Filmfest 1361 Cinema
Erinnerungen an Schwarz und Weiß
Der Wixxer ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahr 2004 des Regisseurs Tobi Baumann. Der nach einem Drehbuch von Oliver Kalkofe, Oliver Welke und Bastian Pastewka entstandene Film parodiert die Edgar-Wallace-Filme der 1950er und 1960er Jahre, insbesondere den Film Der Hexer von 1964. 2007 erschien die Fortsetzung Neues vom Wixxer in den deutschen Kinos.
Deutscher Humor ist immer eine Sache, die man genauer untersuchen muss, weil man nicht so eindeutig sagen kann wie bei den Monty Pythons oder bei den Marx Brothers: Das war Spitze!
Die Parodie ist außerdem eine eigene Form des Humors, bei der man besonders viel falsch machen kann, in einem Langfilm noch einmal mehr als bei Sketchen, und aus dem Metier der kurzen Gags kommt ja ein Großteil der Mannschaft, die für „Der Wixxer“ verantwortlich zeichnet, vor der Kamera und drehbuchseitig.
Handlung (1)
In den Wäldern bei London liegt das mysteriöse Blackwhite Castle, eines der letzten „Schwarz-Weiß-Schlösser“ im Vereinigten Königreich. Dort residiert der Earl of Cockwood und geht seinen üblen Machenschaften nach. Eines Tages verirrt sich das sächselnde Ehepaar Dubinsky aus Bitterfeld in den Wäldern und wird Zeuge eines Mordes: Ein Lieferwagen überfährt den Mönch mit der Peitsche – der Wixxer hat wieder einmal zugeschlagen. Der Wixxer ist ein gefährlicher, mit Zylinderhut und einem knöchernen Schädel maskierter Verbrecher, der die Herrschaft in der Londoner Unterwelt übernehmen will und deshalb diverse Banditen aus der britischen Verbrecherszene tötet.
Scotland Yard setzt daraufhin seinen – vermeintlich – besten Mann auf den Fall an: Chief Inspector Even Longer. Dieser hat Schuldgefühle aufgrund des Todes seines Partners Rather Short, der vom Wixxer erschossen wurde. Unterstützung bekommt der Chief Inspector von seinem neuen Partner, Inspector Very Long, der ein begnadeter Jo-Jo-Spieler ist. Als Hauptverdächtiger gerät der Earl of Cockwood ins Visier der beiden Fahnder. Der Earl ist offiziell Mopszüchter, obwohl er mehr mit anderen (kriminellen) Dingen beschäftigt ist und einen gutgehenden Schmugglerring für Girlgroups leitet. Doch letztlich bereitet der Wixxer auch ihm – wie der gesamten Unterwelt Englands – Kopfzerbrechen. (…)
Rezension
Wir haben uns vor allem auf den Film gefreut, weil wir kürzlich eine Reihe der Edgar-Wallace-Filme deutsch-dänischer Provenienz aus den Jahren 1959-1965 rezensiert haben. (Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2025: Daraus ist im „neuen Wahlberliner“ unsere erste Werkschau geworden).
Da diese Filme sich im Lauf der Jahre immer mehr selbst parodieren, ist eine Parodie besonders heikel. Gerade „Der Hexer“ (1964), dessen Titel „Der Wixxer“ verballhornt hat, ist weit mehr eine Krimikomödie, die ihrerseits neueste Entwicklung wie die James Bond-Filme aufs Korn nimmt, als ein Gruselschocker. In unterschiedlich starker Ausprägung war das Humorige den meisten Wallace-Originalfilmen eigen. Das bedeutet, dass die Parodie noch einmal eins draufsetzen muss.
Manchmal ist das nicht schwer. Klaus Kinski zu parodieren, bietet sich geradezu an und das gelingt auch einigermaßen. Schwieriger ist es, eine Handlung zu produzieren, die sich an die Wallace-Filme anlehnt und nicht in einem Gagfeuerwerk untergeht. Das Timing spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie eine tragfähige Idee, den Krimiplot betreffend.
Wir finden, der Mädchenhandel, um den es schlussendlich – teilweise – geht, ist gar nicht schlecht inszeniert und spielt seinerseits auf eines der verruchten Themen aus den Originalfilmen an, wobei die Kombination Schloss und Mädchenhandel dort nie örtlich zusammenfällt, aus welchen Gründen auch immer (ein Mädchenpensionat auf einem Schloss darf es geben, der Mädchenhandel findet dann in einer verwunschenen Ecke des nebligen Londoner Hafengebietes statt).
Mit uns hat der Film es deshalb leicht, weil er mit zwei Sachsen anfängt. Den Dialekt, den wir ja von Kindesbeinen an nicht gewöhnt waren, finden wir so schauderhaft, dass seine satirische Aufbereitung geradezu eine befreiende Wirkung entfaltet, besonders, wenn er von Anke Engelke dargeboten wird. Olli Dittrich als deren Ehemann macht seine Sache ebenfalls sehr gut und der dritte im Bunde ist Regisseur Tobi Baumann, der auch Engelkes „Ladykracher“ inszenierte. Das Gespann der Zufallsverstrickten, das eher aus Hitchcock-Filmen oder aus der Rocky Horror Picture-Show denn aus den Original-Wallaces entlehnt ist, funktioniert also – auch, weil es den Film nicht dominiert.
