Warum ist die Identitätspolitik gescheitert? Eine KI-unterstützte Analyse mit Kommentierung

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Lassen wir kurz vor Weihnachten noch eine kleine Bombe platzen, die als Entwurf (Zünder nicht aktiviert) schon seit Wochen in unserem Lager herumliegt und sich langweilt? Gehen wir noch einmal ein Gesellschaftsthema an? Räumen wir noch ein bisschen auf oder sagen wir: Im nächsten Jahr kommt alles auf den Tisch? Wir haben uns, weil auch auf anderen Gebieten gerade Klarschiff machen, für Ersteres entschieden. 

Das Thema Identitätspolitik darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und eines möchten wir vorausschicken, damit keine Missverständnisse entstehen. Wir sehen den Begriff „woke“ in seiner ursprünglichen Bedeutung als etwas Positives an, die in etwa so gefasst werden kann: „Woke“ bezeichnete ursprünglich eine Haltung der wachsamen Aufmerksamkeit gegenüber sozialer Ungerechtigkeit — ein bewusstes, solidarisches und verantwortungsvolles Wahrnehmen von Diskriminierung, insbesondere rassistischer Unterdrückung, verbunden mit der Bereitschaft, sich dagegen einzusetzen. Damit war „woke“ kein ideologischer Marker, sondern ein ethischer Imperativ: Bleib wach. Sieh hin. Lass Ungerechtigkeit nicht unbemerkt.

Selbstverständlich gibt es gerade in Ländern wie den USA und Deutschland unzählige Menschen, die auch diese ursprüngliche Bedeutung schon mit Hass und Angst erfüllt hat: Ungerechtigkeit markieren? Rassismus markieren? Doch nicht mit uns, man wird das (was auch immer) doch mal sagen dürfen! Und so wurde die gesellschaftliche Debatte auch von der Seite derer, die achtsame Sprache als Quatsch ansehen, von vonherein mitvergiftet, nicht nur von jenen, mit denen wir uns im Anschluss beschäftigen wollen.  Deswegen sind wir im intentionalen Sinn auch woke. Was wir nicht sind, auch vor der Entstehung des Begriffs nicht waren: naiv. Wir sehen Probleme und benennen sie, denn ohne Benennung und Analyse keine Lösung. Damit stehen wir schon konträr zu vielen, die Probleme einfach wegreden wollen. Eine solidarische Gesellschaft, wie wir sie verstehen, die allseitig ist, muss aber gesellschaftliche Probleme lösen können, sonst ist sie zum Scheitern verurteilt. Wenn alles wieder Mist ist, werden auch noch diejenigen verantwortlich gemacht, die ehrlich versucht haben, es nicht so weit kommen zu lassen. Und wir befinden uns auf dem Weg in einen sozialen Misthaufen in diesem Land, daran besteht überhaupt kein Zweifel.

Damit genug der Vorab-Klarstellung, denn wir wollten dieses Mal danach forschen, warum aus Wachsamkeit Identitätspolitik wurde und warum diese gescheitert ist. Wir haben uns dabei intensiv mit einer KI unterhalten, an mehreren Fragestellungen entlang diesen Beitrag entwickelt.

In welcher Partei sind desintegrative Ansätze von Gesellschaftspolitik, die mit Wokeness verkleidet werden, verbunden mit Gruppenbashing wie „alte weiße Männer“ am weitesten verbreitet? Unter den Anhänger:innen vor allem.“

Warum haben wir gerade diesen Kampfbegriff (oft verwendet von jungen, absolut weißen Frauen) als Aufhänger verwendet? Wir werden es gleich sehen. Eigene Einschübe innerhalb der Analyse haben wir mit * gekennzeichnet.

Kurz gesagt – in der öffentlichen Wahrnehmung und in Milieustudien wird diese Art von Rhetorik am häufigsten dem progressiv-linken Spektrum zugeschrieben, insbesondere Teilen des Umfelds von Bündnis 90/Die Grünen, gefolgt von bestimmten urban-akademischen Strömungen im weiteren linken Vorfeld (Teile von SPD-Jungorganisationen, Aktivismus- und NGO-Milieus). Das bezieht sich vor allem auf Anhänger:innen und diskursive Subkulturen, deutlich weniger auf offizielle Parteiprogramme oder Mehrheitspositionen.

