Jetzt mit Analyse und Kommentar +++ Hochrechnung 19:13 Uhr NRW-Kommunalwahl: AfD verdreifacht Ergebnis von 2020, CDU bleibt vorne, SPD verliert leicht, Grüne stark

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Bei Landtagswahlen schreiben wir regelmäßig eine größere Artikelserie in Form von Updates, bei Kommunalwahlen haben wir uns bisher zurückgehalten. Nordrhein-Westfalen ist aber das einwohnerstärkste Bundesland und die Kommunalwahl gilt als wichtiger Stimmungstext in den Zeiten des rechten Auftriebs und einer Bundesregierung, die neue Rekorde im Hinblick auf Unbeliebtheit nach wenigen Monaten aufstellt. 

Wir haben die aktuelle Prognose für Sie:

Hier ist die vergleichende Tabelle zu den Ergebnissen der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen von 2020 und den aktuellen Prognosen für 2025:

Partei Ergebnis 2020 (%) Hochrechnung 19:30 (Prognose 18:00)
CDU 34,3 34,2 (34,0)
SPD 24,3 22,6 (22,5)
AfD 5,1 16,4 (16,5)
Grüne 20,0 11,7 (11,5)
FDP 5,6 3,4 (3,5)
Linke 3,8 5,4 (5,5)
 
  • Die CDU bleibt mit etwa 34 Prozent stabil auf ihrem historisch schlechten Ergebnis von 2020.

  • Die SPD verliert leicht und kommt auf 22,5 Prozent (2020: 24,3 Prozent).

  • Die AfD verdreifacht ihr Ergebnis nahezu von 5,1 auf 16,5 Prozent.

  • Die Grünen verlieren stark von 20 auf 11,5 Prozent.

  • Die FDP fällt von 5,6 auf 3,5 Prozent.

  • Die Linke kann leicht zulegen von 3,8 auf 5,5 Prozent.zdfheute+5

  • Das BSW ist oben nicht ausgewiesen, weil es in vielen Kommunen nicht angetreten ist; das Gesamtergebnis wird gegenwärtig zwischen zwei und drei Prozent geschätzt.

Analyse

Die NRW-Kommunalwahl 2025 bietet ein vielschichtiges Bild mit mehreren zentralen Fragestellungen, die Fragen haben wir wie im folgenden Text ersichtlich gestellt:

1. Hat die Beliebtheit von MP Hendrik Wüst die CDU-Ergebnisse stabil gehalten?

  • Die CDU erreichte durch die Prognose etwa 34 Prozent, ähnlich ihrem historisch schwachen Ergebnis von 2020 (34,3%).taz+1

  • Ministerpräsident Hendrik Wüst wird in der Presse als ein Stabilitätsfaktor gesehen, der der CDU zumindest eine Mobilisierung der Kernwählerschaft ermöglichte, jedoch konnte auch er keine nennenswerten Zugewinne generieren.focus+1

  • Wüst selbst zeigte sich besorgt über die starken Zugewinne der AfD und betonte, dass das Wahlergebnis trotz des Sieges ein Weckruf sei.taz

  • Gleichzeitig unterstrich Wüst, die CDU müsse Antworten auf soziale und sicherheitspolitische Themen liefern.taz

2. Ist es wirklich das historisch schlechteste Ergebnis der CDU? Und wie ist das für die SPD?

  • Das Ergebnis von ca. 34% ist tatsächlich eines der historisch schwächsten für die CDU bei Kommunalwahlen in NRW, vergleichbar mit 2020.taz

  • Die SPD hat mit knapp 22,5% erneut verloren (2020: 24,3%). Für sie ist der Abwärtstrend noch deutlicher, was die Schwäche der traditionellen Sozialdemokratie in NRW widerspiegelt.br+1

  • Der Rückgang der SPD gilt als tieferes strukturelles Problem, bedingt durch die Abwanderung jüngerer Wähler und Probleme in traditionellen Arbeiterregionen.tagesschau+1

3. Warum sind die Grünen so stark eingebrochen?

  • Die Grünen verloren von 20% (2020) auf ca. 11,5% (2025) und mussten damit ihr bestes bisheriges Kommunalwahlergebnis deutlich einbüßen.br+1

  • Gründe sind vor allem:

    • Enttäuschung über Umsetzungsdefizite in der Landes- und Bundespolitik

    • Thematik der hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere im Bereich Wohnen und Energie, die viele Wähler gegen die Grünen wendenhandelsblatt+1

