Rio Grande (USA 1950) #Filmfest 1373 #DGR

Filmfest 1373 – Die große Rezension

Rio Grande ist ein US-amerikanischer Kavalleriewestern unter Regie von John Ford aus dem Jahr 1950 mit John Wayne und Maureen O’Hara in den Hauptrollen. Als Vorlage diente die 1947 veröffentlichte Kurzgeschichte Mission With No Record von James Warner Bellah.

Der letzte Teil der berühmten Kavallerie-Trilogie von John Ford zeigt John Wayne wieder als Kommandeur im Kampf gegen die Indianer, aber auch gegen seine eigene Frau, und es bedarf kaum einer Erwähnung, dass er beide Kämpfe letztlich gewinnt, wobei die Indianer weniger hartnäckig sind und sich nach Attacken immer wieder über den Rio Grande nach Mexiko zurückziehen, während Kathleen Yorke in einem Armeezelt untergebracht wird und sogar während eines Angriffs der Apachen einmal in Ohnmacht fällt.

Handlung (1)

Im texanischen Fort Starke herrscht 1879 große Unruhe: Apachen, die sich über die mexikanische Grenze zurückgezogen haben, starten von dort aus immer wieder Überfälle und können dann ungehindert wieder hinter die Grenze entkommen. Gerade hat der Kommandant des Militärpostens der US-Kavallerie, Ltn. Col. Kirby Yorke, eine Strafexpedition inklusive der Gefangennahme des gefährlichen Häuptlings Natchez hinter sich, da kommen neue Rekruten an. Unter ihnen befindet sich zu seiner völligen Überraschung auch sein Sohn Jefferson („Jeff“), den er fünfzehn Jahre nicht gesehen hat und der – wie ihm sein Freund, General Philip Sheridan, mitteilt – die Akademie in West Point wegen mangelnder Mathematik-Kenntnisse verlassen musste. Die gleiche Zeitspanne lebt Yorke von seiner Gattin Kathleen getrennt, weil er deren Südstaaten-Plantage damals zur Zeit des Sezessionskriegs auf Befehl Sheridans niederzubrennen hatte.

Der Lieutenant Colonel behandelt seinen Sohn wie jeden anderen Rekruten; es gibt keinerlei Vergünstigungen für ihn. Das ist allerdings auch Jeff sehr recht. Durch seine Fähigkeiten zu Pferde und bei einer ersten kleineren Prügelei mit dem älteren Soldaten Heinze erwirbt er sich den Respekt seiner Kameraden. Zu ihnen gehört auch der Rekrut Travis Tyree, der steckbrieflich gesucht wird, weil er in Notwehr einen Mann tötete; der ihn suchende Deputy Marshal wird von den Ausbildern um Sgt. Major Quincannon erfolgreich hingehalten. Noch während des Trainings der Neuen kommt Kathleen im Fort mit der Absicht an, Jeff heimzuholen, doch dieses Ansinnen misslingt: Der Sohn will zeigen, was in ihm steckt, und der Vater will seinem Sohn etwas beibringen. Kirby verbringt Zeit mit seiner Frau und trotz vieler Differenzen nähern sie sich langsam wieder an, als sie Reue für ihre früheren Verhaltensweisen füreinander zeigen. (…)

Rezension 

Wie war das Gefühl nach dem Film? Erstaunt, gerührt und entrüstet. Der dritte Teil der Trilogie ist sicher der seltsamste und am wenigsten dramaturgisch konsequenteste, dafür wird gewaltig auf die Tränendrüse gedrückt und bei uns hat’s funktioniert. Es hat uns aber nicht den Blick verstellt für die Macken des Films, und davon gibt es einige.  

