Filmfest 1388 Cinema – Werkschau Buster Keaton (24)
Im Theater (Originaltitel: The Play House; Alternativtitel: Busters bunte Bühne) ist eine US-amerikanische Kurzfilm–Slapstick–Komödie aus dem Jahr 1921 mit Buster Keaton in der Hauptrolle, der auch gemeinsam mit Edward F. Cline für Drehbuch und Regie verantwortlich war.
Die Nummer 24 von Buster Keaton feiert auf dem Filmfest im Rahmen seiner Werkschau ihre Rezension, diese stammt aber nicht aus der aktuellen Serie von Sichtungen mit längeren Analysen, sondern aus dem Jahr 2019, als Arte eine Kurzfilm-Werkschau von Keaton aus den Jahren 1919 bis 1922 gezeigt hat.
Handlung (1)
Im ersten Teil des Films ist Buster Keaton während einer Varieté-Vorführung zu sehen, bei der er nicht nur den Dirigenten verkörpert, sondern auch das gesamte Orchester, die Darsteller und alle anderen an der Vorführung Beteiligten, sowie die Damen und Herren aus dem Publikum. Es stellt sich heraus, dass dies nur ein Traum von Buster Keaton war, der Backstage ein Schläfchen im Bühnenequipment gehalten hatte. Aufgewacht, begegnet er Zwillingsschwestern und verliebt sich in eine von ihnen, hat aber Probleme damit, diejenige, die ihn mag, von derjenigen, die ihn nicht mag, zu unterscheiden. Als der Orang-Utan-Trainer ihm aufträgt, den Affen für die Vorführung zu verkleiden, lässt Buster das Tier versehentlich entkommen und muss selbst den Affen mimen. Nach einer Vorführung mit als Zuaven-Wachen-Verkleideten kommt es zu einer letzten Nummer mit einer der beiden Zwillingsschwestern, die unter Wasser sehr lange die Luft anhalten können soll. Sie bleibt jedoch im Becken stecken und muss von Buster durch das Einschlagen der Becken-Schaufensterscheibe gerettet werden, woraufhin das gesamte Theater überflutet wird. Zu guter Letzt geht Buster mit seiner (nun mit einem Kreuz markierten) Liebe zum Standesamt.
Rezension
„Im Theater“ oder „The Play House“ ist, wenn man so will, ein Dreiteiler, und da er im Theater spielt: ein Dreiakter, nach dessen erstem Teil der dritte kurz vorbereitet wird, darauf folgt der zweite, der wiederum ein Element des ersten aufgreift. Das klingt komplizierter, als es von Buster Keaton vermutlich gemeint war, der bei diesem Short aus dem Jahr 1921 sicher kein philosophisch gemeintes Mäandern inszenieren wollte. Mittlerweile unterstellen ihm Kritiker ja alle möglichen genialen Absichten auch im Kleinsten, aber man sollte es nicht zu weit treiben: In erster Linie wird es Buster Keaton darum gegangen sein, Abwechslung in die Show zu bringen. Denn so witzig der erste Teil ist, und das ist er wirklich, man kann ihn nicht unendlich ausdehnen, weil aufgrund seiner Komplexität der Variatenreichtum begrenzt ist.
Wir mussten sofort an „Adel verpflichtet“ denken, als wir Buster Keaton in vielfacher Verkleidung als Männer und Frauen sahen, und sie sind alle gelungen, nicht nur bezüglich der Kostüme, sondern auch bezüglich des Verhaltens. Und dann sieht man ihn bis zu dreimal in einem Bild als Musiker und später in noch größerer Zahl auf der Bühne. Sogar das vermutlich erste Steptanzduo der Filmgeschichte hat er wohl alleine gespielt, was ihn ehrt, auch wenn die Schritte nicht auf dem Niveau von Fred Astaire sind. Das Verblüffende, das sieht man auch bei den Zwillingsschwestern deutlich: Selbst Filme, die viel später entstanden, haben die Übergänge zwischen den montierten Teilbildern nicht so gut hinbekommen. Und es sind ja nicht einfach Kopien, Buster bewegt jede der Figuren so, dass sie auf perfekte Weise parallel agieren, aber unterschiedliche Körperhaltungen einnehmen. Besonders beim Spielen der Instrumente fällt das auf. Sicher gibt es einen Trick, der schon 1921 funktioniert haben muss, aber wir sind schon ziemlich beeindruckt, weil wir uns nicht so recht vorstellen können, wie er diese virtuose Form von Synchronität hinbekommen hat.
