Das verwunschene Haus / Buster Keatons Nacht des Infernos / Die Geistervilla (The Haunted House, USA 1921) #Filmfest 1365 #Keaton #BusterKeaton

Filmfest 1365 Cinema – Werkschau Buster Keaton (21)

Das verwunschene Haus (Originaltitel: The Haunted House; Alternativtitel: Buster Keatons Nacht des Infernos, Die Geistervilla) ist eine US-amerikanische KurzfilmSlapstickKomödie aus dem Jahr 1921 mit Buster Keaton in der Hauptrolle, der auch gemeinsam mit Edward F. Cline für Drehbuch und Regie verantwortlich war.

Es hat schon einen Grund, dass in der Wikipedia Buster Keatons „One Week“ („Flitterwochen im Fertighaus“) famose 8,2/10 erhält (2025: 8,1/10) und „The Haunted  House“ (auch „Buster Keatons Inferno“) nur 7/10.

Dieser 2-Reeler mit 23 Minuten Spielzeit hat durchaus eine Handlung, aber die ist ziemlich erratisch. Vielleicht sind wir im Moment auch etwas unter Zeitdruck, aber da müsste es ja von großem Vorteil sein, dass die Möglichkeit, den Media Receiver für seinen Nachfolger zu räumen (die Telekom hat uns da regelrecht die Pistole auf die Brust gesetzt, daran fühlten wir uns in diesem Film angesichts des darin gezeigten Geschehens mehrmals erinnert), im Fall von „The Haunted House“ in nur 23 Minuten zu erledigen ist. Auch eine Rezension dafür ist schneller geschrieben als für den 16-teiligen Fernsehfilm „Babylon Berlin“.

Handlung (1)

In Buster Keatons Slapstick-Komödie „The Haunted House“ (1921) arbeitet Keaton als fleißiger Bankangestellter, der durch eine Reihe unglücklicher Missgeschicke in Schwierigkeiten gerät. Nachdem er versehentlich starke Klebstoffe verschüttet, klebt sämtliches Papiergeld an ihm und alles in seiner Umgebung fest. Es tauchen Bankräuber auf, und durch weitere Missverständnisse gerät Keaton selbst unter Verdacht eines Raubüberfalls, als man ihn mit einer Pistole und klebrigem Geld erwischt. Auf der Flucht sucht er Unterschlupf in einem alten Haus, das angeblich spukt.

Doch das Haus ist in Wahrheit das Versteck einer Bande von Falschmünzern – unter Leitung des korrupten Bankmanagers –, die zahlreiche Fallen und Tricks installiert haben, damit das Gebäude übernatürlich gefährlich wirkt. Die Situation wird noch chaotischer, da gleichzeitig eine Schauspieltruppe mit Geister- und Skelettkostümen in dem Haus herumschleicht, was zu immer absurderen und mehr und mehr gruseligen Begegnungen führt. Dazwischen stolpert Keaton über Rolltreppen, versteckte Klappen und Verkleidete, bis er das Komplott der Fälscher aufdeckt.

Am Ende wird Keaton bewusstlos geschlagen und träumt, wie er eine Himmelstreppe hinaufsteigt, aber zu Höllenstürzen verdammt wird, bis er wieder erwacht – alles war nur ein Albtraum. Schließlich wird seine Unschuld bewiesen und die Gauner überführt.  

Rezension

Vielleicht wird uns diese Befassung mit „Das verwunschene Haus“ selbst kurios vorkommen, wenn sie in einigen Jahren zur Veröffentlichung gelangen wird, aber dann werden wir uns vermutlich in guter Gesellschaft finden mit den Zuschauern, die jenen Film im Jahr 1921, also vor fast einem Jahrhundert (vor 104 Jahren, Veröffentlichung des Textes 2025), angeschaut haben. Es ist etwas schwierig zu beurteilen, ob er ihnen damals gefallen haben könnte.

So originell wie das Fertighaus ist er nicht, die Gagdichte hingegen ist sehr hoch und weil das ja so gerne gemacht wird, vergleichen wir doch wieder mit Charles Chaplin. Der hatte bereits „The Kid“ gedreht und das ist doch eine andere Hausnummer als die Filme, die Buster Keaton bis dahin in seiner Filmografie stehen hatte (2025: Die Langfilme eingeschlossen). Nicht nur ist die Handlung von „The Haunted House“ chaotischer als die irgendeines Chaplin-Films, den wir je gesehen haben, das Timing ist auch fast nicht vorhanden. Die Szenen werden rigoros in maximaler Geschwindigkeit hintereinander weg gefilmt. Wo haben wir eigentlich lachen müssen? Hier und da war ein Schmunzeln.

