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Heute kommt der zweite Teil der großen Parade in ausführlicherer Version,

Das einzige Event, das wir je mit vergleichbar großem Aufwand besprochen haben, war wohl der Karneval der Kulturen im Jahr 2008. Auch damals hatten wir eine mehrteilige Fotoserie aufgesetzt. Von der CSD-Parade 2025 haben wir 450 Fotos gemacht und in allen vier Artikeln dazu 190 davon veröffentlicht.

Die ersten Eindrücke, die wir oben erwähnt haben, waren vor allem einzelnen Menschen auf der Parade gewidmet, „Die große Parade“, Teil 1 und 2 zeigen mehr von diesen Teilnehmenden – aber wir erweiterten den Bildbericht in dem ausführlichen Dreiteiler um viele Perspektiven: Wir zeigen einige Wagen und wir dokumentieren, welche Rolle die Politik auf dem CSD spielte. Nach wie vor dominiert Pride über Politik, aber auch im dritten Teil werden wir wieder einige Momente dokumentieren, die uns zum Nachdenken anregten.

Vollständigkeit kann insgesamt nicht gewährleistet werden, da der Zug immer wieder anhalten musste und an unserem Standplatz vor der Neuen Nationalgalerie um 17:45 noch nicht ganz vorbeigezogen war, als wir aus Zeitgründen die Parade verlassen mussten. 

Der CSD ist eine politische Demonstration und als solche angemeldet, auch wenn bekannte Politiker versuchen, die LGBTQIA*-Bewegung als eine Art Zirkus zu diffamieren. Dieser Angriff auf die Bewegung wurde auf dem Zug vielfach thematisiert, meist mit der Ironie, die sich die LGBTQIA*-Menschen im Laufe von Jahrhunderten der Entrechtung und Verfolgung angewöhnt haben. Diese Ironie ist nach unserer Ansicht ein wenig dem „jüdischen Witz“ ähnlich, und auch die Geschichte der beiden Gruppen weist Parallelen auf. Auf den Fotos wird man an einer Stelle auch eine Form der Solidarität sehen. Diese Art von Humor hat etwas mit Untergrund zu tun, mit Diaspora, mit dem Ausharren außerhalb der „Mainstream-Gesellschaft“ fast ohne Hoffnung.

In den letzten 60 Jahren ist die LGBTQIA*-Gemeinschaft aus dem Schatten und dem Untergrund herausgetreten, und der CSD heißt so, weil sich nach den Vorfällen in der Christopher Street von New York im Jahr 1969 viel geändert hat. 

Zu den Stonewall-Unruhen in der Christopher Street in New York City, die alles veränderten, lesen Sie bitte den Text im ersten Teil von „Die große Parade“.

 Die politische Herkunft des CSD wurde in diesem Jahr sehr deutlich, der Humor wurde wieder gebraucht, und leider ist es notwendig, daran zu erinnern, dass nichts sicher ist. Einer Gruppe die Menschenrechte zu verweigern, bringt uns alle in Gefahr. Das sollten auch Opportunisten und rechte Hetzer bedenken.  

Nach einiger Überlegung haben wir uns entschieden, politische Aussagen zwar zu zeigen, aber, falls überhaupt, sehr kurz zu kommentieren. Bei einigen davon hatten wir den Eindruck, dass der CSD nicht ganz frei von Instrumentalisierungsversuchen war, doch das meiste, was wir gesehen haben, fand unsere Zustimmung und alles blieb im Rahmen der Meinungsfreiheit.

Nie wieder still“, so lautete das Motto der diesjährigen CSD-Parade von Berlin. 80 Wagen und, je nach Quelle, zwischen 100.000 und 500.000 Teilnehmende und Zuschauende, das sind die Zahlen der CSD-Parade von Berlin im Jahr 2025. Wir gehen nach unseren Beobachtungen eher von der höheren der beiden Zahlen aus, während die geringere eher auf die Zahl der Teilnehmenden zutreffen dürfte. 

 Wir haben Freund:innen in der Bewegung, aber beim CSD waren wir zum ersten Mal dabei, seit wir vor 18 Jahren in diese Stadt zogen. Wir wollten mit den drei Beiträgen zur Parade ein Zeichen des Wahlberliners setzen, in einer Zeit, in der Bekenntnisse zu Freiheit und Diversität nicht mehr nur die weitere Stärkung der Rechte queerer Menschen zum Ziel haben, sondern notwendig sind, um diese Demokratie vor immer größeren Schäden zu bewahren. „Demokratie in Gefahr“ haben wir bereits als Schlagwort und Tag verwendet, als das noch nicht für jedermann so sichtbar war wie heute, und bereits 2020 eine Beitragsreihe namens „Diskursverschiebung nach rechts“ geschrieben. 