Einordnung und Begründung

  1. Begriffliche Nähe zu „Wokeness“
    Konzepte wie Identitätspolitik, Privilegienkritik, „kritisches Weißsein“ oder Intersektionalität sind historisch und diskursiv stärker im linken, besonders im grün-nahen Milieu verankert. Dort werden sie häufig als Instrumente sozialer Gerechtigkeit verstanden, können aber – in zugespitzter oder popularisierter Form – in moralische Abgrenzung umschlagen.
  2. „Alte weiße Männer“ als Chiffre
    Die Formel wird vor allem symbolisch gebraucht: nicht primär zur Beschreibung realer Personen, sondern als Platzhalter für
    • etablierte Machteliten,
    • traditionelle Autoritätsansprüche,
    • Blockaden von Reformen.

    Kritisch wird es dort, wo diese Chiffre nicht mehr strukturell, sondern personalisierend eingesetzt wird und ganze Gruppen pauschal abwertet. Diese Praxis ist im progressiv-aktivistischen Diskurs deutlich verbreiteter als in anderen politischen Lagern.

  3. Warum gerade dort?
    • Moralisch aufgeladene Politik: Ein stark normativer Politikstil („auf der richtigen Seite stehen“) begünstigt Freund-Feind-Dichotomien.
    • Soziale Medien & Aktivismus: Zuspitzung, Vereinfachung und Polarisierung werden belohnt.
    • Milieu-Homogenität: In akademisch-urbanen Kontexten fehlt oft der Korrektivkontakt zu den Gruppen, über die gesprochen wird.
  4. Wichtige Differenzierung
    • Nicht die Partei als Ganzes: Führende grüne Politiker:innen und Programme betonen regelmäßig Pluralismus, Zusammenhalt und Differenzierung.
    • Starke innerparteiliche Kritik: Gerade innerhalb der Grünen gibt es eine ausgeprägte Debatte über „moralischen Rigorismus“, „Cancel Culture“ und kommunikative Entfremdung.
    • Kein Alleinstellungsmerkmal: Auch andere Lager betreiben Gruppenbashing – dort allerdings eher nach unten (z. B. gegen Migrant:innen, Arbeitslose) statt nach oben oder symbolisch Mächtige. *Das möchten wir noch einmal betonen: Was wir oben schon beschrieben sehen, ist eine Reaktion auf das gewesen, was es schon viel länger gibt: rechte Übergriffe auf Minderheiten, rhetorisch und nicht selten tätlich, manchmal auch tödlich. Das beschriebene Milieu mag mittlerweile nichts mehr zur Progression des Diskurses beitragen, aber es bringt nicht hunderte von Menschen um, wie die Gegenseite (ca. ca. 200 von rechts politische motivierte Morde in Deutschland seit der Wende). Aber es geht auch ums gesamtgesellschaftliche Klima.

Vergleich zu anderen Parteien

  • AfD: Sehr stark disintegrativ, aber nicht „woke“, sondern identitär-nationalistisch; Gruppenbashing ist zentraler Bestandteil, richtet sich jedoch gegen andere Zielgruppen.
  • CDU/CSU: Tendenziell integrativ in der Sprache, Gruppenabwertung kommt vor, aber weniger moralisch codiert. *Die jetzige Bundesregierung, geführt von der Union ist die am stärksten spaltende, die es in dieser Republik jemals gab, und natürlich betreibt sie aktiv Gruppenbashing, fast gegen alle außer dem Kapital.
  • SPD: Uneinheitlich; in Teilen Anschluss an identitätspolitische Sprache, insgesamt pragmatischer.
  • Linke: In Teilen noch stärker identitätspolitisch als die Grünen, aber gesellschaftlich kleiner und weniger hegemonial. *Das wollen wir nicht pauschal bestätigen, es heißt ja auch „in Teilen“, aber Auswüchse einer aus dem Ruder gelaufenen Identitätspolitik haben wir dort durchaus wahrgenommen. Diese sogenannten Teile haben aber dazu beigetragen, dass wir uns politisch zurückgezogen haben. Wir haben hinter die Fassade geschaut und es hat uns nicht gefallen, was wir da entdeckten. Dazu weiter unten mehr.

