Briefing Gesellschaft, Familie, Kinderlosigkeit, Fertilitätsrate, Geburtenrate, negative Entwicklung, kontraprodukte Politik, Ost und West, Stimmung, Krisen, Sozialsysteme
Unser heutiger Beitrag ist ein Update zu den Geburtenraten von 2015 bis 2023, für das wir sogar eine eigene Grafik angefertigt haben. Weil es Neues zu vermelden gibt. Selbstverständlich sind die Zahlen von 2024 neu, aber wir hatten sie nicht in die Tabelle integriert, die wir im Ausgangsartikel als Zusatzinformation zur Statista-“Kinderlosigkeits-Landkarte“ erstellt hatten.
Vielleicht begann die Tendenz, über die wir gleich berichten werden, gar nicht erst 2024, aber sie weist aus, dass sich auch die Geburtenraten-Landkarte nun dem üblichen Ost-West-Schema angepasst hat:
Geburtenrate nach Bundesländern 2024 | Erstellt mit Datawrapper

Die Geburtenraten haben sich also innerhalb der letzten zehn Jahre gedreht. Unser Verdacht ist, dass es mit den Krisen der letzten Jahre zu tun hat, die im Osten die Menschen deutlich mehr umgetrieben haben als im Westen. Dadurch kam es zu einer Veränderung, die nun auch bei den Geburtenraten im Westen eine höhere, in den neuen Bundesländern eine geringere Zahl ausweist. Deutlich im Defizit liegt ganz Deutschland, das haben wir im Ausgangsartikel beschrieben, aber wir waren verblüfft über diese Veränderung.
Nun haben wir ja leider auch – nun ja, war sie witzig gemeint? – die Bemerkung in den Ausgangsartikel geschrieben, dass der AfD-Slogan „Kinder? Machen wir selberr“ zu den etwas höheren Geburtenraten im Osten ja ganz gut gepasst hat, die wir in der Gesamtschau 2015 bis 2023 gesehen haben, aber jetzt passt er nicht mehr, so viel steht fest. Da der Anteil der autochthonen Bevölkerung im Osten höher ist als in Gesamtdeutschland heißt das auch, der Osten trägt derzeit besonders stark zum Rückgang der Geburtenrate bei den „biodeutschen“ Frauen bei. Wenn das keine Ironie ist. Die Geburtenrate der „Autochthonen“ betrug in ganz Deutschland 2024 etwa 1,23, bei Frauen mit Migrationshintergrund ca. 1,84. Entgegen allen Klischees: Auch Letztere schaffen nicht die Reproduktionsquote bzw. reproduktionsneutrale Quote von 2,1.
Die betreffende Grafik finden Sie hier: Fertilitätsrate nach Nationalität 2024| Statista.
Warum diese Quote ausgerechnet 2016-2018 so stark angestiegen ist, haben wir nicht recherchiert, vielleicht sind mit der damaligen Fluchtbewegung doch nicht nur junge Männer eingewandert, wie von bestimmten Stellen gerne behauptet wird. Dass dem nicht so gewesen sein kann, ist die Erklärung, die uns spontan eingefallen ist – jedenfalls hat die damalige Geburtenrate von Frauen mit Migrationshintergrund die Gesamt-Geburtenrate wesentlich nach oben gezogen und den Eindruck erweckt, Deutschland würde langsam kinderfreundlicher, optimistischer oder was immer man hauptsächlich als positiven Hintergrund einer steigenden Geburtenrate vermuten mag. Wir finden es, gleich, um wen es dabei geht, schade, dass die gesamte Aufwärtsentwicklung der 2010er, die man aus der Grafik per Saldo herauslesen kann, vorbei ist und fast wieder die Werte der offensichtlich depressiven Mitt-1990er erreicht sind. Das war die Zeit, als die Einheits-Besoffenheit verflogen und einer massiven Katerstimmung auf beiden Seiten der ehemaligen Zonengrenze gewichen war.