    • Die „Entgrünung“ von NRW zeigt, dass umweltpolitische Themen im Wahljahr 2025 weniger mobilisierten als 2020.tagesschau+1

  • Dennoch konnten sie wichtige Oberbürgermeisterämter in Aachen, Bonn und Wuppertal gewinnen, was regional stark differenziert ist.focus+1

4. Sind die mehr als 16 Prozent für die AfD das neue Normal im Westen?

  • Mit rund 16,5% mehr als eine Verdreifachung gegenüber 2020 (5,1%) stellt das Ergebnis für die AfD einen dramatischen Zuwachs dar.br+1

  • Wahlforscher und Politiker wie Hendrik Wüst sehen das als Weckruf und neuen politischen Katalysator.handelsblatt+1

  • Es ist aber offen, ob dieses Niveau in anderen westdeutschen Bundesländern reproduzierbar ist. Der Ruhrgebietseffekt mit sozialen Brennpunkten, hoher Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit mit etablierten Parteien spielt eine große Rolle.handelsblatt+1

  • Der Trend entspricht jedoch der Entwicklung bei der Bundestagswahl 2025, wo die AfD in NRW ebenfalls stark war und in einigen Städten sogar die SPD hinter sich ließ.tagesschau+1

  • Prognosen sprechen davon, dass dieser Erfolg ein Symptom tieferer gesellschaftlicher Verunsicherungen und Debatten über Migration, Sozialsysteme und Sicherheit ist.handelsblatt+1

5. Wie hat sich die Bundespolitik auf die NRW-Wahl ausgewirkt?

  • Die Kommunalwahl wurde als erster Test für die neue schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) gewertet.br+1

  • Bundespolitische Themen wie die Debatte über Zuwanderung, soziale Gerechtigkeit, Energiepolitik sowie Inflationsbelastungen spielten eine wesentliche Rolle bei den Wählerentscheidungen.tagesschau+1

  • Kanzler Merz kündigte an, die Konsequenzen aus der Wahl zu ziehen und eine intensivere Debatte über sichere Grenzen und Sozialpolitik zu führen.handelsblatt

  • Die Unzufriedenheit in strukturschwachen Gebieten – insbesondere ehemaligen Industrieregionen – wurde als Spiegel der bundespolitischen Herausforderungen interpretiert.taz+1

6. Grundlegende Veränderungen seit 2020

  • AfD-Zuwachs als dominantes Thema: Von 5% auf mehr als 16%.

  • SPD und Grüne mit klaren Stimmenverlusten.

  • CDU auf schwachem Niveau stabil, konnte aber Verluste verhindern.

  • Erhöhte Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2020, was als Zeichen politischer Mobilisierung und Unzufriedenheit gilt.wdr+2

  • Die Wahl zeigt eine zunehmende politische Polarisierung mit regional sehr unterschiedlichen Effekten.taz+1


Fazit

Die NRW-Kommunalwahl 2025 bestätigt die anhaltende Schwäche der traditionellen Volksparteien SPD und CDU, wenn auch letztere ihr historisch schlechtes Niveau halten konnte, stark unterstützt durch die Popularität von MP Hendrik Wüst. Der dramatische Erfolg der AfD markiert möglicherweise eine neue Normalität im Westen, sicherlich aber ein neues Signal für die etablierten Parteien und die Bundespolitik, die dringend auf soziale und sicherheitspolitische Themen reagieren muss. Das starke Einbrechen der Grünen zeigt, dass Umwelt- und Klimapolitik allein nicht mehr ausreichen, um breite Wählerschichten zu mobilisieren.

Die Wahl spiegelt verstärkte gesellschaftliche Spannungen und regionale Disparitäten in Nordrhein-Westfalen wider und ist ein deutliches Signal für den Bund, künftig mit erhöhter Aufmerksamkeit auf soziale Gerechtigkeit, Migration und Sicherheit einzugehen.focus+4

