„EILT: Deine Nachrichten werden bald mitgelesen“ (Petition + Kommentar)

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Heute möchten wir nach längerer Zeit wieder eine Petition vorstellen, die wir gestern unterzeichnet haben. Es geht wieder einmal um den Kampf Datenschutz vs. (angebliche) Verbrechensverhütung. Unsere Position dazu ist klar und entspricht derjenigen, die in der Petition erklärt wird.

Hallo Thomas,

ob Liebesnachricht oder Kinderfoto im Familien-Chat – Polizei und Justiz könnten schon bald mitlesen. Die EU will jede Nachricht über WhatsApp und Co. in Echtzeit scannen lassen.[1] Der Messengerdienst Signal hat angekündigt, Europa dann zu verlassen.[2] Millionen Menschen würden ihren sichersten Kommunikationskanal verlieren.

Noch lässt sich die EU-weite Massenüberwachung verhindern. Stimmt die Bundesregierung in Brüssel dagegen, kippt die Chatkontrolle. Bereits heute wollen sich Justizministerin Hubig (SPD) und Innenminister Dobrindt (CSU) entscheiden.[3] Auf Campacts Petitionsplattform WeAct will das Bündnis „Chatkontrolle stoppen“ zeigen, wie viele Bürger*innen gegen die Pläne sind. Sei dabei und mach die Petition richtig groß.

Unterzeichne jetzt gegen massenhafte Chatkontrolle

Gestartet von: Chatkontrolle STOPPEN!

Chatkontrolle stoppen!

An: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU); Innenminister Alexander Dobrindt (CSU); Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Stefanie Hubig (SPD); Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung Karsten Wildberger (CDU) 

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Chatkontrolle im EU-Rat klar abzulehnen. Sie muss verhindern, dass alle unsere privaten Nachrichten zukünftig ohne jeden Verdacht durchsucht werden dürfen. Deutschland muss am 14. Oktober mit „Nein“ stimmen und aktiv für den Schutz von Verschlüsselung eintreten.

Die Chatkontrolle ist ein Angriff auf die Privatsphäre, auf sichere Kommunikation und auf die Grundprinzipien unseres demokratischen Rechtsstaats. Der Messenger-Dienst Signal hat bereits angekündigt, den europäischen Markt zu verlassen, wenn die Chatkontrolle kommt – denn es wäre Signal nicht mehr möglich, die Sicherheit und Vertraulichkeit privater Kommunikation zu garantieren.

Die EU-Kommission will Messenger-Dienste wie WhatsApp und Signal zwingen, alle privaten Nachrichten und Fotos in Echtzeit zu scannen. Angeblich zum Kinderschutz. In Wahrheit bedeutet die Chatkontrolle das Ende von verschlüsselter Kommunikation. Über 700 Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt warnen vor dem Vorschlag. Wir alle verlieren an Sicherheit.

Mit der Chatkontrolle gibt es keine vertrauliche Kommunikation mehr. Jede private Nachricht an Freund*innen, jedes Familienfoto, jedes Gespräch über Gesundheit, Politik oder intime Themen wird automatisiert gescannt. Was heute noch privat ist, wird morgen von Algorithmen ausgewertet. Diese sind notorisch ungenau, wodurch auch unproblematische Materialien an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden könnten. Unschuldige geraten so massenhaft in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Das verstößt gegen unsere Grundrechte.

Die Chatkontrolle gefährdet insbesondere Personen und Organisationen, die vorrangig auf vertrauliche Kommunikation angewiesen sind: Geschäftsgeheimnisse, ärztliche Schweigepflicht, Vertraulichkeit von Anwält*innen, journalistischer Quellenschutz, Seelsorge, gewerkschaftliche Aktivitäten, Start-ups, politischer Protest. Die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation von uns allen werden untergraben und damit zentrale Stützen der Zivilgesellschaft ausgehöhlt.

Darüber hinaus bietet die Chatkontrolle noch nie dagewesene Möglichkeiten für Kriminelle und staatliche Hacker, Sicherheitslücken zu missbrauchen und die Sicherheit elementarer digitaler Infrastrukturen zu gefährden.

Effektiver Kinderschutz im Netz ist wichtig und richtig. Die Chatkontrolle ist dagegen kontraproduktiv. Sie gefährdet unsere Grundrechte und die Sicherheit. Das sehen auch Kinderschutzorganisationen so, die die anlasslose Überwachung privater Chats als ‚weder verhältnismäßig noch zielführend‘ bezeichnet haben.

