Thüringen im Januar: Noch davongekommen | Briefing 419 Update 2 | PPP Politik Personen Parteien DiG Demokratie in Gefahr

Briefing 419 UP 2 Thüringen, Kommunalwahlen, Landratswahlen, Saale-Orla-Kreis, CDU, AfD

Wir setzen unsere AfD-Berichterstattung heute mit dem 2. Update des Briefings 419 fort, untenstehend des  Update 1 und der Ausgangsartikel, in dem wiederum die Beiträge der vorherigen Serie Briefing 408 verlinkt sind.

Großes Aufatmen in Thüringen. Ein zweiter AfD-landrat wurde verhindert. Wir haben eine Nachricht dazu vom Bing-Copiloten zusammenfassen lassen.

Thüringen steht auf! Wie so viele Menschen in so vielen Bundesländern und Städten. Aber ist es auch die Mehrheit, im Sinne von #WirSindMehr? Treten wir einmal einen Schritt zurück. Nicht weniger als 47,6 Prozent der Menschen im Saale-Orla-Kreis wollten einen AfD-Mann auf den Landratsposten hieven, obwohl die AfD in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch gilt und obwohl mit Björn Höcke dort der Rechtsaußen dieser rechten Partei den Vorsitz des Landesverbandes innehat und gerne nach der Septemberwahl 2024 den Ministerpräsidentenposten für sich hätte. Das ist derselbe Mann, der, gerichtlich abgesichert, als Nazi bezeichnet werden darf.

Wir haben nun nicht das Programm und die persönliche Statur der Herrn Thurm und Herrgott miteinander verglichen, wir wollen ja einen etwas größeren Bogen schlagen. Aber dass ein vermutlich ziemlich konservativer CDU-Mann (Christian Herrgott – Wikipedia)  tatsächlich das gesamte demokratische Spektrum hinter sich vereinen kann, nur um einen AfD-Mann zu verhindern, das ist für uns ein alles andere als befriedigender Sieg der Demokratie. Das ist eine Abwehr großer Gefahr mit Hängen und Würgen und wir sind uns ziemlich sicher, dass es auch wieder Wahlen auf kommunaler Ebene mit Mehrheiten für AfD-Kandidat:innen geben wird. Außerdem kann es der Demokratie nicht guttun, wenn sich von den Grünen über die SPD und die FDP bis zur Linken alle hinter die CDU stellen müssen, bloß, um die AfD noch irgendwie in Grenzen zu halten. Das wirkt nicht progressiv, nicht offensiv, sondern wie die Defensivschlacht einer Demokratie in Not, einer Demokratie auf dem Rückzug.

Deshalb und wegen immer neuer Informationen und Entwicklungen, die das bestätigen, muss nun dringend verfassungsrechtlich und auf Bundesebene gegen die AfD vorgegangen werden. Auch der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke hat dabei schon eine eigene Petition gegen sich, die auf die Erklärung der Grundrechtsverwirkung nach  Art. 18 GG gegen ihn zielt. Es ist mit über 1,6 Millionen Unterszeichner:innen die aktuell größte Petition gegen die AfD, noch vor der größeren von beiden auf ein Gesamtverbot gerichteten Petitionen mit 800.000 Unterschriften.

In diesen Gegenden, über die wir hier schreiben, wird es die Demokratie vermutlich nicht alleine dadurch schaffen, uns erhalten zu bleiben, dass rechtschaffene Menschen auf die Straße gehen und dass es doch noch gerade so eine knappe Mehrheit für einen CDU-Landrat gibt. Sicher ist es schön, dass das Ergebnis gegenüber dem ersten Wahlgang noch „gedreht“ werden konnte, dass zusätzliche Wähler:innen in die Wahlkabinen gegangen sind, aber wir haben durchaus ein Problem damit, dass fast 48 Prozent der Wähler:innen dort in voller Kenntnis der Gefährlichkeit gerade der Thüringer AfD einem von deren Leuten ihre Stimmen gegeben haben. Wir müssen nun auch die Menschen unterstützen, die diesen erneuten Sündenfall auf Kommunalebene noch gerade verhindert haben, indem wir uns für die juristische Schiene stark machen, wenn es um die Erhaltung der Brandmauer geht.

