Der Politicker, Ausgabe KW 40/2025
Liebe Leser:innen, wer uns ganz aufmerksam verfolgt, wird bemerken, dass im Titel und dem Header etwas fehlt. Die Ausgabennummer es Politickers. Die haben wir ausgesetzt, weil wir zuletzt keine Zeit mehr hatten, ihn zu schreiben. Wir stellen ihn heute erst einmal auf eine Zusammenfassung der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der ablaufenden Woche um und verlinken, wo es einen solchen Beitrag gibt, auf unsere eigenen Artikel zum Thema, inklusive kurzer Kommentierung.
I. Innenpolitik (Deutschland) — 3 wichtige Ereignisse
1) Tag der Deutschen Einheit — Friedrich Merz’ Auftritt und die politische Signalwirkung
Am 3. Oktober hielt Bundeskanzler Friedrich Merz die zentrale Rede zum Tag der Deutschen Einheit in Saarbrücken — mit klarer Schwerpunktsetzung auf gesellschaftliche Eigenverantwortung, der Notwendigkeit „wieder fähig zu werden, unsere Demokratie zu verteidigen“ und einem Appell an europäische Solidarität. Die Rede, begleitet von einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt mit Frankreichs Präsident Macron, wurde inhaltlich als Weckruf interpretiert: Merz verband innenpolitische Erneuerungserwartungen mit sicherheitspolitischer Dringlichkeit und der Warnung vor autoritären Kräften. Die Tonlage — starke Appelle an Bürgerbeteiligung, Leistung und Verteidigungsbereitschaft — hat innenpolitisches Sprengpotenzial, weil sie zugleich Erwartung an Eigeninitiative der Bevölkerung und an das Funktionieren staatlicher Institutionen betont. (Reuters Connect)
Politische Bedeutung: Signal an die eigene Basis (Konservative) und Versuch, den innenpolitischen Diskurs zu ordnen: weniger Fokus auf steuerpolitische Umverteilung, mehr auf staatliche Handlungsfähigkeit, Innensicherheit und europäische Koordination.
Wir haben uns zu dieser Rede ausführlich und kritisch hier geäußert: Die Rede von Friedrich Merz zum Tag der deutschen Einheit: eine ernüchternde Analyse – und wo man sich wirklich mehr einbringen könnte
Zum wirtschaftlichen Stand der Einheit haben wir eine kleine Artikelserie aufgesetzt, der aktuellste dieser Beiträge findet sich hier (als Update über den vorherigen verfasst): 35 Jahre deutsche Wiedervereinigung: Wie ist der Stand der wirtschaftlichen Einheit? Teil 3: Stimmungsvergleich mit anderen Ländern (Statista + Kommentar)
Welche schrägen Ideen mittlerweile ernsthaft diskutiert werden, haben wir hier anhand eines Beispiels aufgezeigt (Sie können noch abstimmen): Über 80-Jährige: Gewisse medizinische Behandlungen nur noch mit Eigenbeteiligung? (Umfrage + Kommentar)
Dass man viele Menschen nicht noch weiter gängeln kann, angesichts ihrer schwachen finanziellen Ausstattung, während andere leistungslos immer riesigere Vermögen anhäufen, haben wir ebenfalls thematisiert: .Kaum Reserven für Unvorhersehbares, Spot auf Vermögens-#Ungleichheit +++ finanzielle Sorgen und Rentenniveau +++ Kredite, Hypotheken +++ Insolvenzen / Überschuldung 2025 (Statista + Zusatzinfos + Kommentar)
2) Drohnenalarm in Süddeutschland — Incident am Münchener Flughafen und Forderungen nach neuen Regeln
In der Nacht vor dem Einheitstag sorgten Sichtungen/Alarme wegen unidentifizierter Drohnen über dem Luftraum Süddeutschlands (u. a. Flugausfälle/Umleitungen in München). In der Folge forderten bayerische Landespolitiker und Sicherheitskreise schärfere Befugnisse gegenüber illegalen Drohnen — bis hin zur Forderung, der Polizei das Abschießen nicht genehmigter Drohnen zu erlauben. Die Debatte hat zwei Ebenen: Schutz kritischer Infrastruktur vs. zivile Drohnennutzung und rechtliche Schranken. (The Guardian)
Politische Bedeutung: Beschleunigung eines sicherheitspolitisch-technischen Gesetzgebungsfeldes (Luftraumüberwachung, Abwehrsysteme), mögliche EU-weite Koordinationsforderungen bei Verteidigung/Polizeirechten.
