Ist Kanzler Merz führungsstark? (Umfrage + Kommentar)

Briefing PPP Politik Personen Parteien, Friedrich Merz, Union, SPD, Führungsstärke, Führer und Marionetten

Das muss man doch mal sagen dürfen! So kann man die gegenwärtige Politik von Friedrich Merz wohl am besten zusammenfassen. Aber ist Meinungsstärke auch Führungsstärke? Der aktuelle Stand der „Sonntagsfrage“ drückt eine ziemlich klare Bevölkerungsmeinung aus – und stimmt sie mit den Ansichten zu Merz persönlich überein? An diesen können Sie mitwirken, denn Civey hat eine Umfrage daraus gemacht:

Kanzler Merz: Führungsstark?

Begleittext von Civey

Friedrich Merz (CDU) hatte als Oppositionsführer die frühere Ampel-Koalition regelmäßig für ihre internen Auseinandersetzungen kritisiert. Nun steht er selbst aufgrund wachsender Spannungen in der schwarz-roten Bundesregierung unter Druck. Mitte Oktober geriet Merz zusätzlich in die Kritik, als er mit seinen Aussagen zum „Stadtbild“ eine große Debatte auslöste. Grüne und Linke sowie Teile der SPD warfen ihm Diskriminierung vor – und nicht als Kanzler für alle Menschen im Land zu handeln. Bei einer der anschließenden Demonstrationen gegen Merz’ Äußerungen war auch SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar anwesend.

Grünen-Chefin Franziska Brantner warf Merz mangelnde Führung vor. Die andauernden Konflikte in der Koalition über Wehrdienst, Bürgergeld und Haushalt zeigten, dass Schwarz-Rot kaum ein Jahr nach Amtsantritt zerstrittener sei als die Ampel am Ende ihrer Regierungszeit, sagte Brantner beim Parteitag des Thüringer Landesverbandes. Merz agiere zudem zögerlich, etwa bei der Waffenlieferung an die Ukraine. Die SPD wirft Merz vor, sich populistischer Rhetorik zu bedienen und die Gesellschaft zu spalten. Daher forderte nun eine Gruppe von SPD-Abgeordneten von Merz einen „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Diesem Vorschlag erteilte die Union eine Absage.

Die Union steht größtenteils hinter Merz und sieht die Verantwortung für viele öffentliche Konflikte eher bei der SPD. Demnach habe der Kanzler mit seinen Aussagen zur Migration lediglich Probleme benannt, die viele Menschen teilen würden. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) warnte im Tagesspiegel: „Wer als SPD-Führungskraft gegen den Bundeskanzler der gemeinsamen Koalition demonstriert, trägt leichtfertig dazu bei, dass die Menschen uns weniger zutrauen, gut zu regieren.“ Und auch bei der Wehrdienstdebatte werfen CDU und CSU eher Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor, durch Kompromisslosigkeit eine Lösung zu erschweren.

Kommentar

Da hat tatsächlich jemand aus der SPD noch ein Herz bewiesen und sich gegen den x-ten Angriff von Merz auf die eigenen Bürger ganz öffentlich zur Schau gestellt. Aber das darf man in dieser Rechtsregierung offensichtlich nicht mehr sagen oder tun. Die CDU hat unter Angela Merkel unbemerkt ein Weltbild entwickelt, das ganz weit von dem ihren abweicht. Dass sie jetzt ebenfalls in die Debatte eingreift und zur Mäßigung aufruft, sagt einiges aus. Unsere Kanzlerin des Herzens war sie nie, denn auch sie hat, nicht verbal, sondern faktisch, dabei mitgeholfen, das Land zu spalten. Aber jetzt haben sich führende Unionspolitiker zusammengefunden, das auch vom Ton her mit voller Absicht zu tun. Deswegen greifen nach unserer Ansicht Analysen, die alles nur auf die unempathische Person von Merz zurückführen wollen, viel zu kurz. Hinter diesen Angriffen auf die Gesellschaft steckt eine Strategie von Menschen, die wollen, dass diese Gesellschaft sich machtlos und abgespalten fühlt und dadurch wehrlos wird. Aber warum? Wer Merz’ Lebenslauf und den von anderen Unionspolitikern wie Spahn und Linnemann, die zu den Scharfmachern gehören, kennt, der weiß, zu wessen Gunsten jetzt nicht nur Politik, sondern auch Rhetorik gegen die Bevölkerung gemacht wird. Diese Politiker sind abhängig vom Kapital wie keine Führungsgeneration zuvor, und genau deswegen können sie nicht führen. Sie können das Land nicht zum Besseren und die Bevölkerung nicht zusammenführen. Sie sind von Lobbys, von kleinen Interessengruppen mit sehr viel Macht gesteuert, und wir werden noch sehen, dass es bei der AfD genauso ist, wenn das Kapital immer mehr auf diese Partei setzt.