Kommentar

Es gab vor der Wahl Umfragen, in denen der AfD bist zu 20 Prozent zugetraut wurden und damit auch ein möglicher Platz vor der SPD. Dass es nicht so weit gekommen ist, könnte dazu verleiten, das, was wir gerade sehen, als das neue Normal zu akzeptieren. Der Westen ist demnach 50 Prozent weniger stark AfD-lastig als der Osten, pauschalisiert ausgedrückt. Und es ist NRW, das mittlerweile als eines der Bundesländer mit den meisten wirtschaftlichen und sozialen Problemen gilt. Wir haben jetzt noch keine Analyse dazu, wie Ruhrpott, Rheinland und Westfalen einzeln getickt haben, aber die SPD hat keine große Kohle-und-Stahl-Arbeiterschaft mehr, die einmal ihre Kernwählerschaft war, das ist offensichtlich, und sie ist, wie in anderen Regionen auch und wie in weiten Teilen die Gewerkschaften, nicht mit dem Wandel hin zur Flexibilisierung, Fragmentierung und Individualisierung der Arbeitswelt klargekommen. Das ist auch eine schwierige Konversion. Genauso schwierig, wie ehemals stolze Industrieregionen mit einem neuen Narrativ und einer neuen Wirtschaftsstruktur auszustatten. Das zu wuppen, ist eine Riesenaufgabe, darum beneiden wir keinen Ministerpräsidenten.

Den Menschen in NRW, und wir kennen einige dort, können wir  hingegen nur wünschen, dass die Politik in ihrem Bundesland fähiger ist und seriöser mit den Menschen spricht als die Bundesregierung, gleich, wer sie anführt. Auch die Wähler sind heutzutage in Deutschland oft unseriös, deswegen haben sie sich diese Bundesregierung verdient. Aber in NRW haben wir immer noch das Bild von hart arbeitenden, mithin malochenden Menschen vor uns, die wesentlich dafür gesorgt haben, dass Deutschland nach dem Krieg schnell wieder den industriellen Anschluss gefunden hat, etwas gleichbedeutend mit der ebenfalls für den Wiederaufstieg wesentlichen Industriekultur in Baden-Württemberg. Da können wir als Subventionsmaschine der Republik in Berlin nicht mithalten. Vielleicht ist der Vergleich auch nicht ganz gerecht, aber unser Herz gehört am meisten denen, die ohne großes Gedöns diesen Laden so lange am Laufen hielten und jetzt den Niedergang so hautnah miterleben müssen, ohne auch nur das Geringste dagegen tun zu müssen. Ohnmacht den Verhältnissen gegenüber dürfte eine große Rolle spielen, insofern ein ähnliches Gefühl, vor allem im Ruhrgebiet, dort wiederum besonders in Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen oder Teilen Dortmunds, wie es bezüglich des Ostens rauf- und runteranalysiert wird. Aber da NRW im Westen liegt, wird kein großes Aufhebens um die Tatsache gemacht, dass dort der Strukturwandel in Teilen der Region ebenfalls Herausforderungen an die Politik und die Menschen stellt, die mit der antistrategischen, planlosen Wirtschaftspolitik des Bundes nicht zu bewältigen sind.

Dass das so ist, wird den Grünen offensichtlich am meisten angelastet. Bloß, weil sie im Bund dreieinhalb Jahre lang den Wirtschaftsminister gestellt haben. Und vielleicht, aber da sind wir analytisch nicht genug unterwegs, aus regionalen Gründen, denn die CDU regierte dort bekanntlich von 2017 bis 2022 mit den Grünen. Aktuell mit der FDP, aber wären dies nicht Kommunal-, sondern Landtagswahlen, käme es vermutlich zu dem, was man früher Große Koalition nannte, aktuelle vereinen SPD und CDU aber nur noch ca. 56-57 Prozent der Stimmen auf sich. Und wie tendenziell die Großen Koalitionen es tun, würde auch diese den rechten Rand stärken. Im Grunde drüfte aber landespolitisch die Mitregierung der Grünen bis 2022 keine Rolle mehr spielen, es geht eher darum, dass sie nicht die Themen bespielen können, die derzeit die Menschen umtreiben, wie oben offenbar richtig analysiert wurde. Dieser auch für uns schwer nachvollziehbare Prioritätenwandel in den letzten Jahren ist vor allem ein Propagandaerfolg der Rechten, auf eine wirklich dumme Weise unterstützt von den Unionsparteien, die selbst von ihrem neurechten Sprech kaum profitieren. Aber wir haben ja schon einmal die Vermutung aufgestellt, dass viele Politiker dieser Parteien bereits ein B-Plan-Ticket für einen Parteiwechsel in der Tasche haben, auf dem, vor blauem Hintergrund, „AfD“ zu lesen ist.