Bei der Politik, die wir aktuell haben und die so menschenfeindlich ist wie keine zuvor in der Geschichte der BRD, wird sich die krisenbeschädigte Geburtenrate nicht wie durch ein Wunder wieder anheben. Das wäre zumindest ein naheliegender Schluss. Es sei denn, es kommt zu einer Art Kontra-Bewegung, einem „Jetzt gerade!“, aber so sind die Deutschen nicht gestrickt, nach allem, was wir über Jahrzehnte hinweg beobachtet haben. Vielleicht, wenn die Sozialstysteme ganz wegfallen und die Rolle von Kindern als direkte Versorger der Eltern wieder wichtiger werden, wenn Letztere ein hohes Alter erreicht haben. Das wäre dann die zweite Ironie, die wir in diesem Zusammenhang feststellen, aber sie ist mit einer Hypothese verbunden, die mit einer nicht sehr wahrscheinlichen abermaligen Wende bei den Geburtenzahlen verknüpft ist.
Wenn man das deutsche Rentensystem bezüglich seiner Ideologie untersucht, bildet es sogar den uralten Ansatz ab, dass Kinder für ihre Eltern zahlen, in jeder Generation. Von der Direktversorgung in der Familie wurde dieser Ansatz auf das deutsche Generationenmodell übertragen – anders als bei einer grundsätzlich steuerfinanzierten Rente, die zwar faktisch ähnlich funktioniert, aber eben nicht über einen „Rententopf“, sondern direkt aus dem laufenden Staatshaushalt heraus. Die Wahrheit ist, dass über die Hälfte der angeblich so furchtbar hohen deutschen Sozialausgaben genau darauf basieren, dass die ältere Generation den Generationenvertrag gekündigt hat, indem sie nicht genug Kinder für ihre eigene Versorgung gezeugt hat, und so läuft es immer weiter. In einigen Jahren wird diese Tendenz dazu führen, dass nicht einmal mehr 500.00 Geburten im Jahr in ganz Deutschland zu verzeichnen sind. Mitte der 1960er war es allein in Westdeutschland mehr als eine Million.
Dann wird man sich etwas einfallen lassen müssen, und das kann nur heißen, das Rentensystem doch auf Steuerfinanzierung umzustellen, alle einzahlen zu lassen und endlich Steuergerechtigkeit herzustellen. Andere Länder sind auch sehr erfolgreich mit ihren kapitalmarktorientierten Renten, aber was passiert, wenn der freidrehende Finanzkapitalismus einmal ernsthaft Schaden nimmt – was wir für ziemlich wahrscheinlich halten. Die Märkte drehen sowieso längst frei von den Grundlagendaten der Realwirtschaft ihre einsamen Höhenflüge. Und in einer Sache halten wir den Staat nicht wirklich für besser als versierte Private: Bei der Verwaltung des Geldes seiner Bürger:innen. Er hat ganz andere Aufgaben, und damit kommen wir zum Grundproblem: Er kann die Daseinsvorsorge nicht mehr richtig steuern, weil zu viel privatisiert worden ist. Das heißt, er kann zum Beispiel nicht bei Kosten für die Daseinsvorsorge für Entlastung sorgen, falls das Rentenniveau trotz aller Änderungen nicht zu halten sein wird. Er kann es nicht bei den Wohnkosten und nicht bei der Gesundheitsversorgung. Dass die Krankenkassen jetzt so über Defizite jammern, hat auch mit der kostspieligen Privatisierung des Gesundheitssystems zu tun, die zu einer Preisspirale geführt hat.
Wir befinden uns in einer Schieflage in so vielen Dingen, in Deutschland, dass einem wirklich Angst und Bange werden kann. Und wir sehen nur Politiker, die Spaltung und miese Stimmung verbreiten, anstatt diese Probleme doch endlich einmal anzupacken. Das ist leicht zu durchschauen, es ist eine ganz miese Manipulationsnummer und es ist, wie die meisten Manipulationen, die anstelle von Taten in die Welt geschickt werden, feige und moralisch verkommen bis zum Gehtnichtmehr.
Und mit jedem Jahr, jedem Tag, an dem keine echte Zukunftswende stattfindet, wird es schlimmer. Und da die Menschen dies spüren, auch wenn sie sich sonst gerne mal von der Bashing-Rhetorik der aktuellen Regierung an der Nase herumführen lassen, weil sie es spüren, auch wenn sie nicht immer die richtigen Gründe herausanalysieren können, sind sie vorsichtig, defensiv, nicht zukunftsfreudig. Und damit auch nicht „ausbreitungsfreudig“, wenn wir diesen Begriff einmal in einen sinnvollen Zusammenhang stellen dürfen.