3) Fortdauernde politische Spannungen um Migration und die innenpolitische Polarisierung
In mehreren Debatten (auch im Vorfeld der Einheitsfeier) blieben Migrationsfragen ein Kernstreitpunkt: die Schwierigkeit, die Polarisierung (stärkerer AfD-Einfluss in Teilen des Landes) zu dämpfen, trat deutlich hervor. Politische Akteure — von Regierungsseite wie aus der Opposition — ringen um Deutungshoheit: härtere Kontrolle vs. humane Verfahrensgestaltung. Die Einheitsrede zielte darauf ab, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu betonen; faktisch bleibt Migration eine potenzielle Quelle weiterer Konflikte im Bundestag und in Koalitionsverhandlungen. (Kontext: Folgejahr einer Wahlperiode mit hoher AfD-Zustimmung; Debatten über Zusammenarbeit/Abgrenzung.) (Daily Sabah)
Politische Bedeutung: Langfristige Herausforderung für Regierungsfähigkeit und für das Balancieren zwischen Rechtsstaat, Internationalem Schutz und innenpolitischem Druck.
Unter anderem deshalb hat es die Migration in einer negativen Formulierungsweise auch bis in die Einheitsrede von Friedrich Merz geschafft. Ein falsches Signal, angesichts der Tatsache, dass Immigrant:innen mittlerweile unzählige Job-Löcher stopfen, die eine zu geringe Geburtenrate in Deutschland geschaffen hat. Die Betonung hätte darauf liegen müssen, dass die meisten Einwander:innen sehr viel zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Landes beitragen. Das bedeutet nicht, dass man tatsächliche Probleme nicht ansprechen sollte – man muss sie aber vor allem lösen, und da ist die eher rhetorisch als handlungsseitig starke Politik seit Langem in einem erheblichen Defizit. Dieses Gap dürfte sich bei der neuen Regierung verstärken, weil sie rehtorisch mit dem Vorschlaghammer arbeitet, aber ebenfalls keine Idee hat, wie man zum Beispiel der Organisierten Kriminalität entgegentreten könnte. Weder der „Unterflächenwirtschaft“ noch der massiven Steuerdelikte auch der autochthonen Deutschen.
II. Außenpolitik / Geopolitik / Weltereignisse — 4 zentralere Ereignisse
4) Durchbruch-/Vermittelungsbemühungen in der Gaza-Krise: Trumps Plan und (teilweise) Netanyahus Zustimmung
Die vergangene Woche stand im Zeichen einer überraschenden diplomatischen Initiative: Ex-US-Präsident Donald Trump präsentierte einen umfassenden Plan zur Beendigung des Gaza-Kriegs, der in Teilen von Israel unter Netanjahu zunächst akzeptiert wurde — verbunden mit der Aussicht auf eine erste Phase von Gefangenenaustausch/Hostage-Freilassung und einem teilweise angekündigten Abzug bzw. Rückzug der israelischen Operationen aus bestimmten Teilen Gazas. Die Ankündigung löste intensive internationale Reaktionen aus (Zustimmung, Skepsis, Forderungen nach Garantien). Dieser Vorstoß veränderte die Dynamik kurzfristig: Verhandlungen wurden aufgenommen, Proteste und Mobilisierungen blieben aber massiv. (Al Jazeera)
Geopolitische Bedeutung: Ein möglicher — wenn auch fragiler — Weg zu einem temporären Deeskalationsfenster; die Rolle eines externen Akteurs (Trump) als Vermittler verkompliziert traditionelle multilaterale Kanäle.
Wir waren überrascht, dass Trump und seine Administration in der Lage sind, etwas so Elaboriertes wie diesen Plan auszuarbeiten. Aber der Teufel steckt nicht nur im Detail, der Plan ist leider auch einseitig – und passt doch den vielen Rechten in Israels Regierung nicht. Unser Artikel dazu: Der Trump-Friedensplan für Gaza: Eine echte Chance? (Informationen + Analyse + Kommentar)
5) Massive Protestwellen in Europa gegen die israelische Offensive — Innenpolitische Auswirkungen in EU-Staaten
Parallel zu den diplomatischen Bewegungen kam es in großen europäischen Städten (u. a. Rom, Madrid, Barcelona, Paris, London, Berlin) zu massiven Anti-Krieg-Protesten gegen die israelische Offensive in Gaza. Diese Demonstrationen zeigten eine starke öffentliche Mobilisierung, politische Auswirkungen auf Regierungen (Staatschefs wurden unter Druck gesetzt, Positionen zu beziehen), und führten zu Forderungen nach humanitärer Öffnung und politischen Sanktionen. (AP News)
Geopolitische Bedeutung: Das innenpolitische Gewicht der Proteste beeinflusst EU-Außenpolitik-Diskurse und macht kohärentes europäisches Handeln schwieriger — je stärker die öffentliche Meinung polarisiert ist, desto größer die Kluft zwischen diplomatischen Erklärungen und konkreten Maßnahmen.
