers-Filme und auch andere Hollywood-Musicals der Zeit in Sachen Ton & Text waren – sie waren stilprägend für die gesamte Unterhaltungsmusik nicht nur in den USA.

Finale

Aber wie ordne ich nun „Shall We Dance“ im Reigen der Astaire-Rogers-Filme ein? An den eigentlichen Opener „The Gay Divorcee“ kommt er nicht ganz heran. Einfach, weil der erste dieser Filme so umwerfend war, weil es der erste dieser Filme war. Etwas ganz Neues, ein solches Tanzduo, kein Revuefilm mehr, sondern ein tragendes Paar für Rhythmus, Melodie, Herz und Komik. Das ist im Musical-Subgenre Tanzfilm nicht zu übertreffen. Wichtig allerdings: Ich habe mir die Astaire-Rogers-Filme bisher in der Reihenfolge ihres Entstehens angeschaut, als ich feststellte, es gibt noch zu keinem davon eine Rezension im Wahlberliner oder wenigstens einen Entwurf im Kritiken-Lager. Wenn man sich beispielsweise zuerst „Shall We Dance“ anschaut und dann den drei Jahre älteren Film, wird man manches an Letzterem etwas unausgegoren finden. Natürlich, alles strebt nach vorne, zumal in einem Genre im jungen Tonfilm, das sich so rasch entwickelte wie damals das Filmmusical. Aber nach „The Gay Divorcee“ kommt für mich schon „Shall We Dance“. Kein anderer der Astaire-Rogers-Filme, vermutlich auch nicht die beiden nachfolgenden „Carefree“ (1938) und „The Story of Vernon and Irene Castle“ (1939) wird wohl die Eleganz und den Flow erreichen wie „Shall We Dance“. Da ist Musik fast in allen Szenen, auch wenn darin nicht getanzt und gesungen wird.

Der eher auf Flow als auf absolute Perfektion ausgerichtete Regiestil von Mark Sandrich passt dazu perfekt: Die Routine von Astaire und Rogers trägt sowieso nach vier Jahren Zusammenarbeit fast alles von alleine und in Momenten wie der Hundeszene muss man auch mal ein wenig zugeben können, sonst kriegt man sie niemals in den Kasten. 

Außerdem ist der Humor für mich am gelungensten. Man hat alle schrägen oder peinlichen Elemente eliminiert und sich ganz auf Wortwitz und manchmal auf Situationskomik verlassen. Dadurch wirkt der Film auch sehr modern und arm an Misstönen. Das war auch in „Swing Time“ schon so, nicht jedoch in „Top Hat“. Skurrilität ist auch eine Frage gesellschaftlicher Entwicklungen, vor allem, wenn die skurrilen Typen diskriminierend angelegt sind. Nicht jedoch trifft dies auf gute Wortspiele zu, sie sind überzeitlich und kein anderer Film der Astaire-Rogers-Reihe ist so dicht an einer guten Screwball-Comedy wie „Shall We Dance“, auch dafür kann man u. a. die Hundeszene (eher schon Hundesequenz) als Beleg heranziehen.

„Schwungvolles Musical mit dem Duo Astaire/Rogers und einigen längst zu Klassikern avancierten Songs von George und Ira Gershwin“, schrieb das Lexikon des internationalen Films. Doch sei bei „allem Unterhaltungswert […] nicht zu übersehen“, dass sich zahlreiche Drehbuchideen „gegenüber früheren Filmen des Duos wiederholen und leicht abnutzen“.[4]

Variety fand den siebten Astaire-Rogers-Film „hervorragend“. Die komödiantische Handlung sei „solide“ und der Schnitt sei „der beste, den ein Astaire-Film seit langem gehabt hat“. Die Songs seien „gut verteilt, ohne einen davon übertrieben herausstechen zu lassen“.[5] Der Filmkritiker Leonard Maltin befand rückblickend, dass Tanz mit mir als weniger gutes Astaire-Rogers-Vehikel „immer noch ein Topmusical“ sei. Dabei hätten die Gershwin-Songs „den schwachen Plot“ zusammengehalten.[6]

Die Handlung ist nicht so viel schwächer als in den vorausgehenden Filmen, der Abnutzungseffekt aber vorhanden. Das lässt sich nicht leugnen. Mir ist das besonders beim Spiel von Edward Everett Horton aufgefallen, dessen Mimik ich aufgrund von drei Astaire-Rogers-Filmen, die ich kurz hintereinander angeschaut habe und in denen er mitgewirkt hat, etwas stark Wiederholendes hat. Gleichwohl, so kurz nacheinander wie ich bekam das Publikum die Filme nicht zu sehen, es war in der Regel etwa ein halbes bis ein Jahr Abstand zwischen ihnen. Es gibt aber etwas, das sie von den Filmen berühmter Komiker-Duos, die einander auf eine Weise ja auch alle ähneln, unterscheidet: Man billigt den Darstellern nicht zu, dass gerade die Wiederholung den Reiz ausmacht, weil gewisse Muster, die zum Lachen reizen, sich nun einmal immer wiederholen. Das ist bei dieser Art von Tanz-Komödie nicht der Vertrag zwischen deren Erstellern und Rezipienten. Selbst dann nicht, wenn die Rezipienten Kritiker sind und nicht in den Duktus „Uff, eh alles schon gesehen“ verfallen sollten, sondern sich auf die Unterschiede und Weiterentwicklungen konzentrieren könnten.

Klar ist auch das Gekonnte, wenn sich zu rasch wiederholend, von begrenztem Amüsierwert. Da aber, wie wir oben gelesen habe, der Gipfel des finanziellen Erfolgs, der mit „Top Hat“ erreicht wurde, ohnehin überschritten war, zeichnete sich das Ende vielleicht nach „Shall We Dance“ ab. Der Nachfolger „Carefree“ zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er um einiges kürzer ist (ca. 15 Minuten) als die Filme ab „The Gay Divorcee“. Er soll aber eine gute Komödie sein. Ich bin gespannt.

Die IMDb-Nutzer:innen favorisieren „Top Hat“ (7,7/10) leicht gegenüber „Swing Time“ und „Shall We Dance“ (jeweils 7,5/10) und „The Gay Divorcee“ (7,4/10). Ich habe, siehe oben, bei Letzterem am höchsten gegriffen (83/100) und für die beiden anderen jeweils 77/100 gegeben. Emotional ist „Shall We Dance“ vielleicht nicht ganz so ein Highflyer, nicht einmal wie „Follow the Fleet“, hier aber einzig wegen der vielleicht besten Sequenz aller Astaire-Rogers-Filme, der Schlussnummer „Let’s Face the Music and Dance“, aber als Paket ist er wirklich, wirklich gut, formal der Vollendung nah.

80/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2023)

Regie Mark Sandrich
Drehbuch Ernest Pagano,
Allan Scott,
P. J. Wolfson
Produktion Pandro S. Berman
Musik George Gershwin
Kamera David Abel
Schnitt William Hamilton
Besetzung

[1] Tanz mit mir – Wikipedia


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