The Rounders, USA 1914 #Filmfest 1387 #DGR #Chaplin #Charles Chaplin #CharlieChaplin

Filmfest 1387 Cinema – Werkschau Charles Chaplin (27) – Die große Rezension

The Rounders ist eine Kurzfilmkomödie aus dem Jahr 1914 mit Charlie Chaplin und Roscoe Arbuckle in den Hauptrollen. Der Film handelt von zwei Betrunkenen, die Ärger mit ihren Frauen bekommen, und wurde von Chaplin geschrieben und inszeniert.1

Es handelt sich um den 27. Film von Charles Chaplin, und wir schreiben immer noch das erste Jahr seiner Arbeit als Kino-Komiker, er hatte in diesem ersten Jahr seine Filme in kürzeren Abständen gedreht, als wir sie rezensieren können. Doch dieser schnelle Rhythmus war damals normal, besonders bei Komödien – Masse, nicht Klasse, bestimmte das Geschehen. Abwechslung und robuste Action, nicht ausgefeilte Satire oder romantische Implikationen des Komischen et vice versa. Aus dem kreativen Chaos des Komödien-Universums im frühen Hollywood gingen einige Giganten hervor, und der größte von allen war Charles Chaplin. Sein Partner in „The Rounders“ ist Roscoe „Fatty“ Arbuckle, ebenfalls einer der beliebtesten Filmkomiker seiner Zeit.

Handlung (1)

Ein betrunkener Nachtschwärmer, Mr. Full, kehrt nach Hause zurück, wo er von seiner Frau ausgeschimpft wird. Dann kommt sein ebenso betrunkener Nachbar, Mr. Fuller, nach Hause und beginnt einen Streit mit seiner Frau. Als Mrs. Full die körperliche Auseinandersetzung auf der anderen Seite des Flurs hört (Mr. Fuller beginnt, seine Frau zu erwürgen, nachdem sie ihn geschlagen hat), schickt sie ihren Mann, um Nachforschungen anzustellen. Die beiden Ehefrauen beginnen sich zu streiten, während Mr. Full und Mr. Fuller die Gelegenheit nutzen, um das Geld ihrer Frauen zu stehlen und gemeinsam in ein Café zu flüchten, wo sie ebenfalls für Ärger sorgen. Als ihre Ehepartner sie finden, flüchten sie zu einem undichten Ruderboot auf einem Teich. Sicher außer Reichweite ihrer Frauen und der Opfer des Aufruhrs, den sie verursacht haben, schlafen sie ein, ohne das steigende Wasser zu bemerken, in dem sie schließlich verschwinden.

Analyse:2 The Rounders (1914): Chaplins virtuose Momentaufnahme zwischen häuslicher Gewalt und Slapstick-Komödie

The Rounders aus dem Jahr 1914 markiert einen bemerkenswerten Moment in Charlie Chaplins Keystone-Phase und steht als eine der besten Komödien seiner Zeit bei Mack Sennetts Studio. Der etwa 13-minütige Kurzfilm, in dem Chaplin kongenial mit Roscoe „Fatty“ Arbuckle zusammenarbeitet, zeigt zwei betrunkene Ehemänner, die vor ihren kämpferischen Frauen fliehen und schließlich in einem leckgeschlagenen Ruderboot versinken.Wikipedia (Englisch)+2

*Der erste gemeinsame Auftritt mit Arbuckle war „Tango Tangles“, der einige Monate zuvor gedreht worden war. Darin sind allerdings eher Ford Sterling und Charles Chaplin ein Duo, während Arbuckle nur sozusagen die dritte Geige spielt – allerdings als Bandleader des Tanzsaals, der in die Aktionen der beiden anderen Komiker involviert wird.

