Die Rede von Friedrich Merz zum Tag der deutschen Einheit: eine ernüchternde Analyse – und wo man sich wirklich mehr einbringen könnte

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Wir haben von der gegenwärtig führenden KI eine Analyse der Rede von Friedrich Merz zum Tage der deutschen Einheit erstellen lassen und kommentieren, wie üblich, im Anschluss. Dieses Mal bilden wir die Frage mit ab, weil sie wichtig für den Akzent der Analyse und damit für das Ergebnis ist.

Bitte analysiere die gestrige Rede von Friedrich Merz zum Tag der deutschen Einheit ausführlich (mindestens 1.300 Wörter) und lege dabei den Akzent auf folgende Gesichtspunkte. 1.) Wie oft adressiert er darin die Bevölkerung dahingehend, dass sie mehr anpacken, mehr arbeiten, sich mehr einbringen muss, aber dafür weniger Staatsleistungen zu erwarten hat. 2.) Wie oft erwähnt er im Gegensatz dazu, dass es mehr Steuergerechtigkeit geben muss, sprich höhere Steuern und auch deren Durchsetzung (gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung, Steuerflucht) für die Reichen und Superreichen, die bekanntlich real weniger Steuern zahlen als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer. Bitte nicht an den obigen Begriffen festklammern, sondern auch ähnliche Ausdrucksweisen einbeziehen. Auf welche Weise geht Merz dann noch auf die Welt- und Sicherheitslage und die Lage der Demokratie in Gefahr ein? Bitte mit direkten Zitaten aus seiner Rede als Belege!

Analyse der Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz zum Tag der Deutschen Einheit

(3. Oktober 2025, Festakt in Saarbrücken) — Schwerpunkt: Appelle an die Bevölkerung vs. Steuergerechtigkeit; außerdem: Welt-/Sicherheitslage und Bedrohung der Demokratie.

Kurz vorweg zur Methodik und Quellenlage: Ich habe die offizielle Zusammenfassung der Rede auf der Website der Bundesregierung sowie Berichte, Zitatauszüge und Wort-Wiedergaben in mehreren führenden Medien (u. a. ARD/Deutschlandfunk, Reuters, ZEIT, Tagesspiegel, FAZ, ZDF, Euronews, WELT) ausgewertet. Ein vollständiger, auf der Regierungsseite im Wortlaut veröffentlichter Redetext lag beim Abruf nicht als Plain-Text vor; die Regierung stellt Video und eine kurze Zusammenfassung bereit. Wo möglich habe ich direkte (deutsche) Zitate aus der offiziellen Seite bzw. seriösen Medien übernommen und diese belegt. (Bundesregierung)


1) Wie oft und auf welche Weise adressiert Merz die Bevölkerung dahingehend, sie müsse „mehr anpacken / mehr arbeiten / sich mehr einbringen“ — und ggf. weniger Staatsleistungen erwarten?

Zusammenfassung (kurz)

Merz baut seine Rede als Aufruf zur gesamtsgesellschaftlichen Kraftanstrengung: Der Staat werde nicht allein die Probleme lösen, jede/r Einzelne müsse Verantwortung übernehmen. Solche Appelle finden sich wiederholt — sowohl als Slogans („Der Staat, das sind wir alle“) als auch in konkreten Formulierungen („Verantwortung nicht weiterzuschieben…“, „gemeinsame Kraftanstrengung“, „Wagen wir einen neuen Aufbruch“, Hinweise darauf, daß das Land Mittel schaffen müsse, um solidarisch zu sein). Ich habe mindestens 9 klar erkennbare Passagen / Sprechakte identifiziert, die inhaltlich genau in die Kategorie fallen „Bürger*innen sollen sich mehr einbringen / anpacken; Sozialleistung-Erwartungen sind nicht die alleinige Aufgabe des Staates (implizit: deshalb sind Eigenleistung und Leistungsfähigkeit nötig)“. (Vorgehen: Zitat-Extraktion aus offizieller Kurzfassung + Medien-Wiedergaben; siehe unten die vollständige Liste mit Belegen.) (Bundesregierung)