 Wir verzichten im Dienst der Sache auf das Copyright für die Bilder, denn wir finden, die LGBTI*-Bewegung ist für uns alle, es ist für uns eine Ehre, die Akteur:innen zeigen zu dürfen, und es geht einmal mehr um Solidarität.

TH

Auch in den dritten Teil starten wir mit dem Motto, in diesem Fall mit der Wiederholung des Startfotos des  zweiten Teil, aber alle weiteren Bilder zeigen wir hier erstmals bzw. haben sie lediglich in der kurzen Schau „erste Eindrücke“ schon einmal veröffentlicht. 

 Auch im dritten Teil wir vor allem die Menschen hochleben lassen, die zu Fuß auf der Parade waren, als ihre eigene Pride Show, und die nicht selten mit uns so interagiert haben, dass wir großartige Porträts des individuellen Ausdrucks von Gay Pride und der Bandbreite der LGBTQIA*-Bewegung zeigen können.

Sicher waren wir nicht die einzigen, die hier ein Lieblingsmotiv gefunden haben – schon in dem Artikel „erste Eindrücke“ gezeigt, hier etwas mehr davon.

Das obige Bild ist eine gute Überleitung zu den Wagen … und dem Zirkus, der unvermeidlich eine Rolle auf dieser CSD-Parade gespielt hat.  

Von den Fotografien „der Menge“ haben wir fast alle Bilder verworfen, auch wenn sie sehr interessante Menschen gezeigt haben, weil, wie auch bei vielen Naturaufnahmen, immer wieder das Phänomen auftritt, dass sie zweidimensional nicht so beeindruckend wirken, wie wenn man mittendrin steht. Aber es war eine der größten, wenn nicht die größe Veranstaltung, auf der wir je zugegen waren. Vielleicht abgesehen vom erwähnten Karneval der Kulturen; als es die Loveparade in Berlin noch gab, waren wir noch nicht in der Stadt. In gewisser Weise ist die CSD-Parade aber in Teilen ihr Nachfolger als viele sehr unterschiedliche Menschen verbindendes Großereignis. Der größte Unterschied dürfte das politische Anliegen sein, das sich mit dem CSD verbindet.

Die SPD hat unbestreitbare Verdienste bei der Anerkennung queerer Menschen erworben: Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war der erste Spitzenpolitiker, der sich als homosexuell outetete und zuletzt hatte die SPD mit Kevin Kühnert einen Generalsekretär, der queer ist. Leider ist er vorerst aus dem Politikbetrieb ausgeschieden. Wäre er in unserem Wohnbezirk bei der Bundestagswahl 2025 wieder für ein Mandat angetreten, hätten wir ihn gewählt. Unsere Zweitstimme hätte allerdings eine andere Partei erhalten.

Aber der Wagen der SPD hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Man merkt der SPD auch bei dieser Gelegenheit an, dass sie nicht gerade jugendlich ist, eher bieder, und wenig Energie im Vergleich zu anderen Parade-Teilnehmenden auf den Asphalt brachte. In gewisser Weise sind auch SPD-Queers überwiegend ein Spiegel der Partei, sofern überhaupt alle Teilnehmer Mitglieder der Community waren.

Die FDP war auch dabei, mit durchaus jungen Teilnehmenden. Yuppie-Queers, um eine Kategorisierung zu verwenden. Die FDP war die erste Partei mit Wagen, da waren wir noch so drauf, dass wir gar keine Parteien zeigen wollten, deshalb fehlt dieser gelbe Ausdruck von Queer-Bekenntnis auf die liberale Art. Die FDP ist die einzige Partei, die bereits einen homosexuellen Vorsitzenden hatte, Guido Westerwelle. Und gerade deshalb ein Beispiel dafür, dass queer sein nicht zwangsläufig bedeutet, sozial, auf Gleichheit ausgerichtet und menschenfreundlich zu sein.

Die CDU war vielfach Thema auf der Parade, mehr als die AfD – vor allem, weil die Union als Regierungspartei eindeutig queerfeindliche Zeichen und ein queerfeindliches Wording setzt. Wir haben in den beiden ersten Teilen des Bildreports schon einige Statements gezeigt, die sich vor allem auf Kanzler Merz‘ Zirkuszelt-Aussage beziehen, hier noch einmal allgemein:

Erst sind die Angriffe nur verbal oder beziehen sich auf Symbole der queeren Bewegung. Damit wird jedoch gezielt der gesellschaftliche Nährboden für den Rückbau von Rechten bereitet – spätere Verfolgung von Minderheiten nicht ausgeschlossen. 

