Briefing Gesundheit, Gesellschaft, Krankenstand, Arbeitsunfähigkeit, Krankschreibung, Atemwegserkrankungen, psychische Erkrankungen, Muskel-Skelett-System-Erkrankungen, Verletzungen, Infektionen, internationaler Vergleich, Krankenkassen, gesetzlich Versicherte
Vor wenigen Tagen hatten wir einen Beitrag über den Krankenstand in Deutschland veröffentlicht, während wir selbst „eine Grippe, eine Erkältung, einen grippalen Infekt“ hatten (jetzt wissen wir es, es ist die heftigste Grippe seit Jahren), gefolgt von einem Update zur Lage der Krankschreibungen Europa. Heute also der dritte Teil der kleinen Serie, die dadurch entstanden ist, und Sie dürfen abstimmen.
Es geht schon etwas besser, aber die Symptomatik lässt es nicht zu, schon unter Menschen zu arbeiten. Und klar wäre es toll gewesen, nicht sofort am ersten Tag eine ärztliche Krankschreibung erwirken zu müssen, denn nächste Woche sollte alles wieder halbwegs okay sein. Vor allem ist bei uns alles mit viel Bürokratie verbunden, deshalb haben wir vor zwei Jahren sogar ein paar Urlaubstage verbraucht, um uns das zu ersparen. Es gibt aber zwischen Extremen einen Mittelweg (außer beim Klassenkampf). Aus dem Thema hat Civey eine Umfrage gemacht, weil es gerade eine sehr kontroverse Diskussion um die AU-Bescheinigungen gibt. Natürlich haben wir uns auch dazu geäußert und eine Linie gezogen zu anderen Aussagen der atkuellen Regierung zu allen möglichen Bevölkerungsgruppen, die alles andere als freundlich und zukunftsorientiert sind, sondern den Menschen vor allem Angst machen sollen. Aber wie sieht es nun mit dem Vorschlag aus, den wir gleich anhand des Civey-Begleittextes vorstellen?
Hier schon einmal der Link, wenn Sie schnell entschlossen abstimmen wollen, wir empfehlen aber, erst weiterzulesen: Civey-Umfrage: Sollte die ärztliche Bescheinigung für die Krankmeldung Ihrer Ansicht nach frühestens ab dem 5. Krankheitstag verpflichtend sein, um unnötige Arztbesuche zu vermeiden?
Civey-Begleittext:
Seit Längerem wird diskutiert, wie das deutsche Gesundheitssystem angesichts von Personalmangel und steigenden Kosten entlastet werden kann. In diese Debatte reiht sich ein aktueller Vorstoß zur Attestpflicht von Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. In Deutschland gilt nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 5), dass ein Attest spätestens nach der Karenzzeit von drei Kalendertagen, also ab dem vierten Kalendertag vorzulegen ist. In Ausnahmefällen dürfen Arbeitgeber es früher verlangen – teils ab dem ersten Tag. Gassen will die Arbeitgeberoption streichen, die Krankschreibung ab Tag eins zu verlangen, da sie Tausende nicht zwingend notwendige Arztbesuche produziere.
„Eine generelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) erst ab dem vierten Tag hätte wieder mehr den Stellenwert eines wirklichen ärztlichen Attestes und nicht eines Formvordrucks,“ so Gassen. Er geht noch weiter, indem er zusätzlich vorschlägt, die bisherige Karenzzeit von drei Tagen allgemein auf vier oder fünf Tage anzuheben, sodass die AU erst am fünften bzw. sechsten Tag vorzulegen wäre. Von jährlich etwa 116 Millionen Attesten entfallen laut Gassen rund 35 Prozent auf Fälle mit einer Dauer von bis zu drei Tagen. Fielen diese kurzzeitigen AU-Bescheinigungen weg, ließen sich rund 1,4 Millionen Praxisstunden und etwa 100 Millionen Euro sparen. Ziel sei „eine vom mündigen Arbeitnehmer beziehungsweise von einer Arbeitnehmerin selbst verantwortete Karenzzeit.“
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) widerspricht. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter warnt: „Eine pauschale Verlängerung der Karenzzeit würde die Arbeitgeberseite zusätzlich belasten, ohne die strukturellen Probleme zu lösen“. Er fordert stattdessen eine stärkere Patientensteuerung. Volker Schmidt, Chef des Arbeitgeberverbandes NiedersachsenMetall, sagt: „Dies sind keine Beiträge zur Verringerung des viel zu hohen Krankenstandes in unseren Betrieben, im Gegenteil, sie leisten dem Missbrauch weiteren Vorschub.“ Mit Blick auf die Wirtschaftslage plädiert er für eine Senkung „der viel zu hohen Lohnnebenkosten“, einschließlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Civey-Umfrage: Sollte die ärztliche Bescheinigung für die Krankmeldung Ihrer Ansicht nach frühestens ab dem 5. Krankheitstag verpflichtend sein, um unnötige Arztbesuche zu vermeiden? Oder doch lieber erst unseren Kommentar lesen?
Kommentar
Den Klassenkampf haben wir oben eigentlich als Gag erwähnt, weil er in diesen Zusammenhang nicht ganz zu passen scheint. Nachdem wir die Reaktion der „Arbeitgeber“ gelesen haben, dürfen wir uns wieder einmal für unser Gespür für Mist auf die Schulter klopfen.
