Das „chinesische Manhattan-Projekt“ – ein Desaster für den Westen (Information, Analyse + Kommentar)

Briefing Geopolitik, Wirtschaft, Economy, China, USA, Europa, EUV-Technik, DUV-Technik, Chipherstellung, IT-Technologie, Wetbbewerb, Konkurrenz, Bündelung, Zusammenarbeit, Globalisierung, Demokratie und Diktatur

Die Vorweihnachtszeit bring langsam eine ruhigere Gangart in unserem Leben mit sich – und die Möglichkeit, uns wieder mehr mit den wichtigen Entwicklungen der Welt zu befassen, die nicht im Fokus der politischen Alltagsnachrichten in Deutschland stehen – aber die Gangart ist forsch und was vor sich geht, ist wichtiger als das tägliche Klein-Klein des hiesigen Politikbetriebs.

China hat sein eigenes „Manhattan-Projekt“. Im Westen wird es benannt nach dem amerikanischen geheimen Projekt zur Entwicklung der Atombombe im Zweiten Weltkrieg. In der Bezeichnung ist die extreme Wichtigkeit dieses Projekt dokumentiert, auf einem entscheidenden Konkurrenzfeld um die Zukunft der technologischen Führung verschieben sich gerade die Verhältnisse. Wir haben einen Reuters-Artikel zusammenfassen, analysieren und ergänzen lassen und kommentieren im Anschluss. Eigene Anmerkungen innerhalb der Analyse kennzeichnen wir mit *.

Exklusiv: Wie China sein ‚Manhattan-Projekt‘ aufgebaut hat, um mit dem Westen bei KI-Chips zu konkurrieren | Reuters


🔍 Chinas „Manhattan-Projekt“ für KI-Chips: Ein neues Kapitel im globalen Chipwettlauf

In einem streng gesicherten Labor in Shenzhen hat China nach Angaben von Reuters einen bedeutenden technologischen Durchbruch erzielt: Ein Prototyp einer extremen Ultraviolett-Lithographie-Maschine (EUV), die fortschrittliche Halbleiterchips herstellen kann, wurde Anfang 2025 fertiggestellt und getestet. Diese Maschinen gelten als zentrale Produktionswerkzeuge für neueste KI-Chipgenerationen, die in künstlicher Intelligenz, Smartphones und modernen Waffensystemen zum Einsatz kommen. (Reuters)

Dieser Schritt ist Teil eines geheim gehaltenen, über mehrere Jahre laufenden staatlich geförderten Programms, das von einigen Experten als Chinas eigenes „Manhattan Project“ bezeichnet wird — in Anlehnung an das US-Projekt zur Entwicklung der Atombombe im Zweiten Weltkrieg. Ziel ist es, die technologische Abhängigkeit vom Westen zu durchbrechen und eine vollständige eigene Chipfertigung aufzubauen. (Reuters)


🧠 Was ist EUV-Lithographie und warum ist sie wichtig?

Lithographie ist ein Herstellungsprozess, bei dem Schaltungen auf Siliziumwafer „geätzt“ werden, um Chips zu produzieren. EUV-Lithographie nutzt extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht (~13,5 Nanometer), um sehr feine Strukturen zu erzeugen — tausend Mal dünner als ein menschliches Haar. Diese Präzision ist entscheidend für moderne, leistungsfähige Chips wie jene, die KI-Modelle antreiben. (thejakartapost.com) *Die EUV-Technologie ist notwendig, um modernste 5-Nm-Chips herstellen zu können.

