Filmfest 1333 Cinema – Werkschau Fred Astaire und Ginger Rogers (9)
The Story of Vernon and Irene Castle ist ein US-amerikanisches Filmmusical mit Fred Astaire und Ginger Rogers aus dem Jahr 1939, das das Leben des Tanzpaars Vernon und Irene Castle nacherzählt.
Mit der Rezension zu diesem Film beschreiben wir das Ende einer Ära, nachdem wir alle Tanzfilme der 1930er rezensiert haben, in denen Fred Astaire und Ginger Rogers gemeinsam auftraten. „The Story of Vernon and Irene Castle“ ist der letzte davon, denn mit dem Ende des Jahrzehnts endete auch die Zusammenarbeit der beiden Superstars des Tanzfilms. Zu einem Revival kam es zehn Jahre später in „The Barkleys of Broadway“, womit Astaire und Rogers zehn gemeinsame Filme gedreht haben. Über die Tatsache hinaus, dass „Castle“ das Ende der eigentlichen Ära der beiden darstellt, weist er mehrere Besonderheiten auf, die wir in der -> Rezension besprechen werden.
Handlung
Vernon Castle tritt als Slapstick-Komiker in US-amerikanischen Vaudeville-Theatern auf. Dabei lernt er die junge Tänzerin Irene Foote kennen, die ihn dazu bringt, ins Tanzfach zu wechseln. Gemeinsam üben sie zahlreiche Tänze ein und kommen sich dabei näher. Sie heiraten und gehen anschließend nach Paris, im Glauben dort ein Tanzengagement erhalten zu haben. Doch die örtlichen Manager wollen eigentlich nur Vernon mit seinen Slapstick-Nummern auf der Bühne sehen.
Als ihnen nur noch wenig Geld übrig bleibt, treffen Vernon und Irene auf die britische Talentsucherin Maggie Sutton, die ihnen einen gemeinsamen Auftritt im renommierten Café de Paris verschafft. Ihr Auftritt wird umjubelt, und weitere Engagements folgen, die die Castles berühmt machen. Auch die Modewelt wird auf sie aufmerksam und nimmt sich ihren Kleidungsstil zum Vorbild. Nach vielen erfolgreichen Tourneen gehen die Castles in den Ruhestand und kehren in die Vereinigten Staaten zurück.
Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird Vernon als britischer Staatsbürger eingezogen und bei der Luftwaffe verpflichtet. Nach einigen gefährlichen Einsätzen soll Vernon US-amerikanische Piloten ausbilden. Wieder daheim, verabredet sich Vernon mit Irene auf ein romantisches Treffen in einem kleinen Hotel in der Nähe seiner Landebahn. Während Irene auf Vernon wartet, verunglückt dieser bei einem Flugmanöver tödlich, als ihm einer seiner Schüler entgegenfliegt.
Rezension
„The Story of Vernon and Irene Castle” ist 1.) das einzige “Period Picture”, das Astaire und Rogers zusammen gemacht haben, also ein Film, der nicht in der damaligen Gegenwart spielt, sondern von dort aus etwa 20 bis 30 Jahre in der Vergangenheit angesiedelt ist, 2.) das einzige, welches das Leben realer Persönlichkeiten nacherzählt, 3.) das einzige, das tragisch endet, 4.) das einzige, in dem man den damals modernen Stepptanz auslassen musste, in dem Astaire so brillant ist, weil dies nicht der Stil der Castles war und vermutlich in der Form, wie Astaire ihn zelebrierte, um 1910 noch gar nicht existierte, und 5.) keine stylischen Art-Déco-Sets aufweist, weil er eben in einer Periode vor diesem Stil angesiedelt ist, 6.) der einzige ist, in dem die beiden sich, als sie sich kennen lernen, sofort mögen und relativ unkompliziert zueinander finden. Die vorherigen Filme, von Beginn an, lebten vom Prinzip Anziehung und Abstoßung und dieses wurde auch in die Tanzchoreografien übersetzt.