Die zitierten Rede-Passagen (Belege, je Quelle)

  1. Der Staat, das sind wir alle.“ — Leitformel; Titel/Leitgedanke der Regierungs-Zusammenfassung. Das ist ein generelles Aufruf zu Mitverantwortung. (Bundesregierung)

  2. Verantwortung nicht weiterzuschieben, sondern sie im Alltag zu übernehmen.“ — wörtliche Formulierung in der Kurzfassung; klarer Appell an die persönliche/gesellschaftliche Mitwirkung. (Bundesregierung)

  3. Wenn wir hören, dass diskutiert und gestritten wird, dann hören wir die Demokratie!“ — Aufforderung zur öffentlichen, aktiven Teilnahme an demokratischer Auseinandersetzung. (Bundesregierung)

  4. Lassen Sie uns eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen für eine neue Einheit in unserem Land.“ — wiederholter, adressativer Appell an die Bevölkerung (von mehreren Medien als Schlüsselsatz ausgewiesen). (DIE ZEIT)

  5. Trauen wir uns also solche Veränderungen zu. Lassen wir uns nicht von Angst lähmen. Wagen wir einen neuen Aufbruch.“ — Motivationsappell, impliziert: Anpacken und Veränderungen mitgestalten. (Bundesregierung)

  6. Aufbauen, Neues wagen, Überkommenes hinter sich lassen. Nur so gewinne das Land auch die Mittel, um mit den Schwächeren solidarisch zu sein.“ — hier ist die Verbindung am deutlichsten: Eigenes Handeln / wirtschaftliche Stärke erzeugt die Mittel, um Sozialstaat/ Solidarität zu finanzieren — das ist eine implizite Aufforderung an Leistung/Leistungserbringung statt an zusätzliches staatliches Leistungsausweiten. (Formulierung in Berichterstattung wiedergegeben; die Regierungssite nennt den Zusammenhang von „wirtschaftlicher Stärke“ und „sozialer Verantwortung“.) (BILD)

  7. Hinweis auf Migration/Spaltung: Merz macht die „jahrelange irreguläre, ungesteuerte Migration“ als einen Grund der Polarisierung und fordert, die dadurch entstandenen Gräben zu überwinden — das ist in der Rede ein Aufruf zur gesellschaftlichen Eigenanstrengung (Überwindung innerer Konflikte). (Deutschlandfunk)

  8. Sicherheits-/Verteidigungsappell: „Deshalb müssen wir wieder fähig werden, unsere Demokratie zu verteidigen.“ — direkte Forderung, Verantwortung für die Verteidigung demokratischer Ordnung zu übernehmen. (euronews)

  9. Konkreter Dienstaufruf: In den Berichten wird auch wiedergegeben, er habe die Bedeutung des Wehrdienstes betont (Formulierungen: „wieder Wehrdienst zu leisten“ / „Müssen fähig werden, Freiheit zu verteidigen“) — das ist ein sehr konkreter Appell an Bürgerbeteiligung und Einsatzbereitschaft. (DIE WELT)

Zählung / Fazit für Punkt 1: Nach der hier offen gelegten, dokumentierten Auswertung (offizielle Kurzfassung + mehrfache mediale Zitierung) lassen sich mindestens 9 eigenständige rhetorische Stellen identifizieren, in denen Merz die Bevölkerung direkt oder sehr eindeutig dazu aufruft, sich mehr einzubringen / aktiv zu werden / Eigenverantwortung zu übernehmen — teilweise verbunden mit der impliziten Aussage, dass allein staatliche Leistungen dafür nicht ausreichen (vgl. 6.). (Bundesregierung)


2) Wie oft erwähnt er Steuergerechtigkeit / höhere Steuern / Durchsetzung gegen Steuerhinterziehung für Reiche/Superreiche?