Was sind die größten Stärken und die größten Schwächen? Die größte Stärke ist die Manipulation am Zuschauer, die Ford hier bis zur Perfektion getrieben hat. Liebe, Kameradschaft, Gefahr, füreinander einstehen, das Land zivilisieren, die Armee hochleben lassen – da ist alles drin, was den Amerikanern heute noch gut gefällt. Und natürlich rührende Momente, die allerdings drehbuchseitig mit großer Mühe integriert wurden, insbesondere die Lieder im Stil der Zeit. Im Stil der frühen 1950er, wohlgemerkt, nicht der 1870er Jahre, in denen der Film angesiedelt ist. Stark ist natürlich die Besetzung. John Wayne spielt den Kommandeur und Vater mittlerweile, als wenn dies seine zweite Haut wäre, was in mancher Hinsicht zutrifft. Wayne ist ganz eindeutig Wayne und fühlt sich als aufrechter und pflichtbewusster, um seinen Sohn besorgter und als Soldat hervorragender Mann pudelwohl. Maureen O’Hara ist ein tolles weibliches Gegenstück, da passt die Chemie. Das hat auch Ford gemerkt und im Anschluss an „Rio Grande“ den oscar-gekrönten Irland-Film „Der Sieger“ („The Quiet Man“) gedreht, den wir übrigens besser finden als Rio Grande, vielleicht sogar besser als jeden Teil der Kavallerie-Trilogie. Sie war 1950 übrigens erst 29 bzw. 30 Jahre alt, hat aber in „Rio Grande“ einen Sohn von etwa 18 Jahren.

Ford musste zuerst diesen Film drehen, um von dem Studio Republic Pictures die Bewilligung für sein Wunschprojekt – die in Irland spielende romantische Komödie Der Sieger – zu erhalten. Herbert J. Yates, der Chef von Republic Pictures, soll Der Sieger eine „dumme kleine irische Geschichte, die einen Penny einbringen wird“ genannt haben.[4] Er befürchtete Verluste bei dem Projekt, die Ford im Vorfeld schon einmal mit dem als sicheren Erfolg eingestuften Rio Grande ausgleichen sollte. Auch im Film Der Sieger, der letztlich zu einem großen Erfolg werden sollte, waren Wayne und O’Hara in den Hauptrollen besetzt.

Der erste Teil der Kavarllerie-Trilogie heißt „Bis zum letzten Mann“ („Fort Apache“) (1948) und ist sicher der dramatischste der drei Filme, der zweite ist „Der Teufelshauptmann“ (1949)und die Figur des auf die Rente zusteuernden Hauptmann Brittles, der nochmal ran muss, bevor er die Uniform and den Nagel hängen darf, während Hauptdarsteller John Wayne gerade erst 42 Jahre alt war, ist legendär geworden und hat eine gewisse, reizvolle Melancholie, neben den üblichen militärischen und Frontland-Elementen der Trilogie.

Über die Schwächen haben wir jetzt noch nicht gesprochen. Zum einen die Dramaturgie. Da fällt „Rio Grande“ klar hinter die beiden ersten Filme der Trilogie zurück, besonders hinter „Bis zum letzten Mann“, der außerdem noch einen interessanten armee-internen Konflikt hat, der dem Film zusätzlich Spannung verleiht. „Rio Grande“ ist zweitweise eher ein Armee-Übungs- und Armee-Folklorefilm als ein packender Western. Erst zum Schluss hin kommt es zur notwendigen Action in Form der Ausradierung eines Indianerlagers. Womit wir bei der zweiten und größten Schwäche wären. Die gemütliche Machart des Films kann man auch nett finden, nicht aber die rassistische Tendenz. Wie hier die Ureinwohner dargestellt werden, ist zwar zeittypisch, das macht es aber nicht besser. Man hat sogar den Eindruck, Ford wird von Mal zum Mal bzw. von Kavallerie-Film zu Kavallerie-Film konservativer oder rechtslastiger, obwohl er angeblich Demokrat und Anhänger von F. D. Roosevelt war.