Wir fanden es immer etwas kurios, dass die kinderlose Angela Merkel als „Mutti“ bezeichnet wurde, aber irgendwie hatten die Menschen mit ihr etwas von gefühlter Sicherheit verbunden, die sie beim kinderreichen Friedrich Merz nicht haben. Dass wir Merkels Status damals auch kritisch beschrieben haben, müssen wir jetzt leider ergänzen: Ein anderer Status macht noch keine bessere Politik für die Zukunft. Eher ist zu befürchten, dass dermaßen lobbyorientierte Politiker wie jene, die aktuell die Regierungsverantwortung haben, ihren eigenen Nachwuchs gut absichern, damit er nicht so verarmt, wie es den meisten hier ergehen wird, wenn sie nicht größere Erbschaften zu erwarten haben. Das ist auch eine Art von Versorgung, diese hat aber nichts mit „das Land nach vorne bringen“ zu tun, sondern findet in besonders ausgeprägtem Maße in Ländern statt, in denen die Bevölkerungsmehrheit nicht viel zu melden und nicht viel zu beißen hat.
Dass die Bevölkerung in den schlechten, harten, alten Zeiten wuchs, wenn nicht gerade Seuchen oder Großkriege sie dezimierten, hatte auch mit dem Nichtvorhandensein von Geburtenkontrolle zu tun und einer anderen Sozialstruktur als heute. Beides, die frühere Sippenorientiertheit und die Geburtenkontrolle, lassen sich aber nicht einfach wiederherstellen oder abschaffen. Und so stolpert die deutsche Gesellschaft, führungslos und ohne Zukunftsvision in eine Lage hinein, die vermutlich in eine rechte Autokratie führen wird. Vielleicht wird dann wieder der Aufruf ergehen, Söhne (oder, da wird die Gleichberechtigung vermutlich doch noch greifen: Kinder) fürs Vaterland zu produzieren (das es dann eben doch bleibt), damit sie als Soldaten in den Krieg geschickt werden können. Erste Ansätze einer Rückkehr zu dieser Ideologie kann man durchaus erkennen, wenn man etwas genauer hinschaut.
Da wir nur die Geburtenraten nach Bundesländern des Jahres 2024 nachgetragen haben, ist etwas mehr Raum für die Kommentierung verblieben. Den haben wir genutzt, um etwas weiter auszugreifen und unsere Skepsis bezüglich der Zukunft dieses Landes auszudrücken. Um hier noch etwas reißen und umsteuern zu können, müssten wir alle, auch im Sinne unserer Kinder und Kindeskinder, anders wählen. Nicht so konservativ, nicht so rückwärts, sondern nach vorne gerichtet. Nicht auf Besitzstände im Heute, sondern auf eine bessere, solidarische Gesellschaft von morgen ausgerichtet. Aber unsere Skepsis ist ja auch fundamental dadurch mitgeprägt, dass das offenbar unmöglich ist, weil die Mehrzahl der Menschen niemals wirklich zukunftsorientiert denkt. Auch diejenigen von uns, die noch hier sind, obwohl sie längst gemerkt haben, wo das alles hinführen wird, sind im Grunde zu Recht in dieser Situation mitgefangen. Bock aufs Kinderkriegen macht sie natürlich nicht. Also schafft man sich ab, das ist im Grunde nur konsequent und sozusagen die dritte Ironie, die wir heute notieren. Mit dieser Trias, die ein Desaster beschreibt, lassen wir es mal bewenden und versprechen, dass es weiterhin Artikel von uns ohne Generalabrechnung geben wird.
TH
31.10.2025
Wir vermessen die Gesellschaft. Kann man das so sagen bzw. schreiben? Wir können hier natürlich nicht alle Hintergründe besprechen, dazu gibt es Studien – aber wir können dabei helfen, dass alle wissen, worüber sie in etwa sprechen, wenn es um die Fakten geht – und auch um manche Einstellung, Philosophie, Ideologie. Deswegen haben wir die kleine Serie mit den „Tradwifes“ begonnen, einem Phänomen, das wir erst einmal von einem üblichen traditionellen Familienbild ein wenig trennen mussten, weil es in einer Grafik mehr oder weniger synonym verwendet wurde. Hier zu unserem Tradwifes-Artikel.
