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Was denken Sie über Elon Musk und sein soziales Medium „X“, vormals Twitter? Und über die sozialen Netzwerke insgesamt?
Dieses Thema war uns einen Sonderartikel mit nicht weniger als vier eingebetteten Grafiken von Statista wert und eine äußerst faktenreiche Analyse, auf der wir wiederum einen kurzen Kommentar basieren. Sie werden schon gemerkt haben, dass wir unsere Formate in letzter Zeit wieder stark weiterentwickeln, und eines können wir versprechen: Wer uns liest, weiß mehr, als wenn er irgendwelche Twitter-Statemens als Nachrichtenquelle verwendet. Zumindest bei den Themen, deren Bearbeitung unser Zeitbudget erlaubt.
X (ehemals Twitter), Elon Musk und soziale Medien in Deutschland
Teil 1 – Faktenbasierte Zusammenfassung der vier Statista-Infografiken (alle Informationen vollständig enthalten)
1. Zwei Drittel der Deutschen lehnen Musk und X ab
Infografik: Zwei Drittel der Deutschen lehnen Musk und X ab | Statista

Drei Jahre nach Musks Übernahme von Twitter im Oktober 2022 – nach monatelangem Hin und Her – hat sich die Plattform grundlegend verändert.
Sie heißt nun
X, wurde
radikal umgebaut, etwa
80 % der Belegschaft entlassen, und die
Content-Moderation weitgehend abgeschafft.
X ist heute
Sprachrohr und Echokammer seines meinungsstarken Besitzers mit über
200 Millionen Followern.
Während Musk-Anhänger X als
„Speerspitze der Meinungsfreiheit“ betrachten, gilt sie für viele andere als
Inbegriff von Desinformation und politischer Manipulation.
Laut einer
YouGov-Umfrage (Januar 2025) haben
71 % der rund 2.000 Befragten eine negative Meinung über Elon Musk,
65 % über X selbst.
63 % empfinden die Art, wie Musk die Plattform führt bzw. nutzt, als
unangemessen, nur
19 % halten sie für akzeptabel.
2. Elon Musk: Einmischung unerwünscht
Infografik: Elon Musk: Einmischung unerwünscht | Statista

Seit der Übernahme von Twitter nutzt Musk X als
persönliches Megafon und politisches Werkzeug.
Nach seiner – laut Statista-Text – „beispiellosen Kampagne“ zur Unterstützung
Donald Trumps in den USA versuchte Musk auch,
in Deutschland und Großbritannien Einfluss zu nehmen.
Im Dezember 2024 postete er:
„Only the AfD can save Germany“ und lud
AfD-Chefin Alice Weidel im Januar 2025 zu einem
gestreamten Gespräch ein, das als ungefilterter Wahlkampf galt.
Rund
sechs Wochen später erreichte die
AfD bei der
vorzeitigen Bundestagswahl ein
Rekordergebnis von fast 21 % der Zweitstimmen und wurde
zweitstärkste Kraft.
Ob Musks Einfluss dazu beitrug, bleibt
unklar, doch die öffentliche Meinung ist deutlich:
Laut einer
YouGov-Umfrage (Januar 2025) halten
71 % der Deutschen Musks politische Einflussversuche für
inakzeptabel.
Etwa
zwei Drittel trauen ihm
kein ausreichendes Wissen über die politische Lage in Deutschland zu, und
60 % halten seinen tatsächlichen Einfluss hierzulande für
gering.
Beim Umgang mit Musks Aktivitäten herrscht
Uneinigkeit:
- 51 % raten Politikern, seine Aussagen zu ignorieren,
- 28 % finden, man solle darauf reagieren.
3. X als Nachrichtenquelle in Deutschland eher unbedeutend
Infografik: X als Nachrichtenquelle in Deutschland eher unbedeutend | Statista

Laut dem
Digital News Report 2025 des
Reuters Instituts nutzt
jeder dritte Deutsche (≈ 33 %) mindestens
einmal pro Woche soziale Netzwerke als Nachrichtenquelle – deutlich mehr als Printmedien (
19 %).