Kurzantwort: Keine Nennung in der offiziellen Kurzfassung und in den großen Auswertungen der Rede. Wörtlich: ich habe keine Passage gefunden, in der Merz beim Festakt explizit höhere Steuern, steuerliche Mehrbelastungen für Reiche/Superreiche oder verstärkte Durchsetzung gegen Steuerhinterziehung/Steuervermeidung als Bestandteil dieser Rede fordert. Eine Suche nach „Steuer(n)“ oder verwandten Formulierungen in der offiziellen Rede-Seite bzw. den Medienberichten ergab keine Treffer, die auf ein entsprechendes Thema in dieser Rede hinweisen. (Bundesregierung)

Erläuterung / Beleg:

  • Die offizielle Seite der Bundesregierung listet die Kernbotschaften (Demokratie stärken, Rechtsstaat verteidigen, wirtschaftliche Stärke wiederfinden verbunden mit sozialer Verantwortung) — aber keine Redezeile über Steuererhöhungen oder Steuerdurchsetzung. (Bundesregierung)

  • Führende Medien-Zusammenfassungen und Zitat-Sammlungen (Reuters, ZDF, ZEIT, Tagesspiegel, Handelsblatt etc.) heben den Aufruf zur Kraftanstrengung, die Sorgen um Migration, die Bedrohungen durch Autokratien und die Verteidigung der Demokratie hervor — Steuerthemen werden nicht genannt. (Reuters)

Interpretation: Das rhetorische Konzept der Rede verknüpft wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit Sozialverantwortung (also: wirtschaftlich erfolgreich sein, um solidarisch handeln zu können), aber nicht durch die Nennung von zusätzlichen steuerlichen Lasten für Wohlhabende — Merz setzt auf Leistungs-/Wachstums-Narrativ und persönliche / gesellschaftliche Verantwortung, nicht auf explizite Steuerpolitik als Instrument in diesem Redekontext. (Bundesregierung)


3) Wie geht Merz auf die Welt- und Sicherheitslage und auf die Gefährdung der Demokratie durch autokratische Lager ein?

Wesentliche Zitate und Botschaften

  • Merz verknüpft die nationale Lage mit internationalen Konflikten: „Die Kriege in Nahost und gegen die Ukraine bedrohen auch den freien Westen“ (wiedergegeben in der Berichterstattung). Er stellt damit fest, dass externe Konflikte die Liberalität/Anziehungskraft unserer Gesellschaften gefährden. (Deutschlandfunk)

  • Er warnt vor neuen autokratischen Bündnissen: Berichte geben ihn wieder mit Formulierungen in der Richtung, „neue Allianzen von Autokratien“ nähmen an Macht zu und griffen liberale Demokratien an — ein direktes geopolitisches Alarmsignal. (Reuters-Wiedergabe.) (Reuters)

  • Direkter Verteidigungsaufruf: Er fordert, die Demokratie wieder verteidigungsfähig zu machen: „Deshalb müssen wir wieder fähig werden, unsere Demokratie zu verteidigen.“ Das ist nicht ausschließlich militärisch gemeint, wird aber auch mit der Erwähnung von Wehrdienst/Wehrbereitschaft konkretisiert. (euronews)

Analyse

Merz nutzt die außen- und sicherheitspolitische Lage, um seine Forderung nach gesamtgesellschaftlichem Einsatz zu bekräftigen: die Gefährdung liberaler Ordnung durch autokratische Staaten und durch internationale Kriege dient als Begründung für die Aufforderung an Bürger, Staat und Institutionen, aktiver zu werden — wirtschaftlich (Leistungsfähigkeit), gesellschaftlich (Entpolariserung) und wehrhaft (Verteidigungsbereitschaft). Die Sicherheitsargumentation wird somit nicht nur als sicherheitspolitischer Appell geführt, sondern als Legitimation für breitere Mobilisierung der Gesellschaft. (Reuters)