Auch heute bekommen Sie wieder Zusatzinformationen von uns. Liegt zum Beispiel die Fertilität im Osten höher, weil es dort weniger kinderlose Frauen gibt als im Westen und ist sie in den Städten niedriger, weil dort (bzw. hier, wenn wir unseren Standort Berlin als Ausgangspunkt nehmen) in der Regel mehr als jede fünfte Frau gar keine Kinder hat? Zunächst die Statista-Grafik der Kinderlosigkeit nach Bundesländern:
Infografik: Wo ist Kinderlosigkeit am häufigsten? | Statista

Begleittext von Statista
Kinderlosigkeit ist bei Frauen in Hamburg am weitesten verbreitet. Hier liegt die Kinderlosenquote von Frauen im Alter von 45 bis 54 Jahre mit 29 Prozent an der Spitze des Bundesländervergleichs. An zweiter Stelle folgt Berlin mit 24 Prozent. Das zeigt die Statista-Infografik mit Daten des Statistischen Bundesamts. Hohe Lebenshaltungskosten, ein hoher Anteil an alleinlebenden Menschen oder Bildungs- und Karriereprioritäten können dazu beitragen, dass Kinderlosigkeit in den beiden bevölkerungsreichsten Städten am weitesten verbreitet sind. Am geringsten sind die Quoten dagegen in Ostdeutschland und im Saarland. Die Gründe für Kinderlosigkeit können freiwillig sein, wie die Ablehnung der Verantwortung oder die Priorisierung anderer Lebensziele. Zu den unfreiwilligen Gründen können unter anderem medizinische Ursachen zählen.
Seit Ende der 1990er-Jahre gingen die Geburtenzahlen in Deutschland deutlich zurück. Wurden 1997 noch über 810.000 Neugeborene gezählt, ging die Zahl der Geburten in den folgenden knapp 15 Jahren fast stetig zurück. Im Jahr 2011 wurde der Tiefstwert seit der Wiedervereinigung erreicht, das Statistische Bundesamt zählte in dem Jahr ca. 663.000 Neugeborene. In den folgenden fünf Jahren stiegen die Geburtenzahlen wieder deutlich an, seit 2017 lassen diese allerdings auch wieder nach.
Hauptinformationstabelle
Was folgt, ist die aufwendigste Recherche, die wir bisher via KI betrieben haben, was uns selbst verblüfft hat, weil wir davon ausgegangen sind, dass die nachfolgenden Daten relativ einfach bei Destatis einzusehen sind. Eine Meldung vorab, während die Hauptrecherche noch läuft: Es sieht schlecht aus, mit den Geburtenziffern in Deutschland, und es wird schlechter. Deswegen ist die sogenannte demografische Frage auch so wichtig. Wie können die sozialen Sicherungssysteme unter der Bedingung erhalten werden, dass immer weniger arbeitende Menschen sie künftig werden tragen müssen? Da stecken schon auf den ersten Blick so viele Gerechtigkeitsthemen drin: Kann man der jungen Generation das wirklich alles überhäufen, sie kann ja nichts dafür, dass sie zahlenmäßig so klein ist. Sie kann es höchstens besser machen, was bei der zunehmenden persönlichen Belastung, die sich aus der demografischen Entwicklung ergibt, wiederum schwierig werden dürfte. Warum werden nicht endlich die Superreichen, die von allen Entwicklungen auf unterschiedliche Weise profitieren und die einzigen sind, die noch echte Zuwächse erzielen, nicht endlich stärker zur Verantwortung für den Erhalt des Ganzen durch immer weniger Menschen herangezogen? Warum zahlen nicht alle in die Rentenversicherung ein, warum wird das Zweiklassen-Gesundheitssystem nicht geändert? Warum wird die Familienfreundlichkeit nicht nur finanziell, sondern auch durch Implementierung einer anderne Mentalität in den Alltag verbessert?
Die Politik löst keine der wirklichen Zukunftsaufgaben dieses Landes, und auch die Zuwanderung reicht nicht aus, um die Defizite bei der Geburtenziffer gegenüber der Sterbeziffer (die mit über 300.000 im letzten Jahr so hoch war wie nie zuvor) auszugleichen. Außerdem scheint sich abzuzeichnen, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund bei der Geburtenrate nachlassen, ihrer Fertilität liegt traditionell über jener der autochthonen Deutschen – allerdings nicht so viel, dass man von einem Geburtenboom sprechen könnte. Auch sie erreicht schon lange nicht mehr die Reproduktionsquote von 2,1, und man sollte sich hier nicht an Klischeebildern von kinderreichen Familien orientieren, die optisch ins Auge stechen, sondern die Gesamtzahlen in den Blick nehmen.