X spielt dabei nur eine
untergeordnete Rolle:
Nur
5 % der Deutschen beziehen dort regelmäßig Nachrichten – gemeinsam mit
TikTok bildet X das
Schlusslicht der großen Plattformen.
An der Spitze steht
YouTube (
18 % wöchentliche Nutzung als Nachrichtenquelle), gefolgt von
WhatsApp (
15 %), wo das
Teilen von Inhalten in Gruppen offenbar den Nachrichtenkonsum antreibt.
4. Welche sozialen Netzwerke nutzen die Deutschen regelmäßig?
Infografik: Welche sozialen Netzwerke nutzen die Deutschen? | Statista

Laut den
Statista Consumer Insights sind
YouTube,
Instagram und
Facebook die am
weitesten verbreiteten Plattformen in Deutschland.
- TikTok ist längst kein Nischen-Phänomen mehr: Die Plattform mit ihren Tanz- und Kurzvideos erreicht weltweit rund 1,59 Milliarden monatliche Nutzer und belegt Platz 4.
- Auf Platz 5 folgt Pinterest, eine Mischung aus sozialem Netzwerk und visueller Suchmaschine, auf der Nutzer Bilder zu Themen und Interessen auf virtuellen Pinnwänden sammeln.
- Snapchat liegt mit 21 % Nutzungsanteil auf Platz 6 – der Dienst hebt sich durch seine vergänglichen Snaps ab.
- Auf Platz 7 folgt X (ehemals Twitter),
- und auf Platz 8 das Berufsnetzwerk LinkedIn.
Teil 2 – Erweiterte Gesamtanalyse und Einordnung (integriert mit obigen Fakten und externen Quellen)
1. Wahrnehmung von Elon Musk und X in Deutschland
Die Statista-Ergebnisse bestätigen einen
deutlich negativen Trend:
Etwa
zwei Drittel der Deutschen lehnen sowohl
Musk als Person als auch
X als Plattform ab.
Die Zahlen (71 %/65 % Ablehnung) korrespondieren mit
YouGov- und Pew-Befunden, nach denen Musk in europäischen Ländern eine der
höchsten Negativbewertungen unter globalen Tech-CEOs hat.
Diese Ablehnung speist sich aus mehreren Faktoren:
- Vertrauensverlust durch den massiven Personalabbau und den Wegfall der Moderation,
- Wahrnehmung von Desinformation und Radikalisierung auf X,
- und Musks polarisierendes Kommunikationsverhalten, das häufig als parteiisch oder provokant empfunden wird.
X wird damit – im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen Twitter als Diskurs-Plattform galt – von vielen Deutschen als
unsicherer, unregulierter und politisch aufgeladen wahrgenommen.
2. Musks politische Einflussnahme
Musks direkte Parteinahme („Only the AfD can save Germany“) und die öffentliche Bühne für AfD-Politiker markieren eine neue Form
transnationaler Einflussnahme über soziale Medien.
In Deutschland wird das laut Umfragen als
Einmischung in nationale Angelegenheiten gesehen.
Die Mehrheit der Bevölkerung (71 %) bewertet dies als
inakzeptabel, eine deutliche
Mehrheit traut ihm keine politische Kompetenz in deutschen Kontexten zu.
Das spiegelt eine generelle
Skepsis gegenüber Tech-Milliardären wider, die politische Kommunikation beeinflussen.
Politikwissenschaftliche Analysen (Reuters, DFRLab, Washington Post 2024) stützen diese Wahrnehmung:
X fungiert seit 2023 zunehmend als
Echo- und Verstärkungsraum rechter Narrative, teilweise durch
algorithmische Veränderungen, die bestimmte Themen bevorzugt verbreiten.
Während der
tatsächliche Wahleinfluss schwer messbar bleibt, sehen Experten erhebliche
Agenda-Setting-Effekte – die
Öffentlichkeit verschiebt sich zu Themen, die X-Diskurse dominieren.