Parallelen zu den frühen 1930ern sind ohne Zweifel sichtbar. Damsl waren rechte Politiker wie Merz die Wegbereiter der Nazis. Und sie sieht es aktuell aus?

Vor ein paar Tagen hatten wir die Union relativ zur AfD mit dem schlechtesten Umfrageergebnis überhaupt gesehen (25,5 zu 26,2, Civey-Sonntagsfrage-Barometer). Jetzt liegt sie wieder 0,1 Prozent vor der AfD. Das kommt aber nicht daher, weil so viele Menschen Merz’ Ansichten über das Stadtbild so schick finden, denn den oben erwähnten Niedrigststand konnte man am Wochenende betrachten, also mehrere Tage nach Merz’ Einlassungen. Merz zahlt permanent auf das Konto der AfD ein, ebenso wie die anderen erwähnten Politiker oder Dobrindt oder Söder. Warum tut er das? Warum geht die Union ehtisch dermaßen nieder, anstatt das Land energisch aus der Krise zu führen?

Weil die SPD mit im Boot sitzt? Nach unserer Ansicht passiert gerade folgendes: Die Union provoziert die SPD, so gut sie kann, um a.) zu schauen, wie weit man die sozialdemokratische Seele bluten lassen kann, bevor sie stirbt, und wenn sie sterben sollte, könnte man b.) das Gleiche tun, als wenn die SPD irgendwann sagt, so geht es nicht mehr, und sich aus der Koalition zurückzieht. Diesen Mut hat sie natürlich noch nicht, aber man kann nie wissen, was weitere Umfrageeinbußen und etwas mehr handfeste Politiker wie Pistorius an der Spitze bewirken könnten. Oder Umstände, die wir noch nicht vorausahnen können.

Und was passiert dann? Die Union müsste mit der AfD zusammengehen, anders wäre ja keine Regierungsmehrheit möglich (es sei denn, mit den Grünen und der Linken, aber wir wetten darauf jede Summe, dass die Union eher nach rechts die Mauer einreißt als nach Mitte-Links). Ja, dumm gelaufen, sagt man als Angehöriger der Zivilgesellschaft, aber nicht als CDU-Politiker, denn einige zielen mit ihren Provokationen genau in diese Richtung.

Und sie sind arrogant genug, zu glauben, dass sie in dem Fall die stärkere Kraft wären. Aktuell wäre das natürlich der Fall, aber nicht, wenn ein Koalitionsbruch wieder zu Neuwahlen führen würde. Dann wäre derzeit alles komplett offen. Vielleicht denken einige, die Union würde zulegen, wenn die Koalition scheitern würde. Das halten wir für einen Trugschluss, wir vermuten eher, dass die AfD zur stärksten Partei in Deutschland werden würde. Und wir werden sehen, wie einige Unionspolitiker blau anlaufen und das Parteibuch wechseln.

Merz und seine Combo ruinieren die Union auf ähnliche Weise, wie Schröder und seine Gang die SPD ruiniert haben. Darüber mögen gute Ergebnisse auf Landesebene noch hinwegtäuschen, aber die Basis der Union bröckelt auch im Westen, und im Osten droht sie von der AfD geradezu überrannt zu werden. Gegenwärtig wäre die Union vermutlich nirgendwo mehr die führende Kraft im Osten. Und das nach absoluten Mehrheiten in der Nachwendezeit.

