Filmfest 1326 Cinema – Werkschau Fred Astaire und Ginger Rogers (8)
Sorgenfrei durch Dr. Flagg – Carefree (Originaltitel: Carefree) ist ein US-amerikanisches Filmmusical mit Fred Astaire und Ginger Rogers aus dem Jahr 1938. Die Regie führte Mark Sandrich, die Songs schrieb Irving Berlin.
Wir haben sie fast alle rezensiert und werden sie alle rezensieren – die zehn Filme, die das legendäre Hollywood-Tanzpaar Fred Astaire und Ginger Rogers zusammen gedreht hat. „Carfree“ ist der achte davon und entstand im fünften Jahr der Zusammenarbeit. Gleichzeitig stellt er einen Wendepunkt dar. In welcher Hinsicht und mehr zu dieser Komödie mit Musik steht in der –> Rezension.
Handlung[1]
Der langweilige Rechtsanwalt Stephen Arden macht seiner Freundin Amanda Cooper einen Heiratsantrag nach dem anderen. Amanda arbeitet als Sängerin beim Radio und kann sich nicht entscheiden, ob sie Stephen heiraten soll oder nicht. Dieser bittet schließlich seinen Freund, den Psychiater Dr. Tony Flagg, um Hilfe. Tony soll Amanda behandeln, damit sie endlich ihre Angst vor dem Gang zum Traualtar überwindet.
Als Amanda einen Termin bei Tony wahrnehmen will, hört sie zufällig, wie er auf sein Tonband spricht und sie dabei als törichte Frau beschreibt. Empört weist sie Tony zurecht und verlässt dann eilig seine Praxis. In einem Country Club treffen sie sich schließlich wieder. Nach einer wilden Verfolgungsjagd auf Fahrrädern entschuldigt sich Tony bei Amanda. Er ist auch weiterhin entschlossen herauszufinden, warum Amanda Angst vor der Ehe hat. Während Tony mit speziellen Früchten und Schlafmitteln vergeblich versucht, in Amandas Unterbewusstsein vorzudringen, verliebt sie sich in ihn.
Nachdem Tony mittels Hypnose dafür gesorgt hat, dass Amanda ihn nicht mehr mag und sich stattdessen in Stephen verliebt, wird Tony klar, dass er sich auch in Amanda verliebt hat. Um diese wieder für sich zu gewinnen, will er sie erneut hypnotisieren. Doch Amanda geht ihm nunmehr aus dem Weg, und auch Stephen hält ihn davon ab. Kurz vor Amandas und Stephens Hochzeit gelingt es Tony schließlich doch, Amanda zu hypnotisieren und ihre künstliche Aversion gegen ihn wieder in Liebe zu verwandeln. Zu diesem Zweck musste er sie K. o. schlagen, weshalb Amanda anschließend mit blauem Auge vor den Traualtar schreitet, um Tony das Ja-Wort zu geben.
Rezension
Der Film spielte 1.731.000 Dollar an den US-amerikanischen Kinokassen ein, machte aber im Hinblick auf die Produktionskosten einen Verlust von 68.000 Dollar.[2] Am 17. Juni 1985 wurde das Filmmusical erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt.[1]
Mehrere Fragezeichen hinter dieser Darstellung. Normalerweise werden die weltweiten Einnahmen in Betracht gezogen, wenn Gewinn und Verlust eines Films bewertet werden, das gilt überall, auch für US-Streifen. Zweitens hätte es bei dem Film geradezu eine Preisexplosion gegeben, denn die Welterfolge „Top Hat“ und „Follow the Fleet“ hatten etwa 600.000 bzw. 700.000 Dollar gekostet – zwei Jahre vor „Carefree“, und dieser ist kürzer und hat weniger und weniger aufwendig dekorierte Tanzeinlagen. Schon möglich, dass die Stars teurer zu werden begannen, vor allem Fred Astaire, als zu Beginn seiner Karriere, aber gleich so viel? Wenn man jedoch der obigen Darstellung folgt, dann war „Carefree“ der erste Astaire-Rogers-Film, der einen Verlust eingefahren hat. Behält man die Fragezeichen, war der Gewinn auf jeden Fall viel geringer als zuvor, denn „Top Hat“ war der zweiterfolgreichste Film des Jahres 1935, mit Einnahmen um 3 Millionen Dollar allein in den USA, und „Follow the Fleet“ spielte insgesamt ebenfalls mehr als 2,5 Millionen Dollar ein.