Allerdings gibt es die Kritiker-Fraktion, die den Keaton-Filmen unterstellt, sie seien im Grunde die ersten surrealistischen Meisterwerke, lange vor Luis Buñuel beispielsweise. Wir finden sie eher assoziativ. Es gibt eine Idee, die in der Wall Street beginnt, in der des 1921 in der Tat wesentlich mehr Bullen als Bären gegeben haben dürfte, das drehte sich bekanntlich im Herbst 1929. Da war Keaton längst viel weiter und hatte unter anderem den berühmten „Der General“ gedreht.

Das Surreale ist wohl, dass Keaton aus einer riesigen Limousine steigt und von dort einfach hinter den Schalter geht – offenbar sind wir heute bei so etwas verwirrter als das damalige Publikum, denn wir sind natürlich aufgrund der Zwischentitel davon ausgegangen, dass Keaton hier einen Chefbanker gibt. Aber, Ironie und Überraschung, er ist genau der kleine Kerl, den wir kennen, natürlich in einer kleinen Position und mit einer Tochter, die noch kleiner ist als er und überhaupt keine erkennbare Funktion hat, außer ihm später den Kopf anzuheben. In dem Moment träumt er sich die Himmelstreppe hinauf, die freilich Klappstufen hat und direkt in der Hölle endet, nachdem Petrus ihn abgewiesen hat. Nein, so wird das 1966, als Keaton starb, nicht gewesen sein. Komiker kommen alle in den Himmel, selbst die Marx Brothers. Aber es ist ja auch Theater: Die Truppe, die Faust spielt, hat ebenfalls lediglich die Aufgabe, ein paar Gags mit umfallenden Kulissen zu bestreiten, von wütenden Zuschauern im Margaret-Thatcher-Modus verfolgt zu werden („I want my money back!“) und dann im verwunschenen House einzuchecken und das ohnehin reichhaltige dortige Personaltableau zu bereichern.

Es wurde zeitweise ganz schön voll, in Charles Chaplins altem Studio. Ganz klar, dieser mittige Treppenaufgang, diese grandiose Symmetrie mit dem viel zu breiten Mittelstück von einer Holztreppe hatten wir schon mal gesehen – in Filmen, die Chaplin um 1916, 1917 drehte. Warum auch nicht, Keaton hatte etwas später angefangen und folgte Chaplin sozusagen nach, war in jenen schnelllebigen Zeiten sogar fast eine andere Generation. Deswegen gilt er ja auch als Komiker des 20. Jahrhunderts, während Chaplin das romantische Prinzip des viktorianischen Zeitalters in seine Filme einfließen ließ. In der Tat. Der einzige Moment, der hätte gefühlvoll werden können, endet damit, dass Keaton das Gesicht zur Seite dreht, als die Flamme, die den Bankschalter erreicht, ihn küssen will. Das ist schon eher 21. Jahrhundert.

Finale

Die Technikverliebtheit, die Keatons Stellung als moderner Komiker manifestieren soll, ist in „The haunted House“ nicht so ausgeprägt wie in einigen anderen seiner Stummfilm-Shorts. Hingegen kommt er doch recht häufig zu Fall, rollt sich ab, springt und wird gestoßen. Aber es gibt keinen ausgefeilten akrobatischen Trick, jenseits der verflixten Treppe jedenfalls. Die besten Kostüme waren für uns die beiden Skelette, auch wenn sowas in Nachtaufnahme gruseliger wirkt als bei voller Beleuchtung, und die Verkehrsregelung für die betuchten Gespenster war, auch okay. Was wir hingegen nervig finden, sind Szenen mit Leim, die eine halbe Ewigkeit lang ausgedehnt werden. Aber es muss den Menschen damals gefallen haben, denn derlei sieht man  häufig, in Stummfilmen der 1920er Jahre. Vermutlich war der Kunstharzleim oder auf was immer „Glue“ damals basierte, in jenen Jahren etwas Neues, zumindest in breiter Anwendung.

Eine Anmerkung ist unbedingt angebracht. „Stoneface“ Keatons Gesichtszüge sind in diesem Film gar nicht so unbeweglich. Aber die Sparsamkeit der Mimik wirkt von allen Elementen mit am präzisesten und es macht Spaß, hinzuschauen. Angesichts der Wildheit des umgebenden Geschehens ist Keatons Ausdruck ja immer noch vergleichsweise stoisch.

62/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2019)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Edward F. Cline,
Buster Keaton
Drehbuch Edward F. Cline,
Buster Keaton
Produktion Joseph M. Schenck
Kamera Elgin Lessley
Besetzung


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