Briefing Economy Geopolitics, Wirtschaft und Geopolitik, Donald Trump, Zölle, Tariffs, Indien, India, EU, Russia, Russland, Ukraine, Sanktionen, Strafzölle
Die EU hatte gerade ihr Trump-Zoll-Erlebnis, über das wir ausführlich berichtet haben. Der EU-USA-Handelsdeal, richtig analysiert. Wie bereits in diesem Artikel vermutet, wird die gefundene Lösung, die hochgradig unfair gegenüber der EU ist, nicht das Ende sein, die nächsten Drohungen von Trump stehen schon im Raum wie der sprichwörtliche Elefant, der den Raum im Grunde nie verlassen hat. Die Zölle gegenüber Indien haben aber einen zusätzlichen Hintergrund, der über wirtschaftliche Aspekte hinausgeht – und sie ethisch gesehen nicht so einfach aussehen lässt.
Es gibt vielfältige Deutungen über die tatsächlichen US-Interessen hinter dem Zollkrieg, den sie vermutlich erst dann beenden werden, wenn sie ihre Karten endgültig überreizt haben. Bei der EU sieht es zunächst aus, als ob es tatsächlich nur um Wirtschaftsinteressen ginge. Das ist natürlich falsch, denn die EU ist aufgrund ihrer sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA besonders erpressbar, und das bringt einen geopolitischen Aspekt hervor, der auch im Fall Indien mitschwingt: Was ist mit Russland und dessen expansiver Politik? Sie spielt bei den Strafzöllen gegen Indien ganz offen eine Rolle:
Die Zolleskalation stellt Indien neben Brasilien an die Spitze von Trumps Strafstruktur und sieht höhere Zölle vor als für China (30%), obwohl China der weltweit größte Käufer russischen Öls ist. Laut der Times of India prognostizieren Experten, dass die Zölle Indiens Exporte in die USA um 40-50% reduzieren könnten, was die Textil-, Meeresprodukte- und Ledersektoren schwer treffen würde.123
Trumps Exekutivanordnung mit dem Titel „Addressing Threats to the US by the Government of the Russian Federation“ etabliert einen Mechanismus zur Überwachung der russischen Ölimporte anderer Länder und zur möglichen Verhängung ähnlicher 25%-Strafen. Das Weiße Haus rechtfertigte die Maßnahme als Antwort auf einen „nationalen Notstand“, der durch die russische Aggression in der Ukraine entstanden sei.45
Die Eskalation markiert einen dramatischen Wandel in den US-indischen Beziehungen, der nach monatelangen gescheiterten Handelsverhandlungen und trotz der historisch engen Beziehung zwischen Trump und dem indischen Premierminister Narendra Modi eintritt. Während Trumps Sondergesandter Steve Witkoff am Mittwoch den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau traf, scheint die Zolldrohung darauf ausgelegt zu sein, beide Länder zu einem Ukraine-Waffenstillstand zu drängen.56
Eines wurde in den USA jedenfalls verstanden: Russland kann nur durch massive wirtschaftliche Schädigung dazu gebracht werden, den Eroberungsfeldzug in der Ukraine zu stoppen, eine militärische Lösung ist nicht möglich. Und Zölle gegen russische Handelspartner sind möglicherweise viel wirksamer als das gesamte Sanktionsregime, das Russland bisher immer umgehen konnte und das wir in unseren Kommentaren von Beginn an kritisch begleitet und auch gegenüber Waffenlieferungen an die Ukraine als weniger effizient angesehen haben. Ungeachtet der Tatsache, dass mit der gegenwärtigen Militärstrategie des Westens im Ukrainekrieg eben keine Lösung erzielt werden kann.
Warum aber trifft es Indien härter als China? Der Grund ist sehr einfach: Die Wirtschaft der USA hängt in bestimmten Bereichen stärker von chinesischen Produkten und Rohstoffen ab, als das bei Indien der Fall ist. China ist für die USA systemrelevant und kann jederzeit kontern, Indien hat diese sehr starke Stellung noch nicht. Uns hat sich angesichts der US-Zölle gegen Indien die Frage gestellt, wie es mit den Importen russischer Energieträger in die EU aussieht:
Die EU bezieht weiterhin sowohl russisches Gas als auch in begrenztem Umfang russisches Öl – allerdings mit stetig sinkendem Anteil und politischem Kurs auf den vollständigen Ausstieg bis spätestens Ende 2027.
- Gas: Trotz massiven Rückgangs (Reduktion der russischen Gasimporte in die EU seit 2021 um über 70%) stammten 2025 noch etwa 13–19 % der EU-Erdgasimporte aus Russland, sowohl als Pipeline-Gas als auch als LNG. Viele Mitgliedsstaaten – insbesondere Ungarn und die Slowakei – blockieren ein vollständiges sofortiges Embargo. Die Europäische Kommission hat deshalb einen schrittweisen Ausstieg vorgeschlagen, wobei kurz- und langfristige Verträge bis Ende 2027 auslaufen sollen. Ein kompletter Importstopp von russischem Gas (einschließlich LNG) ist frühestens ab 2028 rechtlich verpflichtend geplant.4567
- Öl: Bereits 2022 wurden mit geltenden EU-Sanktionen die russischen Öllieferungen deutlich reduziert. Inzwischen kommen nur noch etwa 3 % der EU-Ölimporte aus Russland (Stand 2024), insbesondere durch Ausnahmeregelungen etwa für Ungarn. Ein vollständiger Ölausstieg ist ebenfalls bis spätestens Ende 2027 vorgesehen.354
- Gründe für den (noch) bestehenden Import: Verstrickungen durch langfristige Lieferverträge, politische Uneinigkeit unter den Mitgliedsstaaten und die energiewirtschaftliche Abhängigkeit mancher Länder erschweren einen sofortigen Stopp russischer Energieimporte. Flüssigerdgas aus Russland gelangt weiterhin in die EU, wenn auch die Investitionen in russische LNG-Projekte verboten sind. Gänzlich untersagt ist bereits russische Steinkohle.2610
Zusammengefasst: Die EU importiert, Stand 2025, weiterhin sowohl russisches Gas als auch in kleinem Umfang russisches Öl, hat sich aber auf einen rechtlich verbindlichen Ausstiegsfahrplan bis spätestens Ende 2027 verpflichtet. Ein vollständiges und sofortiges Embargo ist bisher politisch nicht durchsetzbar.567104
Bei den Verhandlungen der EU mit den USA über Zölle hat dieser Umstand offiziell keine Rolle gespielt und in der Tat ist damit zu rechnen, dass die EU es bis 2027 weitgehend schaffen wird, auf russische Energieträger zu verzichten. Bis auf einige kleinere Staaten, die auf keinen Fall so viel abnehmen können, dass Russland dadurch wesentliche Vorteile im weltweiten Energiehandel hätte.