Die Lage ist ernst: Am 14. Oktober soll im Rat der EU über die Chatkontrolle abgestimmt werden. Bis jetzt hat Deutschlands Enthaltung auf europäischer Ebene eine solche Entscheidung verhindert. Aber das könnte sich ändern – und die Zeit drängt: Schon in den nächsten Tagen wird die Bundesregierung ihre neue Position zur Chatkontrolle festlegen. Das heißt: JETZT müssen wir uns alle an die Politik wenden und Druck machen, um diese Pläne noch zu verhindern! Deutschland muss sich jetzt positionieren und Verschlüsselung schützen.“

Unterzeichne jetzt gegen massenhafte Chatkontrolle

Diese Petition wurde auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, gestartet. Es ist also keine Kampagne von Campact, aber wird durch WeAct-Campaigner*innen unterstützt. Da viele Campact-Aktive diese Petition unterstützen, möchten wir Dich mit dieser E-Mail gerne darauf hinweisen.

Vielen Dank und herzliche Grüße

Dein Campact-Team

[1] „Warum ist Chatkontrolle so gefährlich für uns alle?“, Netzpolitik Online, 4. Oktober 2025
[2] „EU-Chatkontrolle: Signal-App droht mit Rückzug aus der EU“, WDR Online, 2. Oktober 2025
[3] „Dänemark pocht auf Entscheidung zur Chatkontrolle“, Netzpolitik Online, 6. Oktober 2025

Erweiternde Zusammenfassung

Die Chatkontrolle in der EU ist ein sehr umstrittenes Thema. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass private Nachrichten, Fotos und Videos in Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Signal automatisiert auf Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern gescannt werden – auch in verschlüsselter Kommunikation durch sogenannte „client-side scanning“-Technologie.

Stand der Dinge in Europa

  • Am 14. Oktober 2025 soll im EU-Rat über einen Verordnungsentwurf zur Chatkontrolle abgestimmt werden, der von der dänischen Ratspräsidentschaft eingebracht wurde.campact+1

  • Das EU-Parlament hat sich bereits gegen die anlasslose Chatkontrolle ausgesprochen und fordert stattdessen zielgerichtete Ermittlungsbefugnisse mit klaren Begrenzungen, wie z.B. nur spezifische, verdachtsbasierte Kontrollen.chat-kontrolle+1

  • Im EU-Rat gibt es eine knappe Mehrheit für den Vorschlag, wobei insbesondere Dänemark als Ratsvorsitzender für die Chatkontrolle Druck macht. Deutschland hat sich bisher enthalten und signalisiert noch keine klare Position, wird aber als Zünglein an der Waage gesehen.wdr+1

  • Viele politische Kräfte und Organisationen – u.a. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig, der Deutsche Kinderschutzbund, die Gesellschaft für Informatik e.V. und das Bündnis „Chatkontrolle stoppen“ – lehnen den Vorschlag strikt ab und warnen vor massenhaften Grundrechtseingriffen und dem Ende sicherer Verschlüsselung.gi+2

  • Einige technische Herausforderungen und massive Bedenken zur Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit werden ebenfalls vorgebracht. So droht der Messenger-Dienst Signal mit Rückzug aus Europa, falls die Chatkontrolle kommt.tagesschau+1

Ist Einstimmigkeit notwendig?

Für die Verordnung im EU-Rat ist keine Einstimmigkeit erforderlich, sondern eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten reicht für die Annahme des Vorschlags aus. Anschließend muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Das Parlament ist bislang skeptisch bis ablehnend gegenüber der Chatkontrolle.tagesschau+1

Kurzer Kommentar zum Thema

Die Chatkontrolle bedroht den Schutz der Privatsphäre und das Vertrauen in verschlüsselte Kommunikation. Trotz legitimen Ziels, Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen, stellt sie einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte dar, da sie eine flächendeckende, anlasslose Überwachung privater Nachrichten ermöglicht. Die Gefahren für sichere Kommunikation, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Journalistinnen, Ärztinnen und politisch Engagierte, sowie das Risiko von Fehlalarmen machen das Gesetz höchst problematisch. Eine zielgerichtete, rechtsstaatliche und verhältnismäßige Lösung zum Kinderschutz im Netz bleibt wünschenswert, doch die derzeitigen EU-Pläne gehen zu weit und müssen dringend abgelehnt werden.netzpolitik+2

Deutschland steht aktuell in einer Schlüsselrolle, um im EU-Rat eine klare Ablehnung durchzusetzen und den Schutz der Verschlüsselung und Grundrechte zu bewahren. Unterstützer der Petition „Chatkontrolle stoppen!“ machen deshalb großen Druck auf die Bundesregierung, sich gegen die Verordnung zu positionieren.