Uns bestürzt das Ergebnis nicht wirklich, weil wir es erwartet haben.  Uns tut es vor allem leid für die Menschen in NRW, die keinen anderen Ausweg mehr sehen, als eine Partei zu wählen, mit der sie garantiert nicht besser fahren werden als bisher und wir danken allen, die tapfer den „demokratischen Parteien“ oder den „Parteien der Mitte“ die Stange halten. Wobei die Mitte nach unserer Ansicht in Bundesländern wie NRW zwar auch noch gerade die CDU erfasst, aber auch Die Linke, während im Bund die CDU nicht mehr mittig ist, sondern populistisch immer mehr nach rechts dreht. Nicht nur einmal kam es deswegen zu Reibereien zwischen Wüst, der sich mehr als Landesvater für alle sieht und Merz, der auf keinen Fall der Bundeskanzler der Mehrheit, sondern der größte Spalter mindestens seit Gerhard Schröder sein will, der seinerseits den Niedergang der SPD befschleunigt hat.

Dass Wüst seine Sache offenbar relativ gut zu machen scheint, lässt sich daran ablesen, dass er bei seiner ersten Wahl nur 2 Prozent besser lag als Angela Merkel bei ihrem letzten Wahlergebnis von 2017, während er aktuell Kanzler Merz in Umfragen etwa 7 bis 8 Prozent voraus ist. Er hat das aktuelle Ergebnis also mit Gegenwind aus Berlin eingefahren, blieb in diesem Wind stehen, während die Grünen von diesem Gegenwind geradezu weggeweht wurden, einzelne Erfolge können darüber nicht hinwegtäuschen. Allerdings ist das, was den Grünen entgegenschlägt, nicht nur in dieser Form ungerechtfertigt, das schreiben wir, obwohl wir ihre Berliner Politik in den Jahren 2021 bis 2024 auch stark kritisiert haben.  

Anders als damals, als wir die Umsetzung der Politik teilweise schrecklich fanden, geht es aktuell darum, dass Menschen sich von Zukunftsthemen abkehren, weil sie keine Zukunft mehr für sich und ihre Region sehen. Das ist bitter, bitter und einer unverantwortlichen Bundespolitik über viele Jahre hinweg zu verdanken, die vor allem von CDU und SPD gesteuert wurde. Daraus die Konsequenz zu ziehen, wie Merz schon angedroht hat, noch mehr Sozialbashing  zu betreiben, ist genau das, was uns alle, in NRW und in Deutschland, weiter zurückwerfen wird. Es war ohnehin  kurios, dass der Kanzler schon Nachdenken über die Wahl angekündigt hat, bevor sie gelaufen war. Das entspricht seiner Schnellschuss-Mentalität. Er hatte den Plan zum Spin schon fertig und das Glück, das Wüst mit seiner moderateren Linie nicht über 40 Prozent geholt hat, denn das wäre für den Merz-Populismus ein ziemlicher  Schlag gewesen. Inhaltlich sind die Unterschiede zwischen den Unions-Spitzenpolitikern nicht so riesig, wie man meinen könnte, aber der Ton  macht eben die Musik, und der ist bei Wüst eindeutig weniger menschenfeindlich. Er wirkt im Wesentlichen verantwortungsbewusst, während die Bundes-CDU und die CSU auf  Disruption setzen. Wir sind gespannt, wie sich diese Strategie bei den nächsten Wahlen in Bayern auswirken wird, wo mit Söder der populistische Wendehals Nr. 1 und mit Dobrindt einer der übelsten Hardliner der Union sitzen. Wir prognostizieren bei fortgesetztem Rechtspopulismus der CSU einen Aufstieg der AfD. Möglicherweise zulasten der Freien Wähler, die bei diesem Rennen ums „wer kann am besten einen raushauen  und Schaden an der politischen Kultur anrichten“  offenbar nicht mit CSU  und AfD mithalten kann. Wir werden das besprechen, wenn es soweit ist. Relevant ist das, was in anderen Bundesländern geschieht, und natürlich im Bund, für NRW jedoch allemal. Denn Merz hat kein Herz, und schon gar nicht für Menschen in einer Region, in der BlackRock-Investoren sich relativ selten blicken lassen, weil hier vor allem die große Vergangenheit mit viel Aufmerksamkeit  und Verständnis in eine erträgliche Zukunft übergeleitet werden muss, und da geht es in erster Linie um Menschen, nicht um Rendite.  Die Analyse der Sozialstruktur dieser Region ist nicht das Hauptthema dieses Beitrags, aber in früheren Industrieregionen, so viel sei gesagt, muss Transformation anders gedacht werden als dort, wo immer schon kleinteilige Strukturen und extremer Individualismus für eine manchmal recht schräge Form von Anpassungskultur gesorgt hat, die auch die nächste Welle wirtschaftlicher Veränderngen vermutlich einigermaßen überstehen wird. Das ist in den früheren Industrie-Großräumen so nicht möglich. Umso mehr muss die Politik sozial und wirtschaftlich innovativ sein. Wann immer wir aber von neuer Ökonomie hören, sogar in Deutschland kommt das mal vor, geht es bei größeren Projekten selten um NRW als Standort. Viel seltener jedenfalls, als es der immer noch großen Bedeutung und Bevölkerung des nach wie vor menschenreichsten Bundeslandes entspricht. Doch ein Versagen auch der Landespolitik von Hendrik Wüst? Auf jeden Fall eines seiner Vorgänger, egal, ob sie von der SPD oder seiner eigenen Partei gestellt wurden, und unter seiner Leitung hat NRW wirtschaftlich nicht aufgeholt, sondern tendenziell weiter an Boden verloren.  Stimmt das so? Wir haben es überprüft:

Jahr NRW reales BIP-Wachstum (%) Deutschland reales BIP-Wachstum (%)
2019 0,2 0,6
2020 -3,6 -4,9
2021 2,2 2,8
2022 0,3 1,9
2023 -1,3 -0,8
2024 -0,4 -0,2
NRW hat, wie Deutschland insgesamt, es nicht geschafft, sich vom Corona-Einbruch zu erholen, aber es gibt einen deutlichen Unterschied: Gesamtdeutschland liegt gegenüber 2020 um 0,6 Prozent zurück, NRW um 2,6 Prozent, und diesen Unterschied spürt man. Vor allem im Jahr 2022 hat NRW gegenüber anderen Regionen in Deutschalnd besonders schlecht abgeschnitten. Und das war das erste Regierungsjahr von Hendrik Wüst. Deutschland ist aus der Pandemie wirtschaftlich schlechter herausgekommen als jedes andere etablierte Industrieland – und  NRW noch einmal um eine deutliche Ecke schlechter. 
 
Diesen Verlust kann man nicht mehr wegreden, er wird im Alltag vieler Menschen spürbar, zumal sich NRW ja auch intern stark unterschiedlich entwickelt haben dürfte – was bedeutet, dass einige Regionen im Land innerhalb der letzten Jahre vermutlich mehr als 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verloren haben. Und damit haben wir den Erfolg der AfD zumindest zum Teil auf dem Schirm: Dieser Abstieg ist nicht nur gefühlt, und für viele schaut die Zukunft stark nach etwas aus, was schlechter sein wird als die Vergangenheit. Nostalgie und Hass auf eine Form von Migration, die für alles mitverantwortlich gemacht wird. Es gibt sie, die Parallelen zwischen Teilen von NRW und den östlichen Bundesländern. Wenn man nun schreibt, dass NRW dafür ja noch recht stabil geblieben ist, muss ein Aspekt bedacht werden: etwasist grundsätzlich anders. NRW war ins Gewinner-System der Wende integriert, und das hält viele Wähler:innen wohl noch davon ab, die Segel zu streichen und antidemokratisch abzustimmen. Und sie sind in der Mehrheit ein Menschenschlag, der großzügig und weltoffen ist, der schon lange mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund lebt, von denen einst viele bzw. deren Vorfahren Kollegen in der Zeche oder im Werk waren. Die meisten hier teilen wohl noch ein gemeinsames Schicksal lieber, als ihr persönliches Schicksal gegen andere zu wenden.
 
Also ist es vor allem die Politik, die adressiert wird. Und das leider zu Recht. Die Abwesenheit strategischer Wirtschaftspolitik in Deutschland rächt sich in NRW mit seiner früheren Großindustrie weitaus mehr als in Regionen, in denen alles kleinteilig wächst und stirbt, mal etwas mehr so, mal etwas mehr so, aber nicht mit der Wucht, in der die größte Industrieregion Europas und eine der größten der Welt mit einem Wandel konfrontiert wurde, der innerhalb weniger Jahre das Land von einer Konjunkturmaschine zu einem Problemfall ökonomischer Art werden ließ. Was wir für 2019 bis 2024 gezeigt haben, sind im Grunde Nachbrenner-Effekte der großen Arbeitsplatzvernichtung der 1970er und der folgenden Jahrzehnte; die Jobs, die verloren gingen, konnten in manchen Regionen nie gleichwertig ersetzt werden und viele gar nicht. 
 