Besonderheiten des Films

Die herausragendste Besonderheit von The Rounders liegt in der einzigartigen Partnerschaft zwischen Chaplin und Arbuckle als Mr. Full und Mr. Fuller – ein Wortspiel, das bereits die thematische Doppeldeutigkeit des Titels andeutet. Der Begriff „Rounder“ bezeichnete damals einen „gewohnheitsmäßigen Trinker oder Taugenichts“. Diese Zusammenarbeit zweier Comedy-Giganten blieb leider einmalig, obwohl beide Darsteller in sechs weiteren Keystone-Filmen auftraten, jedoch ohne nennenswerte komödiantische Interaktion.thefilmediary.wordpress+3

*Bei Arbuckle ist „Fuller“ insofern doppeldeutig, dass der Name auf seinen Zustand hinweist, obwohl er nicht noch mehr abgefüllt wirkt als Chaplin und sogar etwas besser auf den Beinen steht, aber es geht natürlich auch um seine Körpermaße, und da überragt er Chaplin in allen Dimensionen. Bei mir kam ein wenig Laurel-and-Hardy-Feeling auf, und wer weiß, wie sich die Karrieren von Chaplin und Arbuckle entwickelt hätten, wären sie als Duo aufgebaut worden. Allerdings wäre das damals noch etwas Neues gewesen, außerdem war Chaplin im September 1914 schon ziemlich weit fortgeschritten, was sein Selbstbewusstsein als Solo-Filmemacher angeht. Ob er damals oder jemals eine gleichberechtigte Zweier-Beziehung in Form einer Komiker-Partnerschaft von Dauer hätte akzeptieren können, wage ich zu bezweifeln. Seine Erstfigur war bereits der Tramp, und der zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er ein anfangs robuster, später romantischer Einzelgänger ist. Diese Figur entspricht sicher mehr Chaplins realem Naturell als der besoffene Kumpel aus der „Idle Class“, den er in „The Rounders“ gibt.

Besonders bemerkenswert ist die komplexe Inszenierung mit mehreren Schauplätzen – einem Hotel, einem Restaurant und einem Park –, die für Keystone-Verhältnisse ungewöhnlich aufwendig war. Ein technischer Kniff verdient gesonderte Erwähnung: Eine Szene wurde rückwärts gedreht, um den Eindruck zu erwecken, dass Arbuckle und Chaplin zum Seeufer rennen und Chaplin beinahe hineinfällt – erkennbar an einem Mann, der rückwärts geht, und den entgegengesetzt fließenden Wellen.Youtube (Englisch)jahrhundertefilmprojekt.wordpress

Stellung im Werk Chaplins

The Rounders nimmt eine Schlüsselposition in Chaplins Keystone-Periode ein. Der Film zeigt Chaplin in seiner Paraderolle als Betrunkener – eine Figur, die er aus seiner Vaudeville-Zeit bei der Fred Karno-Truppe perfekt beherrschte. Diese Darstellung des Trunkenboldes bildet eine direkte Verbindung zu seinen späteren Werken: Der Film antizipiert seine Zusammenarbeit mit Ben Turpin in A Night Out (1915) und schließlich die berühmte Beziehung zum reichen Säufer in City Lights (1931).chaplinfilmbyfilm.wordpress+3

*Nicht zu vergessen eine der berühmtesten Komödien seiner zweiten Station bei Essanay, „One AM“, in der er einen kompletten Solo-Auftritt als Typ aus der oberen Mittelschicht hat, der betrunken nach Hause kommt und dort Schwierigkeiten der komischen Art erlebt. Ohne Ehefrau, es ist ja ein Solo-Auftritt.