3. Nachrichtenkonsum über soziale Netzwerke
Die Statista-Zahlen (Digital News Report 2025) zeigen, dass
soziale Medien in Deutschland für ein Drittel der Bevölkerung bereits
regelmäßige Nachrichtenquelle sind.
Das deckt sich mit Studien von
ARD-ZDF-Onlinestudie 2024 und
Reuters Institute 2025:
- Besonders Jüngere (18–34 Jahre) nutzen soziale Netzwerke für Nachrichten,
- Ältere bleiben stärker bei TV- oder Printmedien.
Innerhalb der Social-Media-Landschaft ist
X kaum relevant (nur 5 % Nachrichtenkonsumenten) – ein markanter Unterschied zu den USA oder Großbritannien, wo X/Twitter traditionell als Nachrichten-Hub gilt.
In Deutschland übernehmen
YouTube, WhatsApp und Instagram zunehmend diese Rolle.
Gerade
WhatsApp wird durch
Peer-to-Peer-Sharing (z. B. Gruppen-Weiterleitungen) zu einem
informellen Nachrichten-Verteiler.
Das unterstreicht zwei Punkte:
- Die Bedeutung von X ist öffentlichkeits- und politikwirksam, aber nicht massenhaft.
- Desinformation kann sich auch auf anderen Kanälen verbreiten, besonders dort, wo Inhalte privat geteilt werden (WhatsApp, Telegram).
4. Soziale Netzwerke in Deutschland – Nutzung & Trends
Die Statista-Consumer-Insights-Ergebnisse fügen sich in das Gesamtbild der deutschen Social-Media-Landschaft:
- YouTube, Instagram, Facebook = „Dreifachspitze“ mit den größten Reichweiten.
- TikTok hat den Status des Newcomers hinter sich gelassen, mit global > 1,5 Mrd. Nutzern und wachsender Relevanz auch in Deutschland.
- Pinterest bleibt eine stabile, thematische Nischenplattform.
- Snapchat hält sich in der Jugend-Kommunikation, verliert aber an Breite.
- X liegt nur noch im unteren Mittelfeld – vor allem wegen sinkender Nutzung durch Journalisten und Institutionen nach 2023.
- LinkedIn wächst kontinuierlich als Business-Netzwerk, gewinnt aber kaum Nachrichtenrelevanz.
Damit zeigt sich:
X ist
nicht mehr Massenplattform, sondern eine
lautstarke Minderheiten- und Eliten-Plattform mit
hohem politischem Symbolwert.
5. Gesamtbewertung: Rolle von X und sozialen Medien in Deutschland
a) Wahrnehmung und Vertrauen:
X wird in Deutschland zunehmend als
problematisch und polarisierend gesehen.
Der Begriff „Meinungsfreiheit“ wird dort häufig mit
Unreguliertheit und Desinformation assoziiert.
Musks Führungsstil polarisiert stärker, als der Nutzen der Plattform überwiegt.
b) Einfluss auf Öffentlichkeit:
Trotz geringer Nutzungszahlen kann X durch
Multiplikation über klassische Medien (Nachrichtenzitate, Talkshows, Pressespiegel)
überproportionalen Einfluss haben.
Diese
Agenda-Verstärkung erklärt, warum politische Akteure die Plattform weiterhin genau beobachten.
c) Vergleich mit anderen Netzwerken:
Während X an Bedeutung verliert,
verlagert sich gesellschaftliche Kommunikation in stärker multimediale und private Räume – YouTube, Instagram, WhatsApp.
Das erschwert Transparenz, da Diskussionen fragmentierter und privater werden.
d) Gesellschaftliche Einordnung:
Deutschland reagiert auf diese Dynamik mit einer Mischung aus
Regulierung (Digital Services Act, NetzDG) und
Medienkompetenz-Initiativen.
Die öffentliche Meinung zeigt ein klares Muster:
- Skepsis gegenüber Plattformmacht,
- Ablehnung externer politischer Einflussnahme,
- Wunsch nach stärkerer Kontrolle und Verantwortlichkeit großer Social-Media-Akteure.