Was ist es genau, was so sehr stört? Wäre dieser Film in Deutschland unter Hitler entstanden, hätten ihn die Amerikaner nach dem Krieg als rassistisches Propagandawerk verboten. Die Indianer – wir nennen sie jetzt so, wie sie damals noch im Film und überall hießen – werden dargestellt als mordlustiger Haufen, der gerne Frauen umbringt, Kinder raubt und sich nach Überfällen feige hinter die amerikanisch-mexikanische Grenze zurückzieht, wohin John Wayne ihnen nicht nachreiten darf, was er sehr, sehr bedauert.

Am Ende gibt ein General auf eigene Faust doch den Befehl an Yorke bzw. Wayne, über den Fluss zu setzen, um die gefangenen Kinder zu befreien. Nachvollziehbar einerseits, und es kam vor, dass Natives Kinder von Weißen geraubt haben. Es kam Vieles vor, in den grausamen Indianerkriegen, von beiden Seiten. Aber die Angehörigen der Stämme der Apachen, die sich hier gegen die U.S.-Armee vereinigen werden nicht als Menschen, sondern als Tiere gezeigt, als Kampfmaschinen, die nicht einmal anständig singen können. Ford, weiß, was er seinem weißen Publikum schuldig ist, als er zuvor diese Prärie-und-Armee-Chorgruppe ein so reizendes Ständchen für die Frau des Colonel Yorke bringen lässt und in der nächsten Szene heulen die Indianer so unzivilisiert und unharmonisch wie irgend möglich in die Nacht hinein.

Das ist fies und – eben – manipulativ. In der Realität gab es gewiss keine solchermaßen mächtigen und kompetenten Chöre bei Truppeneinheiten im Hinterland, dazu noch einen Leadsänger, der Countrymusik im Stil der Zeit beinahe zu hymnischer Pracht veredeln kann. Das ist zu viel des Guten, obwohl es tatsächlich geradezu auf bestürzende Weise rührt, als er und seine Leute „Kathleen“ singen. Wer da nicht eh schon heult, dem wird vom irischen Major Sergeant Quincannon, der sich heftig schneuzt, beinahe befehlsartig darauf hingewiesen, dass spätestens jetzt der Moment fürs Taschentuch gekommen ist. So sentimental ist kein anderer Ford-Film, den wir bisher gesehen haben, und geht mit den Ureinwohnern der heutigen USA gleichzeitig so krude um. „Spuren im Sand“ (1948, ebenfalls mit John Wayne und sozusagen ein Zwischenfilm während der Kavallerie-Zeit) ist auch ein ziemlicher Tearjerker, aber er hat nicht diesen extrem feindlichen Unterton den Natives gegenüber. Natürlich ist der Film auch sehr, sehr militärfreundlich. Mit einer kleinen Note, was John Ford und seinen Lieblingsschauspieler John Wayne betrifft.

Welche Besonderheit gibt es zwischen Ford und Wayne? Ford war sauer, dass Wayne 1941 nicht zur Armee gegangen ist, wie viele berühmte Stars es taten und auch Regisseure aus Hollywood. Einige davon sind hoch dekoriert zurückgekommen, diejenige, die nicht in den Krieg gingen oder es nicht konnten – manche waren als gesundheitlich untauglich befunden worden – konnten ihre Karrieren während der Zeit von 1941-1945 ausbauen, weil eben viele Topkräfte wie etwa James Stewart nicht zur Verfügung standen. Dass ausgerechnet der Scharfmacher und Rechtsrepublikaner Wayne, der in seinen Filmen gerne so unbedingt mutig und pflichtbewusst rüberkommt, sich vor dem Krieg gedrückt hat, hat ihm in den Augen der Amerikaner offenbar nicht geschadet. Mit John Ford konnte Wayne in der Zeit allerdings keinen Film machen, denn Ford war selbst bei der Navy und hat dort preisgekrönte Kriegsdokumentationen gedreht.