Kaum kommt jemand daher und macht einen Vorschlag, der Menschen entlasten soll, kommen diejenigen, die in Wirklichkeit die Arbeit der Arbeitenden nehmen und unermesslich reich als reine Kapitalisten werden, um die Schraube, die jemand ein wenig gelockert zu haben scheint, schnell in die andere Richtung zu drehen. Wir haben uns schon dazu geäußert, was es bewirkt, wenn Menschen sich krank zur Arbeit schleppen, weil sie ansonsten sofort eine Lohnstreichung haben, die sie sich in diesen Zeiten wiederum meist nicht leisten können. Krankheit wird von diesen „Arbeitgebern“ als Makel definiert, den man selbst verschuldet hat, und dessen Folgen man auch selbst spüren soll, obwohl man sonst das ganze Jahr über für diese Kapitalisten malocht (klar tut man das überwiegend für sie, gerade die Industriearbeitsplätze mit ihrer hohen Pro-Kopf-Wertschöpfung zahlen ganz überwiegend in die Tasche der angeblich so geplagten Kapitalisten ein).
Mit der aktuellen Regierung ganz auf seiner Seite glaubt das Kapital sämtliche Errungenschaften der Arbeiterbewegung rückgängig machen zu können. Was da mittlerweile alles „ernsthaft“ diskutiert wird, hat mit dem Grundgesetz und dem darin verankerten Sozialstaat nichts mehr zu tun, mit der Menschenwürde übrigens auch nicht. Beide Prinzipien sind übrigens von den Verfassungsgeber:innen zu den essenziellen, nicht veränderbaren Bestandteilen dieser Verfassung gemacht worden. Aber man kann ja mal schauen, wie weit sich die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der Praxis verbiegen lässt, begleitet von einer nach oben kriechenden und nach „unten“, wo man wohl die arbeitende Bevölkerung sieht, spaltenden Politik.
Unsere Befürchtung ist, dass eher Letzteres passieren wird als Ersteres. Eher die Streichung der Lohnfortzahlung als die Verlängerung einer Karenzzeit bis zur Notwendigkeit der AU-Bescheinigung. Deswegen haben wir auch einen Fehler gemacht. Wir haben nämlich abgestimmt, bevor wir den Civey-Begleittext gelesen haben, und deswegen sollten Sie auch immer erst alles lesen, bevor Sie unterschreiben oder Ihre Stimme abgeben. Bei Wahlen ist das noch viel wichtiger als bei Umfragen. Aber welche Leute werden gewählt? Eben. Grundsätzlich haben wir uns natürlich schon mit der Aufstellung der Parteien und dem befasst, was sie aktuell zeigen. Aber wir hätten unserem Ärger über die Einlassungen der „Arbeitgeber“ Luft durch ein klares „Ja“ gemacht, wenn wir den Begleittext vor dem Anklicken gelesen hätten. Wir kannten zuvor nur den Vorschlag von Herrn Dr. Gassen. Und haben mit „unentschieden“ gestimmt.
Im Prinzip halten wir die jetzige Regelung für okay, würden uns vielleicht der Ansicht anschließen, dass es richtig wäre, eine AU-Bescheinigung nicht schon am ersten Tag verlangen zu können, weil es eine weitere Form von Ungerechtigkeit ist, dass es davon abhängt, bei welchem „Arbeitgeber“ man beschäftigt ist, ob man etwas großzügiger behandelt wird oder nicht. Trotz unserer eigenen aktuellen Situation stehen wir einer Verlängerung der Karenzzeit eher skeptisch gegenüber.
Wir meinen, die aktuelle Regelung abzüglich der Wahlfreiheit für Arbeitgeber trifft ganz gut den Aspekt des Interessenausgleichs und stellt ein gewisses Gleichgewicht dar. Eine ganze Woche krank sein zu dürfen, ohne dass sich ein Arzt einmal dazu geäußert hat, halten wir hingegen, alte Schule, für etwas suspekt. Wen es richtig erwischt hat, der sollte auch zum Arzt gehen und sich checken lassen, anstatt sich selbst zu kurieren, es vielleicht nicht richtig oder sehr langsam zu schaffen, weil er die falschen Mittel einsetzt, oder mglw. auch bei der Selbstdiagnose falsch liegt. Es gibt zu all diesen Heilverfahrensangelegenheiten stark divergierende Ansichten, aber genau deshalb ist es besser, Krankheiten in einem vernünftigen, wissenschaftlich fundierten Rahmen zu behandeln, als durch eine sehr lange Karenzzeit die Neigung zur Totalindividualisierung, auch des Wissens über Krankheiten und wie man sie angeht, zu fördern.
Sachlich gesehen, können wir mit unserem „Unentschieden“ leben, politisch war dieses Abstimmungsverhalten zu zahm, denn der neuen Regierung muss viel mehr Kontra gegeben werden, damit sie ihre Kapitalhörigkeit nicht bis zum totalen Abbau der Grundrechte weitertreibt. Von der Merz-CDU hatten wir nicht viel anderes erwartet, aber über die SPD sind wir wirklich entsetzt. Aus der Schröder-Zeit nichts gelernt, die letztlich die SPD halbiert hat? Offensichtlich nicht. Und hier geht es nicht um angeblich faule Bevölkerungsgruppen, sondern um den Schutz des eigentlichen, des wertvollen „Humankapitals“, dessen Verwertbarkeit für das Produktiv- und Finanzkapital doch unbedingt erhalten werden muss.