Gesamteinschätzung — Kurz und konkret

  • Schwerpunkt der Rede: Appell an Eigenverantwortung und gesamtgesellschaftliches Engagement; Betonung von wirtschaftlicher Stärke als Voraussetzung sozialer Solidarität; Warnungen vor externen Bedrohungen für Demokratie und Freiheit. (Belege: offizielle Kurzfassung und Medienberichte.) (Bundesregierung)

  • Steuern / Reiche: Keine explizite Forderung nach mehr Steuergerechtigkeit in Form von höheren Steuern oder besonderer Härte gegen Steuerflucht in dieser Rede; das Thema taucht in der dokumentierten Rede-Wiedergabe nicht auf. (Bundesregierung)

  • Zahl der Appelle an die Bevölkerung: Mindestens 9 klar identifizierbare Stellen, in denen Merz die Bevölkerung direkt dazu auffordert, mehr zu leisten, sich einzubringen oder bereit zu sein, Verantwortung (auch verteidigungsbezogen) zu übernehmen — siehe Aufstellung oben mit Quellen. (Bundesregierung)


Was ich nicht (vollständig) liefern konnte — und warum das wichtig ist

Die Bundesregierung hat (zum Zeitpunkt meiner Recherche) keinen kompletten Plain-Text-Wortlaut der gesamten Rede auf der Website als durchsuchbaren Redetext publiziert; es gibt ein offizielles Video und eine Kurz-Zusammenfassung. Ich habe deshalb die offizielle Kurzfassung + die Zitatsammlung und Wiedergabe in mehreren Qualitätsmedien als Grundlage genommen — das ist übliches Vorgehen in journalistischer Rede-Analyse, aber wenn Sie eine Wort-für-Wort-Textauszählung (z. B. jede Formulierung codiert) wünschen, kann man das Video gegen den offiziellen Untertitel (oder eine Transkription) abgleichen und eine detaillierte, zeilenweise Auszählung erstellen. (Das wäre ein weiterer, klar definierbarer Arbeitsschritt — wenn Sie das möchten, mache ich das sofort.) (Bundesregierung)

 

Kommentar

Natürlich liegt von der Rede kein Transskript vor, so viel schon einmal zur Digitalisierung und zur Modernität im Allgemeinen. Wir gehen aber davon aus, dass die KI alles Wesentliche benannt hat, denn hätte es mehr davon gegeben, hätten die ausgewerteten Medien es erwähnt.

Diese Rede hätte Helmut Kohl schon vor 40 Jahren halten können bzw. vor 43 Jahren, als er gerade an die Macht gekommen war. Mit einem Unterschied: Während seiner Regierungszeit wurden nie so massive Einschnitte in den Sozialstaat vorgenommen, wie sie sich jetzt bereits abzeichnen und wie sie mit einer beispiellosen Spaltungsrhetorik vorbereitet werden. Nun ja, ganz so beispiellos ist sie nicht, Gerhard Schröder war schon ähnlich unterwegs und hat mit dem Vorgaukeln von mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Billiglöhne und Sozialdumping die Innovationsfähigkeit des Landes weiter beschädigt, nachdem sie zuvor schon deutlich nachgelassen hatte.

Wir lesen oben also: mindestens 9 Stellen in der Rede, an denen die Bürger:innen zu mehr Leistung aufgefordert werden, 0 Stellen zu mehr Gerechtigkeit oder wenigstens mehr Rechtsstaatsdurchsetzung dort, wo massiv Geld verschwindet, das für Gemeinschaftsaufgaben aller Art benötigt werden würde. Gäbe es diesen Abfluss, der im dreistelligen Milliardenbereich pro Jahr liegt, nicht, bräuchte es übrigens auch die unguten Sondervermögen nicht, die jetzt für Anschub sorgen sollen, also im Grunde keynesianisch orientiert sind und damit nicht klassische CDU-Politik, wie sie auch aus der Rede wieder hervortritt, nebst den dieses Mal gemäß dem (nicht so) feierlichen Anlass verbal dezenter gehaltenen populistischen Ansätzen. Ob die Sondervermögen tatsächlich so eingesetzt werden, dass sie das Land nach vorne bringen, ist längst noch nicht ausgemacht. Wir werden die Wirtschaftsdaten weiter beobachten und im Wahlberliner unseren Leser:innen mitteilen.