Hat Ford nun vier oder sechs Oscars bekommen? Er selbst sagt, es waren sechs. Wenn man nämlich die Dokus „Schlacht um Midway“ (1942) und „Der 7. Dezember“ (1943) hinzurechnet, stimmt das. Für Spielfilme waren es vier als bester Regisseur, auch das ist bis heute unübertroffen. Und er hat sie verdient. Sein erster Oscar für „The Informer“ (1935) ist zwar umstritten, dafür hat er aber zum Beispiel keinen für „Stagecoach“, diesen epochalen Western bekommen, weil dieses Jahr 1939 eines der herausragenden in der Hollywoodgeschichte war – und in dem Jahr hatte „Vom Winde verweht“ fast alle wichtigen Oscars abgeräumt.

Ist die herausragende Stellung von Ford heute noch nachvollziehbar? Auf jeden Fall. „Früchte des Zorns“ von 1940 nach dem Steinbeck-Roman und mit Henry Fonda ist ein fantastischer Film, „The Searchers“ von 1956, wieder ein Western mit John Wayne, gilt als eines der besten Werke des Genres, obwohl es dafür keinen Oscar für Ford gab. Auch die Kavallerie-Trilogie hat ihren Reiz jenseits veralteter Ansichten darin bewahrt. Ford wurde von vielen als einer der Miterfinder des Spielfilms angesehen, wie wir ihn heute kennen. 1917 bereits begann er seine Karriere und lernte am Set, nicht auf einer Akademie, die es fürs Medium Film damals noch nicht gab.

Aber er half dem Film, die Reputation zu gewinnen, die er heute als eigenständige Kunstform genießt. Besonders stark sind immer noch die Bilder, das kann man auch in „Rio Grande“ wieder hervorragend sehen. John Ford hat einen ganz eigenen, pathetischen, nicht immer logischen Stil, und das zeichnet zumindest einige der großen Regisseure aus. Nehmen wir beispielsweise die Totalen oder Supertotalen. Da stehen die berühmten Felsen im Monument Valley, in dem auch „Rio Grande“ gefilmt ist. Diese sind komplettim Bild. Und unten reitet irgendwo ein Trüppchen Soldaten vorbei oder fährt ein Gespann, ganz klein. Die Kamera bewegt sich nicht, sie steht fest wie der Fels, den sie im Bild einfängt. Das macht Ford oft so, ganz bewusst. Wo andere Regisseure damals die fließenden Kamerabewegungen schätzen lernten, verharrt er in monumentaler Starre. Grandiose, ewige Natur, Menschen, die sich mühen, ihr Ding zu machen. Die Kavallerie reitet oft von rechts nach links am Horizont durchs Bild, aber selten folgt ihr die Kamera. Nicht in jenen statuarischen Totalen jedenfalls. Natürlich gibt es auch bewegte Szenen, während der Verfolgungsjagden, die mit einem Kamerawagen gefilmt sind. Ford hatte keinen veralteten, sondern einen bewusst dramatisierenden Stil, der eine ungeheure Suggestivwirkung aufweist. In jedem Kavallerie-Film von ihm gibt es auch Statisten, die der davonziehenden Armee hinterherschauen, oft von unten gefilmt oder von hinten. Egal, ob es sich dabei um Frauen der Soldaten oder um Angehörige der First Nation handelt, die auf Felsen sitzen – die visuelle Wirkung ist exorbitant eindrucksvoll. Man spürt, wie sich alles auf diese Männer zu Pferd zentriert und die Armee zur eigentlichen Hauptfigur des Films macht, auf die sich alle Augen richten.