Quellen:

  • Campact Petitionsseite und Bündnis „Chatkontrolle stoppen“weact.campact+1

  • Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)gi

  • Tagesschau, Deutschlandfunk, Netzpolitik.orgwdr+2

Quellen zur Zusammenfassung, zum Stand der Dinge, zum Verfahren

  1. https://weact.campact.de/petitions/chatkontrolle-stoppen
  2. https://blog.campact.de/2025/10/eu-gesetz-chatkontrolle-kinderschutz-massenueberwachung-grundrechte/
  3. https://gi.de/meldung/chatkontrolle-gi-lehnt-verodnungsentwurf-der-eu-ab
  4. https://www1.wdr.de/nachrichten/eu-chatkontrolle-signal-app-100.html
  5. https://www.ccc.de/de/updates/2025/absage-chatkontrolle
  6. https://chat-kontrolle.eu/index.php/2025/06/16/offener-brief/
  7. https://www.tagesschau.de/inland/chatkontrolle-eu-justizministerin-100.html
  8. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/chatkontrolle-kinderschutz-eu-100.html
  9. https://netzpolitik.org/2025/eu-ueberwachungsgesetz-kinderschutzbund-stellt-sich-gegen-chatkontrolle/
  10. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw41-de-aktuelle-stunde-chatkontrolle-1113344

Kurzkommentar

Auf eines möchten wir in dem  Zusammenhang einmal hinweisen. Es ist nicht „die EU“, die immer wieder für Unmut sorgt, zumindest sollte man seinen Ärger nicht auf sie, also nicht auf „Brüssel“ projizieren. Es sind bestimmte Länder, oft auch Lobbyverbände, die bestimmte Regelungen wünschen und dann, wenn die Bürger:innen sie nicht mögen, gerne alles auf „die EU“ schieben. 

So ist es auch hier. Und damit Sie wissen, welchen Ländern Sie die Chatkontrolle zu verdanken haben, wenn sie kommt, haben wir eine kleine Übersicht anfertigen lassen. Uns erstaunt es durchaus, dass ausgerechnet ein skandinavisches Land in dieser Sache federführend ist, und offenbar stehen außer Deutschland die bevölkerungsreichsten Länder bzw. deren aktuelle Regierungen hinter der totalen Kontrolle, was natürlich eine große Relevanz hat, wenn es um das 65-Prozent-der-EU-Bevölkerung-Quorum geht. Falls also 15 Länder zustimmen, wird die Kontrolle auf jeden Fall kommen, weil die größten darunter sind. Zumindest dann, wenn Deutschland mitzieht, und darum, dies  zu verhindern, geht es in der Petition.

Wie viele Menschen diese Regierungen noch repräsentieren, ist eine andere Frage. Besonders die sozialdemokratisch regierten Länder sind hier eine echte Enttäuschung, Spanien wiederum mehr als Dänemark, das auch in anderen Fragen nicht gerade eine sozialdemokratische, dafür aber exzeptionalistische Haltung einnimmt und Sonderrechte innerhalb der EU für sich in Anspruch nimmt. Gerade Länder, die sozusagen unter Vorbehalten EU-Mitglieder sind, sollten sich nach unserer Ansicht etwas mehr zurückhalten, wenn es um den Abbau von Grundrechten von 500 Millionen EU-Bürger:innen geht.

Eine weitere Frage ist, ob die Chatkontrolle in Deutschland verfassungsgemäß ist. In dem Zusammenhang möchten wir einen weiteren Irrglauben berichtigen: EU-Recht geht deutschem Verfassungsrecht nicht zwingend vor. Also zu sagen, da kann man eh  nichts machen, es kommt „aus Brüssel“, ist eine Ausrede, auch für das Verfassungsgericht selbst.