Und am Ende sehen wir auch noch, wie ein Aquarium eingeschlagen wird und den Theatersaal überflutet. Selbstverständlich mit viel mehr Wasser, als in dem relativ kleinen Becken drin gewesen sein kann. Das ist später ein Klassiker geworden, zu sehen in dem einen oder anderen Agentenfilm, zuletzt in „Babylon Berlin“. Aber einer muss der Erste gewesen sein und unter den Künstlern, die man heute noch kennt, war das wohl Buster Keaton.
Dafür gibt es im Mittelteil ein Problem besonderer Art, das 1921 mit Sicherheit niemand als Problem angesehen hat – außer vielleicht Afroamerikaner, die den Film angeschaut haben. Auch Buster Keaton hat also einen Short mit Blackfacing gemacht. Das war im Showgeschäft damals ziemlich üblich, aber man beseitigt ja auch aus Kinderbuchklassikern mittlerweile rassistische Aussagen und diskutiert bei dem wunderbaren Disney-Trickfilm „Das Dschungelbuch“ die Stelle, an welcher der Affenkönig sich wünscht, er wäre wie Mowgli, „Song oft he South“ (1946) wird generell diskutiert und es gibt unzählige weitere komödiantische Rassismen. Einige sind komplett gebannt worden. Die ganz große Kunst blieb davon nicht verschont, so steht David W. Griffith’s „Birth of A Nation“ mittlerweile nicht mehr auf der Bestenliste des AFI, dafür hat man den gigantischen und nicht in allen Teilen gelungenen „Intolerance“ reingenommen, der aber politisch viel korrekter ist und vielleicht sicher das größere Werk, wenn man es ethisch betrachtet.
In The Play House dauert die Szene, in der Weiße sich dunkle Gesichter malen, also in dem Fall Keaton selbst, nur eine Minute und es gibt auch in „Nachbarschaft im Klinch“ eine pikante Sequenz: Buster steckt im Hofmorast und hat danach ein dunkles Gesicht, ein Polizist verfolgt ihn und ein Afroamerikaner wird in die Sache mit hineingezogen, obwohl er, abgesehen von der in einem Schwarz-Weiß-Film ähnlichen Hautfarbe, Keaton eben nicht gerade ähnlich sieht. Darin kann man natürlich auch einen kritischen Kommentar sehen, aber das damalige Publikum wird in der Regel nicht zu einer solchen Deutung tendiert haben.