Chaplin-Biograf David Thompson sieht in The Rounders einen Film, der sowohl „auf Chaplins ganze Galerie von Trunkenbolden von Karno bis Keystone zurückblickt als auch vorausschaut auf A Night Out (1915) und schließlich auf die nächtlichen Streifzüge des Tramps mit dem Millionär in City Lights (1931)“.chaplinfilmbyfilm.wordpress

Erstmalige Elemente und Innovationen

The Rounders war der erste und einzige Film, der Chaplin und Arbuckle als echtes Comedy-Duo präsentierte. Dies stellt eine bedeutsame Innovation dar, da beide Comedians hier ihre unterschiedlichen Stile zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen konnten. Chaplin nutzte seine Erfahrung als Betrunkener-Darsteller und entwickelte sie zu einer kinematografischen Form weiter, die nicht mehr wie eine gefilmte Bühnenroutine wirkte.Charliechaplin+1Youtube (Englisch)

Technisch gesehen demonstriert der Film Chaplins wachsendes Verständnis für die Filmsprache. Im Spätsommer 1914 hatte Chaplin bereits ein scharfes Verständnis für die wesentlichen Mechanismen des Kinos entwickelt, obwohl er noch Neuling in diesem Medium war. Der strikt gegliederte „Betrunkenen-Akt“ mit offensichtlichen Anleihen aus Chaplins Musik-Hall-Jahren wirkt nicht wie eine gefilmte Bühnenroutine, sondern nutzt Elemente, die nur im Film funktionieren konnten.

*Chaplin war einer der innovativsten Komiker, die Szenengestaltung und die Entwicklung von Gags betreffend, aber hier fängt die Analyse ein wenig an zu übertreiben, das werden wir später noch weiter thematisieren. Wenn man so will, ist der Film natürlich ein Zweiakter, aber der Wechsel von drinnen nach draußen war auch damals schon nichts Neues und deckt sich mit dem Stil der Keystone-Komödien im allgemeinen.

Tonalität des Films

Die Tonalität von The Rounders ist bemerkenswert dunkel für einen Slapstick-Film. Der Film behandelt häusliche Gewalt mit einer Leichtigkeit, die heute verstörend wirkt. Roscoe würgt seine Frau zu einem bestimmten Zeitpunkt, während beide Eheleute körperlich aufeinander losgehen. Diese Darstellung häuslicher Brutalität als komödiantisches Element spiegelt die damaligen gesellschaftlichen Normen wider, wirkt aber aus heutiger Sicht problematisch.Youtube (Englisch)IMDB+1

*Man könne auch sagen, das Ende ist dem von „The Face on the Barroom Floor“ ähnlich, einem der wenigen Filme, in denen Chaplins Figur stirbt oder es zumindest so aussieht, als sei dies wahrscheinlich. Das ist natürlich nicht das Gleiche, als wenn er mit Roscoe Arbuckle im Boot untergeht, zumal, wie ein Privatkritiker in der IMDb schreibt, diese Lösung des Endes eine Erlösung für die beiden von ihren Frauen geplagten Männer zu sein scheint.

Trotz dieser dunklen Untertöne bleibt der Film grundsätzlich optimistisch in seinem anarchischen Humor. Die beiden Protagonisten entziehen sich erfolgreich ihren häuslichen Verpflichtungen und finden in ihrer gemeinsamen Flucht eine Art Kameradschaft. Das Ende – ihr Versinken im leckgeschlagenen Boot – wird als bevorzugtes Schicksal gegenüber der Rückkehr zu ihren Ehefrauen dargestellt.jahrhundertefilmprojekt.wordpress+2

Zeitgenössische Rezeption und heutige Einschätzung

Die zeitgenössische Kritik war gemischt. Moving Picture World schrieb: „Es ist ein grobes Bild für grobe Leute, über das diese Leute, ob grob oder sanft, wahrscheinlich lachen müssen, während es auf der Leinwand läuft. Chas. Chapman [sic] und der ‚Fat Boy‘ erscheinen hier als ein paar geniale Säufer“. Diese Rezension zeigt die damalige Einschätzung des Films als derbe, aber wirksame Komödie.Wikipedia (Englisch)