Nach dem witzigsten und am meisten an die damals hochaktuellen Screwball-Komödien angelehnten Film der Reihe, „Carefree“, folgt also der romantischste und ernsteste Film der Reihe. All diese Änderungen, die wir oben aufgezählt haben, stellen eigentlich einen schönen Abschluss der Reihe dar, obwohl man in der Art, wie „Castle“ erzählt ist, auch eine Weiterentwicklung hätte vornehmen können, hin zum Musical mit in die Handlung integrierten Songs, wie es in den 1940ern üblich war. Das Tanzen wären dann etwas zurückgetreten – vielleicht. Vielleicht deshalb, weil Astaire bis in die 1950er in allen seinen Musicals auch getanzt hat. Es wäre Verschwendung gewesen, ihn das nicht tun zu lassen. Trotzdem waren die Filme moderner in der Gesamtanlage als die der 1930er.
Ich hatte sehr, sehr viel Spaß mit den Astaire-Rogers-Filmen und wusste vor dem Anschauen nicht, dass der Film mit dem Tod von Vernon Castle endet. Es zeichnete sich allerdings ab, die Handlungsführung ließ darauf schließen, dass noch etwas passieren könnte, was von den übrigen Filmen der beiden stark abweicht. Der Ton des Films ist aber auf dieses Ende ausgerichtet, ist bei Weitem nicht so auf Quirligkeit ausgelegt wie in den vorausgehenden Produktionen.
Mein Lieblingsfilm mit den beiden Tänzern von Hollywood kann „Castle“ natürlich nicht sein, schon wegen dieses Endes, das, wie eine zeitgenössische Kritik anmerkt, nicht so recht zu den beiden passt. Ich fand es nicht inadäquat, aber mir hat der Zauber des Auftakts am besten gefallen, „The Gay Divorcee“, der erste Film der beiden, der ganz auf sie zugeschnitten wurde (1934). Alles war frisch, neu, einfach großartig und stellenweise sogar berührend. Schon der Nachfolger „Top Hat“, der für viele der beste aller Astaire-Rogers-Filme ist, weil er schon einen hohen Perfektionsgrad aufweist, ist gleichzeitig ein halbes Remake von „The Gay Divorcee“.
Es ist vielleicht ein wenig zu symbolisch, dass nach dem Film, in dem Fred Astaires Figur am Ende stirbt, Schluss mit dem Teaming von Astaire und Rogers war, aber er ist auch ein würdiger Abschluss, der noch einmal den Zauber entwickelt, der alles auszeichnet, was die beiden zusammen gemacht haben. Dass dieses Mal das übliche Strickmuster nicht angewendet werden konnte, ist eben der Tatsache zu verdanken, dass man reale Menschen porträtiert hat, die in der amerikanischen Popkultur des frühen 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt haben und dabei keine zu großen Abweichungen von der Realität darbieten wollte. Das wäre wohl aus rechtlichen Gründen auch nicht möglich gewesen, denn der Film basiert auf Erinnerungen von Irene Castle, die auch beratend tätig war.
The Story of Vernon and Irene Castle war der neunte gemeinsame Film von Fred Astaire und Ginger Rogers und zugleich der einzige mit einem tragischen Ende. Der von RKO Pictures produzierte Film basiert auf den beiden Geschichten My Husband und My Memories of Vernon Castle von Irene Castle, die die Filmrechte für 20.000 Dollar an RKO verkauft hatte und auch als technische Beraterin bei den Dreharbeiten zum Einsatz kam. Dabei widersprach sie im Hinblick auf die Kostüme und die künstlerischen Freiheiten mehrfach den Anweisungen von Regisseur H. C. Potter und auch den Vorstellungen von Hauptdarstellerin Ginger Rogers. Vor allem störte es Castle, der man auch die Rolle ihrer Mutter angeboten hatte, dass sich Rogers weigerte, ihre Haare brünett zu färben und sie zu einem Bob, wie ihn Castle trug, schneiden zu lassen.[1]
Erste Sequenzen des Films wurden Ende Oktober 1938 gedreht. Die eigentlichen Dreharbeiten erfolgten vom 10. November 1938 bis 26. Januar 1939. Drehorte in Kalifornien waren unter anderem Bel Air, der Long Beach Municipal Airport, Newport Beach und Triunfo. Die Uraufführung fand am 29. März 1939 in New Yorks Radio City Music Hall statt. In Deutschland wurde das Filmmusical nicht veröffentlicht. (Weswegen es als einzige der insgesamt 10 Kooperationen von Astaire und Rogers auch keinen deutschen Verleihtitel hat, siehe oben, Anm. TH)