Bis heute haben nur einige wenige westliche Unternehmen diese Technologie kommerziell gemeistert — allen voran ASML aus den Niederlanden. ASML-Maschinen kosten oft mehrere hundert Millionen Dollar und sind für die Produktion modernster Chips unverzichtbar. (Investing.com)


🛠️ Wie China das geschafft hat

1. Reverse Engineering mit erfahrenen Ingenieuren

Nach Reuters-Berichten besteht das Team, das die Maschine entwickelte, aus ehemaligen ASML-Ingenieuren, die in China rekrutiert wurden. Einigen Quellen zufolge arbeiteten Experten sogar unter Alias-Namen innerhalb der Anlage, um die Geheimhaltung der Operation zu wahren. (Reddit)

Sie haben Aspekte der ASML-Technologie rückentwickelt (Reverse Engineering) und Komponenten aus älteren ASML-Geräten genutzt, die über den Sekundärmarkt beschafft wurden. Gleichzeitig wurden Teile von westlichen Zulieferern – etwa optische Komponenten von Nikon oder Canon – eingebaut. (Investing.com)

2. Staatliche Koordination und Huawei

Das Projekt wurde von hoher politischer Ebene unterstützt, koordiniert unter anderem über Huawei und staatliche Forschungseinrichtungen wie das Changchun Institute of Optics, Fine Mechanics and Physics (CIOMP). Es ist eines der Kernprojekte von Präsident Xi Jinping, der seit Jahren die Erreichung technologischer Unabhängigkeit als strategische Priorität propagiert. (Investing.com)


📈 Stand der Technologie

Der Prototyp ist nach Angaben der Quellen operativ und erzeugt erfolgreich EUV-Licht. Das ist ein bedeutender Meilenstein, da die Erzeugung und Steuerung solcher Strahlung technisch extrem anspruchsvoll ist. (Reuters)

Allerdings hat die Maschine noch keine funktionierenden Chips produziert. Experten weisen darauf hin, dass die Präzision der optischen Systeme, die die feinsten Strukturen auf dem Wafer erzeugen, weiterhin hinter dem Niveau der westlichen Firmen zurückbleibt. (thejakartapost.com)

Die chinesische Führung hat offiziell das Jahr 2028 als Ziel ausgegeben, um auf dieser Maschine funktionierende Chips herzustellen; manche Insider halten jedoch 2030 für realistischer. (thejakartapost.com)


🧪 Technische Hürden bleiben hoch

Trotz des Prototyps gibt es weiterhin zentrale technische Herausforderungen:

  • Optische Präzision: Westliche Hersteller wie Carl Zeiss liefern hochpräzise Spiegel und Linsen, die schwer zu reproduzieren sind. (Investing.com) *Im Bereich der Optik / Opto-Elektronik ist Deutschland vor allem durch Zeiss immer noch vorne dabei und der wichtigste Zulieferer der niederländischen ASML, die EUV-Anlagen baut.

  • Produktionsqualität und Ausbeute müssen verbessert werden, bevor kommerzielle Chipproduktion möglich ist.

  • Zulieferketten: Einige Schlüsselkomponenten unterliegen weiterhin Exportkontrollen durch die USA, EU und Japan.


🌍 Internationale Reaktionen

Die Entwicklung dieses Prototyps fiel in eine Zeit, in der der Westen seine Exportkontrollen für Spitzentechnologien verschärft hat, um Chinas Zugang zu fortschrittlichen Halbleitern zu erschweren. (arXiv)

Diese Kontrollen hatten zum Ziel, Chinas Fortschritt in Bereichen wie KI und militärischer Technologie zu verlangsamen; doch der neue Prototyp zeigt, dass staatlich geförderte Eigenentwicklung die Wirkung solcher Maßnahmen begrenzen kann.


📊 Verknüpfte Entwicklungen aus der Chipwelt

Andere Nachrichten aus der Branche zeigen parallele Trends:

  • Chinesische AI-Chipunternehmen wie MetaX Integrated Circuits erleben starke Börsenperformance und skalieren ihre Kapazitäten, auch wenn sie noch einen kleinen Marktanteil besitzen. (Reuters)

  • Westliche Firmen wie Nvidia sehen robuste Nachfrage aus China für ihre Chips, was zeigt, dass der Markt nicht einfach auf heimische Produktion umschaltet. (Reuters) *Das kann der chinesische Markt ja nicht, wenn die Technologie für die Produktion modernster Chips noch nicht zur Verfügung steht, aber nach Ansicht von Experten wird sich dies ändern, wenn die EUV-Maschinen sicher produzieren können.