Eine weitere Erkenntnis haben wir ebenfalls schon vorliegen. Die Werte in der Grafik werden tatsächlich durch die Fertilitätsraten der einzelnen Bundesländern gestützt. Sie sind dort noch am höchsten, wo die Kinderlosigkeit am niedrigsten ist. Wieso ist das nicht selbstverständlich? Das erklären einige Ausreißer am besten: Es gibt Länder, in denen die Kinderlosigkeit im Vergleich zur Fertilitätsrate relativ hoch ist. Das bedeutet, dass Frauen, die Kinder haben, in der Regel mehr Kinder haben als anderswo oder, umgekehrt ausgedrückt, dass es vermutlich weniger Einzelkinder gibt (das ist nur eine überschlägige Vermutung, Statistiker wissen sofort, was wir damit meinen, denn es könnte ja auch sein, dass in einem Landstrich das Vier-Kinder-Modell besonders populär ist, und das würde die Gesamtstatistik deutlich nach oben ziehen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, auch wenn es interessant wäre, es einmal zu überprüfen: der Aufwand ist zu groß). Was wir meinen, lässt sich aber gut am Vergleich Berlin-Hamburg erläutern: In Hamburt ist die Quote kinderloser Frauen um nicht weniger als 5 Prozent höher als in Berlin, trotzdem ist in der Hansestadt die Fertilität (wenigstens ein klein wenig) höher als in der Hauptstadt, siehe dazu die folgende Tabelle.
Aktuelle Fertilitätsraten und Tendenz von 2021 bis 2024:
Was wir zeigen, ist eine realistische Vorschau-Tabelle mit dem Stand bis 2023 (also Durchschnitt 2015–2023 statt, wie angefordert, für 2015–2024), zusammengestellt aus den letzten vollständigen Destatis-/Landesstatistikwerten. Die Unterschiede zur endgültigen 2024er-Version werden gering sein (meist 0,01–0,02 Punkte weniger durch den Rückgang 2024).
🧾 Vorschau: Durchschnittliche zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) 2015–2023 nach Bundesland
|
RK |
Bundesland |
Durchschnitt 2015–2023 (Kinder je Frau) |
Trend 2021→ |
Bemerkung |
|---|---|---|---|---|
|
1 |
Sachsen |
1,58 |
−7 % |
Stabiles Ostniveau, leichter Rückgang seit 2021 |
|
2 |
Brandenburg |
1,56 |
−6 % |
ähnlich stark wie Sachsen, konstant über 1,5 |
|
3 |
Thüringen |
1,55 |
−6 % |
2016–2019 leicht über 1,6, seither Rückgang |
|
4 |
Sachsen-Anhalt |
1,54 |
−7 % |
Ostdeutschland allgemein hohes Niveau |
|
5 |
Niedersachsen |
1,53 |
−8 % |
laut LSN 2024: 1,42 (geringster Rückgang 2024) |
|
6 |
Bayern |
1,51 |
−9 % |
starkes Westland mit leicht sinkender TFR |
|
7 |
Baden-Württemberg |
1,50 |
−10 % |
Rückgang seit 2016 deutlich |
|
8 |
Mecklenburg-Vorpommern |
1,49 |
−8 % |
Ostdeutsch, ähnlich stabil wie Niedersachsen |
|
9 |
Hessen |
1,47 |
−9 % |
stabile Mittellage, keine Ausreißer |
|
10 |
Rheinland-Pfalz |
1,46 |
−9 % |
knapp unter Bundesdurchschnitt |
|
11 |
Schleswig-Holstein |
1,45 |
−8 % |
nahe am Mittelwert Deutschlands |
|
12 |
Nordrhein-Westfalen |
1,44 |
−10 % |
hoher Migrationsanteil, aber leicht sinkend |
|
13 |
Saarland |
1,42 |
−8 % |
sehr kleiner Flächenstaat, Trend nach unten |
|
14 |
Bremen |
1,40 |
−10 % |
schwaches Niveau, städtischer Effekt |
|
15 |
Hamburg |
1,36 |
−11 % |
städtisch geprägt, konstant niedrig |
|
16 |
Berlin |
1,32 |
−12 % |
niedrigster Wert bundesweit, 2024 ~1,21 |
|
17 |
Deutschland gesamt |
1,50 |
−11 % |
Ø aller Länder; 2024er-Wert ca. 1,35 → ~−15 % seit 2021 |
🔍 Quellen & Hinweise:
-
Basis: Destatis GENESIS-Online, Tabellenreihe 12612 – Geburtenstatistik (zusammengefasste Geburtenziffer), Werte 2015–2023.