Heute sind wir zum ersten Mal seit drei Tagen überhaupt in der Lage gewesen, wieder einen kurzen Artikel zu verfassen. Mit dem Ärgern geht es schon wieder ganz gut, inhaltlich war es nicht so schwierig, weil es wieder auf das hinausläuft, was gegenwärtig die gesamte deutsche Politik bestimmt: Der unbedingte Wille, die Bevölkerung, auch die arbeitende, zu triezen, anstatt sie zusammenzuführen und damit Zukunftsfähigkeit zu zeigen.
Es gibt übrigens eine absolute Mehrheit, nach dem bisherigen Ergebnis zu urteilen, die eine Erweiterung der Karenztage ablehnt. Es gibt dazu drei Interpretationsmöglichkeiten: Die Leute sind wieder einmal etwas vertrottelt, wenn es um die Wahrung ihrer eigenen Interessen geht (wie wir in diesem Fall mit unserem „unentschieden“-Votum), sie sind Kapitalisten oder sie befürchten, dass gewisse krankheitsanfällige Kolleg:innen denn künftig noch weniger am Arbeitsplatz erscheinen werden und die Mehrarbeit an den anderen hängen bleibt. Dieser Aspekt war es auch, der uns auf rationaler Ebene doch vorsichtig mit einem „ja“ sein ließ.
TH
10.10.2025
Wie gemalt, dieses Thema heute, weil wir an der jährlichen Grippe (oder der Erkältung oder dem grippalen Infekt, wir halten das nicht so genau auseinander, fühlt sich alles ähnlich an) laborieren und – bisher – keine AU gebraucht haben. Am Montag würde sich das ändern, falls es bis dahin nicht besser ist.
Vier Tage ist ein durchschnittlicher Beschäftigter pro Jahr wegen einer Atemwegserkrankung im Krankenstand, wie aus der folgenden Statistik hervorgeht. In einem Update werden wir noch darstellen, was sonst alles an Krankschreibungsursachen Anfällt. Bei den Ursachen gab es in den letzten Jahren eine Verschiebung, auf die wir noch eingehen werden. Und wir haben weiterrecherchiert und versprechen Ihnen interessante Erkenntnisse.
Infografik: Welche Erkrankungen sind für die meisten Fehltage verantwortlich? | Statista

Begleittext von Statista
Atemwegserkrankungen sind weiterhin für die meisten Fehltage von Arbeitnehmer:innen verantwortlich, wie Daten der DAK zeigen. Genau genommen sorgten Lungenprobleme im vergangenen Jahr für 382 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 erwerbstätige DAK-Versicherte. Ein kleiner Lichtblick: 2023 waren es noch 425 AU-Tage. An zweiter Stelle folgen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (350 Fehltage) – das sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Krankheiten der Gelenke, der Wirbelsäule, des Rückens, der Muskeln und des Bindegewebes. An dritter Steller folgen schließlich psychische Erkrankungen, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben, wie eine weitere Statista-Graifk zeigt. Vergleichsweise wenige AU-Tage fallen dagegen durch Krankheiten des Verdauungs- und Kreislaufsystems sowie Neubildungen (Krebs) an.
Zusatzinfos
Wir wissen natürlich nicht, ob die DAK-Versicherten exakt durchschnittlich viel oder wenig erkrankt sind, deshalb haben wir mehr Daten überprüfen lassen, damit Sie auch heute wieder einen Mehrwert von unseren Artikeln haben:
Kurzfassung (auf einen Blick)
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Durchschnittliche Fehltage pro Beschäftigtem / Jahr (Deutschland): 15,1 Arbeitstage (2023, Bundesamt für Statistikt / Destatis); Destatis gibt für 2024 vorläufig 14,8 Tage an. (Destatis)
Unten finden Sie eine Tabelle mit den fünf wichtigsten Ursachen (nach Anteil an Fehltagen laut WIdO / AOK-Zusammenfassungen) und einer Schätzung, wie viele Fehltage je Beschäftigtem / Jahr darauf entfallen. Die Schätzung der Fehltage je Ursache wurde auf Basis des nationalen Durchschnitts 15,1 Tage (2023, Destatis) und der von WIdO/AOK gemeldeten Anteilswerte berechnet (siehe Quellen). Zusätzlich habe ich Hinweise auf Befunde der großen Krankenkassen (z. B. TK, DAK, AOK) ergänzt, weil einzelne Träger unterschiedliche Werte melden. (Destatis)
Tabelle — Top-5 Ursachen (Schätzung auf Basis: 15,1 Fehltage/Person/Jahr)
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Rang |
Ursache (Diagnosegruppe) |
Anteil an allen Fehltagen (Quelle) |
Geschätzte Fehltage je Beschäftigter/Jahr (15,1 × Anteil) |
Kurzkommentar / alternative Zahlen |
|---|---|---|---|---|
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1 |
Muskel-Skelett-Erkrankungen |
19,5 % (WIdO / Fehlzeiten-Summary 2023) |
2,94 Tage |
