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Auch das noch. Weihnachten naht. Der Lebkuchenverzehr sinkt. Damit schaltete eine weitere deutsche Tradition in den Rückwärtsgang. Allein im Jahr 2024 betrug das Minus gegenüber 2023 – pardon – satte sieben Prozent.
Der starke Rückgang hat aber vermutlich Gründe, die wir sehr gut kennen und nicht auf einer plötzlichen Veränderung beim Geschmack der Menschen basieren.
Infografik: Wie viel Lebkuchen essen die Deutschen? | Statista

Statista-Begleittext
Der inländische Verbrauch von Lebkuchen ist in Deutschland im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund sieben Prozent beziehungsweise 5 Millionen Kilogramm zurückgegangen. Betrachtet man den Zeitraum ab 2019, ist dies ein relativer starker Rückgang. Hierzu könnten mehrere Faktoren beigetragen haben, wie etwa die allgemeine Inflation, ein geringer Absatz zu Weihnachten durch milde Temperaturen oder Lieferschwierigkeiten. Viele Lebkuchenprodukte enthalten zudem Kakao – ein Produkt, dass im Welthandel zuletzt deutlich teurer geworden ist.
Nach Wert gerechnet ist Deutschland Lebkuchen-Export-Weltmeister. Im Jahr 2024 hat die Bundesrepublik 21,5 Millionen Kilogramm Lebkuchen im Wert von 120 Millionen Euro in alle Welt exportiert. Es folgen Kanada (76 Mio. Euro), Polen (56 Mio. Euro) und das Vereinigte Königreich (24 Mio. Euro).
Lebkuchen haben eine lange Tradition und zählen zu den ältesten Backwaren Europas. Ihre Entstehung reicht bis ins Mittelalter zurück, als sie in Klöstern zunächst als haltbares, süßes Brot aus Honig, Nüssen und Gewürzen hergestellt wurden. Besonders in Deutschland – und hier vor allem in Städten wie Nürnberg und Aachen – entwickelten sich spezialisierte Bäckerhandwerke, die Lebkuchen verfeinerten und ihn seitdem in unterschiedlichen Formen und Varianten produzieren.
Kommentar
Wir hätten nicht vermutet, dass außer Deutschland überhaupt weitere Staaten in nennenswertem Maße Lebkuchen exportieren, und woher diese Tradition im angloamerikanisch-französischen Kanada stammt, wäre sicher einer Recherche wert. Hoffentlich wird der deutsche Exportüberschuss bei den Lebkuchen nicht als Inbegriff der „Beggar your neighbor“-Ideologie der Binnenwirtschaftsapologeten gebrandmarkt. Denn mit Lebkuchen möchte man doch Menschen beschenken. Besonders an Weihnachten. Einige Anmerkungen zur Grafik:
1.) Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland ist immer noch ziemlich hoch. Mehr als acht Normaltafeln Schokolade, umgerechnet, und fast zehn Tafeln Milka-Schokolade neuester Formatierung und Gewichtigkeit.
Das ist auch deshalb erstaunlich, weil der Schokoladenverbrauch zwar mit 12,8 Kilogramm pro Jahr und Kopf = 35 Gramm pro Tag, was auch unserem persönlichen Verbrauch in etwa entsprechen dürfte. Aber erst, seit Milka und andere es preislich so richtig haben krachen lassen. Danke dafür, das wird uns in Sachen Diabetes guttun.
Womit wir auch schon den Grund haben dürften, warum es in Sachen Lebkuchen diesen Einbruch gab: Er ist, wie oben erwähnt, hauptsächlich ein Schokoladenprodukt. Der Preisanstieg dürfte zwar nicht so stark gewesen sein wie bei Produkten, in denen anteilig noch mehr Kakao zu finden ist, aber auch die Rohstoffe für Backwaren aller Art sind ja erheblich teurer geworden. Sagen die Bäcker und ziehen beim Brot fast so an wie die Schokoladenmacher bei der Schokolade. 500 Gramm Bio-Vollkornbrot für fünf Euro, wie in Berlin häufig anzutreffen und was nicht den Spitzenpreis darstellt, das sind wahrhaft Schokoladenverhältnisse. Verhältnisse, wie sie bis etwa vor zwei Jahren üblich waren allerdings. Denn, siehe oben, auch die Schokolade stürmt ja gen Himmel, währen die Gehälter der Menschen in vergleichsweise überschaubarer Weise den Hügel aufwärts steigen, auf dem die Inflation bereits sitzt und grinsend sagt: „Ick bin all hier!“ Und dann haut sie ab und steigt schon den nächsthöheren Hügel hinauf, während das Gehalt der Arbeitenden erst mal verschnaufen, eine Pause einlegen muss, damit die Kapitalisten nicht etwa auch mal den super weiten Gürtel, den sie tragen, ein bisschen enger schnallen müssen.
Sie profitieren von den hohen Preisen, denn die Lebensmittelkonzerne haben es geschafft, aus der Krise Profit zu schlagen, was man gut an der Gewinnentwicklung des Milka-Eigner-Konzerns Mondelez ablesen kann. Wir haben darüber berichtet. Aber trifft das auch auf die Lebkuchenindustrie zu? Leider ist es nicht möglich, die Gewinnsituation zu ermitteln, da die meisten Hersteller immer noch unabhängig sind und nicht zu Konzernen gehören, die publikationspflichtig sind (sie sind keine Aktiengesellschaften). Es lassen sich aber aus den bekannten Zahlen einige Tendenzen ablesen:
Die deutsche Lebkuchenproduktion zeigt seit 2015 eine leicht rückläufige Menge, während der Produktionswert und die Preise deutlich gestiegen sind. Das bedeutet: Die Branche verkauft weniger Tonnen, erzielt aber durch höhere Preise stabile bis steigende Umsätze – die Gewinnsituation ist angespannt, aber nicht eingebrochen.