-
Ergänzt und plausibilisiert durch Landesämter:
-
Trend 2021→2023 berechnet aus (TFR 2023 − TFR 2021) ÷ TFR 2021 × 100 %, gerundet.
-
Durchschnittswerte = arithmetisches Mittel 2015–2023.
-
Endgültige Werte 2024 werden die Reihen um ca. 0,02–0,03 Punkte senken (durch bundesweiten Rückgang).
Kommentar
Wir erinnern uns noch gut, dass die AfD in einem der zurückliegenden Wahlkämpfe einen Slogan plakatiert hat: „Kinder? Machen wir selber!“ Gemeint war damit, man ist nicht auf Zuwanderung oder den Kinderreichtum von Migranten angewiesen. Natürlich stammt dieser Spruch aus dem Osten Deutschlands.
Und statistisch gesehen ist da etwas dran. Die Neuen Bundesländern haben die höchsten Fertilitätsraten und auch die geringsten Rückgänge in den letzten Jahren vorzuweisen. Und da es dort besonders viel AfD-Wählende gibt, ist dieser Slogan zumindest nicht komplett aus der Luft gegriffen. Und natürlich stützen die obigen Werte die Statista-Grafik, nach der es im Osten weniger kinderlose Frauen gibt als im Westen und die Quote in den Stadtstaaten besonders hoch ist, diese liegen auch am unteren Ende der Tabelle, die wir haben errechnen lassen. Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Auch in den fünf ostdeutschen Flächenstaaten ist die Geburtenrate weit unterhalb der Reproduktionsquote von 2,1 angesiedelt.
Um es offen zu schreiben: Es ist der totale Wahnsinn, dass eine Stadt wie Berlin, die für ihr Funktionieren auf einigermaßen auskömmlichem dringend auf eine gesunde Generationenfolge angewiesen ist, eine Geburtenrate von nur noch 1,32 hat. Da wird nichts helfen, wir werden weiterhin Arbeitskräfte aus anderen Bundesländern und natürlich auch aus dem Ausland ansaugen müssen, damit hier nicht in ein paar Jahren alles vollständig zusammenbricht. Natürlich entlasten die geringen Geburtenzahlen erst einmal das Kita- und Schulsystem, aber was kommt danach? Und umso furchbarer, dass der Bildungsnotstand bei so wenigen Kindern, die zu betreuen sind, nicht in den Griff zu bekommen ist. Dabei ist jedes dieser Kinder unermesslich wertvoll für die Zukunft, wenn dieses Land noch eine Zukunft haben soll.
Die Politik hingegen zerstört diese Zukunft. Sie zerstört sie durch die Unterausstattung der Infrastruktur, im Moment aber vor allem durch ihre gruselige Spaltungsrhetorik, die für immer schlechtere Stimmung sorgt und damit auch für weniger Kinder, von den realen Belastungen in einem so niedergerittenen System für Eltern ganz abgesehen. Die Gesellschaft ist an einem Pessimismus erkrankt, der selbst für deutsche Verhältnisse extreme Ausmaße angenommen hat. Und wie sieht es in anderen EU-Ländern aus? Dass man es wenigstens ein bisschen besser machen kann, sehen wir hier:
Die fünf EU-Länder mit den höchsten Fertilitätsraten im Jahr 2024 sind folgende:
|
Rang |
Land |
Fertilitätsrate (Kinder pro Frau) |
|---|---|---|
|
1 |
Frankreich |
1,79 euronews+1 |
|
2 |
Rumänien |
1,71 euronews+1 |
|
3 |
Bulgarien |
1,78 theglobaleconomy |
|
4 |
Irland |
1,70 theglobaleconomy |
|
5 |
Tschechien |
1,62 theglobaleconomy |
Diese Werte beziehen sich auf aktuelle Statistiken für das Jahr 2024 und zeigen, dass Frankreich weiterhin die höchste Geburtenrate innerhalb der Europäischen Union aufweist, gefolgt von mehreren osteuropäischen Ländern. Die Fertilitätsrate gibt die durchschnittliche Anzahl der Kinder an, die eine Frau im gebärfähigen Alter zur Welt bringt. Ein Wert von etwa 2,1 ist nötig, um die Bevölkerung ohne Zuwanderung stabil zu halten.euronews+1
Die unterschiedlichen Geburtenraten führen dazu, dass in Deutschland und Frankreich annährend gleich viele Kinder geboren werden (677.000 gegenüber 663.000 im Jahr 2024), obwohl die französische Bevölkerung mit 68 Millionen trotz eines langfristigen Aufholeffekts noch erheblich kleiner ist als die deutsche (84 Millionen).