6. Fazit
„X“ steht in Deutschland sinnbildlich für die Ambivalenz sozialer Medien:
Einerseits Symbol einer ungefilterten, globalen Öffentlichkeit – andererseits Ort für Polarisierung, Manipulation und Machtasymmetrien.
Die Statista-Daten verdeutlichen, dass:
- Zwei Drittel der Deutschen Musk und X ablehnen,
- Die Bevölkerung Einmischung von Tech-Milliardären in die Politik zurückweist,
- X als Nachrichtenquelle unbedeutend bleibt,
- und dass YouTube, Instagram, WhatsApp die eigentlichen zentralen Kanäle des digitalen Alltags sind.
Damit ist die deutsche Sicht auf X
mehrheitlich kritisch, distanziert und regulierungsorientiert – ein deutlicher Kontrast zu Musks Selbstverständnis von „totaler Meinungsfreiheit“.
Kommentar
Einer der Gründe, warum wir diese vielen Grafiken in einem höchst informativen Artikel eingebettet haben: Wir werden es nicht schaffen, aktuell zu bleiben, wenn wir uns, wie bisher, immer auf eine Grafik und Updates beschränken. Sie kriegen also mehr, aber wie behalten wir den Aufwand im Griff? Durch den vermehrten Einsatz von KI natürlich, und das ist die Chancenseite der neuen Technik.
Vorweg eine Anmerkung zur häufigen Nutzung von WhatsApp als Nachrichtenspender: Wir wissen nicht genau, was damit gemeint ist. Normale Nutzer (die keine kostenpflichtige Version haben) erhalten normalerweise auch private Nachrichten. Diese Sachen, die man sich in der eigenen Bubble herumschickt, als Nachrichtenquelle zu bezeichnen, ist schon etwas gewagt. Es gibt auch die Möglichkeiten, mit einer Bezahlversion Kanäle großer Medien oder Unternehmen zu abonnieren. Diese Version dürften aber die wenigsten nutzen, die sich auf WhatsApp als Nachrichtenquelle stützen.
Wir müssen etwas wie einen Disclaimer anbringen: Wir haben X, damals noch Twitter, zeitweise mehr genutzt als jede andere soziale Plattform, aber mehr zur Diskussion als zur Information, wobei die Diskussionen in der Regel durch von uns veröffentlichte Artikel entstanden sind, nicht dadurch, dass wir selbst andere kommentiert haben. Das war dann höchstens eine Folgeerscheinung.
Mittlerweile ist es sehr ruhig geworden. Zwei unserer drei Accounts betreiben wir noch regelmäßig, einen für die „Nicht-Kultur-Artikel“, wie diesen, einen für Kulturbeiträge, derzeit vor allem aus der Rubrik Filmfest. Ab und zu bekommen wir ein Like, ganz selten einen kontroversen Kommentar, aber wir gehören auch nicht zur „Bubble“. Eher schon auf Bluesky (wo wir seit diesem Jahr aktiv sind) oder auf Mastodon (seit 2022). Eines hat X aber bisher nie getan, anders als zum Beispiel Facebook, das uns schon rigide ausgebremst hat, oder Instagram, das uns immer „automatisiertes Verhalten“ andichtet: Uns in unserer Meinungsfreiheit beschränkt. X mag eine furchtbare Propagandanudel sein, aber das war Twitter im Grunde auch schon, und da dort alle vertreten waren, gab es auch regelmäßig Zoff. Befördert durch die damals zwangsweise kurzen Texte (die man als Threads mit mehreren Nachrichten natürlich auch längen konnte) und die Schlagwortartigkeit. Viele Politiker:innen haben auf Twitter Dinge geschrieben, die sie wieder löschen mussten, weil sie gemerkt haben, dass sich in der Eile des schnellen Twitterns im Ton oder auch in den Fakten vergriffen haben.