6) Russland / Ukraine — Fortgesetzte Frontaktivität, Rhetorik und Drohkulissen
An der Ostfront blieben militärische Aktionen und Gegenaktionen dominant: russische Kräfte meldeten begrenzte Geländegewinne in Teilen der Ost-Regionen, während Moskau in öffentlichen Auftritten (Putin) die Idee eines „gerechten Kampfes“ proklamierte und in Richtung NATO/Amerika warnte. Zudem sorgt die Debatte um die Lieferung von Langstreckenwaffen (z. B. mögliche Tomahawk-Lieferungen) für heikle Eskalations-Rhetorik seitens Moskaus und für diplomatische Spannungen. (Reuters)
Geopolitische Bedeutung: Weiteres Risiko der Entgrenzung des Konflikts und Belastung der transatlantischen Koordination; jede größere Lieferung oder Einsatz neuer Waffensysteme birgt Eskalationsgefahren.
7) Russische Drohungen und das rhetorische Duell mit den USA / NATO
Im Rahmen öffentlicher Foren (Valdai-Forum u. ä.) äußerte Putin harte Warnungen, u. a. über mögliche Reaktionen, sollte der Westen durch Waffentransfers — oder was Russland als Provokation betrachtet — weiter das Kräftegleichgewicht stören. Solche öffentlichen Äußerungen erhöhen die psychologische Spannung in der Diplomatie und beeinflussen militärische Planungen in Europa. (Reuters)
Geopolitische Bedeutung: Rhetorische Eskalation kann zu schnellen sicherheitspolitischen Anpassungen (Defensivmaßnahmen, Truppenpläne) führen — und wirkt sich unmittelbar auf europäische Sicherheitspolitik aus.
Ob Putin dieses Ziel hat, wissen wir nicht exakt, wir trauen es ihm aber zu: Er befördert mit seiner Rhetorik natürlich auch den Rechtsruck in Europa. Der Akzent der Debatten liegt immer mehr auf Aufrüstung und Sicherheit, nicht mehr auf progressiven Themen. Dass es ihm nicht passt, dass die angegriffene Ukraine trotz des Regierungswechsels in den USA weiterhin unterstützt wird, liegt hingegen auf der Hand.
III. Ökonomie — 4 wichtige Ereignisse
8) Deutschland: September-Inflation zieht an — Verbraucherpreise steigen stärker als erwartet
Deutschland meldete für September einen spürbaren Anstieg der Verbraucherpreisinflation (Berichte sprechen von rund 2,4 % Jahresrate), der höchste Wert in diesem Jahr bis dato. Das überrascht in einem Umfeld, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) gleichzeitig mit dem Ziel der Preisstabilität agiert; höhere Kerninflation, vor allem im Dienstleistungssektor, ist der Treiber. (Yahoo)
Wirtschaftspolitische Bedeutung: Erhöhte Inflationstendenzen unter Druck auf Haushalte (Realeinkommen), politisiert die Debatte um Lohnentwicklung und Sozialausgleich — zugleich verschärft es die Diskussion um Geldpolitik in Frankfurt.
In manchen Bereichen liegt die Inflation real viel höher als der obige offizielle Wert, der auch leicht sinkende Energiepreise und dergleichen beinhaltet. Vor allem das Budget ärmerer Haushalte wird immer schmaler, weil zum Beispiel Lebensmittel in den letzten Jahren immer, teilweise weit, oberhalb der Gesamt-Teuerungsrate im Preis zulegten. Diese Tendenz ist ungebrochen.