Die Ängste der queeren Menschen sind nicht abstrakt, sondern sehr real, wie das Plakat zeigt. In Berlin haben wir zwar einen Regierenden Bürgermeister von der CDU, der sich queerfreundlich gibt, aber wir haben die aktuelle CDU-SPD-Koalition, die tiefe Schneisen in die kulturelle Aufstellung der Stadt gräbt, seit sie 2023 diese Stadt gestaltet, von Beginn an als #Rückschrittskoalition bezeichnet. Wenn es härter wird, sich gegen die rechte Hetze und eine Bundesregierung zu stellen, die tatsächlich einen Rückschritt bei den Rechten und bei der Behandlung queerer Menschen im Alltag auslöst, wird die Stadtregierung von Berlin sie nicht schützen.  

Ob Verteidigungsfähigkeit generell queerfeindlich ist, darüber kann man sicher diskutieren, aber natürlich stehen Queers auch für Liebe unter allen Menschen, anders als die sogenannte christliche Union. Wir haben ja auch im ersten Teil ein Statement für die Ukraine gesehen, und mit der Ukraine-Unterstützung verbindet sich unweigerlich ein konfrontativer Kurs gegenüber einer Atommacht, der dringend mit mehr Verteidigungsfähigkeit unterlegt werden muss. Diese darf aber nicht auf Kosten der finanziell weniger privilegierten Mehrheit und von Minderheiten gehen. 

Und hier nun der CDU-Wagen (oder LSU-Wagen). Dazu könnte man ein ganzes Buch schreiben. Natürlich ist es nicht richtig, dass der Wagen angegriffen wurde. Auch zu dem Zeitpunkt, den wir hier dokumentieren, war der Regierende Bürgermeister nicht dabei, vermutlich fand er sich später ein, denn wir sind hier nur wenige Kilometer hinter dem Startpunkt. Wir wissen auch nicht, wann die Vorfälle sich genau ereignet haben. Aber wir haben in den drei Teilen, auch kurz zuvor auch im vorliegenden dritten Teil des Reports, den Unmut vieler Queers über die Union gezeigt, der unserer Ansicht nach vollkommen berechtigt ist. 

Der LSU-Wagen zeigt ein noch konservativeres Gepräge als jener der SPD, gemäß der politischen Ausrichtung, denn auch Queers in der CDU können nicht wirklich progressiv sein, wenn sie sich dieser Partei anschließen. Auch die Stimmung um den Wagen herum war recht dezent, wenn auch zu dem Zeitpunkt nicht angriffslustig. Und angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Bundespolitik halten wir es für ein schönes Narrativ, wenn nicht sogar für eine Selbsttäuschung, dass der LSU die Politik der Union queerfreundlicher gestalten kann, mehr nicht. Oder fragen Sie sich einfach einmal, welche:r queere Politiker:in in der Union bisher Karriere machen konnte. Zumindest hat sich bisher niemand geoutet. Wir meinen, queere Menschen gehören nicht in diese Union, sondern gewinnen erst durch Abstand von ihr Authentizität. 

Hier handelt es sich um die Aidshilfe, nicht, wie man meinen könnte, um die Kampagnenplattform innit.de. Die Aidshilfe hat geholfen, n der Queerbewegung eine lange und leidvolle Geschichte, wie man heute sagen kann, zum Besseren zu wenden.  In diesem Umfeld also zeigt sich die CDU, die bereits offen mit der rassistischen und hochgradig queerfeindlichen AfD zusammengearbeitet hat, schon bevor Zirkuszelt-Memes geboren wurden. Wir haben die Vorgänge vom 29. und 31. Januar 2025 im Bundestag nicht vergessen.

Und hier der Wagen zum vorher gezeigten Plakat.

Den Wagen der Partei Die Linke haben wir knapp verpasst, weil wir, siehe oben, irgendwann abbrechen mussten, als der Zug zu häufig steckengeblieben war und es aussah, als würden die letzten Wagen noch eine halbe Ewigkeit brauchen, um an unserem Standplatz vorbeizukommen.

Im Grunde war der Schulterschluss, den wir uns so sehr gewünscht hätten, räumlich nah, aber letztlich haben wir ihn doch nicht beobachten können. Die Pro-Palästina-Queers hatten (siehe Bericht Teil 1) eine eigene Parade in Kreuzberg, bei der es nicht durchweg friedlich zuging. 

Als die Grünen mit ihrem Wagen an uns vorbeizogen, hatte sich der Himmel schon wieder etwas verdüstert.  Sicherlich hat keine andere Partei über die Jahre hinweg so viel mit der und für die LGBTIQIA*-Bewegung erreicht und vermutlich hat keine andere relevante Partei eine höhere Quote queerer Anänger:innen und Wähler:innen. Aber denken Sie auch hier einmal nach: Welche:r aktuelle grüne Bundespolitiker:in ist schwul, lesbisch usw.? Außerdem kritisieren wir bei den Grünen generell, dass formale Rechte und Identitätspolitik ihnen oft wichtiger sind als die ökonomische Unterlegung der Selbstermächtigung verschiedener Minderheiten. 

TH


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