Filmfest 1346 Cinema
Les Résultats du féminisme (Die Folgen des Feminismus) ist eine französische Stummfilmkomödie aus dem Jahr 1906 unter der Regie von Alice Guy. Der Film erhielt bereits 1912 als Im Jahr 2000 ein Remake.
Bei der Sichtung der „Female Comedies“, 14 kurzer Filme aus den Jahren 1906 bis 1927, die von Arte gerade gezeigt werden, ereilt mich eine Überraschung nach der anderen. Da geht es um Zuschreibungen, um Einschätzungen, um die Rezeption von Filmen und um eine Welt, die im Ganzen sehr faszinierend ist. Der letzte Film, den ich angeschaut habe, war „Madame hat Gelüste“ von Alice Guy. Erstaunlich fand ich, wie gut der Film rezipiert bzw. analysiert wurde und – erwartete eine ähnlich starke Repräsentation in den Wikipedia-Versionen englisch- und französischsprachig für einen der sicherlich ersten Filme über den Feminismus, der zu einer Zeit entstand, als die Suffragetten gerade erst anfingen, auf die Straße zu gehen und Frauen, wie ein Kritik bemerkt, noch nirgends in Europa das allgemeine Wahlrecht hatten. Von dem, was wir im Film sehen, war man noch viel weiter entfernt. Wir äußern uns dazu in der Rezension.
Handlung (1)
Eine Gesellschaft, in der die Rollen von Männern und Frauen vertauscht sind. Leicht verweichlichte Männer nähen, bügeln und kümmern sich um die Kinder, während Macho-Frauen in Cafés trinken und Zeitung lesen und Männern den Hof machen. [1]
Handlung[2]
Die Rollen sind vertauscht. Männer verhalten sich wie Frauen und Frauen wie Männer: verweichlicht, Männer schmücken ihr Haar mit Blumen und erledigen Hausarbeit, widmen sich dem Nähen und Bügeln… Währenddessen wird in einer Bar getrunken, geraucht und verführt. Am Ende rebellieren die Männer, und alles kehrt zum „Normalen“ zurück.
Rezension
Ich sichte diese kleine Werkschau nicht chronologisch, sondern nach Länge der Filme, anfangen hat es also mit „Die klebrige Frau“, der 3 Minuten Spielzeit aufweist, mittlerweile sind wir bei einem Achtminüter gelandet, einem Halb-Reeler, wenn man so will, und der heißt „Das Resultat des Feminismus“. Ich musste an etwa zwei Mal wirklich lachen. Das gelingt mir z. B. aktuell bei der Sichtung von Frühwerken amerikanischer Filmkomik-Größen selten. Die Männer sind in „Feminismus“ so schön tuntig und die Frauen so herrlich derb. Doch am Schluss revoltieren die Männer und alles ist wieder wie zuvor.
Ist der Film deshalb eine Absage an den Feminismus? Kluge Kritiker halten ihn für einen klugen Film und ich schließe mich dem an. Die Wiederherstellung der Ordnung muss man demnach so verstehen: Was wäre, wenn die Männer wirklich so unterdrückt wären, wie die Frauen es hier vorführen? Sie würden wohl zu Recht protestieren. Warum aber soll dies nicht auch den Frauen zustehen, die im Patriarchat von den Männern unterdrückt werden?
Wenn man bedenkt, dass der Kurzfilm von einer wegweisenden Filmemacherin gedreht wurde, können wir nur davon ausgehen, dass alles satirisch ist. Dass es gerade um „die Folgen des Feminismus“ geht, wäre in Wirklichkeit nicht der lächerliche Rollentausch, der hier präsentiert wird. Aber in diesem Zusammenhang ist das Ende ziemlich interessant: Die Männer drängen die Frauen aus der Bar und stoßen an. Sollen wir das so lesen, dass die natürliche Ordnung wiederhergestellt wird? Wahrscheinlicher ist, dass es bedeuten soll, dass diese Männer die Gleichberechtigung mit den Frauen erreichen; Dieser Punkt von Guy ist: „Wenn Männer in der Situation von Frauen wären, würden sie es auch ändern wollen.“[3]
Es wird oft gesagt, dass der Grund, warum einige Männer den Feminismus fürchten – und warum sich Gruppen mit Macht dagegen wehren, ihn zu teilen – darin besteht, dass sie, da sie immer in einer hierarchischen Welt gelebt haben, sich kein anderes Modell vorstellen können, also gehen sie davon aus, dass das, was Frauen wollen, die Art von Macht über Männer ist, die Männer über sie haben (oder historisch hatten). In diesem klassischen Kurzfilm aus dem Jahr 1906 stellt sich die legendäre Filmemacherin Alice Guy vor, wie eine solche Welt aussehen könnte. Es ist ein kluges kleines Stück, das von einigen als antifeministisch, aber scharf satirisch empfunden wird – und indem es suggeriert, dass Männer es letztlich nicht ertragen würden, auf diese Weise behandelt zu werden, wirft es die Frage auf, warum sie dies von Frauen erwarten.[4]
Die beiden zitierten Kritiken sind natürlich umfangreicher und sehr präzise in ihrer Beobachtung, besonders Letztere. Was wir teilweise eher intuitiv bemerkt haben, drücken sie exakt aus. Zum Beispiel gibt es in dem Film eine Schlafzimmerszene, die ich so interpretiert habe. Eine Frau versucht, einen Mann ins Bett zu kriegen, zieht ihn aus und man hat Angst, dass sie ihn vergewaltigen wird – er greift zu einem Mittel, das Frauen in solchen Situationen anwenden, er täuscht einen Ohnmachtsanfall vor, um sich zu schützen. Das heißt, er verlässt sich darauf, dass die Frau doch keine Person mit Gewalt nehmen wird, die keinerlei Möglichkeit mehr hat, sich zu wehren. Nicht wenige männliche Vergewaltiger sind durch eine solche Defensivmaßnahme aber nicht zu bremsen, anders als die Frau in der kurzen Szene. Außerdem ist, wie die obige Kritik ebenfalls anmerkt, da schon der sexuelle Subtext oder gut an der oberfläche lesbare Text drin, der Alice Guys spätere Werke nach Ansicht des Kritikers auszeichnet. Wir können das zum Beispiel für „Madame hat Gelüste“ bestätigen, der fünf Jahre später entstand.