9) Eurozone: Inflation zieht an — EZB-Entscheidungs-Kontext bleibt gespannt
Die vorläufigen Zahlen zeigen, dass die Eurozonen-Inflation im selben Zyklus zulegte (z. B. 2,2 % im Euro-Durchschnitt), was die EZB-Gremien dazu neigt, den aktuellen Leitzins-Pfad zu bestätigen (vorerst kein Senkungsdruck). Gravierender ist, dass die Inflation von Dienstleistungen getrieben wird — schwerer steuerbar durch Angebotsmaßnahmen — weshalb die EZB signalisiert, Zinspolitik so lange restriktiv zu halten wie nötig. Christine Lagarde und andere EZB-Vertreter äußerten sich in Keynotes und Symposien zum Thema. (Reuters)
Wirtschaftspolitische Bedeutung: Höhere reale Finanzierungskosten für Staaten und Unternehmen; Belastungen für zinssensitive Sektoren und politische Diskussion, wie man Wachstum und Preisstabilität kombiniert.
10) Globale Diplomatie zur Gaza-Wiederaufbau-frage + Finanzierungs- und Sanktionen-Diskurse
Die internationale Diskussion verschob sich auch auf die Frage, wie ein Wiederaufbau Gazas finanziert und gesichert werden kann, sowie auf mögliche Sanktionen als Instrument. Staatschefs und internationale Organisationen debattierten zugleich Haftungs-, Sicherheits- und Finanzierungsmechanismen. Solche Debatten sind wirtschaftspolitisch relevant, da sie Hilfszahlungen, Handelsrestriktionen und Sanktionen betreffen — mit Auswirkungen auf Rohstoffmärkte und humanitäre Finanzierungskanäle. (The White House)
Wirtschaftspolitische Bedeutung: Größere geopolitische Konflikte haben direkte makroökonomische Effekte (Energie-, Handels-, und Finanzmärkte) — politische Entscheidungen zur Rekonstruktion oder zu Sanktionen werden erhebliche Finanzflüsse und Marktreaktionen auslösen.
Warum sollte man nicht diejenigen für den Wiederaufbau zahlen lassen, welche die Zerstörungen angerichtet haben? Leider kann man das sowohl im Ukraine- als auch im Gazakrieg vergessen, denn es gilt das Recht des Stärkeren. Die europäischen Staaten trauen sich nicht einmal, „eingefrorenes“ russisches Vermögen für die Ukraine einzusetzen, so groß ist die Angst vor dem Kapital, egal, wo es herkommt, wie es entstanden ist und wofür es verwendet wird. Womit wir wieder das Problem haben, dass die internationalen Ereignisse eine fatale Wirkung haben: Nirgends gilt das Verursacherprinzip, überall werden die Kosten denjenigen aufgebürdet, die sie nicht ausgelöst haben.
Auf diese Weise wird auch die Ungerechtigkeit im Inneren getriggert, inklusive des zweiten Aspekts, der Steuerungerechtigkeit. Entweder geht es gerecht zu oder nicht, und das tut es nicht. So ist die Stimmung. Die Realität ist manchmal etwas komplizierter, aber im Grunde lassen sich viele Vorgänge tatsächlich auf Gerechtigkeitsaspekte verdichten, wenn es um eine Erklärung für das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und leider auch in die Demokratie geht.
11.) Arbeitsplatzabbau in Deutschland
Unser Beitrag hierzu: Arbeitsplatzabbau in Deutschland (Statista + Zusatzinfos + Kommentar: die Lage entspricht der Mentalität im Land)
Kurzbewertung & Ausblick (Schlussfolgerungen)
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Deutschland: Die Innenpolitik der Woche war dominiert von Symbolik (Einheitsfest) und Sicherheitsdebatten (Drohnen, Migration). Die Tonlage der politischen Führung ist stärker sicherheits- und verteidigungsorientiert; innenpolitische Fragmentierung (Populismus/Protest) bleibt Risiko. (Reuters Connect)
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Geopolitik: Die potenzielle Wende in der Gaza-Krise durch einen (außergewöhnlichen) Verhandlungsimpuls hat die Woche geprägt und zeigt zugleich, wie fragile, personalisierte Diplomatie komplexe multilaterale Prozesse beeinflusst; parallel bleibt der Krieg in der Ukraine ein permanentes Sicherheitsrisiko mit hoher Eskalationsgefahr. (Al Jazeera)
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Ökonomie: Die wieder anziehende Inflation in Deutschland und in der Eurozone dürfte die EZB-Entscheidungen und die fiskalische Debatte in Europa prägen; das wirkt sich auf Haushaltspolitik und Wählererwartungen aus. (Yahoo)
TH / Die Zusammenstellung wurde unter Verwendung von KI erarbeitet
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