WIdO/AOK: Muskel-Skelett ist häufigste Ursache; AOK/TK melden teils höhere absolute Tage je Versichertem (z. B. AOK ~6,4 Tage je AOK-Mitglied für M-S in manchen Auswertungen). (AOK) |
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2 |
Erkrankungen des Atmungs-systems (Erkältungen, Grippe etc.) |
15,4 % (WIdO / Fehlzeiten-Summary 2023) |
2,33 Tage |
TK / DAK & AOK berichten, dass Atemwegserkrankungen viele Fälle verursachen (kurze Einzelfälle, aber viele Fälle). TK nennt ~415 AU-Tage je 100 VJ (≈4,15 Tage/Person) in manchen Berechnungen (Versicherer-Stichprobe). (AOK) |
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3 |
Psychische Erkrankungen |
11,9 % (WIdO / Fehlzeiten-Summary 2023) |
1,80 Tage |
Psychische Erkrankungen verursachen überdurchschnittlich lange Einzelausfallzeiten; TK meldet 3,59 Fehltage/Person nur für psychische Störungen in ihrer Stichprobe (Versicherungsdaten). (AOK) |
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4 |
Verletzungen (Unfälle, externe Ursachen) |
9,1 % (WIdO / Fehlzeiten-Summary 2023) |
1,37 Tage |
Anteil ist Fall-bezogen; Arbeits- und Wegeunfälle sind separat in einigen Berichten ausgewiesen. (AOK) |
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5 |
Krankheiten des Kreislaufsystems |
4,5 % (WIdO / Fehlzeiten-Summary 2023) |
0,68 Tage |
Weitere Gruppen (z. B. Verdauung) folgen – je nach Quelle leicht variierende Ränge. (AOK) |
|
— |
Sonstige (alle übrigen Diagnosen, zusammengefasst) |
39,6 % (Rest) |
5,98 Tage |
Summe der übrigen ICD-Kapitel (z. B. Verdauung, Haut, Stoffwechsel, Tumoren u. a.). |
Summe (Gesamtdurchschnitt): 15,1 Tage / Jahr (Berechnungsbasis). (Destatis)
Wichtige Quellen (Auswahl)
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Destatis (Statistisches Bundesamt): nationales Ergebnis zu Fehltagen / Beschäftigtem — 15,1 Arbeitstage 2023; 14,8 Tage 2024 (vorläufig). (Destatis)
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WIdO / Fehlzeiten-Report (AOK-WIdO Summaries): Anteile der Fehltage nach Krankheitsgruppen (z. B. Muskel-Skelett 19,5 %, Atmung 15,4 %, psychisch 11,9 %). (AOK)
-
Techniker Krankenkasse (TK) Gesundheitsreport 2024/2025: detaillierte AU-Daten nach ICD-Kapiteln — TK liefert auch Fehltage je Erwerbsperson für viele Diagnosegruppen (z. B. psychische Störungen ~3,59 Tage/Person; Gesamt-Wert in TK-Stichprobe 2023 ≈ 19,4 Tage je Versichertenjahr). Achtung: TK-Werte sind versicherten-spezifisch (nicht direkt identisch mit nationaler Destatis-Berechnung).
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DAK / BKK / Barmer / WIdO (weitere Kassenreports): liefern ähnliche Rangfolgen (Atemweg, Muskel-Skelett, psychisch) aber mit unterschiedlichen absoluten Zahlen je Versicherungsgruppe. (CaaS)
Hinweise / Methodische Anmerkungen (wichtig)
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Unterschiedliche Basen / Methoden: Verschiedene Quellen (Destatis vs. Krankenkassen-Reports) verwenden nicht exakt dieselben Grundgesamtheiten und Standardisierungen. Kassen-Reports (TK, AOK, DAK, BARMER) basieren auf ihren Versichertendaten und können deshalb höhere oder niedrigere absolute Fehltage ausweisen als die nationale Destatis-Berechnung. Ich habe die WIdO-Anteile (repräsentative Übersicht) verwendet, um die Ursachen-Anteile zu nennen, und Destatis (15,1 Tage) als nationale Bezugsgröße für die Umrechnung in Tage/Person. (Destatis)
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Jahresschwankungen: Atemwegserkrankungen (Erkältungs-/Grippewellen) führen zu starken Jahr-zu-Jahr-Schwankungen; nach COVID-Phase und mit Einführung der eAU sind Erfassungsstände verändert worden.
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Unterschiede zwischen Quellen sind erwartbar: Beispiel: TK meldet in ihrer (TK-versicherten) Stichprobe 19,4 Tage/Person (2023), während Destatis den nationalen Durchschnitt für 2023 mit 15,1 Tagen angibt — Grund sind verschiedene Standardisierungen und Populationen. Deshalb sind die in der Tabelle genannten Tageswerte Schätzwerte (15,1 × Anteils-%).
Und was ist mit 2024? Dazu gibt es offenbar noch keine genaue Auswertung von Destatis, aber wir haben trotzdem etwas gefunden, was Hinweise geben kann:
Ich habe recherchiert — aber leider liegen derzeit keine belastbaren Quellen vor, die für ganz Deutschland für 2024 alle Diagnosegruppen mit den Anteilen der Fehltage so aufschlüsseln wie für 2023 durch WIdO/TK etc., so dass man eine vollständige Tabelle mit Top-5 Ursachen wie oben neu berechnen könnte.