Wenn man die Scotland Yard-Detektive in „Der Wixxer“ sieht, hat man natürlich das Dreigestirn aus „Der Hexer“ vor Augen: Joachim Fuchsberger als Bryan Edgar Higgins, Heinz Dracher als Wesby und Siegfried Schürenberg als Sir John (der Vorname „Bryan Edgar“ spielt auf Edgar Wallaces Sohn Bryan Edgar Wallace an, der ebenfalls Kriminalromane verfasst hat, die wiederum verfilmt wurden). Rudolf Völz, der in „Der Wixxer“ den Sir John spielt, war schon in dem einen oder anderen Original-Wallace als noch junger Schauspieler zu sehen, Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka sind die Kriminaler. Hier gibt es keine direkte Parodie wie die auf Kinski (dargestellt als ein Mädchenhehler nahmens Smeerlap von Lars Rudolph), sondern klar vom Original abgesetzte Typen. Pastewkas Rolle ähnelte mehr denen von Eddi Arent, der in verschiedenen Wallace-Filmen als Butler oder Privatdetektiv, Fotograf, mindestens einmal auch auf der dunklen Seite auftritt, aber an dessen Outfit mit Melone ist der zweite Scotland Yard-Detektiv orientiert.
Eine mit Kalkofe vergleichbare Figur gibt es in den Wallace-Originalen nicht und für uns war sein Auftritt gewöhnungsbedürftig und vermutlich ein wenig an Schmuddeldetektiv Columbo und dessen Nachfolgern bis hin zu Schimanski ausgerichtet, aber ohne dass wir ein unzweifelhaftes Vorbild verorten konnten. Das hat sicher dazu beigetraten, dass wir mit seiner Figur nicht so warm wurden wie mit einigen anderen, auch dieses sehr Trashige, das er hier zelebriert, ist Geschmacksache. Auf andere Weise gilt das auch für den Herrn von Blackwhite Castle, Earl Cockwood, der doch immerhin von Thomas Fritsch gespielt wird. Irgendetwas hat uns bei seiner Darstellung etwas aus dem Wallace-Universum herausgerissen. Wenn man an die Darbietungen von Altmeistern wie Fritz Rasp oder immerhin an Dieter Borsche denkt, wird verständlich, warum.
Gut aber wieder die Runde der Schurken aus verschiedenen Wallace-Filmen, denen der Earl vorsteht und die an die üblichen Runden der Erben erinnert, die sich auf Schlössern wie Blackwhite Castle versammeln und der Reihe nach umgebracht werden. Dass nur jemand aus dem versammelten Kreis es gewesen sein kann, wird allerdings nicht inszeniert, weil Blackwhite Castle hier nicht aus Witterungsgründen von der Außenwelt abgeschnitten wurde. Dieser Kniff musste bei den Originalfilmen schon mal herhalten, um klarzustellen, dass es keine Einwirkungen von außerhalb geben konnte.
Den Mönch mit der Peitsche haben wir schon erwähnt, aber auch der Frosch mit der Maske und andere kommen vor, angereichert durch neue Figuren wie den Arsch mit den Ohren. Die Szenen an der Tafel waren für uns mit die witzigsten im Film, weil sie sehr gut im Griff der Regie sind – jeder der Charaktere mach urkomische Gesten, wenn man genau hinschaut – was zugegeben schwierig ist, wenn man die Szene nicht anhalten und wiederholen oder in Zeitlupe sichten will. Der an Kermit angelehnte Frosch mit der Maske ist der Beste von allen, nicht nur, weil seine Rolle etwas mehr ausgedehnt wird als z. B. die des dummen Bogenschützen, der kaum mehr als ein Komparse ist, sondern, weil die Figur eine wirkliche Parodie auf den echten Frosch mit der Maske darstellt, der bekanntlich Titegeber und Bösewicht des allersten Edgar Wallace-Films der deutschen Serie ab 1959 ist. Dieser Film war noch ein vergleichsweise ernst gemeinter Krimi, trotz der schrägen Titelfigur und des Einsatzes von Eddi Arent.
Eine Betrachtung muss selbstverständlich dem Butler namens Hatler gelten, dargestellt von Christoph Maria Herbst. Unseres Wissens ist dies die erste deutsche Hitler-Parodie in einem Kinofilm und deshalb bemerkenswert. Außerdem ist auch diese nicht schlecht geworden, und 2004 musste man vielleicht nicht mehr die Diskussion führen, ob es angemessen ist, Hitler zu parodieren, aber ob man das in dem Land tun darf, aus dem er zwar nicht stammt, das er aber für seine Zwecke verwendet hat, könnte man aus Sicht der Opfer bzw. von deren Nachkommen möglicherweise verneinen, aber ins Personaltableau des Films passen Typ und Darstellung gut. Bisher haben sich nur die Engländer und Amerikaner an Hitler im Komödienfach herangetraut, wenn man so will, schlägt „Der Wixxer“ – allerdings dezent – hier ein neues Kapitel auf. (Anmerkung 2 anlässlich der Veröffentlichung: Wenn man den Begriff Hitler-Parodie etwas weiter fasst, kann man den deutschen Start auch mit 1992 und „Schtonk!“ ansetzen, explizit mit Hitler im Mittelpunkt einer Parodie: „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007) und „Er ist wieder da“ (2015)).
