Filmfest 1335 Cinema
Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief ist eine deutsche Filmkomödie von Helmut Dietl und Patrick Süskind, die 1997 in Deutschland mit 3,2 Millionen Kinobesuchern zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres gehörte.
Dass Heiner Lauterbachs Produzentenfigur Oskar Reiter nach Bernd Eichinger gestaltet ist und dass der kettenrauchende Regisseur Uhu Zigeuner das alter ego von Helmut Dietl darstellt, konnten wir ungefähr ohne Unterweisung erkennen, der scheue Autor Windisch soll auf Patrick Süskind hinweisen, ergo das Buch „Lorely“ auf „Das Parfüm“. Auch die übrigen Charaktere sind an reale Menschen aus der Medienwelt angelehnt.
Handlung (1)
In dem Münchner Restaurant „Rossini“ trifft sich die Medienszene der Stadt, darunter der Regisseur Uhu Zigeuner, der Produzent Oskar Reiter und der Dichter Bodo Kriegnitz.
Zigeuner und Reiter wollen unbedingt den Bestseller-Roman „Die Loreley“ des überaus menschenscheuen Schriftstellers Jakob Windisch verfilmen, obwohl der Autor sich immer wieder dagegenstellt.
Die durch die Weigerung entstehenden Verzögerungen bringen vor allem den Produzenten Reiter in Schwierigkeiten, dessen Bankiers ihm den Geldhahn zudrehen und sogar seine Produktionsfirma übernehmen wollen.
Reiter selbst steht daneben noch im Konkurrenzkampf mit Kriegnitz um die schöne (und selbstsüchtige) Valerie, die es genießt, von den beiden umworben zu werden. Als ihr jedoch der unattraktive Arzt Dr. Gelber einen Heiratsantrag macht und ihr – in seiner unbeholfenen Art sehr romantisch – in einer Schatulle seinen sämtlichen Besitz schenkt, erkennt sie, dass es ihren beiden Verehrern Reiter und Kriegnitz nicht um sie selbst, sondern nur um den Wettstreit gegeneinander geht.
Außerdem tritt die sexuell unterforderte Society-Reporterin Charlotte nach und nach erfolglos Zigeuner und Reiter zu nahe und vergewaltigt am Ende Windisch, was diesen zutiefst verstört. Er wird durch seine heimliche Verehrerin, die Kellnerin Serafina, gerettet und nach Hause gebracht. Auch sie wird jedoch enttäuscht, als sie mit ihm intim werden will.
Die geplante Verfilmung bringt noch Weiteres mit sich: Scharenweise strömen mehr oder minder begabte Blondinen, die sich um die Rolle der Loreley bemühen, ins Produktionsstudio oder ins Restaurant, ohne jedoch auch nur annähernd beeindrucken zu können. Ein hübsches Mädchen, das unter dem Namen Schneewittchen in Erscheinung tritt, setzt sich dagegen gekonnt in Szene und geht auch geschickter vor: Sie wirft sich jedem an den Hals, der ihr dabei behilflich sein könnte, die Rolle zu bekommen. Erst verschafft sie sich durch Rossini Zugang zum Restaurant, dann verdreht sie Zigeuner den Kopf, bald darauf auch Reiter.
Rezension
Helmut Dietl wurde zusammen mit Helmut Fischer bekannt, als er „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ drehte und ist uns bisher vor allem als Macher des herrlichen „Schtonk!“ bekannt, die Erwartungen an „Rossini“ waren daher nicht gering. Dass zwischen diesen beiden Filmen nur fünf Jahre liegen, mag man kaum glauben; es liegt aber vor allem daran, dass „Schtonk!“, der sich um die gefälschten Hitlertagebücher dreht, die 1983 zu einem Skandal und gleichermaßen zu einer Lachnummer wurden, sehr zeitgebunden wirkt, während „Rossini“ mit seiner Parade der Eitelkeiten schon hätte in den 1980ern ähnlich gemacht werden können, aber stilistisch bereits ein Film des neuen Millenniums darstellt. Der Unterschied zu heutigen Produktionen ist gering, die Kameraarbeit, die Ästhetik der Dekors und der gesamten Inszenierung betreffend. Insofern hat Dietl einen modernen Film gemacht, dessen Production Values sich immer noch sehen lassen können.
Etwas Wehmut kommt ebenfalls auf, denn Bernd Eichinger ist tot und Helmut Dietl seit einigen Monaten ebenfalls. Leute, die im provinziellen deutschen Filmbusiness der 1970er und 1980er Jahre wirklich etwas bewegt haben. Eichinger fehlt uns am meisten, weil er den Mut hatte, Projekte zu machen, die nicht alltäglich waren und ein hohes Risiko des Scheiterns bargen. National und international war Eichinger tätig. Irgendwie fängt es da schon an – ihn mit der Figur des Oskar Reiter auf einen manischen und egomanischen Fritzen zu reduzieren, der ohne Filme nicht leben kann. Letzteres mag zutreffen, aber was Eichinger für den deutschen Film getan hat, klingt nicht einmal an, dazu ist die Figur, die Lauterbach spielt, zu beliebig. Eichinger wird quasi auf das Format gebracht, das alle anderen in diesem Film haben – und dies ist nicht so riesig. Dass Dietl mit dem Regisseur Uhu Zigeuner Distanz zu sich selbst und seinen vielen Ehen und möglichen Obsessionen hält, ist selbstverständlich seine Sache und besser, als zu viel Mitleid für die armen Menschen im Filmbusiness zu verlangen.
