Acht Minuten Zeit gegen die Zeitumstellung (Infos, Analyse, Politik + Kommentar: Ein Klassiker von Gefühlsduselei vs. Wissenschaft)

Lesezeit 8 Minuten – Briefing Gesundheit, Gesellschaft, Zeitumstellung, MEZ, MESZ, Sommerzeit, Winterzeit, Zeitpolitik, Wissenschaft & Analyse vs. Episodik & Gefühl

Am nächsten Wochenende ist es wieder soweit: Die Uhren werden … na? Genau, zurückgestellt, und zwar auf die Winterzeit, die mitteleuropäische Standardzeit (MEZ). Jetzt haben wir noch die MESZ. Wir haben zum Thema einen Artikel gefunden, der wirklich interessant und faktenreich ist: Zeitumstellung abschaffen? Studie gibt eindeutige Empfehlung | WEB.DE . Darauf haben wir eine Recherche basiert, sie zu einem Artikel gemacht, natürlich kommentieren wir am Ende auch wieder, wir sind ja auch ein Meinungsmedium.


Kurz zusammengefasst — der Web.de-Artikel

Der Web.de-Beitrag berichtet über eine neue wissenschaftliche Modell- und Gesundheitsanalyse, die zu dem Schluss kommt, dass eine dauerhafte Normalzeit (Winterzeit / Standard Time) für die Gesundheit günstiger wäre als dauerhafte Sommerzeit oder die bisherige halbjährliche Umstellung. Hauptpunkte des Artikels in eigenen Worten:

  • Forschende (Referenz: Modellrechnungen, u. a. mit Daten/Simulationen) fanden, dass dauerhafte Normalzeit den zirkadianen Rhythmus der Menschen weniger stört und dadurch bestimmte Gesundheitsrisiken (z. B. Übergewicht, Schlaganfälle) senken könnte. (WEB.DE)

  • ChronobiologInnen sehen in den Ergebnissen eine Bestätigung der bisherigen Auffassung, dass die biologische Uhr besser mit der Normalzeit (Standard Time) korreliert als mit einer dauerhaft vorgestellten Uhr (Sommerzeit). (WEB.DE)

  • Die Studie modelliert mögliche Effekte auf weit verbreitete Erkrankungen und schätzt, dass langfristig kleine Prozentpunkte weniger Erkrankungen auf große absolute Fallzahlen heruntergerechnet bedeuten könnten (Bsp.: Millionenfälle weniger Übergewicht bzw. Hunderttausende weniger Schlaganfälle im großen Modell). Die AutorInnen weisen zugleich auf Modell-Annahmen und Unsicherheiten hin. (Stanford Medicine)

  • Der Artikel erwähnt den politischen Kontext: Die EU-Debatte über die Abschaffung der Zeitumstellung ist seit Jahren offen — Befragungen (z. B. die große 2018-Onlinebefragung) zeigten starke Zustimmung zur Abschaffung, aber Uneinigkeit darüber, welche Zeit dauerhaft gelten soll (Sommer- oder Winterzeit). Deshalb kam bislang keine einheitliche Regelung zustande. (WEB.DE)


Weitere, unabhängige Quellen, die die Empfehlung stützen (Kurzüberblick)

  1. Stanford / Medienbericht zu einer Modellstudie (2025) — Modellrechnungen für die USA zeigen, dass dauerhafte Standard Time in der Modellwelt geringe, aber auf Bevölkerungsebene relevante Reduktionen bei Übergewicht und Schlaganfällen bewirken könnte; die AutorInnen betonen Annahmen und Limitationen. (Stanford Medicine)

  2. PNAS-Artikel (2025) — Forschungen mit zirkadian-informierten Modellen finden regionale Unterschiede, aber insgesamt negative gesundheitliche Folgen der halbjährlichen Zeitwechsel; empfohlen wird eine Politik, die zirkadiane Gesundheit berücksichtigt. (PNAS)

  3. Fachartikel / Schlafmedizin (JCSM, 2024) — Übersichts-/Positionspapier argumentiert, dass dauerhafte Standardzeit am besten zur menschlichen Chronobiologie passt und gesundheitliche Vorteile gegenüber permanentem DST oder fortgesetztem Wechsel bietet. (jcsm.aasm.org)

  4. Wissenschaftsjournalismus (Scientific American) — Zusammenfassende Einordnung: neuere Studien unterstützen die Idee, dass permanente Normalzeit für die öffentliche Gesundheit vorzuziehen ist. (Scientific American)

(Die obigen Quellen stützen die Kernaussage: aus chronobiologischer/epidemiologischer Sicht ist Standard Time oft günstiger als dauerhafte Sommerzeit.)