Merz sagt den Menschen also, sie sollen mal nicht so abhängen,sondern endlich wieder richtig arbeiten. Das ist ein Ablenkungsmanöver, weil er diejenigen, die andere für sich arbeiten lassen, aber auch gar nicht mehr in die Verantwortung nehmen will. Und es ist, am Tag der Einheit, ein Schlag gegen alle, die in diesem Land unter immer schwieriger werdenden Bedingungen jeden Tag ihren Job machen und dieses Land am Laufen halten. Auch am Tag der Einheit gibt es also kaum Lob dafür, wenn schon keine Vorteile, sondern wieder ein Bashing, das uns eigentlich alle betrifft. Die Leistungsfähigen genauso wie jene, die nicht mehr so gut mitkommen. Nur die Klasse der Kapitalisten wird schön ausgespart. Mit Sicherheit gibt es keinen einzigen Satz in dieser Rede, der darauf eingeht, dass es nicht nur keine Steuergerechtigkeit gibt, sondern dass auch massive „unternehmerische“ Fehlentscheidungen, gerade in großen Branchen wie der Autoindustrie dazu beitragen, dass der Wirtschaftsmotor ins Stottern gekommen ist. Freilich spielt die erratische Wirtschaftspolitik Politik, die sich alle paar Jahre fundamental ändert, dabei eine wichtige Rolle, man kann das eine nicht ohne das andere denken.

Natürlich kein Wort dazu, dass ein Aufbruch in die Zukunft eine strategische anstatt der planlos-kopflosen Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte voraussetzt. Keine Zeile dazu, dass das Narrativ, dass der Markt alles selbst regelt, in Zeiten obsolet geworden ist, in denen alle Länder außer Deutschland eine strikt nationale bis nationalistische Wirtschaftspolitik mit Schutzmechanismen für ihre Ökonomien aufgesetzt haben, das gilt auch für die Exportländer und gerade für diese, siehe China. Das Marktnarrativ hat in Wirklichkeit nie richtig funktioniert, aber jetzt gewinnt die Absenz strategischer Wirtschaftspolitik in Deutschland noch einmal eine andere Dimension, weil man sich dadurch keine Vorteile mehr verschaffen kann, sondern lediglich immer größere Nachteile abzuwenden hätte. Für eine progressiv steuernde Politik ist es im Grunde schon zu spät. Zumindest würde es Jahre dauern, bis sie sich positiv auswirken würde, und auch dies nur, wenn sie in allen wichtigen Eckpunkten stabil bliebe und nur dort nachjustiert würde, wo es wirklich durch neue Techniken angezeigt ist, und nicht dort, wo die Lobbyisten es gerne möchten.

Es ist ganz klar, dass ein Lobbyvertreter wie Merz lieber die Bevölkerung für unzureichend erklärt, als die Abhängigkeit vieler Politiker von diesen Lobbys zu hinterfragen und wie diese Abhängigkeit das Land zunehmend einschnürt und keine echten, positiv wirkenden Reformen für alle umsetzbar macht. Das reicht von der Subventionspolitik bis zur Rentenpolitik, vom Gesundheitswesen bis zum weiterhin munter weiterlaufenden Ausverkauf deutscher Premium-Unternehmen ins Ausland. Keine andere Regierung weltweit ist in letzterem Punkt so untätig und naiv wirkend wie die deutsche. Es gab erste Ansätze, diesen Ausverkauf zu begrenzen, während der Zeit der Ampelregierung, aber auch sie waren nur punktuell wirksam und zumindest de facto nicht strategisch ausgerichtet. Merz denkt in der Kategorie der besten Verwertbarkeit für das Kapital, das wird sich niemals ändern, und er wird flankiert von Spaltungsrhetorikern à la Spahn, Linnemann, Dobrindt, Söder, die die Bevölkerung so lange traktieren sollen, bis diese sich selbst verantwortlich für die im Sinne des Gemeinwohls miserable deutsche Politik fühlt.