Fazit

Wenn man „disintegrative Gesellschaftspolitik in progressiver, woke codierter Sprache“ meint, dann ist sie unter Anhänger:innen und Aktivismus-nahen Milieus der Grünen am sichtbarsten – nicht zwingend am extremsten, aber am kulturell einflussreichsten.
Das ist weniger Ausdruck bewusster Ausgrenzung als ein Nebenprodukt moralisch aufgeladener Identitätspolitik, die strukturelle Kritik manchmal in pauschale Zuschreibungen kippen lässt.

Wir schreiben schon seit Längerem darüber, wie die Grünen sich von ihren linken Wurzeln entfremdet haben, aber wir wollten es in Bezug auf die Identitätspolitik genauer wissen:

Im Grunde ist das doch kein linker Ansatz, denn dieser soll nach meinem Verständnis a.) solidarisch sein, auch klassenpolitisch orientiert, b.) in diesem Sinne aber universalistisch.“

Ja – nach klassischem wie auch nach vielen zeitgenössischen linken Selbstverständnissen haben Sie völlig recht.
Das, was heute oft als „woke“ oder identitätspolitisch zugespitzte Praxis kritisiert wird, steht in einem deutlichen Spannungsverhältnis – teils sogar im Widerspruch – zu zentralen linken Grundprinzipien.


1. Klassischer linker Ansatz: solidarisch und universalistisch

Historisch – von der Arbeiterbewegung über den Sozialstaat bis zu großen Teilen der Neuen Linken – war „links“ im Kern:

a) Solidarisch

  • Solidarität meint Queridentifikation: Man solidarisiert sich auch mit Menschen, die einem kulturell fremd, politisch unbequem oder biografisch unähnlich sind.
  • Klassenpolitik zielte gerade darauf ab, Trennlinien zu überwinden, nicht sie zu moralischen Grenzzäunen zu machen.
  • Die Figur des „Arbeiters“ oder der „Lohnabhängigen“ war inkludierend, nicht identitär – sie definierte eine soziale Lage, keine moralische Qualität.

b) Universalistisch

  • Gleichheit als allgemeiner Anspruch, nicht als Gruppenprivileg.
  • Rechte gelten für alle, nicht abgestuft nach Identitätsmerkmalen.
  • Unterdrückung wird als strukturelles Problem verstanden, nicht als Eigenschaft bestimmter Personengruppen.

In diesem Sinne war die Linke skeptisch gegenüber Kulturalisierung und Personalisierung von Macht.


2. Warum der heutige identitätspolitische Moralismus kein genuin linker Ansatz ist

Die von Ihnen kritisierte Praxis (z. B. „alte weiße Männer“) verletzt beide genannten Kriterien:

a) Anti-solidarisch

  • Gruppen werden pauschal moralisch markiert, nicht als Teil eines gemeinsamen gesellschaftlichen Konflikts verstanden.
  • Es entsteht eine Logik von Schuld statt gemeinsamer Interessen.
  • Solidarität wird konditional: Sie gilt nur, wenn jemand die „richtige“ Identität oder Haltung hat.

Das ist das Gegenteil klassischer Klassenpolitik, die gerade sagte:

„Du bist Teil des Problemsystems – also bist du Teil der Lösung.“

b) Anti-universalistisch

  • Statt allgemeiner Maßstäbe gelten kontextabhängige, identitätsbezogene Normen.
  • Moralische Autorität wird an Zugehörigkeit geknüpft („sprechberechtigt ist, wer…“).
  • Damit wird Gleichheit nicht mehr vorausgesetzt, sondern hierarchisiert.

Das ähnelt strukturell eher kommunitaristischen oder sogar essenzialistischen Denkweisen als linker Universalismus-Tradition.


3. Woher kommt dieser Bruch? (Ohne ihn „rechts“ zu nennen)

Wichtig ist:
Das ist nicht einfach „linke Politik, aber schlecht gemacht“, sondern eine Verschiebung der politischen Logik.

Drei Ursachen:

1. Rückzug der Klassenfrage

Mit dem Niedergang klassischer Arbeiterkulturen fehlte der Linken ein gemeinsamer Bezugspunkt.
Identität bot:

  • sofortige Moral, klare Fronten, emotionale Mobilisierung.

Aber: Identität ersetzt Interesse, und Moral ersetzt Politik.