Ich kann aber einige verlässliche Teilzahlen nennen und einschätzen, wie eine solche Tabelle aussehen würde, wenn man 2024-Daten analog nutzt:
Verfügbarezahlen für 2024
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Durchschnittliche Fehltage Arbeitnehmer* in Deutschland (alle Diagnosen) für 2024: 14,8 Tage pro Arbeitnehmer* Jahr. (Destatis)
-
Techniker Krankenkasse (TK), 2024:
-
Insgesamt ~ 19,1 Fehltage pro versicherte Erwerbsperson. (Die Techniker)
-
Anteile der wichtigsten Diagnosegruppen bei TK-Versicherten:
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Atemwegserkrankungen: 22,4 % der Fehltage, ~ 4,28 Tage pro Person. (Die Techniker)
-
Psychische Störungen: 19,6 %, ~ 3,74 Tage. (Die Techniker)
-
Muskel-Skelett-Erkrankungen: 14,1 %, ~ 2,70 Tage. (Die Techniker)
-
-
Einschätzung einer Tabelle auf Basis 2024, mit Schätzungen
Wenn man die verfügbaren TK-Anteile übernimmt (nur die drei Diagnosen oben) und den nationalen Durchschnitt 14,8 Tage benutzt, könnte man die Top-5 Ursachen so schätzen (wobei die restlichen zwei Plätze und der „Sonstige“-Block auf Basis älterer/WIdO-Daten extrapoliert werden):
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Rang |
Ursache (Diagnosegruppe) |
Anteil an allen Fehltagen (TK-2024) bzw. geschätzt |
Geschätzte Fehltage je Beschäftigtem/Jahr (14,8 × Anteil) |
|---|---|---|---|
|
1 |
Erkrankungen des Atmungssystems |
ca. 22,4 % (TK) |
≈ 3,32 Tage |
|
2 |
Psychische Störungen |
ca. 19,6 % (TK) |
≈ 2,90 Tage |
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3 |
Muskel-Skelett-Erkrankungen |
ca. 14,1 % (TK) |
≈ 2,09 Tage |
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4 |
Verletzungen / externe Ursachen |
geschätzt (etwa ~ 9-10 %) |
≈ 1,33-1,48 Tage |
|
5 |
Krankheiten des Kreislaufsystems |
geschätzt (etwa ~ 4-5 %) |
≈ 0,59-0,74 Tage |
|
— |
Sonstige Diagnosen (übrige Gruppen) |
Rest (≈ 30-35 %) |
≈ 4,44-5,18 Tage |
Kommentar 1
Alle geprüften Daten und daraus erstellten Tabellen weisen Ähnlichkeiten auf, auch mit der Grafik von Statista, aber es gibt auch auffällige Unterschiede. Schwierig ist es allerdings, diese zu kommentieren, gerade dann, wenn man nicht richtig fit und damit auch die Analysefähigkeit etwas zu wünschen übrig lässt. Haben gerade die als leistungsstark geltenden gesetzlichen Krankenkassen wie die TK ein Publikum, das gerne ausgedehnter in den Krankenstand geht als der „nationale Durchschnitt“? Das wäre zum Beispiel eine Frage, sie sich aus immerhin etwa 5 Tagen Unterschied (ca. 25 Prozent) zwischen dem „nationalen Durchschnitt“ und deren Versicherten ergibt. Unterschiedliche Zählweisen kann es da eigentlich nicht geben, Krankenschein ist Krankenschein und es gibt sie nur für ganze Tage, soweit wir wissen. Und woran liegt es? Dass gerade diejenigen, die besser als der (gesetzlich versicherte) Durchschnitt umsorgt werden, häufiger krank werden, wäre schon eine ironische Pointe.
Wenn wir schon spekulieren, dann eher in diese Richtung: Die TK-Versicherten sind im Durchschnitt in höher dotierten Arbeitsverhältnissen beschäftigt als AOK-Versicherte, die Arbeitgeber gehen meist auch sorgsamer mit ihrem teuren Personal (relativ zum Bevölkerungsdurchschnitt, denn Topverdiener sind meist privat versichert, wirklich Reiche manchmal sogar Selbstzahler) um als mit Menschen im Niedriglohnsektor, die Betriebe achten in mehrfacher Form also mehr auf deren Gesundheit. Das kann dazu führen, dass weniger Menschen, die bei der TK versichert sind, sich krank zur Arbeit schleppen, sondern achtsamer sich selbst gegenüber sind (Selbstfürsorge).
Sollte Ihnen ein rein statistischer / erfassungbedingter Grund für die benannten Unterschiede auffallen oder einfallen, schreiben Sie uns gerne.