Heute gilt The Rounders als einer der besten Chaplin-Keystone-Filme. Kritiker heben besonders die gelungene Chemie zwischen Chaplin und Arbuckle hervor und bedauern, dass diese Partnerschaft nicht weiterentwickelt wurde. Moderne Bewertungen schwanken zwischen Anerkennung für die komödiantische Leistung und Unbehagen über die Darstellung häuslicher Gewalt.im Briefkasten+4

*Die IMDb-Nutzer:innen, die dortigen Privatrezensenten und auch professionelle Kritiker gehen immer wieder erstaunlich locker mit den Problemzonen dieser alten Filme um. Natürlich muss man sie auch in ihrer Zeit sehen, aber man darf den gesellschaftlichen Modus darin auch gerne aus heutiger Sicht bewerten, zumal zwischenzeitliche Fortschritt gerade wieder Gegenstand eines erbarmungslosen Kulturkampfes seitens rechter Sozialrevisionisten geworden ist, die Verhältnisse, wie sie in diesen alten Filmen gezeigt werden, mindestens okay finden. Das gilt auch für den armen Blackface-Türsteher, der ein Kurzzeit-Opfer der Übergriffe von Chaplins und Arbuckles Figuren ist und auch von deren Frauen nicht gerade respektvoll behandelt wird.

Technische Besonderheiten

Technisch zeigt The Rounders mehrere innovative Elemente. Die bereits erwähnte rückwärts gedrehte Szene am Seeufer ist ein früher Beweis für Chaplins Experimentierfreude mit Kameratechniken. Die komplexe Struktur mit verschiedenen Schauplätzen erforderte sorgfältige Planung und zeigt Chaplins wachsende Kompetenz als Filmemacher.jahrhundertefilmprojekt.wordpressYoutube (Englisch)

*Zur „komplexen Struktur“ siehe weiter oben, zumal der Film eine ziemlich unterkomplexe Handlung hat, die im Wesentlichen darin besteht, dass zwei betrunkene Nachtschwärmer sich mit ihren Frauen auseinandersetzen und dann das Weite ins interessanterweise taghelle Freie suchen. Interessant ist das aber schon: Dadurch, dass damals noch keine echten Nachtaufnahmen möglich waren, wirkt es so, als ob Menschen wie Mr. Full und Mr. Fuller schon tagsüber ausgiebig gezecht haben, was den Eindruck permanenter Betrunkenheit sehr unterstreicht, der in den Figuren implizit angelegt ist. Es gibt viele Filme aus der Zeit, die ähnlich mit dem Thema Alkoholismus umgehen wie dieser.

Ein besonderer Gag entsteht durch Chaplins „Ragdoll“-Stil: Wenn Roscoe ihn einfach mitschleift, während sie gemütlich spazieren gehen. Diese Art der physischen Komödie nutzt die besonderen Möglichkeiten des Films und hätte auf der Bühne nicht dieselbe Wirkung erzielt.thefilmediary.wordpress

Das berühmte Ende, in dem beide Protagonisten langsam im Wasser versinken, war kein geplanter Gag, sondern resultierte aus einem Streich Arbuckles: Der hatte erfahren, dass Chaplin Angst vor Wasser hatte, und entfernte heimlich den Bootspfropfen. Chaplins Gesicht verrät eine Mischung aus Unbehagen und Belustigung, was darauf hindeutet, dass er ein guter Sportsmann war.im Briefkasten

Bewertung des Umgangs mit häuslicher Gewalt

Die Darstellung häuslicher Gewalt in The Rounders ist aus heutiger Sicht hochproblematisch. Der Film präsentiert Würgen, Schlagen und emotionale Misshandlung als komödiantische Elemente. Diese Behandlung spiegelt die gesellschaftlichen Normen von 1914 wider, als häusliche Gewalt oft als private Angelegenheit betrachtet und in der Populärkultur trivialisiert wurde.IMDB+1Youtube (Englisch)