2. Akademisierung und NGO-Logik

  • Diskurse entstehen in relativ homogenen Milieus.
  • Sprache wird distinktiv, nicht verbindend. *“Social class distinction by language“, hätte G. B. Shaw es genannt bzw. hat es so genannt.
  • Konflikte werden moralisch, nicht materiell ausgetragen.

Das ist elitäre Kulturpolitik, keine Massenpolitik.

3. Psychologisierung von Politik

  • Politik wird zur Frage von Anerkennung, Verletzung, Sichtbarkeit.
  • Strukturen treten hinter subjektives Erleben zurück.
  • Schuld und Reinheit ersetzen Analyse und Interessenausgleich.

Auch das ist untypisch für linke Traditionen, die auf Organisation, Machtverhältnisse und Umverteilung zielten.


4. Paradoxer Befund

Gerade dort, wo sich dieser Ansatz „links“ nennt, reproduziert er Denkfiguren, gegen die die Linke historisch gekämpft hat:

Klassisch links Identitätspolitisch-moralisch
Gemeinsame Lage Getrennte Identitäten
Strukturkritik Zuschreibung
Solidarität trotz Differenz Solidarität nur bei Konformität
Universalismus Partikularismus
Politik Moral

Deshalb lehnen viele Linke diesen Ansatz explizit ab – von Sahra Wagenknecht (aus anderer Richtung) über Teile der Gewerkschaften bis zu linken Universalist:innen wie Didier Eribon (ambivalent), Nancy Fraser oder Adolph Reed Jr.

*Hier muss ein Einschub sein: Dass Sahra Wagenknecht Identitätspolitik aus einem linken Verständnis heraus ablehnt, wagen wir zu bezweifeln (vielleicht ist „aus anderer Richtung“ aber auch schon der angedeutete Zweifel). Das hat aber auch damit zu tun, dass unser Ansatz nicht altkommunistisch oder gar stalinistisch ist und wir diesen wiederum nicht für links halten. Wir sind nicht für Gleichmacherei in einer Diktatur wie der russischen, sondern für einen demokratischen Sozialismus. Er kann, durchaus konform mit Marx übrigens, die Unterschiede und die Vielfalt, die wir haben, integrativ und inklusiv betrachten.


5. Fazit

Was Sie beschreiben, ist im Kern kein linker Ansatz, sondern ein post-linker, moralisch-identitärer, der sich linker Symbolik bedient, aber

  • Solidarität fragmentiert, Universalismus aufgibt, und Gesellschaft eher desintegriert als politisiert.

Dass er dennoch im progressiven Spektrum verortet wird, liegt weniger an seiner inhaltlichen Logik als an seinem kulturellen Herkunftsmilieu.

An dieser Stelle haben wir bewusst einen ziemlich giftigen Zwischenkommentar gestrichen, der auch auf persönlichen Triggern basierte, es ergibt sich im Grunde alles aus der Analyse, was darin stand. Als fahren wir fort. Die folged ausgeführte Idee kam gar nicht von uns, sondern ist in der Tat ein Ki-Vorschlag: Warum ist Identitätspolitik (langfristig) selbstschädigend (wenn sie die Balance verliert)?

Lesen wir, was dabei herausgekommen ist:

Das Paradoxon aus politischem Erfolg und gleichzeitiger Selbstschädigung ist tatsächlich einer der spannendsten Punkte der aktuellen Gesellschaftspolitik. Ich versuche, das analytisch klar und ohne Polemik zu entfalten.


1. Warum dieser Ansatz politisch erfolgreich ist

1.1 Niedrige Eintrittskosten, hohe Mobilisierung

Identitätspolitisch-moralische Ansätze haben einen entscheidenden Vorteil:
Sie benötigen keine komplexen ökonomischen Analysen, keine Organisation, keine langfristige Strategie.

  • Es reicht, Ungerechtigkeit zu benennen, nicht sie strukturell zu lösen.
  • Moralische Empörung ist sofort verfügbar.
  • Zugehörigkeit entsteht durch Sprache, Haltung, Symbolik – nicht durch kollektive Praxis.

Das ist politisch attraktiv in fragmentierten Gesellschaften, in denen klassische Massenorganisationen fehlen.