Insgesamt gab es gemäß der Statista-Grafik im Jahr 2024 weniger Krankheitstage pro Beschäftigtem (der DAK) als 2023, das zumindest deckt sich mit der Destatis-Angabe (14,8 anstatt 15,1). Nur bei den psychischen Erkrankungen (und den „Sonstigen“) gibt es einen signifikanten Anstieg. Einen signifikanten weiteren Anstieg, um eine Erkenntnis aus dem Update, das wir morgen schreiben werden, vorwegzunehmen. Uns wundert das überhaupt nicht, aber dazu eben mehr morgen. Nun aber eine weitere Information zum Abschluss: Wie steht Deutschland bezüglich der Fehltage international da? Wir haben ein paar Länder zum Vergleich herangezogen und dazu mehrere Rechercheschritte vorgenommen, bis diese Tabelle sich zeigte:
Ich habe die OECD/Eurostat-nahen und amtlichen Quellen durchsucht und eine vergleichende Tabelle für 10 westliche Industrieländer erstellt, die als „verlässlich“ gelten. Hinweis vorab: Einheitlich harmonisierte Tageswerte für dasselbe Jahr liegen nicht immer für alle Länder vor (OECD/Eurostat liefern harmonisierte Reihen, aber oft in Wochen oder als %-Anteil der Arbeitszeit; nationale Ämter liefern direkte „Tage/MA/Jahr“). Ich habe deshalb für jedes Land die bestmögliche Metrik, das zuletzt verfügbare Jahr und die Quelle angegeben und – wo nötig – eine konservative Umrechnung auf Tage pro Beschäftigtem und Jahr vorgenommen (ich setze dabei 220 Arbeitstage/Jahr als Näherung, wenn nur %-Anteile vorlagen). Dort, wo nur ein Bereich oder mehrere Messgrößen verfügbar waren, habe ich das deutlich gemacht.
Die fünf wichtigsten Last-bearing Aussagen (z. B. Deutschlands Wert, OECD-Methodenhinweis, Norwegen, Dänemark, UK) sind mit Quellen belegt; ich nenne am Ende weitere Hinweise zur Vergleichbarkeit.
Vergleichstabelle — 10 westliche Industrieländer (beste verfügbare OECD / Eurostat / nationale Quellen)
Legende: Wert = Tage pro Beschäftigtem und Jahr, falls möglich; wenn die Quelle %-Anteil (sick-leave rate = Anteil vertraglicher Arbeitstage) liefert, steht daneben die Original-Metrik und die Umrechnung (220 Arbeitstage angenommen). Jahr = zuletzt verfügbares Jahr in der Quelle. Quelle = amtliche Statistik / OECD / Eurostat / nationale Statistik.
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Nr. |
Land |
Wert (Tage pro Beschäftigtem / Jahr) |
Jahr (Quelle-jahr) |
Quelle (Kurz) |
Vergleichbarkeits-Kommentar |
|---|---|---|---|---|---|
|
1 |
Deutschland |
14,8 Tage (vorläufig) |
2024 (Destatis, vorl.). (Destatis) |
Destatis — Staff on sick leave (vorläufige 2024-Zahl). |
Amtliche nationale Zahl; gute Basis für DE, aber methodisch nicht 1:1 mit allen OECD-Reihen. (stats.oecd.org) |
|
2 |
Schweden |
≈ 11–12 Tage |
2022–2023 (SCB / OECD Hinweise). (WTW) |
Statistics Sweden / OECD (Health at a Glance / national series). |
SCB liefert „sick days per employee“ (quartalsweise). Gute nationale Serie; Jahr variiert. |
|
3 |
Norwegen |
≈ 14–15 Tage (berechnet aus Sick-leave-rate 6,7 %) |
2023 (SSB). (SSB) |
Statistics Norway — sick-leave rate (man-days / agreed work days). |
Norwegen meldet %-Rate (man-days). Mit 6.7 % × 220 ≈ 14.7 Tage (Umrechnung). Sehr zuverlässige amtliche Serie. |
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4 |
Dänemark |
10,2 Tage |
2023 (Statistics Denmark). (dst.dk) |
Statistics Denmark — Absence from work (days). |
Direkte Tage-Angabe in amtlicher Statistik — gut vergleichbar für Dänemark. |
|
5 |
Niederlande |
~9–11 Tage (je nach Quelle; häufig in Wochen angegeben) |
2022–2023 (CBS / OECD-Notizen). (data-explorer.oecd.org) |
Statistics Netherlands (CBS) / OECD. |
CBS berichtet teils in Wochen oder in Tagen; Umrechnung: 1 Woche ≈ 5 Tage. |
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6 |
Frankreich |
~8–11 Tage (Sozialversicherungs-/CNAM-Zahlen variieren) |
2022–2023 (DARES / CNAM / Eurostat). (data-explorer.oecd.org) |
DARES / CNAM / Eurostat Berichte. |
Frankreich nutzt meist kompensierte Fehltage aus Sozialversicherungsdaten; vergleichbar, aber Unterschiede zur Umfragemetrik möglich. |
|
7 |
Vereinigtes Königreich |
≈ 4–8 Tage (ONS: 2.0–3.0 % sickness-rate → ~4.4–6.6 Tage; CIPD-Umfragen geben ~7–8 Tage) |
2022–2024 (ONS / CIPD / Umfragen). (OECD) |
ONS (sickness absence rate) & CIPD (days/employee surveys). |
UK hat mehrere Maße: ONS-Rate (Anteil Arbeitszeit) vs. Arbeitgeber- und Branchenumfragen (Tage/MA). Deshalb Spannbreite. |
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8 |
Belgien |
~9–12 Tage |
2022–2023 (Statbel / Eurostat) . (Facebook) |
Statbel / Eurostat. |
Statbel liefert sick-leave man-days; verlässliche nationale Reihe (aber teils nur kompensierte Fälle). |
|
9 |
Kanada |
~6–9 Tage (Umfrage-/StatCan-Werte schwanken) |
2022–2023 (Statistics Canada / Surveys). |
Statistics Canada / nationale Erhebungen. |
Viele Werte in Kanada stammen aus arbeitsmarktrelevanten Umfragen (andere Methodik als EU-Sozialversicherungsdaten). |
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10 |
Schweiz |
~8–11 Tage (BFS / SUVA / Branchenreports variieren) |