Ein Kritiker merkt an, dass der Film „impliziert, dass häuslicher Missbrauch lustig ist, was sich viel persönlicher anfühlt als bei jemandem, der gegen einen Keystone Cop kämpft“. Diese Beobachtung trifft den Kern der Problematik: Während Gewalt gegen Autoritätsfiguren in der Slapstick-Komödie als Rebellion gedeutet werden kann, normalisiert die Darstellung ehelicher Gewalt schädliche Verhaltensmuster.thefilmediary.wordpress

Andererseits könnte man argumentieren, dass der Film subversiv beide Geschlechter als gewalttätig darstellt und damit stereotype Rollenverteilungen durchbricht. Mrs. Full schickt ihren betrunkenen und kaum gehfähigen Mann, um sich um die Fullers zu kümmern – eine absurde Entscheidung, die die Irrationalität der gesamten Situation unterstreicht.morganrlewis.wordpress+1

*Der Film zeigt aber auch, dass Chaplin, Arbuckle und andere damals noch weit von der Präzision späterer, satirisch gefärbter Darstellungen dieser Art entfernt sind. Zum einen dadurch, dass eine durchaus mögliche dialektische Abschichtung versäumt wird: Chaplin als der kleine Kerl, der von seiner kräftigen Frau vermöbelt wird vs. Der korpulente Arbuckle, der die zierliche Minta Durfee würgt. Hätte man das durchgehalten und wäre nicht dazu übergegangen, dass doch mehr oder weniger alle gegeneinander körperlich werden, auch die Frauen, häte man daraus einen Kontrastreiz ziehen können. Dann wäre allerdings auch die mögliche Subversivität, dass alle Menschen zur Gewalt tendieren, nicht vorhanden gewesen. Die Frage ist, ob man diesem Ansatz folgt, oder ob man konstatiert, dass Chaplin damals, egal in welcher Figur, nicht gerade zimperlich mit anderen umgegangen ist, und dass rohe Gewalt unabdingbarer Bestandteil der damaligen Slapstick-Komödie war. Die Gewalt selbst wird gar nicht komisch strukturiert und als Teil einer Gag-Komposition stilisiert, sondern soll nur dadurch, dass es sie gibt und die beiden Männer zum Reißaus bewegt, witzig sein.

Chaplins „Zweitfigur“ mit Zylinder und unordentlicher Eleganz

In The Rounders trägt Chaplin nicht seine berühmte Tramp-Ausstattung, sondern erscheint als Mr. Full in einem Smoking – ähnlich seinem Kostüm in Tango Tangles. Diese elegantere Persona zeigt eine andere Seite von Chaplins komödiantischem Repertoire und könnte als Vorstufe zu seinem späteren „Idle Class“-Charakter betrachtet werden.thefilmediary.wordpress

Diese „Zweitfigur“ wirkt durchaus komisch, jedoch auf andere Weise als der Tramp. Während der Tramp durch seine äußerliche Zerrissenheit und innere Würde rührt, bezieht die elegante Figur des Mr. Full ihre Komik aus dem Kontrast zwischen äußerer Respektabilität und innerem Chaos. Seine Trunkenheit entlarvt die Künstlichkeit gesellschaftlicher Konventionen – ein Thema, das Chaplin später in Filmen wie The Idle Class (1921) vertiefen würde.

Die unordentliche Eleganz dieser Figur ist weniger ikonisch als der Tramp, funktioniert aber perfekt im Kontext des Films. Mr. Full verkörpert den gescheiterten Gentleman, dessen Würde nur durch Alkohol aufrechterhalten wird – eine bissige Gesellschaftskritik, verpackt in Slapstick-Komödie.jahrhundertefilmprojekt.wordpress

The Rounders bleibt trotz seiner problematischen Aspekte ein wichtiger Schritt in Chaplins Entwicklung als Filmkünstler. Der Film zeigt seine Fähigkeit, komplexe menschliche Beziehungen in einfachste komödiantische Situationen zu übersetzen und dabei sowohl zu unterhalten als auch gesellschaftliche Normen zu hinterfragen – auch wenn nicht alle seine Botschaften aus heutiger Sicht akzeptabel erscheinen.