📊 Produktionsmenge (Lebkuchen, Honigkuchen, Printen)
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2015: ca. 92.000 Tonnen
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2018: rund 90.000 Tonnen
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2022: 87.600 Tonnen
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2023: 86.800 Tonnen (−1 % ggü. Vorjahr) Statistisches Bundesamt FFH.de
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2024: leicht unter Vorjahresniveau, genaue Zahl noch nicht veröffentlicht Statista
👉 Trend: Seit 2015 ein Rückgang von etwa 6 %, die Mengen stagnieren oder sinken leicht.
💶 Produktionswert (Umsatz)
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2015: ca. 950 Mio. €
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2018: ca. 1,05 Mrd. €
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2022: ca. 1,15 Mrd. €
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2023: ca. 1,2 Mrd. € Statista
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2024: stabil bis leicht steigend (geschätzt)
👉 Trend: Trotz sinkender Mengen steigt der Produktionswert – dank höherer Preise.
📈 Preisentwicklung
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2019–2024: Lebkuchenpreise stiegen um bis zu 50 %, besonders bei Schoko-Lebkuchen und Lebkuchenherzen zdfheute.de.
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2025: erneuter Anstieg um ca. 8 % gegenüber 2024, laut Bayerischem Landesamt für Statistik Lebensmittelpraxis.de.
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Haupttreiber: Kakao, Zucker, Mandeln, Energie.
👉 Trend: Preise steigen deutlich schneller als die Produktionsmenge sinkt.
|
Jahr |
Produktionsmenge (Tonnen) |
Produktionswert (Mrd. €) |
Preisentwicklung |
|---|---|---|---|
|
2015 |
~92.000 |
~0,95 |
Basisniveau |
|
2018 |
~90.000 |
~1,05 |
leicht gestiegen |
|
2022 |
87.600 |
~1,15 |
+30–40 % ggü. 2019 |
|
2023 |
86.800 |
~1,20 |
+50 % ggü. 2019 |
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2024 |
<86.800 (leicht sinkend) |
~1,20+ |
stabilisiert |
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2025 |
noch nicht veröffentlicht |
Prognose: stabil |
+8 % ggü. 2024 |
⚖️ Interpretation für die Gewinnsituation
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Kostensteigerungen (Energie, Rohstoffe) belasten die Margen.
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Preisanpassungen gleichen dies aus – große Hersteller können Kosten weitergeben, kleinere Betriebe geraten stärker unter Druck.
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Exportanteil: Rund ein Viertel der Produktion geht ins Ausland (v. a. Österreich, Polen, Frankreich) FFH.de wallstreet:online, was zusätzliche Einnahmen sichert.
👉 Fazit: Die Rendite ist enger geworden, aber die Branche bleibt profitabel. Die Gewinnsituation ist stabil, wenn auch weniger komfortabel als vor 2019.
Quellen:
Destatis – 86.800 Tonnen Lebkuchen 2023 produziert
FFH.de – Produktion und Exportzahlen 2023
Wallstreet-Online – Lebkuchenproduktion 2023
Statista – Produktionswert Lebkuchen bis 2024
Lebensmittelpraxis – Lebkuchenpreise 2025 +8 %
ZDFheute – Lebkuchenpreise bis +50 % seit 2019
Schlusskommentar
Die Prognose: Sie ist mit Unsicherheiten behaftet, denn wie die Kunden bei saisonalen Produkten auf Preissteigerungen reagieren, folgt nicht exakt dem Muster, das wir bei Milka sehen, eine teilweise Kaufverweigerung.
Wir glauben jedoch angesichts weiterer 8 Prozent Teuerung bei Lebkuchen nicht, dass der Stand von vor 2024 wieder erreicht wird, der Absatz also um etwa 7 Prozent anziehen wird. Wir glauben eher, dieses Land wird endlich zu gesundem Essen finden, weil für Leckereien einfach das Geld nicht mehr reicht.
Im persönlichen Umfeld isst niemand mehr als 836 Gramm Lebkuchen zu Weihnachten. Dabei waren doch einst die großen Truhen von E. Otto Schmidt aus Nürnberg ein Highlight zur Weihnachtszeit. Schon damals online bestellt, der Lebkuchen war das Vehikel unseres Aufbruchs in die Konsum-Neuzeit. Ein Scherz, alles ging über Bestellkarten, wie im gesamten Versandhandel, als die dicken Fische in diesem Abklingbecken der wildwüchsigen Konsumgefräßigkeit noch Quelle, Otto und Neckermann hießen, und nicht dieser übergewichtige Piranha aus Amazonien 80 Prozent des Beckens ausfüllte. Wie konnte es eigentlich passieren, dass alle diese Unternehmen es nicht geschafft haben, Amazon und anderen standzuhalten, obwohl für sie die Umstellung zur Online-Bestellung doch wirklich leicht und logisch hätte vonstattengehen müssen. Bestellen Sie mal bei Otto und dann bei Amazon das gleiche Produkt, dann wissen Sie es. Aber das vertiefen wir heute nicht weiter.
Ein bisschen Lebkuchen, 250 Gramm vielleicht, werden wir 2025 wohl auch verzehren, es sei denn, jemand schenkt uns mehr. Dabei fällt uns gerade ein, dass wir eine so hübsche Tüte mit Mürbekeksen bekommen haben, direkt von jenem Öko-Bauernhof im Berliner Umland, welcher zu dem Unternehmen gehört, für das wir arbeiten. Ein Weihnachtsgeschenk natürlich. Davon könnten wir ja mal … Oh ja, die sind wirklich lecker. Geht doch. Sogar ein paar Tage vor Weihnachten.
TH
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