Zum Auffassen von Nachrichten haben wir Twitter bzw. X noch nie vorwiegend genutzt, deswegen finden wir es auch okay, wenn unsere Artikel mehr über Suchmaschinen als über soziale Netzwerke angezielt werden (das Verhältnis ist etwa 80/20, alle sozialen Netzwerke zusammengerechnet, wobei via Facebook wesentlich mehr Zugriffe erfolgen als über den X-Eingang).
Wir lassen uns aber gerne inspirieren und sehen immer wieder interessante Posts, die eine andere Sicht zeigen als die hiesigen Medien. Nicht, weil unsere Medien so furchtbar einseitig wären, sondern, weil z. B. Auf Bluesky die Geschehnisse in den USA viel ausführlicher diskutiert werden als in den meisten Medien hierzulande – was ja auch logisch ist, wenn man die weltweite Aufmerksamkeitsökonomie in Betracht zieht.
Ob aber nun gerade Youtube als Informationskanal besser ist? Wir wagen das zu bezweifeln. Wir schauen gerne mal etwas auf Youtube an, aber neben den großen Medien, die dort auch zugange sind, wird teilweise unkontrolliert ein unglaublicher Mist geschrieben. Wer das, was dort hemmungslos subjektiv verkauft wird, als Grundquelle seiner politischen Information nutzt, der kann einen medienrezeptionsmäßigen Totalschaden erleiden, ist also gar nicht mehr fähig, Fakten und Manipulationen auseinanderzuhalten. Das hat auch damit zu tun, dass die Youtuber einen Kommunikationsstil entwickelt haben (zurück zur One-Way-Bespaßung, auch wenn es Kommentiermöglichkeiten gibt, die man aber wiederum ausschalten kann), der äußerst suggestiv ist. Da sind einige richtige Schauspieler darunter oder solche, die hätten Schauspieler werden können oder sollen. Die Art der Darbietung überwiegt die Qualität des Inhalts oft bei Weitem, und das Problem gibt es auf allen Kanälen, die nicht multimedial sind, eher nicht. Auf Twitter kann man natürlich auch kurze Videos einbetten, aber es ist kein Kanal für längere selbstgemachte Podcasts, während man sich auf Youtube episch austoben kann. Auch TikTok tendiert in diese Richtung (wie Youtube).
Vielleicht sind wir auch ein bisschen neidisch, weil diese Plattformen hätten einige Jahre früher kommen müssen, damit wir sie noch als „Influencer“ hätten bespielen können, aber sie sind nun einmal Filme, und Filme haben eine andere Suggestivwirkung als das gelesene Wort. Da wir uns mit Filmanalyse befassen, wissen wir in etwa, wie politische Botschaften sogar in Spielfilme eingeschleust werden, die auf den ersten Blick ganz harmlos wirken – und wie erst, wenn jemand den rhetorischen Dampfhammer über eine Stunde lang auf seine Zuschauer niedergehen lässt, wie es z. B. verschwörungstheoretisch orientierte Zeitgenossen (so gut wie nie Zeitgenossinnen) gerne tun. Viel ist viel, und die Kontrolle dessen, was die Menschen denken, wird nicht einfacher, sondern immer schwieriger, weil sie sich auch mit Inhalten füttern, von denen die Ersteller genau wissen, dass die Nutzer eben nicht, wie wir es tun, im Anschluss eine Recherche dahingehend durchführen, was davon valide ist und was nicht. Was wir wahrnehmen, ist, dass stimmige Fakten gerne mit Quatsch zu einer Melange verdichtet werden, die nicht so leicht auseinandergenommen werden kann: Auch, weil man dafür ja ein Transskript erstellen muss, wenn man analytisch komplett sein will, Widersprüche aufdecken, Anteile des validen Informationsgehalts mit Spins, die darauf aufgebaut werden, abgleichen will usw.