Finale

Ich halte es nicht für angezeigt, um diesen 27. Chaplin-Film einen Hype zu entfachen. Natürlich stehen alle Filme in ihrer Zeit, aber der Analyseteil zur häuslichen Gewalt ist sehr präzise und vollständig. Hinzu tritt für mich aber auch, dass er filmtechnisch nicht so extrem progressiv ist, deshalb meine Einschübe in dieser Analyse. Schon gar nicht würde ich ihn als „aufwendig“ bezeichnen wollen, denn das Hotel-Set ist bei Keystone ein Standard gewesen, vermutlich schon in mehreren Chaplin-Filmen verwendet worden, und nach draußen in den Park und zu diesem See zu gehen, war ebenfalls eine Routinesache, wie einige der noch älteren Chaplin-Komödien zeigen. Diese Filme, die vor „The Rounders“ entstanden waren, zeigen aber teilweise schon viel elaboriertere Szenenfolgen und Ortswechsel. Auch der Schnitt dessen, was man heute von „The Rounders“ sehen kann, ist nicht besonders gekonnt, ein Mangel, der Chaplins Filmen noch für Jahrzehnte anhaften würde.

Das Ende ist das Interessanteste an dem Film, beide Komiker haben schön stillgehalten, während sie in dem Boot untergehen. Etwas beschäftigt hat mich die für diesen Film ungewöhnlich wirkende Aussage, Chaplin fasse komplexe zwischenmenschliche Beziehungen in einer Art Verdichtung zusammen, in diesem Fall das Innenleben der Blackbox Ehe. Chaplin war zu dem Zeitpunkt noch nie verheiratet gewesen, aber in gewisser Weise deutet sich schon an, dass ihm noch einige Konflikte mit Frauen bevorstanden. Da er den Film selbst inszeniert und „geschrieben“ hat, sofern es überhaupt Ansätze eines Drehbuchs gab, sehen wir nach meiner Ansicht Ängste, Narzissmen und unterschiedliche Temperamentszustände, die seine Arbeit noch sehr befruchten, sein Privatleben aber teilweise wenig inspirierend gestalten sollten. Einige seiner späteren, großen Projekte erfuhren Verzögerungen, weil er gerade damit beschäftigt war, sich, dann hoffentlich wenigstens nur sinnbildlich, mit einer Frau herumzuschlagen. Vor allem in den 1920ern und 1940ern hatte ihn sein Privatleben arg zerrupft und viel Sympathie gekostet. Ein Genie unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, was es hätte (noch mehr) leisten können, wenn sein Leben ganz harmonisch verlaufen wäre, ist aber eine falsche Herangehensweise. Diese begnadeten Künstler, zu denen Chaplin zählten, schöpften viel von ihrer Kreativität aus ihrer Zerrissenheit und Getriebenheit, und ohne diese wären sie wohl nie so berühmt geworden. Es gab in Hollywood auch Stars, die ganz und gar ohne persönliches Tamtam über Jahrzehnte gute Arbeit gemacht haben, aber sie waren und sind bis heute eher Ausnahmen.