Wir haben natürlich mit „absolut nicht“ abgestimmt. Merz ist nicht führungsstark im Sinne eines Politikers, der ein Land kraftvoll nach vorne bringt. Selbst auf den ersten Blick gigantisch erscheinende Maßnahmen wie die Billionen-Sondervermögen könnten zum Bumerang werden, wenn sie falsch eingesetzt werden, und ausgerechnet die Partei, die einst den Sparmeister Schäuble am Finanzhebel walten ließ, hätte eine sinnlose Geldverschwendung zu verantworten, die infrastrukturell so gut wie gar nichts bewirkt. Und dazu die massiven Flurschäden, die die Union in der Gesellschaft anrichtet, in der die Stimmung immer schlechter wird und die Leistungsbereitschaft dadurch immer mehr absinkt, als dass eine „geistig-moralische Wende“ stattfände. Erinnern Sie sich noch an diesen Slogan? Dazu müssen Sie etwas politische Bildung genossen haben oder etwas älter sein, wie wir. Damit hatte Helmut Kohl die erste Rekonservativierung des Landes eingeleitet, ohne aber jeden Tag eine andere gesellschaftliche Gruppe zu schikanieren.

Das hätte damals in der CDU niemand getan, sich so offen als Fan der Disruption zu outen. Einigen ging es damals tatsächlich mehr um Law and Order, aber was Merz macht, ist nicht Gesetz und Ordnung stärken, sondern diejenigen, die das Land abzocken, weiter frei schalten lassen, dafür aber die überwiegend gesetzestreue Normalbevölkerung in allen ihren Facetten anrempeln – und negative Fakten schaffen. Das ist aber keine Führungsstärke, sondern eine Bankrotterklärung, falls man es nicht bewusst so haben will, dass dieses Land immer ärmer und vergrämter wird.

Wenn man es so haben will, dann ist Merz natürlich führungsstark, es ist aber auch einfach, wer will sich denn dagegenstellen? Führungsstärke auch dem Kapital gegenüber würde hingegen etwas erfordern, was Trump, was Xi, was Putin allesamt können: Zeigen, wer das Sagen hat. Das Primat der Politik durchsetzen. Das ist Führungsstärke, auch wenn man diese Politiker und ihre Art der Politik nicht mag. Aber ständig gegen eine Bevölkerung austeilen, die ohnehin von den Krisen der letzten Jahre gebeutelt ist, die tatsächlich nicht mehr die Wehrhaftigkeit hat wie vor 2020, das ist billig, das ist feige, das ist ärmlich. Wenn man eben Führungsstärke als etwas für die Mehrheit der Menschen tun ansieht und nicht den Preis für „wer ist die beste Marionette der wirklich Mächtigen?“ an Merz vergeben und dies tatsächlich als Führungsstärke akzeptieren will.

Bevor wir zu redundant werden, schließen wir diesen Kommentar. Niemals hat ein Kanzler im Sinne der Bevölkerung so schlecht geführt wie Friedrich Merz. Unser Gefühl ist, es fehlt wie bei keinem Regierungschef zuvor an Substanz in vieler Hinsicht. Wir haben genau dies vorausgesehen, lange vor der Bundestagswahl vom 23. Februar und darüber geschrieben. Wenigstens müssen wir uns keine persönlichen Vorwürfe machen, wir haben an jenem Tag, vor dem wir schon das Gefühl hatten, es wird kein guter Tag für die meisten von uns sein, weder Merz noch seinen Koalitionspartner gewählt.

Im Moment sieht übrigens eine weit überwiegende Mehrheit der Abstimmenden Merz nicht als führungsstark an. Insofern spiegelt diese Abstimmung auch die Sonntagsfrage mit den schlechten Werten für die Union.

TH


Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Hinterlasse einen Kommentar