Die Frage ist am Ende immer, wie bewertet man solche Dinge, die in der Entstehungszeit eines Werkes als harmlos galten. Kann man wirklich heutige Maßstäbe anlegen oder muss an solch eine Kurzfilmkomödie in ihrer Zeit stehen lassen? Wir meinen, es kommt darauf an. Es kommt vor allem darauf an, wie ausgeprägt ein Phänomen ist und mit welcher Intention es implementiert wurde. Ganz sicher, um das Publikum zum Lachen zu bringen, und es gab Komiker, die haben sowas eben nicht gemacht. Soweit uns bekannt, gibt es keinen Film von Chaplin, Llyod oder Laurel & Hardy mit Blackfacing, allerdings müsste man dann noch einmal gesondert untersuchen, wie mit tatsächlich afroamerikanischen Schauspielern umgegangen wurde, falls welche eingesetzt wurden. Da dies aber schon bei der Statisterie beginnt, kann man das Ganze bis ins Unendliche ausdifferenzieren. Wichtig ist für uns vor allem, dass die Darstellung nicht in dem Sinn diskriminierend ist, dass Farbige als lustig aufgrund dummer Verhaltensweisen dargestellt werden – und, was ja bis heute nicht vollständig beseitigt ist, dass sie vor allem in dienenden, marginalen Positionen gezeigt werden. Selbst die wunderbare Mammy in „Vom Winde verweht“, für die Hattie McDaniel als erste afroamerikanische Darstellerin den Nebenrollen-Oscar erhielt, ist diesbezüglich alles andere als neutral, weil Mammie nicht nur zum Dienstpersonal gehört, sondern Sklavin ist. In der Regel werden Klassiker des Kinos, vor allem wenn sie Gegenwartsfilme waren, aber nicht deswegen abgewertet, weil die Realität spiegelten: Nämlich, dass Afroamerikaner selten in Führungspostionen zu finden waren, wenn das Milieu „weiß“ war.
Auch die Affenszene hat uns ein wenig unangenehm berührt. Keaton spielt den Orang-Utan, der ihm entwischt ist, sozusagen ersatzweise. Seine Bewegungsabläufe und seine Mimik sind super, da gibt es nichts, und nebenbei wird bewiesen, dass Keaton sehr wohl einen sehr lebendigen Ausdruck entwickeln konnte, wenn es ihm darauf ankam. Aber uns tat der Orang-Utan im Käfig nun mal leid, denn normalerweise war er ja der Partner, der nur für seine Auftritte aus seinem Gefängnis befreit wurde.
Technisch ist „The Play House“ für seine Zeit herausragend, sehr abwechslungsreich, wenn auch dramaturgisch eher ein Kaleidoskop mit zwei Motiven, die jeweils wiederkehren, aber er hat eben auch Momente, bei denen man sagen muss: Mann kann sich nicht, wenn man einen solchen Film rezensiert, einfach ins Jahr 1921 versetzen und sagen – so war das damals eben, alles gut. Letztlich rechtfertigt man damit bis heute anhaltenden Rassismus und Tierfeindlichkeit. Wir wollen aber jetzt nicht den ganzen Film deswegen in die Tonnte treten, als handele es sich um ein NS-Propagandawerk, hinter dem eine ganz andere Bösartigkeit steckt, sondern ziehen 7/100 Punkte ab von der rein technischen Qualität und der Kreativität ab.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2025: Mittlerweile haben wir den Standard etabliert, gerade angesichts neuerer gesellschaftlicher Tendenzen, Filme nicht einfach als in ihrer Zeit stehend zu bewerten, sondern tatsächlich deutliche Abzüge vorzunehmen, wenn sie nach heutigen Soll-Maßstäben, die sich ja vom Ist-Zustand wieder immer deutlicher unterscheiden, Darstellungen beinhalten, die nicht mehr angängig sind. Vermutlich hätten wir bei einer Rezension des Jahres 2025 auch 10 bis 15 Punkte abgezogen, dann wäre der Film nicht mehr bei fast 70 Punkten herausgekommen. Geben wir zum Ausgleich auch Pluspunkte für progressive Darstellungen, wie Buster Keaton sie beispielsweise in „The Paleface“ zeigt, den wir demnächst hier vorstellen werden? Ja, tun wir, sie haben in dem Fall zu 75/100 beigetragen, obwohl der Film nicht ganz so virtuos gemacht ist wie der technisch unwiderlegbar brillante „The Play House“.
67/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2019)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Edward F. Cline, Buster Keaton |
|---|---|
| Drehbuch | Edward F. Cline, Buster Keaton |
| Produktion | Joseph M. Schenck |
| Kamera | Elgin Lessley |
| Besetzung | |
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