„The Rounders“ hat aber eine andere Qualität, die man erst auf erkennt, wenn man weiß, wie Chaplin in der Zeit sonst gefilmt hat und was bei Keystone allgemein unter einer funktionierenden Slapstick-Komödie verstanden wurde. Die Turbulenz dieser Filme wird in „The Rounders“ bereits gedämpft, damit die Beteiligten ihre Szenen besser ausspielen können. Leider wird dadurch ausgiebig gezeigt, wie Männer und Frauen in Ehen nicht miteinander umgehen sollten, aber diese etwas gedehntere Spielweise deutet auf Chaplins spätere Werke und natürlich auf die Entwicklung der Komödie im Allgemeinen hin. Auch wegen dieses Mehr-Ausspielens und der dadurch entstehenden Interaktion erinnerte mich der Film ein wenig an die Werdung des Komikerduos Laurel & Hardy, das von Stan Laurels Ideen des absolut ausgefeilten und bis zur Perfektion entwickelten Gags geprägt war, dessen ständige Steigerung bis zum Siedepunkt als „Slow Burn“ bezeichnet wird. Die letzte Szene im Boot hat schon ein wenig etwas davon, auch wenn sie nicht mit den späteren Meister-Sketchen verschiedener Komiker auf einer Stufe steht.

Der letztgenannte Vorzug von „The Rounders“ geht leider ein wenig unter in seinen gesellschaftlich problematischen Darstellungen. Die Filme waren damals rau, ziemlich unpoetisch, und dass Chaplin sich zu dem Meister weiterentwickelt hat, den wir in Deutschland fast ausschließlich kennen, weil wir im Wesentlichen vom Zeigen seiner Filme ab 1918 geprägt sind, ist eben Ausdruck dieses Genies, das aber nicht über Nacht hat etwas Großes entstehen lassen, sondern sich durch ständige Arbeit an Verbesserungen auszeichnete. Wie viele andere Comedy-Stars der frühen Stummfilmzeit war Chaplin ein Mann mit Vaudeville-Vergangenheit, insofern geübt, als er zu Keystone kam, und dort fühlte er sich vermutlich im Spätsommer 1914 schon gebremst in seinem kreativen Drang – obwohl er sich die Freiheit erarbeitet hatte, selbst inszenieren zu dürfen und dazu auch den damals gleichrangigen Star Roscoe Arbuckle im wörtlichen Sinne an Bord nehmen zu können. Der Film hätte, alles Positive wie die bessere Ausfeilung und die Kooperation mit Arbuckle und seine Schwächen wie die zu rudimentäre Handlung, die immer noch zu schlichte Schnitttechnik dagegen gestellt, etwa 65/100 von uns bekommen, denn er ist in der Tat ein interessanter Schritt in Chaplins Karriere.

Wir hatten bereits vor den neuesten Tiefpunkten der gesellschaftlichen Entwicklung des Westens die Handhabe eingeführt, dass wir für diskriminierende Darstellungen Punkte vom eigentlichen Ergebnis abziehen, und ich möchte hier bewusst ein Zeichen gegen diejenigen Kritiker setzen, die eine ganz hinterhältige Agenda haben: Alles, was vor 100 Jahren noch als Spaß empfunden wurde, sehen sie heute genauso und propagieren damit im Grunde, dass die Verhältnisse von damals nicht nur okay, sondern lustig waren. Das waren sie in der Realität aber für die meisten Menschen nicht, und das Lachen über Komik wie die in diesem Film gezeigte ist wohl vor allem eine Art Befreiung für einen Moment gewesen, der aber die Brisanz von Gewalt in der Ehe letztlich negiert hat. Ich gehe gerne mit, wenn Chaplin und andere den Cops eins spielen – diese Anti- Haltung der Staatsautorität gegenüber reichte bis in Hitchcocks Thriller hinein – der Wir-lieben-den-Underdog-Mechanismus funktioniert auch heute noch gut und heute gerade wieder, obwohl man auch über ihn eine Menge Tiefgründigeres zu Papier bringen könnte, als wir das in einer solchen Rezension vermögen. Aber für die häuslichen Szenen, auch wenn sie in einem Hotel stattfinden, ziehen wir 15 Punkte ab.

50/100

2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Charlie Chaplin
Drehbuch Charlie Chaplin
Produzent Mack Sennett
  1. https://en.wikipedia.org/wiki/The_Rounders_(1914_film)

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2Vom Autor in die Analyse eingefügte Stellen sind mit *gekennzeichnet.


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