*Natürlich mussten wir über den Absatz Schmunzeln, in dem indirekt die Analysefähigkeit weiter Teile des „Milieus“ infrage gestellt wird. Unsere Beobachtung seit Langem ist genau dies. Das bedeutet aber auch, dass dieses Milieu nichtr problemlösungsfähig im Sinne gesellschaftlicher Verbesserungen für alle, nicht nur für die Angehörigen des eigenen Milieus ist. Nun könnte man sagen, das war im Klassenkampf schon genauso, es stimmt aber nicht. Damals ging es um zentrale soziale Verbesserungen für die Mehrheit, Identitätspolitik-Apologeten hingegen versuchen, die Mehrheit auszuschließen, und das ist eine Frage nicht der Ermächtigung und der Selbstermächtigung gegenbüer einer ökonomisch überlegenen Klasse, wie in der Arbeiterbewegung, sondern im Wesentlichen Treten nach unten seitens jener, die glauben, aus dieser Klasse in einen erleuchteten Mittelstand aufgestiegen zu sein  und mit dieser Klasse nichts mehr zu tun zu haben. Gerade dieses extreme Abgrenzungsdenken zeigt aber, dass das nicht stimmt: in ihm offenbart sich ein Mangel an Distanz, Analyse, Menschenfreundlichkeit, alles dies zusammen.


1.2 Anschlussfähigkeit an Medienlogik

Der Ansatz passt nahezu perfekt zu moderner Medienökonomie:

  • Zuspitzung statt Kompromiss
  • Personalisierung statt Struktur
  • Skandal statt Prozess

Begriffe wie „alte weiße Männer“ oder „toxische Männlichkeit“ sind:

  • leicht verständlich, emotional aufgeladen, konfliktfähig.

Sie erzeugen Reichweite – und Reichweite wird oft mit Wirksamkeit verwechselt. *Auch wegen der Reichweiten in der eigenen Blase ist einigen Identitätspolitiker:innen nicht aufgefallen, mit welcher Wucht sich die Gegenbewegung formiert. Wir, die vor allem an Gerechtigkeit und Demokratie interessiert sind, dürfen nun die Scherben dieses Verhaltens mit aufsammeln, sofern das bei diesem riesigen Scherbenhaufen noch möglich ist. Auc hier, wohlverstanden: Die rechten Bewegungen nur als Reaktion auf die Identitätspolitik zu reduzieren, wäre genau das, was wir gerade dem „Milieu“ zugeschrieben haben. Mangelhafte Grundierung und Analyse. Es gibt viele Gründe für diesen Trend, wir beschäftigen uns, das ist uns sehr bewusst, mit einem davon, der gerne vorgeschoben wird, wenn es darum geht, die eigene reaktionäre Haltung und den eigenen Rassismus salonfähiger zu machen. Und natürlich haben wir gerade eine gruppenweise Zuschreibung, eine Kategorisierung anhand bestimmter Eigenschaften von Menschen vorgenommen. Aber weiter im Text:


1.3 Moralische Überlegenheit als Machtressource

In Abwesenheit materieller Macht wird moralische Autorität zur zentralen Währung.

  • Wer definiert, was als verletzend gilt, setzt die Regeln.
  • Wer Opferstatus beanspruchen kann, erhält Deutungsmacht.
  • Widerspruch lässt sich als moralisches Defizit delegitimieren.

Das ist effektiv, weil es Konflikte verkürzt: Man muss nicht überzeugen, nur entlarven.


1.4 Elitenkompatibilität

Paradoxerweise ist der Ansatz anschlussfähig an bestehende Machtstrukturen:

  • Unternehmen können Diversitätskampagnen fahren, ohne Eigentumsverhältnisse anzutasten. *Und ohne ihre Mitarbeitenden wirklich besserzustellen und eine gerechtere Verteilung der Erträge vorzunehmen. Wir mögen den CSD, wir waren auf der 2025er Parade in Berlin. Aber uns war unwohl dabei, zu sehen, welche Art von Unternehmen sich das Diversitätslogo aufpappen. Das werden die ersten sein, die davon nichts mehr gewusst haben wollen, wenn der Wind sich endgültig gedreht haben wollte, die ihre Mitarbeiter jetzt schon schlecht bezahlen und mit Rechten an der Untergrenze des gesetzlich Zulässigen ausstatten (sofern wenigstens diese Grenzen tatsächlich eingehalten werden), das tun sie jetzt schon. Mithin: Ausbeuter werden nicht kritisiert, solange sie Diversität im Sinne der LGBTI*-Bewegung verkaufen.
  • Politik kann symbolisch handeln, ohne umzuverteilen. *Die Essenz aus der obigen Beifügung.
  • Institutionen können moralisch modern erscheinen, ohne sich zu verändern.