Für uns belegt der Fall „Saale-Orla-Kreis“ nicht, dass es auch ohne Schutz der Verfassung durch das Verfassungsgericht selbst geht, weil die Demokratie noch einmal knapp, vorläufig und mit einigen Fragezeichen behaftet gesiegt hat, sondern das Gegenteil. Das war viel zu knapp, um bezüglich der Erhaltung der Demokratie ruhig schlafen zu können.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung als „Timeline“-Artikel im Juni 2024. Die Europawahl ist gelaufen, die AfD hat zugelegt, die Kommunalwahlen in Thüringen sind ebenfalls abgeschlossen, auch bei ihnen spielte der Saale-Orla-Kreis wieder eine besondere Rolle:

Die Kommunalwahlen in Thüringen am 26. Mai 2024 waren ein gemischtes Ergebnis für die AfD. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

AfD-Ergebnisse

  • In einigen Regionen konnte die AfD große Gewinne verzeichnen, in anderen blieb sie hinter den Erwartungen zurück.
  • 9 Kandidaten der rechtsextremen Thüringer AfD zogen in die Stichwahl um Landratsämter ein, darunter der Neonazi Tommy Frenck für sein „Bündnis Zukunft Hildburghausen“.
  • In 9 von 22 Kreis- und Stadträten stellt die AfD nun die größte Fraktion, in 10 die zweitgrößte.

Die AfD wurde mit 25,8% nach der CDU (27,2%) zweitstärkste Kraft in den kommunalen Parlamenten.

AfD-Hochburgen in Thüringen

  • Im Landkreis Hildburghausen wurde die AfD-nahe Liste „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ mit dem Neonazi Tommy Frenck als Spitzenkandidat laut vorläufigen Ergebnissen stärkste Kraft. Die AfD selbst landete knapp dahinter auf Platz 2.
  • In 9 von 22 Kreis- und Stadträten stellt die AfD nun die größte Fraktion, darunter vermutlich die Kreise Hildburghausen und Sonneberg.
  • Landesweit wurde die AfD mit 25,8% nach der CDU (27,2%) zweitstärkste Kraft in den kommunalen Parlamenten. In 9 Landkreisen lag sie sogar vor der CDU.

AfD, Europawahlen

  • Im Saale-Orla-Kreis erzielte die AfD mit 37,6% ihr zweitbestes Ergebnis in Thüringen (Europawahl).
  • Im Landkreis Sonneberg kam die AfD auf 38,4% (Europawahl) und lag damit nur knapp hinter ihrer Hochburg Görlitz (Sachsen) mit über 40%.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass die AfD in ländlichen Regionen Südthüringens wie Hildburghausen, Sonneberg und Saale-Orla ihre stärksten Hochburgen hat. In einigen dieser Kreise konnte sie sogar stärkste Kraft werden.

Andere Ergebnisse

  • Die Regierungsparteien im Bund und Land verzeichneten flächendeckende Verluste.
  • Die CDU konnte ihre Stellung als stärkste kommunale Kraft in Thüringen verteidigen, wurde aber in einigen Landkreisen von der AfD überholt.
  • Die Wahlbeteiligung lag bei 62,7% und damit höher als 2019 (60,3%).

Einordnung

Die Normalisierung und Etablierung der AfD in Thüringen hat sich fortgesetzt, auch wenn sie manche Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte. Wo die AfD stark in Kreistagen vertreten ist, könnte die Zivilgesellschaft stärker unter Druck geraten. Die Skandale der AfD haben ihr offenbar nicht geschadet. Die Stichwahlen und Landratswahlen waren entscheidend für das Ausmaß des AfD-Erfolgs, es hätte also noch schlimmer kommen können, denn die Stichwahlen gingen der AfD alle verloren. So unterschiedlich sie auch ticken, die übrigen Wähler hatten  sich hinter der AfD-Konkurrenz versammelt.

TH

Hinterlasse einen Kommentar