Wo feiern wir Weihnachten und Silvester? (Statista + Kommentar)

Briefing Gesellschaft, Weihnachten, Silvester, zu Hause, Familie, Restaurant, Event, Zeit - Raum - Zwischenraum, Erwartungen und Wünsche, Tradition und Flucht

Klopf, klopf! Weihnachten steht vor der Tür und droht mit erzwungener Gemütlichkeit, wo doch sonst in der Familie das ganze Jahr über nur Stress herrscht.

Daraus kann man witzige Karikaturen machen, aber es ist natürlich auch ein Zerrbild, vielerorts dürfte der Frieden tatsächlich tief in den Menschen wohnen. Falls Sie einen solchen Ort kennen, schreiben Sie uns mal. Wenn die Mieten dort nicht zu teuer sind, kommen wir vielleicht zu Ihnen, denn was ist wichtiger als Ruhe und Gelassenheit, in diesen Zeiten? Im Grunde werden solche Tage, selbst wenn man sie nicht religiös fundiert begeht, immer wichtiger. Weil die Zeiten unsicherer werden, haben Zusammensein und Zusammenhalt eine hohe Bedeutung . Aber wo zelebrieren die Menschen  hierzulande diese Zeit? Dazu hat Statista eine Grafik angefertigt:

Infografik: Wo feiern die Deutschen Weihnachten und Silvester? | Statista

Statista-Begleittext

Wo feiern die Deutschen Weihnachten und Silvester? Dieser Frage ist Statista, wie jedes Jahr, im Feiertags-Special der Consumer Insights nachgegangen. Auch 2025 feiern die Menschen hierzulande bevorzugt in den eigenen vier Wänden – das gilt gleichermaßen für die Weihnachtstage als auch an Silvester. Die Zeit vom 24. bis zum 26. Dezember verbringen außerdem viele der Befragten bei Familienmitgliedern. An dritter Stelle folgen jeweils Besuche bei Freunden. Vergleichsweise niedrig ist dagegen der Anteil derjenigen, die am Jahresende ins Restaurant oder auf Partys gehen.

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Wie viel Lebkuchen verzehren die Menschen in Deutschland? (Statista + Recherche + Kommentar)

Kommentar: Zwischen Pflicht, Plätzchen und Prozentzahlen: Ein Blick auf deutsche Festtage

Es gibt Infografiken, die wirken wie ein freundlicher Hinweis des Universums, dass wir Menschen uns manchmal selbst überlisten. Die Statista-Grafik zu Weihnachten und Silvester gehört in diese Kategorie. Auf den ersten Blick sieht sie aus, als hätte jemand die Prozentzahlen mit einem Schneebesen verrührt: 60 % hier, 70 % da, 40 % dort oder so ähnlich — jedenfalls, am Ende ergibt alles zusammen deutlich mehr als 100. Ein mathematischer Weihnachtswunderbaum.

Aber es handelt sich nicht um einen Fehler. Es ist Deutschland.

Wir feiern nicht entweder zu Hause oder bei der Familie oder im Restaurant. Wir feiern überall. Und zwar nacheinander, parallel, überlappend, mit Übergangszeiten, die an Bahnfahrpläne erinnern. Weihnachten ist bei uns kein Ort, sondern ein Mehrstreckenbetrieb. Ein logistisches Großprojekt, das sich über mehrere Tage und mehrere Rollen erstreckt.

Ich kenne das gut. Früher war Weihnachten bei uns eine Art Mini-Festivaltournee: Zuhause, dann bei einem Teil der Familie, dann einem anderen, und irgendwo dazwischen ein Restaurantbesuch, der sich anfühlte wie ein kurzer Waffenstillstand zwischen den Fronten der Tradition. Alles natürlich an verschiedenen Tagen, inklusive Heiligabend, denn man will ja niemanden verprellen. Die Grafik zeigt also nicht nur, wo wir feiern, sondern sie zeigt, wie viele Menschen wir gleichzeitig sein müssen.

Und genau das macht sie so charmant. Sie verrät uns, ohne es zu sagen: Wir sind ein Land, das an Weihnachten versucht, allen gerecht zu werden — und sich selbst dabei gerne vergisst.

Warm wird es erst, wenn man sich eingesteht, dass diese Mehrfachfeierei nicht nur Pflicht ist, sondern auch ein bisschen Identität. Wir sind eine Bevölkerung der Zwischenräume: zwischen Wohnzimmern, zwischen Erwartungen, zwischen „Man macht das so“ und „Eigentlich wäre mir Ruhe lieber“.

Interessant ist auch, was die Grafik nicht zeigt. Zum Beispiel, wie viele Menschen eigentlich gerne nur zu Hause wären, aber trotzdem losfahren, weil man das eben so macht. Oder wie viele sich Weihnachten im Restaurant wünschen würden, aber sich nicht trauen, weil Oma das für einen kulturellen Angriff hält. Oder wie viele sich insgeheim fragen, ob man Weihnachten nicht einmal komplett ausfallen lassen könnte — rein experimentell.

Und dann Silvester. Nur wenige Tage später kippt die Stimmung. Weihnachten zieht uns nach innen, Silvester drängt uns nach außen. Die Grafik zeigt das ganz nüchtern, aber man kann es auch lyrischer sagen: Weihnachten ist das Fest der Herkunft, Silvester das Fest der Fluchtgeschwindigkeit. Einmal im Jahr dürfen wir laut sein, bevor wir wieder brav funktionieren.

Was mir an der Grafik fehlt, ist die Zeitachse. Ich würde gerne sehen, wie sich diese Balken über die Jahrzehnte verschoben haben. Ob die Wohnzimmer kleiner wurden und die Wege länger. Ob die Restaurants voller wurden, weil niemand mehr Lust hat, drei Tage lang Braten zu kochen. Ob Silvester immer mehr zum kollektiven „Ich muss mal raus“-Ritual geworden ist.

Aber vielleicht ist es gut, dass die Grafik nur diesen einen Moment zeigt. Sie erinnert uns daran, dass wir an den Feiertagen nicht nur feiern, sondern auch verhandeln: mit Traditionen, mit Erwartungen, mit uns selbst. Und manchmal ist die größte Weihnachtsruhe die Erlaubnis, einmal nicht überall sein zu müssen.

TH / mit KI überarbeitet und erweitert, Überarbeitung manuell redigiert


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