Meinungs-/Umfragelage — Deutschland und international
Deutschland (repräsentative Umfragen / Meldungen 2024–2025):

  • Mehrere Umfragen zeigen eine große Mehrheit gegen die halbjährliche Zeitumstellung. Beispielsweise meldet die DAK/Forsa-Erhebung, dass rund 70–76 % der Befragten die Zeitumstellung abschaffen wollen; viele berichten, die Umstellung verursache Müdigkeit, Schlafstörungen usw. (DAK Gesundheit Home)

  • Bei der Frage welche Zeit dauerhaft gewählt werden sollte, zeigen Umfragen unterschiedliche Resultate: in einigen Befragungen und im großen EU-Online-Survey 2018 bevorzugten viele deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer dauerhafte Sommerzeit, weshalb die nationale Präferenz (bei intensiver deutscher Beteiligung) oft in Richtung Sommerzeit interpretiert wurde. Andere Umfragen (z. B. aktuellere) deuten darauf hin, dass die Präferenz je nach Altersgruppe und Region variiert (Ältere eher Standardzeit). (TimeAndDate)

Europäische/other Länder:

  • EU-Onlinebefragung 2018: 4,6 Mio. Teilnehmende, 84 % wollten die Umstellung abschaffen — mehrheitlich wurde von vielen (insbesondere aus Deutschland und Österreich) dauerhafte Sommerzeit favorisiert. Wegen starker, aber nicht gleichmäßig verteilter Teilnahme (viele Antworten aus D-AT) war das Ergebnis nicht als EU-weit repräsentativ verwertbar. (Europäisches Jugendportal)

  • Internationale Medien / Spezialstudien (USA, UK): neuere Modellstudien (siehe Stanford / PNAS) betonen gesundheitliche Vorteile permanenter Standard-/Winterzeit; politische Debatten (z. B. in Spanien, mehreren EU-Staaten, USA) schwanken zwischen gesundheitlichem Rat und Popularpräferenz für mehr Abendlicht (Sommerzeit). (Stanford Medicine)


Kommentar / Bewertung der Ergebnisse (auf Basis Zusammenfassung & Analyse)

  1. Wissenschaftliche Kernaussage vs. Volksmeinung

    • Die wissenschaftliche Evidenz (Chronobiologie, Modellrechnungen, epidemiologische Analysen) tendiert konsistent dazu, dass permanente Standardzeit (Winterzeit) am besten mit dem menschlichen zirkadianen Rhythmus übereinstimmt und langfristig gesundheitliche Vorteile gegenüber permanentem DST bzw. dem bisherigen Wechsel bringen dürfte. Diese Aussage stützen mehrere Studien und Übersichtsartikel. (jcsm.aasm.org)

    • Die öffentliche Präferenz ist dagegen heterogener: viele Menschen möchten die halbjährliche Umstellung abschaffen — aber es gibt keine einheitliche Präferenz für die dauerhafte Zeit. In einigen Umfragen (insbesondere der großen EU-Onlinebefragung 2018, stark von Deutschland dominiert) wurde permanente Sommerzeit favorisiert, weil viele Menschen gern abends länger Tageslicht haben. (Europäisches Jugendportal)

  2. Warum „Widerspruch“ zwischen Forschung und Präferenz?

    • Für die Bevölkerung sind unmittelbare Alltagseffekte (längere Abende, Freizeit, Gefühl von „mehr Tageslicht“) leicht nachvollziehbar — das wirkt attraktiv. Gesundheitliche Effekte (z. B. geringere Inzidenz von Schlaganfällen oder metabolischen Erkrankungen) sind abstrakt, verteilen sich langsam über die Population und werden selten unmittelbar wahrgenommen. Das erklärt, warum Präferenz und gesundheitswissenschaftliche Empfehlung auseinanderfallen. (Stanford Medicine)

  3. Methodische Einschränkungen beachten

    • Viele Studien verwenden Modellannahmen (z. B. ideale Schlaf-/Arbeitszeiten, einheitliche Lichtnutzung), daher sind absolute Zahlen (z. B. X Millionen weniger Fälle) mit Vorsicht zu interpretieren. Auch regionale Unterschiede (Breitengrad, Kultur, Arbeitszeiten) spielen eine Rolle — was in Kalifornien/USA modelliert wurde, trifft nicht 1:1 auf Deutschland zu. Die Studien geben jedoch konsistente Hinweise in eine Richtung (Standardzeit biologisch günstiger). (Stanford Medicine)

  4. Politische Umsetzbarkeit

    • Die EU-Politik steckt seit Jahren fest, weil EU-weit Einigung nötig ist und Mitgliedsstaaten unterschiedliche Präferenzen (Sommerzeit vs. Winterzeit) haben. Selbst wenn die Wissenschaft eine klare Empfehlung abgibt, ist die politische Lösung ein Kompromiss zwischen Gesundheitsargumenten, Alltagspräferenzen und wirtschaftlichen/sozialen Erwägungen. (Rat der Europäischen Union)


Fazit

  • Wissenschaftlich gesehen sprechen Chronobiologie und jüngere Modellstudien für permanente Standardzeit (Winterzeit) als gesundheitlich günstigere Lösung. (jcsm.aasm.org)

  • Öffentlich ist die Forderung, die halbjährliche Umstellung abzuschaffen, weit verbreitet; welche Zeit dann gelten soll, ist aber uneinheitlich — viele, vor allem aus Deutschland 2018, votierten für permanente Sommerzeit, obwohl gesundheitliche Argumente eher für Standardzeit sprechen. (Europäisches Jugendportal)

  • Für eine evidenzbasierte Politik wäre es sinnvoll, die Bevölkerung klar und anschaulich über die langfristigen gesundheitlichen Konsequenzen (und über regionale Unterschiede) zu informieren, bevor man eine verbindliche Entscheidung trifft.