Drei Jahre waren damals eine lange Zeit, den Publikumsgeschmack betreffend, aber, keine Frage, die Astaire-Rogers-Filme des „Kanons“ waren auch repetitiv, trotz ihrer erstklassigen und jedes Mal anders akzentuierten, weil von einem anderen Komponisten beigesteuerten Musik. Die Handlungen sind einander recht ähnlich. Zum „Kanon“ rechne ich „The Gay Divorcee“, „Top Hat“, „Swing Time” und “Shall We Dance” (1934, 1935, 1936, 1937 entstanden).
Das erste Teaming von Astaire und Rogers in „Flying Down to Rio” (1933) ist zweifelsohne das Interessanteste an dem Film und die „Carioca“ finde ich fast noch besser als „The Continental“ aus „Top Hat“, aber Astaire und Rogers spielen noch nicht die Hauptrollen, trotz viel Screen Time für Astaire. Ebenso war „Roberta“ (1935) trotz der den Film beglänzenden Anwesenheit des Tanz-Traumpaars ein Vehikel für Irene Dunne, die ihrer Funktion als Star wahrhaft gerecht wird. „Follow the Fleet“ steht dem Kanon zwar nahe, aber seine ausschweifende Handlung, das untypische Setting und Astaires Rolle als einfacher Seemann führen für mich zu einer Streichung dieses Films aus der Liste der essenziellen Werke des Duos. „Carefree“ gehört ebenfalls nicht dazu. Aus wieder einem anderen Grund:
Nicht, weil er, wie oben erwähnt, nicht mehr so erfolgreich war wie die Vorgänger-Produktionen mit dem Paar, sondern wegen seines divergenten Akzents. Man hatte die Zeichen der Zeit durchaus erkannt und diesen Film wie keinen mit Astaire und Rogers zuvor als Screwball-Comedy inszeniert. Und es funktioniert. Rogers hat ohnehin komisches Talent und auch Fred Astaire wirkt in diesem Genre so zuhause, dass man geneigt ist zu schreiben: Hätte er nicht tanzen gekonnt, hätte er es auch als Darsteller in Salonkomödien zu etwas gebracht. Nicht so weit vermutlich wie als Tänzer, denn in dem Bereich hatte er nun einmal eine Ausnahmestellung, während es viele gute Darsteller für Komödien dieser Art gab. Fast alle männlichen amerikanischen Topstars der Zeit und einige der weiblichen konnten dieses Genre und schufen ihre eigenen Akzente darin. Der Höhepunkt der Screwballisierung war wohl, als die notabene ansonsten ernste Garbo in Ernst Lubitschs „Ninotschka“ lachte (1939).
Ein Jahr zuvor, in „Carefree“, wird erstmals die Psychoanalyse so richtig durch den Kakao gezogen, was in der Folge zu einem beliebten Thema in Hollywood werden sollte. Nirgendwo sonst auf der Welt legten sich damals vermutlich so viele Menschen auf die Couch wie in der Filmstadt, die Ironisierung des Shrink Business lag also auf der Hand und entsprach dem Zeitgeist, dem wieder anwachsenden Wohlstand und damit der Möglichkeit, sich mehr den Dingen zu widmen, die man während der Great Depression eher als eklektisch angesehen hatte, unter anderem der Erforschung der eigenen Seele, des Unterbewusstseins, was hier auf eine gemäß dem Ansatz des Genres nicht ernstzunehmende Weise geschieht. Nicht ernstzunehmen bedeutet oft, abschätzig, diskriminierend, gerade gegenüber der Kunst, aber auch der Psychoanalyse. Hier hatte ich diesen Eindruck nicht, es handelt sich nicht um eine mehr oder offen vorgetragene, in Witze gekleidete Feindseligkeit moderneren medizinischen Ansätzen gegenüber. Die Dialoge sind die schnellsten und besten aller Astaire-Rogers-Filme, die ich bisher gesehen habe und vielleicht im gesamten Schaffen von Fred Astaire. Ginger Rogers hatte ja weitere Komödien ohne Tanz gefilmt, unter anderem Billy Wilders erste US-Regiearbeit namens „The Major and the Minor“ (1942).
Sorgenfrei durch Dr. Flagg – Carefree war der achte von zehn gemeinsamen Filmen von Fred Astaire und Ginger Rogers. Abgesehen von Change Partners schrieb Irving Berlin alle Songs des Films innerhalb weniger Tage, als er Urlaub in Phoenix machte. Ursprünglich sollte die Tanzszene zu seinem Song I Used to Be Color Blind nicht nur in Zeitlupe, sondern auch in Technicolor gedreht werden. Erste Testaufnahmen wiesen jedoch eine zu schlechte Qualität auf, weshalb die Szene wie der Rest des Films in Schwarzweiß gedreht wurde.[2]
Die prägnanteste Szene, die Artistik betreffend, ist Astaires Golfszene, es gibt keine herausragenden Highlights mehr wie noch in „Shall We Dance“ den Rollschuhtanz mit Ginger Rogers. Außerdem sind die Songs von Irving Berlin keine Kracher wie „Cheek to Cheek“ („Top Hat“) oder „Let’s Face the Music and Dance („Follow the Fleet“) oder wie in den frühen 1930ern, als sie versuchten, ganze Stilrichtungen mitzuprägen, wie „Carioca“ oder „The Continental“.