Gerade an die Jüngeren, die sich unzählige Videos auf allen möglichen Plattformen reinziehen: Lest mal wieder eine Zeitung oder ein Buch oder am besten beides, das schafft mehr Distanz und erhöht die Fähigkeit, diese Distanz zu einer mehr analytischen Herangehensweise zu verwenden. Die meisten AfD-Wähler:innen kennen zum Beispiel das Programm der Partei gar nicht. Würden sie das, würden sie noch einmal darüber nachdenken, ob eine von dieser Partei geführte Regierung wirklich in ihrem Interesse handeln würde (z. B. wirtschaftspolitisch) oder könnte (z. B. Migrationspolitisch).
Wir sehen die Musk-Übernahme von Twitter mittlerweile recht entspannt, weil wir z. B. Bluesky als Alternative für uns entdeckt haben, aber wir wissen natürlich auch, dass in anderen Ländern X eine enorme Rolle spielt und in Deutschland den in der Analyse angesprochenen Verstärkungseffekt nach wie vor besitzt, und dass das Konsumieren der Video-Plattformen nicht unbedingt besser ist als das Lesen von X-Posts und was in ihnen verlinkt oder eingebettet ist.
Uns hat es aber auch geärgert, wie extrem Musk sich in Deutschland im letzten Wahlkampf eingemischt hat. Man sollte keinerlei Produkte verwenden, die in irgendeiner Weise mit ihm zu tun haben. Tun wir aber auch, denn wir sind nach wie vor auf X zugange. Es ist lediglich nicht mehr so interessant oder aufregend wie früher und bei uns funktionieren die Algorithmen von früher offenbar noch, wie bekommen nicht überwiegend rechtes Zeug in die Timeline gespielt, sondern eher die Reaktionen aus der Mitte und dem Mitte-Links-Spektrum. Der Grund ist freilich ein ganz einfacher: Wir haben die betreffenden Kanäle abonniert. Und auf diese Weise kann sich jeder seine eigene Bubble schaffen, sogar auf X. Und ist am Ende des Tages alles so viel anders als früher, wo die einen Bild und die anderen Spiegel gelesen haben?
Wir mögen solche Betrachtungen, weil wir auch mal andeuten möchten, dass die Welt der Informationen nicht mit den sozialen Medien neu erfunden wurde. Was die Springer-Presse an mentalen Schäden in Deutschland angerichtet hat bzw. wie sie die sozialen Schäden der Deutschen, generiert durch die Traumata des 20. Jahrhunderts, für sich ausgenutzt hat, und wie der Spiegel einst echte Aufklärungsarbeit dagegen geleistet hat, das ist ein Lehrstück auch für die Benutzung der sozialen Medien und die Meinungsbildung zu dem ganzen Tünkram, den die aktuelle Regierung so faktenarm oder gar kontrafaktisch raushaut wie keine vor ihr.
Also bleiben Sie bei dem Netzwerk und der Informationsquelle Ihrer Wahl, aber glauben Sie nicht alles, was mit viel manipulativem Geschick vorgetragen wird. Wenn Sie ein bisschen mehr dahinterblicken – ja, dann würde es zum Schmunzeln anregen, wenn nicht viele eben doch ohne Hinterfragung solchen Darstellungen aufsitzen würden. Wir sind uns übrigens nicht sicher, dass die Älteren diesbezüglich besser sind. Was wir zum Beispiel speziell auf Facebook an DDR- und Putinverklärung lesen, stammt vor allem von älteren Menschen, die es besser wissen müssten. Uns wäre die Entäußerung dieser Mischung von Naivität und tiefsitzender Phobie gegen Humanismus und Freiheit ja peinlich, aber wir sind ja auch mit einer großen Medienvielfalt aufgewachsen und haben sie genutzt und werden uns ganz sicher nicht von Posts auf sozialen Netzwerken ins Bockshorn jagen lassen. Am Ende stehen Fakten, und die besagen, dass es in Deutschland nicht gut läuft, auch mit der neuen Regierung nicht und mittlerweile auch ihretwegen nicht. Darüber schreiben wir und machen Werbung dafür auf den sozialen Netzwerken.
TH
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