Der Tausch der Rollen, heißt es weiter, habe für die Männer nicht nur Nachteile, weil sie sich, die Kinder an der Hand oder im Wagen, zum Plausch treffen können, trotz der vielen Hausarbeit, die sie zu verrichten hat. Wer dann für die Erwerbsarbeit zuständig ist, zeigt der Film selbstverständlich nicht, denn eine Frage hätte nicht gelöst werden können: wie mit den vielen körperlich anstrengenden Arbeiten in jener Zeit, die ausschließlich von Männern ausgeführt wurden? Nicht aus patriarchalischen Gründen, sondern, weil sie für Frauen tatsächlich kaum zu bewältigen gewesen wären. Bis zu einem gewissen Grad hat sich die Rollenverteilung eben auch daraus abgeleitet, dass typische ökonomischen Notwendigkeiten der Hochzeit des arbeitsintensiven, ausbeuterischen Kapitalismus zu beachten waren. Allerdings beleuchtet dieses Bild die Phase der Industrialisierung, nicht das, was zuvor war, nämlich eine überwiegend bäuerliche, Frauen und Männer gleichermaßen arbeitsmäßig bindende, aber trotzdem patriarchalische Gesellschaftsordnung.
Männer bilden in Alice Guys satirischem Film fast sämtliche klassischen Rollen der Frau ab: Sie machen die Hausarbeit, kümmern sich um die Kinder, sind aber auch wie in einem Salon zusammen und hübschen sich auf, um den Frauen zu gefallen. Das klappt auch ganz gut und an einer Stelle streiten sich zwei Frauen um einen dergestalt geschniegelten Mann, wie Männer es normalerweise tun, wenn sie beide das gleiche Mädchen begehren. Dass dabei in diesem Film der Mann, in der normalen Welt das Mädchen, nicht gefragt wird, gehört zu den vielen Spitzen, die man in dem Film entdecken kann.
Technisch gesehen ist der Film natürlich ein Kind seiner Zeit, der Stil der Erzählung ist eher rudimentär. Es gibt kaum eine Priorisierung bei den Gruppenszenen, was ist gerade wichtig, was geschieht am Rand, keine Tiefenwirkung, keine Kameraperspektive, die das Bild ordnet, das Gleiche gilt für die Dekors und den Einsatz der Schauspieler:innen. Ich meine aber, im Kino konnte man besser als an dem relativ kleinen Bildschirm, an dem ich diese Art von Filmen gerne anschaue, etwa ab der dritten Reihe alles Wichtige im Blick behalten.
Soweit man das überhaupt sollte. Denn die Wiederherstellung der Ordnung und die affektierte Art, wie die nunmehr von Frauen beherrschten Männer sich verhalten, waren wohl das, was zum Lachen reizte. Was das damalige Kinopublikum nicht gemerkt haben dürfte, ist, dass Guy die oben ausgeführte Frage aufwirft. Im Grunde hat sie also einen Film für die Nachwelt, für uns gemacht, die wir die weitere gesellschaftliche Entwicklung schon kennen und die vielen Diskussionen um Frauenrechte und wie sie schrittweise verwirklicht wurden.