Aktuell unterstützen in der EU besonders folgende Länder die Einführung der Chatkontrolle:

  • Dänemark (hat derzeit die Ratspräsidentschaft und treibt den Vorschlag aktiv voran)

  • Frankreich

  • Italien

  • Spanien

Diese Länder stehen für eine verpflichtende Massenüberwachung und das automatisierte Scannen von Nachrichten zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Kindern.chip+2

Demgegenüber lehnen Länder wie Deutschland, Österreich, Polen und die Niederlande das Vorhaben ab oder äußern starke Vorbehalte. Deutschland hat offiziell erklärt, der anlasslosen Chatkontrolle auf EU-Ebene nicht zuzustimmen.netzpolitik+2

Für eine Annahme der Verordnung im EU-Rat wäre eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten erforderlich, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Aufgrund der aktuellen Stellungnahmen und der Bevölkerungsverteilung ist diese Mehrheit bislang nicht erreicht.netzpolitik

Deutschland kommt als bevölkerungsreiches Land eine Schlüsselrolle zu, da seine Zustimmung oder Ablehnung maßgeblich über den weiteren Verlauf entscheiden kann.chip+1

Zusammenfassend:

  • Unterstützende Länder: Dänemark, Frankreich, Italien, Spanien (hauptsächlich Befürworter)

  • Ablehnende Länder: Deutschland, Österreich, Polen, Niederlande (kritisch bis ablehnend)

  • Einstimmigkeit ist nicht nötig, aber qualifizierte Mehrheit (15 Länder, 65% Bevölkerung)

Die Debatte bleibt sehr kontrovers und der Ausgang der Abstimmung am 14. Oktober 2025 hängt stark von der politischen Position Deutschlands und einiger anderer großer Staaten ab.handelsblatt+2

Quellen zur Zusammenfassung, zum Stand der Dinge, zum Verfahren

  1. https://weact.campact.de/petitions/chatkontrolle-stoppen
  2. https://blog.campact.de/2025/10/eu-gesetz-chatkontrolle-kinderschutz-massenueberwachung-grundrechte/
  3. https://gi.de/meldung/chatkontrolle-gi-lehnt-verodnungsentwurf-der-eu-ab
  4. https://www1.wdr.de/nachrichten/eu-chatkontrolle-signal-app-100.html
  5. https://www.ccc.de/de/updates/2025/absage-chatkontrolle
  6. https://chat-kontrolle.eu/index.php/2025/06/16/offener-brief/
  7. https://www.tagesschau.de/inland/chatkontrolle-eu-justizministerin-100.html
  8. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/chatkontrolle-kinderschutz-eu-100.html
  9. https://netzpolitik.org/2025/eu-ueberwachungsgesetz-kinderschutzbund-stellt-sich-gegen-chatkontrolle/
  10. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw41-de-aktuelle-stunde-chatkontrolle-1113344

Quellen zur Haltung verschiedener EU-Länder

  1. https://www.chip.de/news/wifi-dsl-internet/streit-um-eu-plaene-zur-massenueberwachung-staaten-wollen-ihre-whatsapp-nachrichten-lesen_e2296cbf-a66d-4f72-bf77-ba9a5216871d.html
  2. https://netzpolitik.org/2025/umstrittene-massenueberwachung-von-diesen-laendern-haengt-ab-wie-es-mit-der-chatkontrolle-weitergeht/
  3. https://www.handelsblatt.com/dpa/umstrittenes-vorhaben-eu-streit-um-chatkontrolle-kommt-sie-doch-noch/100161107.html
  4. https://taz.de/Gesetz-zu-Chatkontrolle/!6115399/
  5. https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/umstrittenes-eu-gesetz-whatsapp-warnt-vor-gesetz-zur-chat-ueberwachung-a-278e08ed-bae6-40c8-b067-b135efc5d460
  6. https://blog.campact.de/2025/10/eu-gesetz-chatkontrolle-kinderschutz-massenueberwachung-grundrechte/
  7. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/chatkontrolle-kinderschutz-eu-100.html
  8. https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/eu-chatkontrolle-das-ende-sicherer-messenger-in-europa,UyvjpNW
  9. https://www.deutschlandfunk.de/datenschuetzer-warnen-vor-folgen-des-eu-entwurfs-zur-chatkontrolle-100.html

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