2021–2023 (je nach Quelle) . (data-explorer.oecd.org) |
Swiss Federal Statistical Office (BFS) / SUVA. |
Schweiz meldet oft branchen- oder versicherungsbezogene Zahlen; nationale Serien vorhanden, aber nicht immer jährlich in der gleichen Einheit. |
Was diese Tabelle aussagt (Kurzfassung)
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Deutschland zählt zu den Ländern mit vergleichsweise hohem Krankenstand (Tage/MA/Jahr). Destatis meldet 14,8 Tage (2024, vorläufig). (Destatis)
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Nordische Länder (Norwegen, Schweden) zeigen tendenziell hohe Werte — in Norwegen ist die amtliche sick-leave rate besonders hoch (Umrechnung ergibt ~14–15 Tage). (SSB)
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UK und einige Länder verwenden andere Maße (Anteil der Arbeitszeit oder Umfragewerte), deswegen schwanken die vergleichbaren Tageswerte stark je nach Datenquelle. (data-explorer.oecd.org)
Wichtige methodische Hinweise (warum direkte Vergleiche schwierig sind)
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Unterschiedliche Metriken: OECD/Eurostat verwenden teils Tage/MA/Jahr, teils Wochen/MA/Jahr oder sick-leave rate (Anteil der vertraglichen Arbeitstage); nationale Ämter liefern wiederum „kompensierte Tage“ (nur Fälle mit Krankengeld), oder auch Umfragewerte (LFS). OECD dokumentiert diese Unterschiede und hat eine Konversionsempfehlung (z. B. LFS-Daten teils mit Faktor zu adjustieren). (stats.oecd.org)
-
Quelle (administrative vs. Umfrage): Administrative Sozialversicherungsdaten erfassen meist kompensierte Fehltage; Umfragen (LFS) erfassen selbstberichtete Abwesenheit und unterschätzen oft die reale Abwesenheit — OECD multipliziert LFS-wochen manchmal mit einem Faktor. (stats.oecd.org)
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Rechts-/Policy-Unterschiede: Lohnfortzahlungs-Regeln, Attest-Pflichten, Telemedizin-Regelungen u.ä. verändern die Anreize, krankzumelden – das spiegelt sich in den Zahlen, aber nicht immer in der „Gesundheit“ der Belegschaft. (UCLA World)
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Empfohlene Vorgehensweise für validen Vergleich: Verwenden Sie OECD / Eurostat harmonisierte Reihen (z. B. „Absence from work due to illness — days per employee“), prüfen das jeweilige Jahr und die Fußnoten zur Messmethode und, falls nötig, konvertieren %-Raten mit einer klaren Annahme zu Arbeitstagen/Jahr. (data-explorer.oecd.org)
Quellen (Auswahl der wichtigsten Verweise)
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Destatis — Staff on sick leave (Deutschland, 2024 vorläufig). (Destatis)
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OECD — Sickness absences of full-time dependent employees (Definitions-/Methodenblatt, OECD Health Statistics 2025). (stats.oecd.org)
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Statistics Norway (SSB) — sick-leave statistics (man-days / sick-leave rate). (SSB)
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Statistics Denmark — Absence from work (days per full-time employee, 2023). (dst.dk)
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Statistics Sweden / OECD Health reports — sick days per employee (national/EU series). (WTW)
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Eurostat / LFS database & OECD Health Statistics (harmonisierte Daten). (European Commission)
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Statistics Canada — labour / sick days surveys.
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Swiss Federal Statistical Office (BFS) / SUVA — nationale Absenzdaten. (European Commission)
Kommentar 2
Wir dachten, die Nordmänner und -frauen seien besonders robust, aber Norwegen hat eine ähnliche Krankenstandsquote wie Deutschland. Die meisten Länder in Europa liegen auffällig ähnlich zwischen 9 und 12 Tagen Krankenstand pro Jahr. Noch auffälliger ist allerdings, dass die Briten eben doch die Gesündesten in Europa sind. Das kann nur am berühmten Humor liegen. Sie stecken Alltagsmalaisen und -fails anders weg als die kränklichen und pessimistischen und natürlich auch faulen Deutschen.
Eine Vorlage dieser Art könnte man für Bundeskanzler Merz erstellen, der sich für kein Bevölkerungsgruppen-Bashing zu schade ist und natürlich auch schon den hohen deutschen Krankenstand bemängelt hat. Leider geben in Großbritannien nach Schweden die zweitmeisten Menschen in Europa gemäß einer Umfrage ganz offen an, in den letzten 12 Monaten psychische Probleme gehabt zu haben. Ein Schelm, wer sich dabei einen Zusammenhang denkt mit den miserablen Sozialleistungen und dem Zwang, auch krank zur Arbeit zu gehen, weil es keine vernünftige Lohnfortzahlung gibt. Jetzt müssten wir noch prüfen, wie sich die mangelhafte Leistung krank arbeitender Menschen auf die Produktivität auswirkt. Für diese sind allerdings so viele Faktoren verantwortlich, dass wir eine Extraktion jenes Faktors auch dann, wenn wir die Grippe geschafft haben, nicht hinbekommen werden.