Die Gefahr, eine stringente Handlung durch zu viele Gags und deren Details zu verunmöglichen, oder doch auszubremsen, haben die Macher von „Der Wixxer“ gesehen, aber nicht ganz bannen können. Viele der in der Tat sketchartigen Momente ordnen sich nicht dem Konzept unter, sondern schwirren aus der Stand up-Comedy in den Film und sind nicht so recht einzufangen. Es gibt allerdings nur wenige Satiren, die gänzlich frei von dieser Überfrachtung sind und trotzdem einfallsreich. Die Fortsetzung „Neues vom Wixxer“ (2007), adäquat zu „Neues vom Hexer“ (1965) haben wir noch nicht gesehen, aber der Verdacht liegt nah, dass im ersten Teil schon so viele Gags verbaut wurden, dass der zweite nicht mithalten kann. So war’s ja auch bei den Vorbildfilmen.
An der Kinokasse war „Der Wixxer“, der knapp unter 5 Millionen Euro gekostet hat, mit 1,9 Millionen Besuchern in Deutschland nicht unerfolgreich, hatte aber das eindeutige Nachsehen gegenüber Bully Herbigs „Enterprise“-Parodie „(T)raumschiff Surprise“, der mit für deutsche Verhältnisse sehr hohen 9 Millionen Kinogängern der Kassenhit des Jahres 2004 war. Der Ruf von „Der Schuh des Manitou“, dem erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilm, eilte diesem Werk gewiss voraus. Auch wenn die Edgar Wallace-Reihe einen gewissen Kultcharakter hat und zu den wichtigen Bestandteilen der deutschen Filmwirklichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg gehört, hat sie nicht ganz die Breitenwirkung wie Karl May und die US-Produktion „Star Treck“, die zu den legendärsten (wenn auch nicht zu den erfolgreichsten) TV-Serien überhaupt zählt.
Finale
Wir halten „Der Wixxer“ überwiegend für gelungen und er ist bei weitem nicht so anzüglich, wie der Titel es suggeriert. Bis auf ein paar Zoten, die sich an der Figur des Schlossbesitzers Cockwood festmachen, gibt es keinen Sex-Trash. Ob der Film mit dem pornografischen Einschlag, den der Titel suggeriert, besser oder schlechter geworden wäre, lässt sich schwer sagen, aber so, wie er ist, kann er sich im Umfeld deutscher Comedy im Leinwandformat sehen lassen. Sehr hübsch und mit Liebe gestaltet sind übrigens die Sets, die aus Kostengründen in Prag entstanden, bei den Autos war man nicht so genau – nur der wichtigste Wagen, eine Rover-Limousine von Scotland Yard, ist britischer Herkunft. Der Lieferwagen, mit dem der Mönch überfahren wird, ist ein Citroen und weitere Polizeiwagen stammen sogar von Mercedes und anderen deutschen Marken – es sind allerdings zeitgenössische Modelle aus den 1960ern.
Mit der Atmosphäre der Originalfilme wird virtuos gespielt. Die Idee, das Schloss und was sich darin zuträgt, in Schwarzweiß zu halten und alles, was außerhalb des Anwesens abläuft, in Farbe, ist ein guter Kompromiss zwischen den heutigen Sehgewohnheiten und dem, was die meisten alten Wallace-Filme (bis etwa 1965) auszeichnet: Die Verdichtung durch (mehr oder weniger) kontrastreiche Ausleuchtung ohne die Milderung und Relativierung, die der Farbfilm zwangsläufig mit sich bringt. Beim Titel hat man sich für eine Zwischenvariante entschieden: Die Schrift ist in Blutrot gehalten, das Bild in S/W. Die Originalfilme Mitte der 1960er, also auch „Der Hexer“ und „Neues vom Hexer“ hatten einen farbigen Vorspann mit Schrift in dominantem Rot, gingen dann aber in Schwarzweiß über. Kurz darauf wurden die Wallace-Filme dann auch ganz in Farbe gedreht – wobei diese Änderung mit dem Niedergang der Reihe einhergeht. Unsere Bewertung liegt im oberen Drittel dessen, was wir für die Originalfilme vergeben hatten (bis 75/100):
70/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Tobi Baumann |
|---|---|
| Drehbuch | Oliver Kalkofe, Oliver Welke, Bastian Pastewka |
| Produktion | Christian Becker, David Groenewold, Anita Schneider, Oliver Kalkofe |
| Musik | Andreas Grimm |
| Kamera | Gerhard Schirlo |
| Schnitt | Ueli Christen, Marco Pav D’Auria |
| Besetzung | |
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