Eine kleine Rolle hat in dem Film Hattie McDaniel, die im Jahr darauf in „Winde verweht“ mitspielen und den ersten Nebenrollen-Oscar einer afroamerikanischen Person für diese Rolle gewinnen sollte. McDaniel trat ab etwa 1932 in vielen Filmen auf – in der Regel inder der stereotypen Hausmädchen-Rolle, wie auch hier, sodass man die Einstellung der weißen Produzenten und Drehbuchautoren höchsten durch Unterschiede in der Ausprägung dieser Rollen distinguieren kann. Die übrige Besetzung des Films neben Astaire und Rogers zeigt eher weniger bekannte Schauspieler:innen, auch dies spricht im Grunde gegen sehr hohe Produktionskosten, und die Dekors wirken nicht aufwendiger als in den ohnehin sehr elegant ausgestatteten Tanzfilmen der RKO in den Jahren zuvor.
Finale
Für das Lexikon des internationalen Films war Sorgenfrei durch Dr. Flagg – Carefree eine „[l]eichtgewichtige, unterhaltsame musikalische Komödie“ aus der Spätphase „des populären Tanzduos Astaire/Rogers“. Der Film warte „mit einigen attraktiven Musik- und Tanzszenen“ auf, sei jedoch „[i]nszenatorisch allenfalls Mittelmaß“.[1] Cinema fand den Film „[e]rfreulich für Auge und Ohr“.[3]
„Die Handlung ist enttäuschend und verwirrt den Zuschauer“, urteilte seinerzeit Variety.[4] Frank S. Nugent von der New York Times bezeichnete den Film wiederum als „exzellente Musikkomödie“, die „geistreich“ und „kultiviert“ sowie optisch und musikalisch ansprechend sei.[5] Für den Filmkritiker Leonard Maltin handelte es sich um „Freds und Gingers komischsten Film“. Er sei „schrullig und unkonventionell“ und könne „gute“ Musik von Irving Berlin vorweisen.[6]
Ich bin ja oft nicht mit dem Filmlex einer Meinung und akzentuiere auch hier anders: Die Musik- und Tanznummern treten schon zurück hinter eine schwungvolle Inszenierung, die aufgrund der prägnanten Kürze des Films vielleicht die beste aller Astaire-Rogers-Filme im Fach Komödie ist. Nun gab es aber Komödien damals zuhauf und das Tanzen der beiden nur einmal, deshalb hat „Carefree“ es bis heute nicht leicht, vom Publikum so gemocht zu werden wie die Filme des von mir definierten Kanons, die von den IMDb-Nutzer:innen all mit 7,4 bis 7,7/10 bewertet werden. „Carefree“ kommt „nur“ auf 7,1/10. Für mich gleicht der flüssige Komödienstil die Reduzierung der Tanzszenen fast aus, außerdem gibt es mit der Traumsequenz, die von Unterbewusstsein inszeniert, eine der Tanzszenen bereithält, eine sehr schöne Zeitlupenaufnahme und einige Jahre vor Alfred Hitchcocks „Spellbound“ (1945) ein Sprechen des Unbewussten, auch wenn der Traum eben nur eine eher realistische Situation darstellt und nicht eine extravagante surrealistische Verfremdung eines realen, traumatisierenden Ereignisses aus der Hand Salvador Dáli.
Außerdem ist der Film, wie schon „Shall We Dance“, sehr sympathisch in seinem Grundton, trotz seines ironischen Umgangs mit dem Thema Psychoanalyse. Ich siedele ihn wenige Punkte unter „Top Hat“ und „Swing Time“ an:
75/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2023)
| Regie | Mark Sandrich |
|---|---|
| Drehbuch | Ernest Pagano, Allan Scott, Dudley Nichols, Hagar Wilde |
| Produktion | Pandro S. Berman |
| Musik | Robert Russell Bennett, Victor Baravalle, Irving Berlin |
| Kamera | Robert De Grasse |
| Schnitt | William Hamilton |
| Besetzung | |
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[1] Sorgenfrei durch Dr. Flagg – Carefree – Wikipedia
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