Die Begeisterung für Fords Kinematografie ist also ungebrochen? Ungebrochen war sie bei uns nie, allerdings muss man vorsichtig sein. Auf eine wirklich barabarische Weise sind einige Ford-Filme geschnitten und verstümmelt worden, als sie in Deutschland in die Kinos kamen, und auf diese Fassungen greift z. B. das Fernsehen heute noch zurück – auch das ist ein Skandal, wo so viele Filme, die sicher nicht wichtiger sind, aufwendig restauriert werden. Und es wäre sogar einfach, denn in den US-Versionen gibt es die hierzulande geschnittenen Stellen. Besonders übel ist es bei „Bis zum letzten Mann“. Diesem Beinahe-Epos fehlt in der deutschen Version eine ganze Stunde. Klar, dass die Schnitte teilweise unsauber und die Figuren bezüglich ihrer Motivation rudimentär wirken, ihre Dialoge und Handlungen nicht schlüssig, die Szenenwechsel abrupt. Wer den Ford-Filmen aus dieser Schaffensphase gerecht werden will, sollte sich die US-Versionen der Filme besorgen. „Rio Grande“ ist hingegen wenig gekürzt, und auch das merkt man. Die Figuren handeln psychologisch beinahe kohärent, wenn es so etwas wie eine objektivierbare Figurenpsychologie gibt. Es ist jedenfalls alles nachvollziehbar. Wie der junge Yorke ins Regiment seines Vaters ist, nachdem er von Westpoint flog und der Vater ihm eine Standpauke hält. Nicht, weil er in Mathe durchgefallen ist, sondern weil es ihm unangenehm ist, dass man ihm den eigenen Sohn zugewiesen hat, was nach Protektion aussehen und Bevorzugung bewirken könnte. Auch die Position der Mutter ist verständlich, wird am Ende aber gewandelt. Der Sohn, der sich beweisen will, stellt sich gegen die Mutter. Alles denkbar, und gut gespielt. Wir sind eben in einer Männerwelt. Auch da gibt es schöne soziologische Komponenten – und auch nationale, neben der Rassensache, die wir angesprochen haben.

Wo wird der Film sozial kenntlich und wie kann man Nationen bei der Armee unterscheiden. Für die Armee und die Pflicht müssen Muttergefühle zurückstehen. Wo kämen wir hin, wenn die Mütter mit ihrer Sorge um die Söhne die Armeen schwächen würden? In „Der letzte Befehl“, einem späteren Kavalleriewestern von Ford, außerhalb der Trilogie gefilmt, wird das verkürzt, als ein Junge als letztes Aufgebot direkt aus der Miltärakademie der Südstaaten gegen die von Wayne angeführten Nord-Truppen zu Felde ziehen soll und will. Da will die Mutter ihn aus dem Glied reißen, schafft das auch, doch der Junge klettert aus dem Fenster und rennt seinen Kameraden hinterher.

Diese Botschaften sind kriegsfördernd, das muss Ford klar gewesen sein. Aber da die USA ihre Kriege ja als Notwendigkeit ansehen und als gerecht, wirkt das aus amerikanischer Sicht legitim, aus unserer Sicht erinnert das fatal an HJ, Volkssturm und die Zeit, als 15- und 16jährige aufgrund unsinniger Befehle ins Feld zogen, als der Krieg  längst verloren war. Allerdings ist das im Kern  eherein Problem von „The Horse Soldiers“ (1959), den wir schon für den Wahlberliner rezensiert haben (Anm.: Noch nicht veröffentlicht), als von „Rio Grande“, wo der junge Yorke ein immerhin fast erwachsener Rekrut ist, der sich selbstverständlich im Kampf bewährt.

Grundsätzlich aber ist die Haltung immer gleich – die U.S.-Armee mit den schönen Frauen und den stolzen Söhnen der verdienten Offiziere im Schlepptau bringt die Zivilisation in wüste Gegenden, die von unmusikalischen, dafür aber grausamen Ureinwohnern befreit werden müssen.