NRW wird erst einmal bleiben, was es war, aber es bleiben auch die Sorgen, dass die etablierte Politik es nicht mehr hinbekommt, die Menschen zu erreichen und die AfD bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dann wirklich über 20 Prozent liegen wird. Bisher ging nie ein Ruck in die richtige Richtung durch die „Altparteien“, wenn die AfD sich zu immer neuen Höhen aufschwang, zuletzt bei den Landtagswahlen im Osten vor einem Jahr. Im Gegenteil, vor allem die Union gefällt sich darin, kleine AfD zu spielen und verzwert sich damit selbst. Und die SPD macht in Form der Berliner Koalition mit oder lässt es durchgehen. 
 
Das neue Normal ist das Ergebnis der heutigen NRW-Kommunalwahl für uns nicht, sondern die Messlatte: Es darf nicht noch schlimmer werden! Glauben wir, dass es nicht noch schlimmer wird? Leider nein. Wir  haben schon so eine Ahnung, wie die Analyse von Merz und Co. aussehen wird, die vermutlich schon vor der Wahl schon feststand, wie seine verräterisch frühe Einlassung nahelegt. Alle, die heute demokratisch stabil blieben, werden weiterhin verraten und für diese brave Haltung durch Vernachlässigung ihrer Belange und Interessen durch kapitalhörige Bundespolitiker bestraft werden. Das kann die Demokratie nicht mehr lange durchstehen, und das ist es, was wir heute voller Sorge mitnehmen in die kommende Woche.
 
TH

 

Quellen Kommentare

  1. https://taz.de/Kommunalwahlen-in-NRW/!6113680/
  2. https://www.focus.de/politik/deutschland/cdu-siegesserie-unter-druck-14-millionen-waehlen-afd-hofft-auf-durchbruch_a40dba30-ffb8-4b3f-8942-359e71b8c14b.html
  3. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/prognose-und-hochrechnungen-zur-nrw-kommunalwahl-cdu-vor-spd-afd-legt-deutlich-zu,UwmUUKT
  4. https://www.deutschlandfunk.de/kommunalwahlen-in-nordrhein-westfalen-104.html
  5. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kommunalwahlen-nrw-stimmungstest-100.html
  6. https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundeslaender/nordrhein-westfalen/laendertrend/2025/september/
  7. https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/wdr-jetzt-live-100.html
  8. https://www1.wdr.de/nachrichten/wahlen/kommunalwahlen-2025/koeln-wahl-aktuell-100.html
  9. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-09/kommunalwahl-nordrhein-westfalen-2025-live
  10. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/nordrhein-westfalen-die-wichtigsten-lehren-aus-der-nrw-kommunalwahl/100153652.html
  11. https://www1.wdr.de/nachrichten/wahlen/kommunalwahlen-2025/ergebnisse-kommunalwahlen-2025-nrw-100.html

Quellen zur Prognose von 19:13 Uhr

  1. https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/nrw-kommunalwahl-2025-ergebnisse-100.html
  2. https://www1.wdr.de/nachrichten/wahlen/kommunalwahlen-2025/ergebnisse-kommunalwahlen-2025-nrw-100.html
  3. https://www.bild.de/politik/inland/kommunalwahl-in-nrw-cdu-stabil-afd-verdreifacht-spd-runter-gruene-halbiert-68c6c49f7ecf6b1bfe3e4a51
  4. https://www.n-tv.de/politik/18-02-Prognose-CDU-gewinnt-Kommunalwahlen-in-NRW-deutlich–article26031740.html
  5. https://www.focus.de/politik/deutschland/cdu-siegesserie-unter-druck-14-millionen-waehlen-afd-hofft-auf-durchbruch_a40dba30-ffb8-4b3f-8942-359e71b8c14b.html
  6. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/prognose-und-hochrechnungen-zur-nrw-kommunalwahl-cdu-vor-spd-afd-legt-deutlich-zu,UwmUUKT
  7. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/nrw-kommunalwahlen-2025-hoehere-wahlbeteiligung-zeichnet-sich-ab-viele-briefwaehler/100154890.html
  8. https://www.deutschlandfunk.de/newsblog-kommunalwahl-nrw-100.html
  9. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-09/kommunalwahl-nordrhein-westfalen-2025-live
  10. https://www.wahlergebnisse.nrw/kommunalwahlen/2025/index.shtml


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