Deshalb wird diese Politik nicht massiv bekämpft, sondern oft gefördert. *Warum sind wohl die Neoliberalen so auffalend diversitätsorientiert? Weil sie wissen, dass man mit ausufernder Identitätspolitik die Klassenfrage zerschießen kann.


2. Warum derselbe Ansatz selbstschädigend ist

2.1 Verlust der Mehrheitsfähigkeit

Sobald Politik moralisch codiert wird, entsteht eine klare Grenze zwischen

  • den „Aufgeklärten“
  • und den „Zurückgebliebenen“.

Das Problem:

  • Die Mehrheit der Gesellschaft erkennt sich nicht positiv in dieser Ansprache wieder.
  • Viele fühlen sich nicht eingeladen, sondern adressiert wie ein Problem.

Politik, die belehren statt organisieren will, verliert die Mitte.


2.2 Entsolidarisierung der Klassenfrage

Wenn gesellschaftliche Konflikte entlang von Identität statt entlang von materiellen Interessen verhandelt werden:

  • verlieren gemeinsame Kämpfe an Sichtbarkeit,
  • werden soziale Gegensätze kulturell überdeckt,
  • profitieren am Ende jene, deren Macht nicht thematisiert wird.

Das Ergebnis ist eine paradoxe Situation:

Die Sprache ist links, die Wirkung ist konservierend.


2.3 Umkehr der Opfer-Täter-Logik

Durch pauschale Zuschreibungen entsteht eine moralische Kollektivschuld:

  • „alte weiße Männer“, „privilegierte Mehrheiten“,  „strukturelle Täter“.

Das erzeugt:

  • Trotz, Abwehr, Gegenidentitäten.

Rechte Akteure nutzen das gezielt:

„Seht ihr – sie hassen euch.“

Damit wird identitätspolitische Rhetorik zum besten Mobilisierungsinstrument der Rechten. *Wir haben oben schon erwähnt, dass das nicht alles ist und dass Identitätspolitik auch ein vorgeschobenes Argument ist, aber man kann es vorschieben, und dies ist zu bedenken.


2.4 Zerstörung innerlinker Debattenkultur

Moralismus ist debattentötend:

  • Wer widerspricht, gilt nicht als falsch argumentierend, sondern als ethisch problematisch.
  • Fehler werden nicht korrigiert, sondern sanktioniert.
  • Selbstkritik wird riskant.

Langfristig führt das zu:

  • Dogmatisierung, Abwanderung pragmatischer Akteur:innen, intellektueller Verarmung.* Wir haben der KI nicht erzählt, dass wir genau aus dem Grund aus einer politischen Partei abgewandert sind – nicht ausschließlich, auch die entgegengesetzte Dogmatik war uns nicht integrativ genug.

Bewegungen, die nicht widersprechen können, verlernen Politik.


3. Warum der Ansatz sich trotzdem hält

3.1 Kurzfristiger Nutzen schlägt langfristige Kosten

  • Er bringt Aufmerksamkeit.
  • Er erzeugt Loyalität innerhalb der eigenen Blase.
  • Er vermittelt Handlungsfähigkeit.

Die Schäden entstehen zeitverzögert:

  • Wahlverluste, gesellschaftliche Polarisierung, Vertrauensverlust.

Politische Akteur:innen reagieren oft erst, wenn es zu spät ist.


3.2 Moral ersetzt Erfolgskriterien

Wenn Politik primär moralisch bewertet wird, gilt:

  • „Wir hatten recht“ wichtiger als „Wir haben gewonnen“.
  • Haltung ersetzt Wirkung.

Das erlaubt es, Niederlagen als moralische Siege umzudeuten – ein gefährlicher Selbstbetrug.


4. Der tiefere Widerspruch

Der vielleicht zentrale Punkt:

Der Ansatz ist erfolgreich, weil er konfliktfähig ist –
und selbstschädigend, weil er nicht integrationsfähig ist.