Der Castle Bob wird im Film zwar als Neuigkeit herausgestellt, aber ich hatte mich gewundert, dass er gar nicht wie ein richtiger Bob aussieht, obwohl Rogers die Haare zum Ende hin durchaus kürzer trägt als zu Beginn. Doch warum endete die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Fred Astaire nach diesem Film? Genaues steht nicht in den Wikipedia-Biografien der beiden Stars, aber das Ende scheint eher von Ginger Rogers als von Fred Astaire ausgegangen zu sein, ihr schauspielerischer Ehrgeiz war auch wohl der größere. Es erwies sich als richtig, dass sie eine Solokarriere anstrebte, denn schon 1941 gewann sie für die Titelrolle in „Kitty Foyle“ den Oscar als beste Hauptdarstellerin, was Astaire bei den Männern nie gelang. Astaire machte, bis auf seinen allersten Film und „A Damsel in Distress“ (1938) zunächst nur Filme mit Rogers, während diese stets nach weiteren Rollen Ausschau hielt. Im Anschluss an ihrem Ausstieg aus dem Duo verließ Astaire RKO und landete, wie so viele etablierte Stars, bei MGM, dem größten Studio für Musicals und dem größten Studio Hollywoods. Anders als bei vielen anderen, die bei MGM eher nachließen, gelang Astaire aber der Übergang, und tänzerisch ist sein erster Film dort, „Broadway Melody of 1940“, zusammen mit der wohl besten weiblichen Stepptänzerin in der Filmstadt, Eleanor Powell, einer seiner technisch besten. Die Karriere der Castles, die in „The Story of Vernon and Irene Castle” porträtiert warden, endete abrupt durch den Tod von Vernon Castle, Rogers und Astaire jedoch hatten lange und auf unterschiedliche Weise erfolgreiche Einzelkarrieren, auch nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit.
Finale
Sie haben also bewiesen, dass sie es jeweils alleine bzw. mit anderen Partner:innen können, deswegen ist der Abschluss ihres Teamings mit „Castle“ ein würdiger und kein Grund zum traurig sein, auch wenn Astaire hier, vermutlich nicht nur das einzige Mal in einem Film mit Rogers, sondern während seiner gesamten Tanzkarriere, seine Rollenfigur in den Tod gehen lassen muss. In seinen späten Filmen, in denen er nicht mehr tanzt, kommt das wieder vor, etwa in in „On the Beach“ (1959), dem ersten Film nach seiner Tanzkarriere, die mit „Silk Stockings“ 1957 endete. Das Finale des Finales überlassen wir den zeitgenössischen Kritikern:
Variety bezeichnete The Story of Vernon and Irene Castle als „spitzenmäßige Kinounterhaltung“. Irene Castles persönliche Lebensgeschichte sei „offenkundig mit beachtlicher Gewissenhaftigkeit und einem Minimum an Bombastik und Heroismus in Zelluloid verwandelt“ worden. Ginger Rogers und Fred Astaire seien in ihren Rollen „exzellent“.[2]
Frank S. Nugent von der New York Times fand, dass Astaire und Rogers „durchweg in Bestform“ getanzt hätten und dies „gut genug“ sei, „um den Castles alle Ehre zu machen“. Herausgekommen sei „eine schön erzählte Geschichte“, die „mit aufrichtigen und dynamischen Darstellungen sowie einer soliden und stimmigen Produktion“ aufwarten könne. Die beiden Hauptdarsteller sei man jedoch anders gewohnt. Ein Happy End passe besser zu ihnen.[3] Der Filmkritiker Leonard Maltin lobte die „vielen guten Tanzeinlagen und Songs“.[4]
Wir vergeben für diesen würdigen Abschluss einer großen Ära
73/100.
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1),kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | H. C. Potter |
|---|---|
| Drehbuch | Richard Sherman, Oscar Hammerstein, Dorothy Yost |
| Produktion | George Haight |
| Musik | Robert Russell Bennett |
| Kamera | Robert De Grasse |
| Schnitt | William Hamilton |
| Besetzung | |
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