Es gibt dabei einen tiefgehenden Gedanken, der in dem Film angelegt sein könnte: Die Annahme, dass Männer deswegen den Feminismus fürchten, weil sie glauben, Frauen würden sich, wenn sie erst die volle Gleichberechtigung haben, der Männer tatsächlich in der Form bemächtigen, wie der Film es zeigt. Dabei bedenken sie nicht, dass diese Art von Herrschsucht möglicherweise etwas spezifisch Männliches ist. Ist es das aber wirklich? Ich meine, wenn, dann mit Einschränkungen. Frauen in Machtpositionen verhalten sich nicht grundsätzlich fairer als Männer, wobei wiederum das Narrativ eine Rolle spielt, dass sie sich männlich verhalten, um in einer Männerwelt bestehen zu können. Wir sagen mal: Es gibt solche und solche und bestimmte Formen der Übergriffigkeit, insbesondere, wenn sie mit körperlicher Gewalt verbunden werden, sind tatsächlich viel häufiger bei Männern zu beobachten. Das hat leider auch mit ihrer grundsätzlichen physischen Überlegenheit zu tun, womit sich eine weitere Ebene öffnet. Nämlich, dass Männer befürchten, Frauen könnten, wenn sie die Möglichkeit haben, Männer aufgrund ihrer höheren Intelligenz, nicht aufgrund eines ebenso ausgeprägten Machtinstinkts dominieren.
Finale
Sieht man davon etwas im Film? Vielleicht in der Form, dass die Männer in ihrer Weiblichkeit ungefährlicher, geselliger auf eine harmlose Art und niedlicher wirken als die Frauen, empathischer, wenn man so will. Insofern ist der Rollentausch auch auf der Ebene der Charaktereigenschaften nicht einfach lächerlich, sondern possierlich und zierlich. Wenn man in einer Gegend lebt, in der viele schwule Männer zuhause sind, merkt man, dass die Männer in Guys Film zwar etwas Tuntiges haben, aber das ist ja nur eine Ausprägung oder Ausdrucksweise von Homosexualität, die für Menschen gemacht ist, die auch ein Expositions-Gen haben. Drag Queens gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutlich noch nicht, Transgender war ebenfalls kein Thema, zumindest nicht in der heutigen Form, die eine Geschlechtsumwandlung medizinisch gesehen schon recht weit treiben kann, wohl aber „klassische männliche Homosexualität“ und natürlich die lesbische Liebe.
Überwiegend wird heute verstanden, warum der Film so sehenswert ist und an einer Stelle auch darauf hingewiesen, dass der Titel irreführend ist, weil er, wenn man das kurze Werk so liest, wie wir es oben durch Zitate und eigene Ergänzungen vorgeschlagen haben, eher davon kündet, was passieren könnte, wenn die Frauen gegen die Männer rebellieren würden, nicht umgekehrt. Zu einer echten Rebellion ist es nie gekommen, und leider hat die Gleichberechtigung im Wesentlichen nicht dazu geführt, dass Eigenschaften, die man als typisch weiblich im positiven Sinne einordnet, präsenter geworden sind, sondern eher dazu, dass Frauen sich tatsächlich in vielen Berufen durchsetzen, wenn sie sich wie Männer verhalten. Eine Synthese findet auch in Alice Guys Film nicht statt. Es gibt natürlich Ausnahmen im heutigen Realleben, wie die starke Präsenz von Frauen in Berufen, in denen es auf die ihnen zugeschriebenen Attribute tatsächlich ankommt und wo sie Männern überlegen sind und sie verdrängen, weil sie diese Eigenschaften dort wirklich einsetzen können, ohne in Gefahr zu sein, dadurch in einer Männerwelt als zu weich wahrgenommen zu werden. Vor allem sind dies natürlich die Care-Berufe.
Von allen bisher angeschauten Filmen der Reihe wird „Die Resultate des Feminismus“ von den IMDb-Nutzer:innen am höchsten bewertet (6,6/10) und ist auch relativ bekannt, es gibt gegenwärtig fast 1000 Stimmen, da kann man schon beinahe von Repräsentativität innerhalb der Gruppe von Nutzer:inenn sprechen, die sich für solche Filme aus der Frühzeit des Kinos interessieren. Dafür, dass das Medium gerade (notabene als Kino, nicht das Medium Film an sich) elf Jahre alt war, vorpubertär sozusagen, als Alice Guy diesen Film gedreht hat, ist er ungewöhnlich durchdacht und reich an Motiven. Die Ausführung ist noch nicht sehr zentriert, das muss man auch beachten, wenn man den Film ins Verhältnis zu anderen Produktionen der Zeit setzt, doch gerade für 1906 ist er fast schon ein Meilenstein.
76/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2024)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie: | Alice Guy |
|---|---|
| Vertrieben von | Gaumont |
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Erscheinungsdatum
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Laufzeit
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7 Minuten |
| Land | Frankreich |
| Sprache | Stummfilm |
[1] Les Résultats du féminisme – Wikipedia
[2] Die Ergebnisse des Feminismus – Wikipedia
[3] Silent Shorts Zusammenfassung | 100Films.co.uk
[4] Die Folgen des Feminismus (1906) Filmkritik von Eye for Film
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