  • Debatten in den USA über Subventionen und Sicherheit im Chipsektor halten an, da Technologieflüsse kritisch für nationale Interessen sind. (Reuters)


🌐 Westliche wirtschaftliche und geopolitische Bewertung

📉 Für den Westen potenziell problematisch

Wirtschaftlich könnte Chinas Fortschritt in der EUV-Technologie langfristig den Wettbewerb verschärfen. Westliche Firmen wie ASML, Nvidia oder TSMC haben jahrzehntelang eine technologische Führungsrolle innegehabt. Wenn China in der Lage ist, eigene extrem fortschrittliche Lithographiesysteme zu produzieren:

  • Preis- und Produktionsdruck auf westliche Anbieter könnte steigen.

  • Chinas Binnenmarkt für Chips könnte weniger abhängig von Importen werden — was die Exportmärkte schwächt.

  • Der globale Technologiestandard könnte sich zugunsten chinesischer Architekturen verschieben.

🔐 Geopolitisch verschärft es die Rivalität

Chinas Schritt bestätigt, dass Technologie ein zentraler Schauplatz der globalen Großmachtkonkurrenz ist. Chips sind nicht nur wirtschaftliche Güter, sondern Schlüssel für militärische und digitale Dominanz. China könnte:

  • Weniger anfällig für Sanktionen und Handelsdruck werden.

  • Eigene Standards und Ökosysteme etablieren, die den Einfluss westlicher Unternehmen und Regierungen reduzieren.

Gleichzeitig könnte der Westen seine Exportkontrollen verschärfen oder neue „Tech-Allianzen“ stärken, um gemeinsame Standards und Lieferketten zu schützen. Das wiederum könnte zu einer weiteren Fragmentierung der globalen Technologie-Welt führen.


🧾 Zusammenfassung: Wo stehen wir?

✔️ China hat einen EUV-Prototyp gebaut, der EUV-Licht erzeugen kann — ein bedeutender Fortschritt. (Reuters)
✔️ Die Maschine hat
noch keine funktionierenden Chips produziert, aber Ziele für 2028–2030 sind gesetzt. (thejakartapost.com)
✔️ Der Fortschritt erfolgte trotz jahrelanger
Westlicher Exportkontrollen und erheblicher technischer Hürden. (arXiv)
✔️ Wirtschaftlich und geopolitisch markiert dies einen Wendepunkt im
globalen Chipwettlauf.


Kommentar

Es muss nicht immer die Atombombe sein. Indirekt hat dieser Technologie-Clash ohnehin Folgen auch für die Fähigkeit, modernste Rüstungsgüter zu produzieren. Der Erfolg dieses chinesischen „Manhattan-Projekts“ stellt für den Westen, insbesondere für die USA und Europa, ein strategisches Desaster mit weitreichenden Folgen dar:

1. Das Scheitern der Sanktionspolitik Die Strategie der USA, China durch Technologie-Embargos kleinzuhalten, hat sich als Bumerang erwiesen. Anstatt Chinas Entwicklung zu stoppen, haben die Sanktionen als Katalysator gewirkt. Sie zwangen Peking dazu, das zu tun, was es unter normalen Marktbedingungen vermutlich nicht in dieser radikalen Form getan hätte: eine komplett eigene, vom Westen abgekoppelte Lieferkette aufzubauen. Man hat China unfreiwillig zur Autarkie gezwungen.

2. Verlust von Marktmacht und Einfluss Westliche Firmen wie Nvidia, Intel oder ASML verlieren langfristig ihren größten Absatzmarkt. Da China nun eigene Alternativen besitzt, verliert der Westen sein stärkstes Druckmittel. Die Hoffnung, China durch technologische Abhängigkeit geopolitisch einhegen zu können, ist Ende 2025 weitgehend verpufft.

3. Eine gespaltene Tech-Welt Wir sehen die endgültige Spaltung der Welt in zwei Technologie-Sphären („Splinternet“ auch auf Hardware-Ebene). Es wird künftig einen westlichen Standard und einen chinesischen Standard geben, die kaum noch kompatibel sind. Dies wird die Globalisierung weiter zurückdrehen und die Kosten für Technologie weltweit erhöhen.