Die Nationen betreffend, hat Ford eine ganz klare Haltung. Dominiert werden Truppen von WASPs wie Yorke, in den mittleren Rängen finden sich häufig Iren, denen Ford sich aufgrund seiner eigenen irischen Abstammung besonders nah fühlt, und sie deshalb als kernig, aber emotional und als ungeheuer sympathisch zeigt. Deutsche gibt es auch, sogar und gerade nach dem Zweiten Weltkrieg war Ford wohl daran gelegen zu zeigen, dass die USA alle Nationen integrieren und keine Vorurteile haben. Allerdings haben die Deutschen in der Armee immer untergeordnete Positionen und werden irgendwie vermöbelt und sind nicht sehr helle, wie hier der Soldat Heinze, der den jungen Yorke für ein Protegée hält. Ein proletarischer Deutscher sozusagen. Da dürfte sogar etwas dran sein, denn die U.S.-Armee war lange Zeit von WASPs dominiert. Auch in den USA spielte die Herkunft durchaus eine Rolle. Außerdem gab es die großen Auswanderungswellen aus Deutschland erst in etwa ab der Zeit, in welcher der Film spielt und die Auswanderer gingen meist nicht in die Staaten, um Soldaten zu werden, sondern um Ackerbau zu betreiben, Handwerker oder kleine Händler zu sein, wie zuvor im zu engen und krisengeschüttelten Europa. Später haben sie vor allem viel zur Kultur der USA beigetragen. Das waren also Leute, die den in Fords Kavalleriewestern gezeigten ethnischen Deutschen ziemlich entgegengesetzt waren. Dazu gehörten zu der Zeit, als Ford seine Trilogie drehte, auch viele deutschstämmige Regisseure, die u. a. dem Genre des Film noir entscheidend Impulse verliehen. Visuell waren einige davon beinahe so gut wie Ford, aber eben aus ihren Erfahrungen der Emigration heraus anti-pathetisch.

Wie fällt das Gesamturteil aus? Durchwachsen. Emotional ist der Film mitreißend, wenn man sich die Hinterfragung verkneift, wie es damals und bei Ford besonders üblich war. Diese folkloristische Armee, die Ford uns zeigt, hat was. Sie bietet Abenteuer, Kameradschaft und vielleicht sogar Ruhm. Also genau das, was Yorke seinem Sohn in der erwähnten Rede sagt, was sie nicht tut. Das ist ein typischer Ford-Kniff, die Leute Dinge sagen zu lassen, die sie auch meinen und die, so denken wir, genau richtig sind, aber dann das Gegenteil durch den Verlauf der Ereignisse zu zeigen.

Dramaturgisch weist „Rio Grande“ Unebenheiten auf und die oben beschriebene Haltung gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern kostet auf jeden Fall Punkte. Da kann man eben nicht sagen, ist halt ein Film aus einer anderen Zeit, weil es hier nicht um Randerscheinungen geht, sondern um die Absicht, uns von jedem Mitgefühl für die in Wahrheit brutal verdrängten „Indianer“ abzuschneiden. Sie werden ja an einer Stelle auch als Bestien oder ähnlich bezeichnet, vom zweiten Mann des Kommandos hinter Yorke, dessen Frau sie niedergmetztelt haben. Als Charaktere kommen sie gar nicht vor, nicht einmal als Bösewichte, sondern nur als dumpfe, rohe Masse, deren Motive auch nicht ansatzweise erklärt oder nur erwähnt werden Das ändert nichts an den guten Schauspielleistungen und der wie immer bei Ford grandiosen Bebilderung, aber es schmälert das Gesamtverdienst, denn der Film ist dadurch eben nicht ein „zeitloses Meisterwerk“, sondern ein gut gemachter Film mit heute nicht mehr akzeptablen Botschaften.

Auch 1950 hätte man sich schon etwas weniger einseitig zeigen können, wie erste Film mit einer anderen, mehr ausgeglichenen Tendenz wie „Der gebrochene Pfeil“ (1950) beweisen. Die Nutzer der IMDb haben da auch ihre kleinen Bedenken. 7,3/10 (Stand 15.04.2014) sind zwar gut, aber nicht überragend (2025, zum Zeitpunkt der Publikation des Textes, noch 7,0/10). Frauen mögen den Film übrigens über alle Altersgruppen hinweg mehr als Männer. Vielleicht wegen der Mutter, die Maureen O’Hara so spielt, dass alle Mütter sich angesprochen fühlen. Dass Frauen für die antihumanistische Tendenz des Films offenbar kaum einen Blick haben, nehmen wir zur Kenntnis und stellen fest, auch sie sind nicht sozial-empathisch makellos. Was 1950 noch nicht spürbar ist – der Zynismus, den Ford zum Beispiel in „Zwei ritten zusammen“ (1961) zeigt. Darin kommen die Indianer auch nicht gut weg, aber dieses Mal sind die Weißen nicht besser.