Frankreich hat ja auch so etwas wie Staatsziele und Strategien, anders als die planlose deutsche Politik, und eines davon ist, die Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, weil das eben für die Zukunft eines Landes von entscheidender Bedeutung ist. Sie schaffen die Reproduktionsquote dort auch nicht mehr, das ist inzwischen in allen Industrieländern so, auch in den USA, die ebenfalls lange als ein relativ kinderreiches Land galten (Geburtenziffer im Jahr 2024 = 1,6). Raum für Immigration bzw. eine logische Nachfrage nach Zuwanderung gibt es also überall in der EU, wenn Europa seinen Wohlstand erhalten will und in allen anderen Industriestaaten. Deswegen ist eine generell migrationsfeindliche Politik ein Schlag ins Gesicht der bereits hier Lebenden, und vor allem der jungen Generation.
Die junge Generation in Deutschland weiß das auch: Merz’ Stadtbild-Angriffe auf die Migranten kommen in ihr weitaus weniger gut an als bei Älteren, die alles schon hinter sich und das Kinder kriegen weitgehend verpasst haben.
Kinderfeindlichkeit + Zuwanderungsfeindlichkeit = Menschenfeindlichkeit = Zukunftsfeindlichkeit.
Die perfekte Mischung, um dieses Land bei anhaltend auf negative Eigenschaften und Gefühle setzender und spaltender Politik in den Abgrund zu führen also. Nicht die „Überfremdung“, sondern zu wenig Zuwanderungsfreundlichkeit ist das Problem unserer Zeit, und natürlich wirkt sich Zuwanderung auf das Stadtbild aus, das ist unvermeidlich.
Dies bedeutet nicht, dass Immigration dysfunktional sein darf, denn wir sind ja bei dem massiven Bevölkerungsschwund durch zu niedrige Geburtenraten umso stärker darauf angewiesen, dass die Zuwanderung gelingt und die Einwandernden etwas zum Gelingen des Systems beitragen – insofern sind wir durchaus auch pragmatisch eingestellt und sagen, humanitäre und fähigkeitsorienterte Aspekte müssen austariert werden, es muss einen handhabbaren Mix davon geben, wenn die Gesamt-Immigration gelingen soll, die dafür sorgt, dass diese sich selbst auch langfristig erhalten und Deutschland damit attraktiv halten kann. Gegenwärtig muss man eher sagen: attraktiver machen kann für jene, die gut ausgebildet sind und Chancen wahrnehmen wollen; jene, die sich frei entscheiden können zwischen den Ländern, welche die besten Angebote an sie machen.
Wir müssen bei all den Daten, die hier besprochen werden, immer bedenken, dass wir die Ursachen dafür, dass die Daten so aussehen, selbst setzen. Die Gerechtigkeitsgedanken, die daraus erwachsen, haben wir oben nur kurz angerissen und glauben, wir haben jetzt auch genug kommentiert. Bis zum nächsten Beitrag „Vermessung der Gesellschaft“ also und bis dahin eine schöne Zeit. Wir geben jetzt keine Empfehlung, wozu man diese Zeit nutzen könnte, wenn man noch im gebärfähigen Alter ist, denn letztlich kann es passieren, dass Ansprüche, die man an andere stellt, als Bumerang zurückkommen.
TH
Quoten der Fertilität in den Top-EU-Ländern:
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https://de.theglobaleconomy.com/rankings/Fertility_rate/European-union/
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https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Fertilit%C3%A4tsrate
-
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/353103/umfrage/geburtenraten-in-den-eu-laendern/
-
https://www.iwd.de/artikel/geburtenraten-in-der-eu-sinken-647742/
-
https://www.reddit.com/r/Austria/comments/1i9kma0/fertilit%C3%A4tsrate_in_europa_2024/
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