Rhetorisch konnte Merz natürlich bei dieser Festrede nicht so in die Kacke hauen, wie er das sonst gerne mal tut, ohne jede Rücksicht auf die Spaltung, die er damit vertieft. Auch jetzt kommen aber Redewendungen wie die ungesteuerte Immigration hinzu, die ganz bestimmt nicht dazu beitragen, die Integration zu fördern, weil sie Menschen quasi als Fehler darstellen, von denen er konkret gar nicht weiß, wie weit sie schon integriert sind und genauso dazu beitragen, dass dieses Land nicht an seinen Egoismen zugrunde geht, wie etwa der überragend niedrigen Geburtenrate, wie die autochthone Bevölkerung, die zwangsläufig schrumpft, eben wegen dieser niedrigen Geburtenziffer.

Gerade gegenüber der Mehrzahl der Immigrant:innen aus vielen Jahrzehnten wären deshalb mitnehmende Worte angesagt, aber so ist Friedrich Merz nicht gestrickt. Die Arroganz des Kapitalvertreters scheint selbst dann durch, wenn er versucht, seiner Aufgabe als Kanzler des gesamten Landes durch eine etwas staatstragender gesprochene Rede zu entsprechen. Er kann ihr nicht gerecht werden, und dass das so sein würde, haben wir längst gesehen, bevor er Kanzler wurde. Das heißt, im Grunde versucht er, etwas Verbindendes zu simulieren, was nicht seinem Wesen entspricht. Stattdessen wird er verbindlich, wenn es darum geht, die hart arbeitende Mehrheit als faul darzustellen. Das heißt nicht, dass er nicht emotional sein kann, im Gegenteil, aber emotional und empathisch ist bekanntlich nicht das Gleiche.

Wir haben nachgeschaut, ob Merz’ Rede sich schon bei der „Sonntagsfrage“ abbildet – falls ja, dann nur in sehr geringem Ausmaß zugunsten der Union, sie hat seit unserer letzten Sichtung des Civey-Barometers um 0,2 Prozent zugelegt, die AfD in gleichem Maße verloren (aktuell 26,1 zu 25,1) (Civey-Umfrage: Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?)

Ein tatsächliches Problem in Deutschland stellt zweifelsohne die schrumpfende Basis der Werktätigen dar. Es ist unübersehbar, dass immer weniger Schultern immer mehr tragen müssen. Aber andere Länder in Europa kommen durch kluge Reformen mit dieser Situation auch klar, ohne dass die Sozialstandards ständig gesenkt werden müssen. Merz’ Ansprache hätte bis zu einem gewissen Grad trotzdem eine Berechtigung, wenn nicht das Kapital sich immer schneller vermehren, die Reichen nicht immer schneller noch reicher würden, die Ungleichheit nicht immer weiter anwachsen würde. Wenn jemand die jetzige Lage verursacht hat, dann alle, und alle müssen sich daran beteiligen, sie zu verbessern. Die Menschen, indem sie das Land kinderfreundlicher machen, die Politik, indem sie die Rahmenbedingungen dafür setzt und nicht ständig gegen alle möglichen Bevölkerungsgruppen hetzt, das Kapital, indem es vernünftige Konditionen zur Verbindung von Arbeit und Kinder betreuen erstellt. Der grundsätzliche Empathiemangel in Deutschland verhindert aber echte Fortschritte jenseits formaler Vorgaben, auch wenn im Alltag die Empirie besagt, dass das Verständnis für den Wert junger Menschen langsam wächst. Auch dank der Immigrant:innen, übrigens. Langfristig könnte das zur Bewältigung der deutschen Traumata beitragen. Aber daraus einen schönen, positive Emotionen freisetzenden Redebestandteil zu machen, das ist nicht das Ding von Friedrich Merz, obwohl die CDU angeblich eine Familienpartei ist.