Nachtrag anlässlich der Veröffentlichung des Textes im neuen Wahlberliner, Juli 2025.

„The Horse Soldiers“ haben wir als Double Feature mit „The Searchers“ noch einmal angeschaut: Der Film ist kritischer als die Kavallerie-Filme der Trilogie, hypt aber auch den Süden, wie so viele US-Filme, die wohl dem selbst gestellten Auftrag Hollywoods dienen, die Teile der Nation miteinander zu versöhnen. „The Searchers“ selbst kennen wir nun auch, und der Film ist wirklich interessant. Und es gab Abzüge für den Rassismus darin (75/100 anstatt 85/100). Was sich in der vorliegenden Rezension 2014 erst abzeichnete, ziehen wir mittlerweile konsequent durch, gerade, weil es darum geht, sich der Wucht entgegenzustellen, mit der die Reaktionäre dieser Welt gerade Oberwasser bekommen. Wir müssen häufig Abzüge wegen kulturell veralteter Darstellungen für wirklich alte Filme vergeben, auch für vergleichsweise primitive Stummfilm-Komödien, in denen auf Kosten bestimmter Gruppen gelacht werden soll. Umso mehr gilt das natürlich für Werke eines so begnadeten Filmemachers wie John Ford, der genau wusste, was er tat. 

Eine Theorie, warum die Filme um 1950er immer konservativer wurden, haben wir auch: Ford war durch das Kriegsgeschehen in Europa, das er miterlebt hat, durchaus traumatisiert, es hat ihn nicht kalt gelassen. Vielleicht ist diese Tendenz in den Kavallerie-Filmen auch der Versuch, noch einmal sich selbst all der Dinge zu vergewissern, die einmal unumstößlich schienen und fragwürdig geworden waren durch das große Sterben. Die andere Erklärung ist simpler: Es war die Zeit der Kommunistenhetze in den USA, die um 1950 ihren Höhepunkt erreichte, und man kann die immer gemeiner und jeglicher Individualität baren Native Americans auch als Kommunisten lesen, hinzu kommt, dass dieser Beginn eines moralischen Niedergangs der USA nach dem Zweiten Weltkrieg ein Trend war, und Ford war immer trend-sensitiv. Das zeigte sich in seinen letzten Filmen wieder, die viele Fragezeichen beinhalten, wie „The Man Who Shot Liberty Valance“ (1962), in dem der Western-Mythos deutlicher gebrochen wird als etwa in „The Searchers“. In diesem wird der Frauenraub durch „Indianer“ ganz konzentriert ausgespielt und trotz der Abzüge, die wir auch bei diesem Film vorgenommen haben, ist er vielschichtiger und gibt den Ureinwohnern ein Gesicht, es ist „Der schwarze Falke“, wie der Film auf Deutsch heißt und damit im Grunde die falsche Figur in den Titel hebt, denn der Film wird nach wie vor durch den Charakter eines Weißen zentriert.

Was machen wir nun aber mit der ursprünglichen Punktzahl von 65/100, die wir an den Schluss des Textes gesetzt hatten? Da war bereits ein Abzug für die Tendenz des Films drin, wir belassen es deshalb weitgehend bei dieser Punktzahl. Auch deswegen, weil eine Abweichung von mehr als zwei Punkten gegenüber der Bewertung einer bereits geschriebenen Rezension eine Neusichtung erfordern würde.

63/100 

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie John Ford
Drehbuch James Kevin McGuinness
Produktion
Musik Victor Young
Kamera
Schnitt Jack Murray
Besetzung

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