Er erzeugt Bewegung, aber keine Richtung. Er schafft Identität, aber keine Mehrheit. Er benennt Probleme, aber organisiert keine Lösung. *Und er basht diejenigen, die andere Formen von Problemen benennen, sodass schon auf der Ebene keine Progression entstehen kann. s. o.


5. Schlussgedanke

In klassisch linker Perspektive wäre Politik:

  • konfliktorientiert und verbindend,
  • kritisch und universalistisch,
  • moralisch motiviert und materiell wirksam.

Identitätspolitischer Moralismus hat diese Balance verloren.

Deshalb ist er so sichtbar –
und deshalb ist er langfristig politisch destruktiv, gerade für das progressive Lager selbst.

Zwischenkommentar

Wir können nichts dafür, dass die KI hier komplett auf unserer Linie liegt. Die Linie bestand lange, bevor KI Allgemeingebrauch wurde und bevor der Begriff  „woke“ zum Kampfbegriff der Rechten wurde. Und sie wusste auch nicht, dass wir im vorherigen Kommentar schon ein paar Dinge angesprochen hatten, die sie dann im hier vorausgehenden Teil benannt hat. Wir hatten den Kommentar nicht weitergegeben. Zum Beispiel „Identitätspolitik als Machtmaschine“ (m. a. W.), das hat die KI nicht von uns.

Ja, was muss man groß analysieren oder gar eine Strategie haben, wenn man sich echauffieren und andere klein machen kann? Identitätspolitik ist genau richtig für Menschen, die eigentlich ziemlich simpel gestrickt sind, aber gerne groß auftrumpfen und viel Macht haben wollen mit wenig Rüstzeug. Darüber sind in den letzten Jahren auch einige grüne Spitzenpolitiker gestolpert. Hoffentlich macht es die neue Generation besser, denn die Linke braucht für künftige strategische Unternehmungen jenseits des rechten Spektrums Partner, auch wenn diese nicht wirklich links sind. Hauptsache, sie können konstruktiv nach vorne arbeiten.

Dass Deutschland insgesamt keine Vision und keine Zukunftsstrategie hat, liegt eben auch daran, dass der grüne Teil während der Zeit seiner Diskussionsführerschaft keine Vision und keine Strategie fürs ganze Land entworfen hat, sondern diesen Organismus sogar ablehnt, in einem Maße, der weit über eine anti-nationalistische  Haltung hinausgeht. Mittlerweile tut sich z. B. im Bereich von Krieg und Frieden und Außenpolitik im Ganzen ein ideologischer Krater  nach dem anderen bei den Grünen auf, aber das musste so kommen, wenn die Zeiten sich ändern, weil sie auf einem wackeligen ideologischen Fundament stehen.

Man muss es leider festhalten. Identitätspolitiker:innen der harten Sorte wirken kollusiv mit jenen Konservativen zusammen, die „Rückwärts ist das neue Vorwärts“ tröten und damit nun auch die Meinungsführerschaft übernommen haben. Das wäre so nicht möglich gewesen, wiewohl, siehe oben, das neue Rechts mehrere Gründe hat, wenn zuvor tatsächlich progressive, verbindende Politik gemacht worden wäre. Ein weiterer Grund, um die Identitätspolitiker ein wenig zu entlasten: der negative Einfluss des viele Jahre lang dominierenden Politikstils von Menschen wie Angela Merkel, die den Diskurs in der Mitte fast vollständig demobilisiert hat. Dadurch ist viel Platz für extreme Ansichten freigeworden, die alle nicht weiterführend sind. Aber was was könnte weiterführen – fragen wir, damit wir nicht den gleichen Fehler machen wie andere, die nur kritisieren?  Müssen wir das wirklich noch aufschreiben? Es geht aus dem obigen Text klar hervor. Und eines sehen Sie bitte mit einem Augenzwinkern: Die Bombe. Uns ist die Begrenztheit der Wirkung von allem, was wir tun, sehr klar. Das macht es jedoch inhaltlich nicht weniger relevant. Und sollte uns wegen dieses Beitrags jemand entfolgen (wir wissen ebenfalls, dass manchmal Kommentare nur aufgrund der Titel geschrieben werden, Lesen und damit die Analyse überhaupt erst ermöglichen ist nicht jedermanns Sache – also, wer das tut, beweist damit auch, dass er Diskurs jenseits der Blasenlogik nicht kann).

TH


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