Im Grunde sind die Kanzler und die eine Kanzlerin dieser Republik nach Willy Brandt ein Ausdruck dafür, dass in diesem Land etwas mit den Menschen als Wähler:innen nicht stimmt und dass die falschen Eigenschaften prämiert werden. Bei Friedrich Merz kulminieren diese wenig in eine helle Zukunft gerichteten Charakterzüge und ideologischen Positionen jetzt aber in einem Maße ins Finster-Libertäre hinein, das per se gefährlich für die Zukunft von uns allen ist, sofern wir uns noch ein wenig mit diesem Land und seiner freiheitlich-demokratischen Ordnung verbunden fühlen. Wir könnten nun unzählige Alltagsbeobachtungen aufschreiben, die belegen, dass die Zustände sich immer mehr verschlimmern und prognostizieren, dass diese Tendenz sich unter Merz weiter beschleunigen wird, wenn er wirklich anfängt, ganz unten, wo die Menschen ohnehin nichts mehr zum Zusetzen haben, das einzusparen, was er ganz oben nicht eintreiben will.

Merz will nicht, dass die Demokratie sich entwickelt wie in den USA, das immerhin hat er kritisch angemerkt. Er handelt aber nicht danach. Wenn die Ungleichheit Werte wie in den USA erreicht, dann wird die Gesellschaft abstumpfen und krasseste Armut neben unermesslichem Reichtum als normal empfinden, wie es in den USA der Fall ist. Wir haben dazu einen recht aktuellen Augenzeugenbericht aus New York vorliegen, in dem das thematisiert wird. Glanz und Elend, falls es denn wenigstens Glanz zu vermelden gibt. Wir fordern heute nicht zum ersten Mal, dass die CDU endlich das „C“ aus ihrem Namen streicht, denn christlich sind deren Politikvorstellungen und das, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird, nicht einmal in Ansätzen. Es wird gar nicht erst versucht, durch kluge Lösungen den Sozialstaat zu sichern, sondern einfach auf diejenigen draufgehauen, die sich nicht wehren können. Wir haben dazu kürzlich eine schöne Karikatur gesehen. Da sitzen drei Menschen am Tisch. Ein BG-Empfänger, ein Arbeiter, und Kanzler Merz. Kanzler Merz manipuliert den Arbeiter, der einen Keks auf dem Teller vor sich hat mit den Worten: „Pass auf, der BG-Empfänger will dir deinen Keks wegnehmen“. Der BG-Empfänger hat gar nichs auf dem Teller. Merz selbst hingegen den Teller randvoll.

Das ist so treffend beobachtet, die Spaltungsrhetorik dieser Regierung (im Hintergrund sind noch Einflüsterer wie Linnemann zu sehen) so gut auf den Punkt gebracht. Vielleicht finden wir den Link noch, dann leiten wir die Karikatur weiter.