Dieses Embargo ist grundsätzlich Teil des Sanktionsregimes, ebenso wie die Strafzölle. Ob die USA die Macht haben, auf diese Weise einen Frieden in der Ukraine zu erzwingen, können wir derzeit nicht einschätzen. Jedenfalls sorgen diese Attacken auf russische Energiehandelspartner für erheblichen Auftrieb und bauen realen Druck auf, denn die meisten Länder, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine unterstützen, haben mit den USA weitaus stärkere wirtschaftliche Verflechtungen als mit Russland. Das gilt auch für China, es gilt für Indien, es gilt für alle übrigen BRICS-Staaten und es gilt natürlich auch für die EU.
Russland ist wirtschaftlich vergleichsweise klein, das tritt durch Trumps Zollpolitik nun wieder in den Vordergrund: Es brächte den USA nicht viel, direkte Zölle gegen Russland zu erheben, also werden dessen Handelspartner gezwungen, Entscheidungen zu treffen.
So schrecklich wir Trumps Politik in vieler Hinsicht finden, in diesem Druck auf diejenigen, die den russischen Krieg finanzieren helfen, könnte etwas wie ein Stück Gerechtigkeit verortet sein. Aber ist es so geopolitisch entscheidend, dass es alle Angriffe auf eine regelbasierte Ordnung, die von den USA ausgehen, aufwiegt, gesetzt, Trump hat überhaupt Erfolg mit diesem Strafzollkonzept gegen Russlands Handelspartner?
Man darf sich bei dieser Art von Geopolitik nicht die Rosinen herauspicken, schon gar nicht aus europäischer Sicht. Die Ukraine ist ein Faktor von vielen, welche das Handeln der USA ausmachen, und der weltweite Kulturkampf, der von diesem Land ausgeht, leider ein anderer. Auch ein gerechter Frieden in der Ukraine, der die Integrität des Landes wiederherstellt, sofern dies überhaupt im Interesse der USA liegt, würde keine Entspannung und keinen Schutz für die Demokratien in aller Welt bedeuten, wenn aus den USA ständig Angriffe auf die Demokratie im eigenen Land und Einmischungen in die demokratischen Prozesse in anderen Ländern erfolgen.
TH
Quellen zu „Russland exportiert noch fossile Rohstoffe in die EU“
- https://www.reedsmith.com/en/perspectives/2025/05/roadmap-towards-ending-russian-energy-imports
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/eu-gasimporte-100.html
- https://www.celis.institute/celis-blog/towards-the-end-of-russian-oil-and-gas-in-europe/
- https://germany.representation.ec.europa.eu/news/kommission-schlagt-schrittweisen-ausstieg-aus-russischen-gas-und-oleinfuhren-die-eu-vor-2025-06-18_de
- https://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document/EPRS_BRI(2025)775863
- https://www.tagesspiegel.de/internationales/eu-plant-verbot-russischer-gasimporte-so-einfach-wie-bei-ol-und-kohle-wird-der-ausstieg-nicht-13869262.html
- https://www.mayerbrown.com/en/insights/publications/2025/06/eu-proposes-regulation-to-phase-out-russian-natural-gas-imports-key-measures-and-implications
- https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/russland-oel-gas-importstopp-eu-kommission-ursula-von-der-leyen-annalena-baerbock
- https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1504
- https://www.fr.de/wirtschaft/eu-will-gas-lieferungen-aus-russland-endgueltig-beenden-und-hat-jetzt-einen-weg-gefunden-zr-93685312.html
Quellen zu den Strafzöllen der USA gegen Indien.
- https://www.ndtv.com/world-news/trump-tariffs-is-india-facing-highest-trump-tariff-breaking-down-the-latest-us-order-9033142
- https://economictimes.com/news/economy/foreign-trade/trump-executive-order-imposes-additional-25-tariff-on-india-over-russian-oil-purchase/articleshow/123144353.cms
- https://timesofindia.indiatimes.com/business/india-business/donald-trump-hits-india-with-highest-50-tariff-for-russia-crude-oil-buys-how-will-it-impact-indian-economy-explained/articleshow/123146448.cms
- https://www.whitehouse.gov/fact-sheets/2025/08/fact-sheet-president-donald-j-trump-addresses-threats-to-the-united-states-by-the-government-of-the-russian-federation/
- https://www.foxbusiness.com/politics/trump-hits-india-25-tariff-over-russia-oil-purchases
- https://www.youtube.com/watch?v=mgezWEiXo3Q
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