Selbstverständlich steht jetzt auch in Deutschland die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zur Debatte, wie eigentlich der gesamte Sozialstaat, obwohl er grundgesetzlich verankert und sogar eine der wenigen „ewigen“ Regelungen darin ist.
Aus unserer Praxisanschauung können wir dies beisteuern: Fast überall, wo wirklich gearbeitet werden muss, herrscht Personalmangel, dadurch arbeiten Menschen unter teilweise rieisigem Druck, und das wirkt sich auf die Psyche aus. Manche dieser Unterbesetzungen sind strukturell und langfristig, manche durch Krankheitsausfälle verursacht. Trotzdem oder gerade deswegen kommt Deutschland in Sachen Produktivität seit Jahren nicht mehr voran.
Wie wär’s mal mit etwas großzügiger bemessener Personaldecke, Unternehmer? Mit weniger bösartiger Rhetorik der arbeitenden Bevölkerung gegenüber, Politiker? Dann gehen in manchen Bereichen sicherlich nicht nur die durch Krankheit bedingten Arbeitsausfälle zurück, sondern die Produktivität steigt mit besser ausgeruhten Menschen auch wieder.
Und die Fehlerquote sinkt. Es ist wirklich krass, wie dieses Land mittlerweile in einem Chaos aus immer mehr Bürokratie und immer größerer Fehleranfälligkeit auf allen Ebenen und in fast allen Branchen versinkt (den Industriesektor nehmen wir mal aus, weil wir dort schon lange nicht mehr beschäftigt sind, aber gemäß Aussagen in Fachzeitschriften steigt auch die einst berühmte Qualität deutscher Industrieprodukte eher nicht mehr, sondern fällt). Dazu sollten wir einmal eine gute Recherche durchführen, aber die komplexen Zusammenhänge und die Interaktion zwischen den Gründen für diesen Niedergang sind statistisch nicht so gut darstellbar. Es mangelt an Trennschärfe zwischen den Faktoren, die zu dieser negativen Tendenz führe. Man kann diese Trennschärfe auch künstlich herstellen, darauf basieren ja viele bunte, aber wenig valide Charts und Grafiken, aber das führt wiederum dazu, dass die gegenwärtig regierende Politik ihre hinterhältigen Spins auf die Bevölkerung loslässt.
19,4 Arbeitstage Krankenstand pro Jahr pro in Vollzeit erwerbstätiger Person, wie ihn die TK-Kundschaft auszuweisen scheint, sind natürlich kein Pappenstiel, sondern fast ein ganzer Monat, und das als Durchschnittswert. Aber Deutschland zählt eben auch zu den Industrieländern mit der schlechtesten Work-Life-Balance, auch wenn andere höhere Jahresstunden-Arbeitszahlen (offiziell) ausweisen. Und tatsächlich verweigern sich viele mittlerweile auch diesen Arbeitsbedingungen und dem System, das sie hervorbringt.
Ein schlagendes Beispiel dafür sind die hohen Ausfallraten von Lehrern und Lehrerinnen. Die Meldungen, die sie aus den Klassenzimmern in die Gesellschaft hineintragen, sind der blanke Horror und führen nicht nur zu hohen Krankenständen, sondern auch zu verkürzter Lebensarbeitszeit. Das einst herausragende deutsche Bildungssystem hat die Politik zerstört, und zwar auf verschiedene Art und Weise. Es wird alles kaputtgespart, obwohl heute so viele Kinder mit erhöhtem Bedarf an persönlicher Betreuung die Schulen bevölkern. Und so kommt es zu Bildungsverwahrlosung und zu überforderten Lehrkräften, denen, um vor allem psychisch zu überleben, nur der Gang in den Krankenstand oder den vorzeitigen Ruhestand bleibt. Gerade auf Berufe in diesem Bereich dürfte auch die Zunahme an psychisch bedingten AU-Schreibungen zurückzuführen sein.
Das bedeutet nichts anderes, als dass die Politik die Bevölkerung für Zustände tadelt, welche die Politik selbst verursacht hat. Dass das überhaupt funktionieren kann, liegt an einer spezifisch deutschen Trauma-Nichtbewältigung, die dazu führt, dass immer noch viel zu viele Menschen sich nicht gemäß ihren Interessen verhalten,sich die falschen Zuschreibungen ins Logbuch des Lebens eintragen lassen und leider auch die falschen Politiker wählen. Der hohe Krankenstand, wir haben versucht, ihn so weit wie möglich mit dem vergleichbarer Länder – sic! – vergleichbar wiederzugeben, ist ein Indiz dafür, dass etwas nicht stimmt.Nicht mit den Menschen, die unter den heutigen Bedingungen im Job funktionieren müssen, sondern mit den Bedinungen.
Und es wird schlechter werden, wenn man sich anschaut, was die neue Regierung noch alles an Anschlägen auf die Volksgesundheit vorhat. Wir können vor dieser Art von Politik nur warnen: Sie wird hohe Schäden sozialer und damit auch wirtschaftlicher Natur verursachen – wie schon, wenn man etwas genauer hinschaut, die Agenda 2010. Lassen Sie sich nicht von diesen Politikern und der rechten Presse ins Bockshorn jagen.
Und bleiben oder werden Sie gesund. Wir wünschen Ihnen das Allerbeste
TH / Recherchen unter Einsatz von KI erstellt
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