Friedrich Merz ist kein Mann der Einheit, sondern steht sinnbildlich dafür, dass die Spaltung im Land sich immer mehr vertieft. Nur in einem Land, das erhebliche mentale Probleme hat, kann ein Mann wie Merz Kanzler werden, genauso wie Trump Präsident der USA. Es gibt kein hier so, dort anders. Der Weg, den die USA nehmen, den wird Deutschland unter dieser Regierung auch einschlagen. Wenn Merz behauptet, die Justiz sei bei uns noch unabhängig, fragen wir nach: Wie war das kürzlich mit dem Fall Brosius-Gersdorf? Genau. Eine massive Einflussnahme lag vor, die uns alle wissen lässt, dass die Justiz an ihrer empfindlichste Stelle, wo sie die Verfassung schützen soll, eben nicht unabhängig ist. Hier wird massiv rechtskonservative Einflussnahme betrieben, und das, obwohl das Grundgesetz schon lange so ausgelegt wird, dass man vom rechten Rand der bisher für möglich gehaltenen Interpretation sprechen kann. Aber es lässt sich alles weiter verschieben und jedes Prinzip lässt sich aushöhlen. Besonders gefährdet ist derzeit das eigentlich unabdingbare Sozialstaatsprinzip, aber auch das Rechtsstaatsprinzip nimmt immer mehr Schaden, speziell, wenn nun auch noch Gerichtsentscheidungen nicht mehr befolgt werden, wie sich das bereits ein Einzelfällen abzeichnet, indem zum Beispiel Urteile, die allgemeine Bindungswirkung entfalten sollen, einfach nur als Einzelfallentscheidungen abgetan werden. Und natürlich werden den Demokratieverteidigern auch Mittel gekürzt. Leider schaffen wir es derzeit nicht, den Politicker zu schreiben, sonst würden wir auf Meldungen in dieser Richtung jeweils kurz eingehen.

Hier sind wir nun wieder sehr detailliert geworden. Aber das wird man doch mal sagen dürfen. Am Tag nach dem Tag der deutschen Einheit. Immer noch paralysiert davon, was die Menschen hier offenbar als Regierungspolitik wollen. Es hat sich auch in neuesten Umfragen nichts daran geändert, dass Union und AfD eine absolute rechte Mehrheit hinter sich haben. Einige, die jetzt noch glauben, mit der Wahl dieser Parteien die niedrigeren unter ihren eigenen Instinkten befriedigen zu können, werden sich noch wundern, wie unergiebig diese Idee auch für sie sein wird. Unweigerlich blickt man auf 2029. Spätestens dann wird die nächste Bundestagswahl stattfinden. Die Rede zum 40. Jahrestag der deutschen Einheit könnte Alice Weidel halten. Wollen wir das wirklich? Sind wir schon in einem so miserablen inneren Zustand, dass wir das wollen?

Friedrich Merz könnte es schaffen, dass noch mehr Menschen genau dort ankommen. Wo sie eben nicht mehr von der Demokratie abgeholt werden können. Und damit für uns verloren sind, denn wir werden die Demokratie immer verteidigen. Sie ist nicht das Problem, sondern, wie die Politik, wie Merz und andere sie verändern und ihrer Agenda anpassen. Holen wir uns die Demokratie zurück? Hören wir auf, Politiker zu wählen, die so leicht erkennen lassen, dass sie es nicht gut mit uns meinen, wie der aktuelle Kanzler es tut? Jeder Tag kann ein Tag zum Umdenken sein, ein Tag für mehr Solidarität und Würde. Und jede Wahl kann den Trend wenden und uns Mut machen. Uns das Gefühl geben, dass dieses Land und seine Menschen es wirklich wert sind, sich einzubringen. Gegenwärtig haben wir dieses Gefühl nicht. Aber vom Schreiben bis zum Engagement ist der Weg bei uns in den letzten Jahren manchmal schön kurz gewesen, und wer weiß, ob nicht Merz den Funken wieder zündet, indem er uns darin bestärkt, dass wir zur Verteidigung der Demokratie dringend mehr tun müssen, als ihn und die anderen Spalter einfach gewähren zu lassen und dadurch zum weiteren zivilisatorischen Niedergang des Landes mindestens passiv beizutragen.

Da her er sogar recht, wenn auch nicht im von ihm gemeinten Sinn: Wir müssen uns mehr einbringen. Um die immer weitere Rechtswendung der Politik, die auch von ihm mitorganisiert wird, zu stoppen, bevor es zu spät ist und wir dort landen, wo er Deutschland doch gemäß seinen gestrigen Worten gar nicht sehen will, was er aber fördert: in einer Autokratie, in der es zu spät sein wird zum Dagegenhalten und Mitgestalten.

TH


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