4. Militärische Implikationen Da KI-Chips die Basis für moderne Waffensysteme, Cyberwarfare und Überwachung sind, bedeutet Chinas Erfolg, dass der Westen keinen automatischen technologischen Vorsprung im militärischen Bereich mehr garantieren kann. Das „Manhattan-Projekt“ war nie ein rein wirtschaftliches, sondern immer auch ein sicherheitspolitisches Unterfangen.

5. Der Westen wendet im geopolitischen Konkurrenzkampf wieder einmal die falsche Methodik an nämlich andere zu regulieren. Die richtige Vorgehensweise wäre es, die Demokratie so zu gesalten, dass sie bei ähnlicher technologischer Kapazität den Menschen auf der Welt mehr bietet. Mehr Freiheit, mehr Wohlstand, mehr Mitsprache und mehr Nachhaltigkeit. Das traut sich der Westen offenbar nicht zu und gibt somit jenen Recht, welche die Fähigkeit einer Diktatur, alle Kräfte zu bündeln anstatt den Wettbewerb zu pflegen, beeindruckender finden als die Demokratie. Das Manhattan-Projekt hatte seinerzeit gezeigt, dass auch westliche Länder bündelungsfähig sind.

6. Asiatische Länder, wenn sie keinen offiziellen Zugang zu Technologie erhalten, kopieren hemmungslos und ohne Wahrung von Urheberrechten und lassen sich dann, wie der Reuters-Artikel ebenfalls zeigt, Patente auf die vom Westen abgekupferten Ergebnisse ihrer Anstrengungen ausschreiben. Der Westen kann aber mangels Durchsetzungsmöglichkeit seiner Rechte dies nicht ohne Krieg sanktionieren. Deswegen wäre umso mehr konzertierte strategische Anstrengung notwendig, nebst einer Aufstellung, die Demokratien attraktiv erhält. Stattdessen entfremdet die Trump-Politik die USA im Rekordtempo von ihren europäischen Partnern.

7. Im Reuters-Artikel steht auch, dass nicht erst die Trump-Regierung China einhegen will, sondern bereits unter seinem Vorgänger Joe Biden Regulierungen erlassen wurden. Trumps kurzsichtige und zudem rüde vorgetragene Politik, welche die Staatslenker anderer Länder zu Gegenreaktionen aus Gründen der Gesichtswahrung zwingt, verschärft allerdings die Probleme erheblich. Wie die Einbindung europäischer Firmen in modernste Chipproduktion zeigt, verschafft er den USA durch seine Angriffe auf Europa einen strategischen Nachteil. Die USA werden es nur mit Europa gemeinsam schaffen, die weitere technologische Entwicklung wenigstens parallel zum 1,4-Milliarden-Volk der Chinesen und weiteren aufstrebenden Nationen mitzugestalten. America First bedeutet auf lange Sicht: Der Westen zuletzt. Der Westen wird verlieren.

Fazit: Die Hybris eines Hegemons, der nicht wenigstens im Ansatz noch gemeinschaftlich und Partnerschaft denkt, wird in einer multipolaren Welt, in der immer mehr Länder technologische Fähigkeiten entwickeln und der Westen auch bezüglich der Bevölkerungsentwicklung Anteile verliert, nicht funktionieren. Sollten die USA sich nicht darauf besinnen, dass es zusammen besser geht, muss Europa endlich eine eigenständige, mehr partnerschaftliche Strategie gegenüber der viel größeren übrigen Welt entwickeln, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Bedeutung ist für die meisten Menschen im Alltag eher abstrakt, aber die Bedeutungslosigkeit wird auch mit massiven Wohlstandsverlusten einhergehen, die wiederum vor allem die Mehrheitsbevölkerung treffen, nicht das Kapital, das sich weltweit immer dort engagieren kann, wo es gerade am besten läuft.

TH


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