Die Gesellschafts- und Mediensatire jedoch, die sich an einem Ort in München abspielen soll, an dem es ein reales Vorbild-Restaurant gibt, ist zwar ziemlich gepfeffert, vor allem die Sprache betreffend. Es fehlt dem Film jedoch eine fokussierte Dramaturgie ebenso wie eine klare Haltung. Vielleicht sind wir auch nur mit allen Figuren unzufrieden, weil keine von ihnen sich zur Identifikation eignet (am meisten noch Serafina, die hilfreiche Kellnerin im „Rossini“). Alle kreisen um sich selbst, tricksen einander aus und schlagen sich um die Ehre „Die Loreley“ verfilmen zu dürfen. Die Übersteigerung ist in Ordnung, von wegen Weltbestseller, beinahe oder mehr gelesen als die Bibel, die deutsche Filmwirtschaft im Größenwahn, der ja ein gerne genommenes Motiv von Helmut Dietl ist. Alles okay. Das Arrangement ist recht originell, die Bestandteile der Handlung sind es nicht, weil man sie einzeln alle schon einmal gesehen hat. „Rossini“ ist also auch eine Art Kompendium und Bestandsaufnahme dessen, was das deutsche Kino im Komödienfach, insbesondere ab den 1980ern, entwickelt hat.
Vieles ist witzig und die Schauspieler können es umsetzen, unsere Favoriten in dem Film in der Reihenfolge, wie stark wir ihre Präsenz wahrgenommen haben: Veronica Ferres, Götz George, Mario Adorf, Heiner Lauterbach, Jan Josef Liefers, Joachim Król und Gudrun Landgrebe machen einen guten Job, aber ihre Leistungen in diesem Film at Top zu sehen, erfordert eine mehr ensemblemäßige Betrachtungsweise. In der hier gezeigten Konstellation waren sie niemals besser. Es gab auch nie so viele von ihnen in einem einzigen Film zu sehen, er ist also auch ein Ruf des Meisters, dem viele von denen gefolgt sind, die im deutschen Kino von 1997 etwas darstellten. Viele darunter, deren Karrieren durch Dietl, aber auch durch Eichinger gefördert oder in Gang gebracht wurden. Und wirklich ist das ein recht kleiner Kreis, da kennen sich alle. Für das viel größere Hollywood gilt das allerdings ebenso, aber da sie nicht alle in ein Restaurant passen, könnte man als Handlungsort wohl Graumans chinesisches Theater oder eine ähnliche Location wählen, mit dem eher ungemütlichen Sitzen bei Tisch wäre es dann allerdings nichts.
Finale
Dass Schauspieler und Filmleute im Ganzen sehr vernarrt in sich und ihre Arbeit sind, dass man ihnen gerne unterstellt, ihre Anlage als Menschen, die andere Menschen darstellen, mache sie weniger fähig zur Entwicklung einer persönlichen Emotionalität und tiefer Gefühle, darüber hätte man einen guten Film machen können. Doch das Frustrierende an der Selbstreflexion in „Rossini“ ist, dass genau dies nicht wahrzunehmen ist. Wenn es darum geht, Romane zu adaptieren und schicke Originaldrehbücher so zu verfilmen, dass man als Zuschauer tatsächlich mitgerissen wird, ist die Münchner Filmsociety doch recht fähig, manchmal jedenfalls, denn sie hat auch viel Klamauk zustande gebracht.
Ein Film kann sehr wohl tiefgründiger veranlagt sein als die Menschen, die in ihm zu sehen sind, aber das eben fehlt „Rossini“. Wir verstehen, was uns über die Medienleute gesagt werden soll, doch es fehlt der „Way out“ ebenso wie eine echte Klimax. Es sei denn, man sähe Valeries Tod als solche an, oder wie sich das blonde Schneewittchen zur Loreley entwickelt und alle Männer nicht anlockt, sondern anmacht, um sich dann demjenigen zuzuwenden, der die größten Chancen hat, sie zum Film zu bringen. Fortsetzung möglich, wurde aber nicht gedreht. Die Besetzung liest sich heute noch eindrucksvoll, zumal in der Realität diejenigen, die in der folgenden Tabelle ab dem zweiten Drittel aufgeführt sind, sich in den kommenden Jahren immer mehr in der ersten Reihe etablieren sollten.
65/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Helmut Dietl |
|---|---|
| Drehbuch | Helmut Dietl, Patrick Süskind |
| Produktion | Helmut Dietl, Norbert Preuss |
| Musik | Dario Farina, Paolo Conte (Songs) |
| Kamera | Gernot Roll |
| Schnitt | Inez Regnier |
| Besetzung | |
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