 

Meinung

Wir waren immer schon dafür, auf permanente Standardzeit zurückzugehen. Auch, als wir noch nicht zu den oben erwähnten Älteren rechneten, die eher in diese Richtung tendieren.

Junge so: Wow, eine Stunde länger Tag, dann also eine Stunde länger, um die Nacht zum Tag zu machen.
Alte so: Ich kann im Dunkeln halt besser schlafen.


Ist dieses Thema, so, wie wir es haben aufbereiten lassen, ein perfektes Beispiel für Episodik & Alltagsgefühl vs. Wissenschaft & Abstraktion. Wer jetzt sofort an die Klima-Diskussion denkt, liegt nicht falsch. Und wie die Leute wählen, hat ja auch eher mit oft ziemlich unguten Gefühlen zu tun als mit objektiver Interessenlage und guter Information oder, da kommen wir in die Königsklasse, Analyse!

Nach den Krisen der letzten Jahre und im Zeichen jener, die noch andauern, ist natürlich der Effekt einer gesünderen Winterzeit relativ gering. Und wiegt für viele Sommerzeitfanatiker das Gefühl, mehr Spaß am Abend zu haben, nicht auf. Dass man dafür morgens auch eher im Dunkeln raus muss, ist angesichts heutiger Arbeitszeiten ja nicht mehr so wichtig. Wir finden, die Zeitpolitik ist ein Sinnbild für ganz viele andere Dinge. Die Politik weiß, was gesünder ist, aber im DACH-Raum ohne CH wollen die Leute es halt bis Mitternacht hell haben. Da die Politik es besser weiß, sich aber nicht traut, in die eine oder andere Richtung zu gehen und irgendeine Abschaffung der Zeitumstellung zu organisieren, egal, ob dabei am Ende die Sommerzeit oder die Winterzeit als Dauerzeit herauskommt, passiert gar nichts, obwohl schon zu Zeiten von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sich dieser höchstselbst für eine Änderung ausgesprochen hatte.

Es gibt eine weitere Implikation: In vielen Bereichen, die etwas abstrakter sind, werden große politische Entscheidungen vielleicht nicht einmal gegen den Willen, aber gegen die Interessen der Bevölkerung getroffen – die Zusammenhänge sind zu komplex, als dass Menschen auf Anhieb eine Alltagswirkung darin erkennen mögen. Die kommt dann mit der Zeit und es ist zu spät, Einhalt zu gebieten. Auch dafür ist der erwähnte frühere Chef-Europäer ein perfektes Beispiel: Er hatte sinngemäß einmal gesagt, solange niemand protestiert, machen wir immer weiter – dabei ging es um die immer stärkere europäische Integration, nach unserer Ansicht auch auf Feldern, auf denen man damit vorsichtig sein sollte, damit nicht eine Loss-Loss-Situation für alle entsteht. So etwas kann man also nach unserer Ansicht nur äußern, wenn das, was man tut, bei näherer Betrachtung problematisch für viele Menschen ist, oder? Aber wem nützt es dann? Dem Kapital natürlich.

Ob es auch nützt, die permanente Sommerzeit einzuführen, wissen wir nicht, aber es läge angesichts der positiven gesundheitlichen Effekte der Winterzeit auf die arbeitende Bevölkerung nah, sich auch auf Seiten derer, für die sich die Normalbevölkerung verwertbar macht, für die Winterzeit einzusetzen, und wenn das passiert, wird sie auch schnell eingeführt werden. Vielleicht haben wir aber bezüglich der Nützlichkeit der Sommerzeit auch etwas übersehen. Falls Sie eine Idee haben, was ökonomisch an der Sommerzeit besser sein könnte, schreiben Sie uns bitte. Danach wissen wir, warum die Winterzeit trotz eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse eben nicht wieder zur ganzjährigen Zeit gemacht wird.

Ach ja, die Uhr wird natürlich im kommenden Wochenende um eine Stunde zurückgestellt, um 3:00 auf 2:00. Eine noch bessere Werbung kann die Winterzeit ja wohl nicht machen, um uns von ihrer Ganzjahrestauglichkeit zu überzeugen, als uns eine wertvolle Stunde Lebenszeit zu schenken.

TH / Informationsteil durch Auftrag an Ki erstellt


Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Hinterlasse einen Kommentar